Benedikt XVI.: „Erneuerung der Kirche nur durch Umkehr“

Papst Benedikt XVI., rund 100.000 Gläubige und strahlender Sonnenschein. Am letzten Tag seines viertägigen Besuchs in Deutschland hat der Papst an diesem Sonntag die Heilige Messe am Flughafengelände in Freiburg gefeiert. Seit den frühen Morgenstunden haben viele Pilger stundenlange Märsche auf sich genommen, um zusammen mit dem Papst den Gottesdienst zu feiern. Einige haben sogar in Schlafsäcken die Nacht im Freien verbracht, um die besten Plätze zu ergattern. Musikalisch hat ein Chor, bestehend aus 450 Sängerinnen und Sängern, die Messe begleitet. Alex Kofler mit den Eindrücken der Messfeier:

In seiner Predigt in Freiburg bemerkte Papst Benedikt, einige Theologen von heute hielten Gott nicht für allmächtig, und sie verwiesen dabei auf „alles Schreckliche, was in der Welt geschieht".

„Demgegenüber bekennen wir uns zu Gott, dem Allmächtigen, dem Schöpfer des Himmels und der Erde. Wir sind froh und dankbar, daß er allmächtig ist. Aber wir müssen zugleich uns bewußt werden, daß er seine Macht anders ausübt, als Menschen es zu tun pflegen. Er hat seiner Macht selbst eine Grenze gesetzt, indem er die Freiheit seiner Geschöpfe anerkennt."

Man könne zwar manchmal „erschrecken", wenn man sehe, wie der Mensch seine Freiheit missbrauche, doch eigentlich sollte man „froh und dankbar für die Gabe der Freiheit" sein, meinte der Papst. Gott achte unsere Freiheit, „er zwingt uns nicht". Benedikt riet: „Trauen wir Gott, dessen Macht sich vor allem im Erbarmen und Verzeihen zeigt!" Die Menschen heute sollten sich öffnen für Gott – auch und gerade die Christen sollten das tun. Denn:

„Nicht auf das Reden, sondern auf das Tun kommt es an, auf die Taten der Umkehr und des Glaubens… Agnostiker, die von der Frage nach Gott umgetrieben werden; Menschen, die unter unserer Sünde leiden und Sehnsucht nach dem reinen Herzen haben, sind näher am Reich Gottes als kirchliche Routiniers, die in ihr nur noch den Apparat sehen, ohne dass ihr Herz vom Glauben berührt wäre!"

Das bedeute aber nicht, „dass nun alle, die in der Kirche leben und für sie arbeiten, eher als fern von Jesus und Gottes Reich einzustufen wären", so der Papst beschwichtigend. „Ganz und gar nicht!"

„Nein, dies ist vielmehr der Augenblick, um den vielen haupt- und nebenamtlichen Mitarbeitern, ohne die das Leben in den Pfarreien und in der Kirche als ganzer nicht denkbar wäre, ein Wort sehr herzlichen Dankes zu sagen."

Sie sollten sich bei ihrem Einsatz nicht nur um ihre „sachliche und berufliche Kompetenz" kümmern, sondern vor allem um ein „offenes Herz, das sich von der Liebe Christi treffen lässt und so dem Nächsten, der unser bedarf, mehr gibt als technischen Service".

„Fragen wir uns dann: Wie steht es mit meiner persönlichen Gottesbeziehung – im Gebet, in der sonntäglichen Meßfeier, in der Vertiefung des Glaubens durch die Betrachtung der Heiligen Schrift und das Studium des Katechismus der Katholischen Kirche? Liebe Freunde! Die Erneuerung der Kirche kann letztlich nur durch die Bereitschaft zur Umkehr und durch einen erneuerten Glauben kommen."

Dazu gehöre auch die Demut, die Christus selbst durch seinen Gehorsam dem Vater gegenüber an den Tag gelegt habe. Christliches Leben müsse „stets neu an Christus Maß nehmen", rief Benedikt XVI.. Demut stehe heute zwar „nicht hoch im Kurs", aber schon die Jünger Jesu hätten gewußt, dass sie „gleichsam das Öl ist, das Gesprächsprozesse fruchtbar, Zusammenarbeit einfach und Einheit herzlich macht".

„Die Kirche in Deutschland wird die großen Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft bestehen und Sauerteig in der Gesellschaft bleiben, wenn Priester, Gottgeweihte und christgläubige Laien in Treue zur jeweils spezifischen Berufung in Einheit zusammenarbeiten; wenn Pfarreien, Gemeinschaften und Bewegungen sich gegenseitig stützen und bereichern; wenn die Getauften und Gefirmten die Fackel des unverfälschten Glaubens in Einheit mit dem Bischof hochhalten und ihr reiches Wissen und Können davon erleuchten lassen. Die Kirche in Deutschland wird für die weltweite katholische Gemeinschaft weiterhin ein Segen sein, wenn sie treu mit den Nachfolgern des heiligen Petrus und der Apostel verbunden bleibt, die Zusammenarbeit mit den Missionsländern in vielfältiger Weise pflegt und sich dabei auch von der Glaubensfreude der jungen Kirchen anstecken läßt." (rv)

„Klartext-Reise“: Kommentar von P. Bernd Hagenkord

Papst Benedikt XVI. beendet an diesem Sonntag seine Reise nach Deutschland, nach Berlin, Thüringen und Freiburg. Unser Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord konnte ihn dabei begleiten: Ein erster Rückblick.

„Klartext ist das erste Wort, das mir bei der Reise in den Sinn kommt. Und dann natürlich die wunderbaren Gottesdienste. Wenn ich zurückdenke an das „Wort zum Sonntag", in dem der Papst seine Vorstellungen von der Papstreise vorstellte, dann sehe ich genau diese Papstreise.

Ausführlicher werden wir bei Radio Vatikan sicherlich noch auf den Besuch zurückblicken, es zeigen sich aber jetzt schon erste Linien.

Er wollte Menschen begegnen: Bei diesem sehr vollen Programm hat man wirklich ein Maximum an Begegnungen eingefügt. Nicht eine einzige war unwichtig, alle waren – so hören wir in den Gesprächen danach – sehr dicht.

Und er wollte über Gott reden. Wo Gott ist, da ist Zukunft. Also hat Benedikt XVI. über Gott gesprochen, im Bundestag, in den Predigten, den Ansprachen, den Reden. Nicht alles war einfache Kost, vieles war kantig und nicht das, was erwartet wurde. Der Papst hat Klartext gesprochen, er hat zu denken gegeben.

Ihm ist die deutsche Kirche nicht gleichgültig, das wurde immer wieder deutlich. Er hat seinen Beitrag zum Erneuerungsprozess geleistet, theologisch und durchaus auch kritisch, das Engagement in der Kirche aber auch würdigend. Über das, was er genau angesprochen hat, werden wir noch lange sprechen, kritisch wie auch würdigend. Und das ist es ja letztlich auch, was er wollte: Gehört werden.

Bei allem Sprechen waren es aber die Gottesdienste, die mich am meisten beeindruckt haben. Die Kirche in Deutschland in der Krise, trotzdem kommen sehr viele Menschen zu den Feiern, mehr als erwartet. Das zeigt vielleicht das beste Bild unserer Kirche: Dieser Papst bringt Menschen zusammen, man feiert zusammen, spricht über Gott und hört sein Wort. Das sind Impulse, die über das Praktische und rein Lösungsorientierte hinausgehen.

Die gemeinsame Feier Gottes in Gemeinschaft mit der Weltkirche, das ist bei Papstreisen immer und war auch bei dieser Reise der Höhepunkt. Über Gott sprechen wollte er – das heißt natürlich als erstes, sein Wort feiern. Dass die deutsche Kirche das will, das konnten wir in den vergangenen Tagen sehr deutlich sehen." (rv)

Papst in Freiburg: Für eine „Entweltlichung“ der Kirche

Mit engagierten Katholiken hat sich der Papst am Sonntag Abend in Freiburg getroffen. Im modernen Konzerthaus der Stadt dankte er ihnen für ihren Einsatz – und fand wieder einmal durchaus deutliche Worte zur Lage der Kirche in Deutschland: Die religiöse Praxis gehe zurück, viele Katholiken gingen auf Abstand zum kirchlichen Leben.

„Es kommt die Frage auf: Muss die Kirche sich nicht ändern? Muss sie sich nicht in ihren Ämtern und Strukturen der Gegenwart anpassen, um die suchenden und zweifelnden Menschen von heute zu erreichen?"
Dazu fiel dem Papst eine Anekdote ein: Mutter Teresa wurde einmal gefragt, was sich ihrer Meinung nach als erstes in der Kirche ändern müsse. Ihre Antwort sei gewesen: „Sie und ich." Das bedeute:
„Kirche sind nicht nur die anderen, nicht nur die Hierarchie, der Papst und die Bischöfe; Kirche sind wir alle, wir, die Getauften."
Und dennoch stimme es gleichzeitig, dass in der Kirche „Änderungsbedarf" herrsche: Benedikt sprach von „stetiger Änderung". Aber wie solle dies nun „konkret aussehen"?
„Geht es hier um eine Erneuerung, wie sie etwa ein Hausbesitzer durch die Renovierung oder den neuen Anstrich seines Anwesens durchführt? Oder geht es hier um eine Korrektur, um wieder auf Kurs zu kommen sowie schneller und geradliniger einen Weg zurückzulegen?"
Beides spiele natürlich „eine Rolle" – doch „das grundlegende Motiv der Änderung" in der Kirche müsse, so Benedikt wörtlich, „die apostolische Sendung der Jünger und der Kirche selbst" sein. Dieser ihrer Sendung müsse sich die Kirche „immer neu vergewissern".
„Um ihre Sendung zu verwirklichen, wird sie immer wieder auf Distanz zu ihrer Umgebung gehen, sie hat sich gewissermaßen zu „ent-weltlichen"."
Die „Sendung der Kirche" komme vom Wesen Gottes her, von der sich verströmenden Liebe des Dreifaltigen. Darum gelte für die Kirche:
„Sie hat nichts Eigenständiges gegenüber dem, der sie gestiftet hat. Sie findet ihren Sinn ausschließlich darin, Werkzeug der Erlösung zu sein, die Welt mit dem Wort Gottes zu durchdringen und die Welt in die Einheit der Liebe mit Gott zu verwandeln."
Das müsse die Hauptaufgabe der Kirche in der Welt sein: Sie solle sich insofern auf die Welt einlassen, als sie dadurch „die Hinwendung des Erlösers zu den Menschen" fortsetzt und sichtbar macht.
„In der geschichtlichen Ausformung der Kirche zeigt sich jedoch auch eine gegenläufige Tendenz, daß nämlich die Kirche sich in dieser Welt einrichtet, selbstgenügsam wird und sich den Maßstäben der Welt angleicht. Sie gibt Organisation und Institutionalisierung größeres Gewicht als ihrer Berufung zur Offenheit."
Das dürfe nicht sein, befand der Papst aus Deutschland: Stattdessen müsse die Kirche „immer wieder die Anstrengung unternehmen, sich von der Weltlichkeit der Welt zu lösen". Die Säkularisierung trage in gewisser Hinsicht zur „Läuterung und inneren Reform" der Kirche bei.
„Die Säkularisierungen – sei es die Enteignung von Kirchengütern, sei es die Streichung von Privilegien oder ähnliches – bedeuteten nämlich jedesmal eine tiefgreifende Entweltlichung der Kirche, die sich ja dabei gleichsam ihres weltlichen Reichtums entblößte und wieder ganz ihre weltliche Armut annahm."
In einer „entweltlichten Kirche" trete ihr „missionarisches Zeugnis" wieder „klarer zutage", so Benedikt XVI. Eine „von ihrer materiellen und politischen Last befreite Kirche" könne sich besser auf christliche Weise der Welt zuwenden, also „wirklich weltoffen sein".
„Sie öffnet sich der Welt, nicht um die Menschen für eine Institution mit eigenen Machtansprüchen zu gewinnen, sondern um sie zu sich selbst zu führen, indem sie zu dem führt, von dem jeder Mensch mit Augustinus sagen kann: Er ist mir innerlicher als ich mir selbst (vgl. Conf. 3, 6, 11)."
Er wolle hier keineswegs „eine neue Taktik finden, um der Kirche wieder Geltung zu verschaffen", meinte der Papst. Vielmehr gelte es, „jede bloße Taktik abzulegen und nach der totalen Redlichkeit zu suchen", die „ganz im Heute den Glauben vollzieht" und alles ablegt, „was nur scheinbar Glaube, in Wahrheit aber Konvention und Gewohnheiten sind".
„Sagen wir es noch einmal anders: Der christliche Glaube ist für den Menschen allezeit, nicht erst in unserer Zeit, ein Skandal. Dass der ewige Gott sich um uns Menschen kümmern, uns kennen soll, daß der Unfaßbare zu einer bestimmten Zeit faßbar geworden sein soll, daß der Unsterbliche am Kreuz gelitten haben und gestorben sein soll, daß uns Sterblichen Auferweckung und Ewiges Leben verheißen ist – das zu glauben ist nun einmal für uns Menschen eine Zumutung."
Dieser Skandal sei „unaufhebbar", „wenn man nicht das Christentum selbst aufheben will". Leider sei er „gerade in jüngster Zeit überdeckt worden von den anderen schmerzlichen Skandalen der Verkünder des Glaubens" – eine deutliche Anspielung auf die Missbrauchs-Skandale.
„Gefährlich wird es, wenn diese Skandale an die Stelle des primären skandalon des Kreuzes treten und ihn dadurch unzugänglich machen, also den eigentlichen christlichen Anspruch hinter der Unbotmäßigkeit seiner Boten verdecken. Um so mehr ist es wieder an der Zeit, die Weltlichkeit der Kirche beherzt abzulegen!"
Das sei kein Ruf nach dem Rückzug aus der Welt: Eine vom Weltlichen entlastete Kirche könne gerade im sozial-karitativen Bereich den Menschen „die besondere Lebenskraft des christlichen Glaubens vermitteln".
„Allerdings haben sich auch die karitativen Werke der Kirche immer neu dem Anspruch einer angemessenen Entweltlichung zu stellen, sollen ihr nicht angesichts der zunehmenden Entkirchlichung ihre Wurzeln vertrocknen." (rv)

Papst in Deutschland: Die Presseschau vom Samstag

Das Thema Ökumene bestimmt an diesem Samstag die Titelseiten der größten Zeitungen in Deutschland. Dabei wird das Erfurter Treffen des Papstes mit Vertretern der evangelischen Kirche in Erfurt ausführlich kommentiert.

Auf den Titelseiten der beiden Tageszeitungen „Süddeutsche Zeitung" und „Frankfurter Allgemeine Zeitung" springt das Wort „Enttäuschung" ins Auge. Das Treffen sei „hinter den bereits geringen Erwartungen auf evangelischer Seite zurückgeblieben", resümiert die „Frankfurter" (liberal-konservativ) Reaktionen ranghoher Vertreter der evangelischen Kirche in Deutschland. Der Papst habe die Hoffnung auf eine rasche Annäherung zwischen Protestanten und Katholiken gedämpft, schreibt die „Süddeutsche" (liberal-links).
Das Blatt betont weiter, der Papst habe mit seinem Besuch im Erfurter Augustinerkloster ein „historisches Zeichen" gesetzt. Die „Frankfurter" erwähnt die Freude des Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche in Deutschland über die päpstliche Würdigung Martin Luthers. Die Zeitung zitiert Nikolaus Schneider aber auch mit dessen Worten „Unser Herz brennt nach mehr".

„Werben für das pochende, hörende Herz" überschreibt die Tageszeitung „Die Welt" (konservativ) die Begegnung in Erfurt. Auf einer Doppelseite mit vielen Bildern lässt das Blatt im Innern die bisherigen Stationen der Papstreise Revue passieren. Der Papst habe „falsche Erwartungen" korrigiert und „neuen Ernst" in das ökumenische Gespräch gebracht. Ein „Routinetreffen" oder „klerikaler Festakt" sei das Erfurter Treffen nicht gewesen, heißt es auf Seite drei. Den Papstsatz, ein „selbstgemachter Glaube" sei „wertlos", versteht Vatikanberichterstatter Paul Badde als Werben des Papstes um die gemeinsame Suche nach der Basis des Glaubens.

Mehrere Zeitungen erwähnen an diesem Samstag weiter kurz ein Treffen des Papstes mit Missbrauchsopfern am Freitagabend. Der Papst habe den Opfern sexuellen Missbrauchs durch Priester und kirchliche Mitarbeiter „tiefes Mitgefühl und Bedauern" bekundet, gibt die Freiburger Regionalzeitung „Badische Zeitung" die Vatikanerklärung zur Begegnung wieder. Nach dem Treffen in den Räumen des Erfurter Priesterseminars hatte der Heilige Stuhl eine Pressemeldung herausgegeben.

Anlässlich des Papstbesuches im Erzbistum Freiburg widmet die „Badische Zeitung" Benedikt XVI. und dem Papstbesuch in Deutschland an diesem Samstag einen fünfzehnseitigen Magazinteil, den sie mit der Schlagzeile „Der Denker Gottes" eröffnet. In einem Artikel von Gerhard Kiefer wird der Papst als „intellektuell brillanter, kompromissloser und entschiedener Jahrhunderttheologe" vorgestellt. Weiter bringt die Zeitung ein ausführliches Interview mit dem Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, zu den Erwartungen an den Papstbesuch. Darin geht Zollitsch auch auf Fragen der Ökumene ein. Im Freiburger Teil der Zeitung wird Benedikt XVI. zuneigungsvoll mit der Schlagzeile „Wir sind Pabst!" begrüßt. Dem „Ausnahmezustand", der in der Stadt im Breisgau wegen des Papstbesuches herrscht, begegne man in Freiburg mit „badischer Gelassenheit", heißt es in einem Kommentar.

Auf einem Werbe-Faltblatt, das den regionalen Zeitungen beiliegt, wirbt die deutsche Bischofskonferenz „im Namen des Papstes" für Spenden an den „Benedikt-Ostafrikafond" – die Spendenaktion wurde parallel zum Papstbesuch ausgerichtet.

Die „Süddeutsche Zeitung" reichert ihre Einlage zum Wochenende mit einem Artikel zur Geschichte und Funktion des deutschen Bundesverfassungsgerichtes an. Benedikt XVI. trifft am Sonntag in Freiburg einige Bundesverfassungsrichter.

Andere Themen in der Presse sind die Begegnung des Papstes mit Muslimen in Berlin und weiter die Bundestagsrede Benedikt XVI. Das Kirchenoberhaupt habe die deutschen Muslime zur Orientierung am Grundgesetz gemahnt, schreibt die Regionalzeitung „Stuttgarter Zeitung", die in diesem Zusammenhang auch die Fürsprache des Papstes für eine öffentliche Dimension der Religionszugehörigkeit unterstreicht. „Die Welt" geht in einem Kommentar im Feuilleton auf die Rhetorik des Papstes bei der Bundestagsrede ein.

Die Zeitung „Bild" zeigt sich stolz über Benedikts Lob für die Titelseite des Blattes, die als Plakat seit Dienstag das Axel-Springer-Hochhaus in Berlin schmückt. (rv)

Zwischenbilanz der Reise – von P. Hagenkord

„Keiner soll alleine glauben": Ein Spruchband am Mariendom in Erfurt direkt neben dem Papstaltar bindet sehr gut zusammen, wofür der zweite Teil der Reise Papst Benedikt XVI. nach Deutschland steht.

Die Medien werden dominiert vom Wort „Enttäuschung", aber die Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sehen einen anderen Besuch. Während die 90.000 in Etzelsbach auf den Papst warteten, stimmten sie spontan – es war gerade keine Musik – ein ‚Großer Gott wir loben dich’ an. Sowohl auf dem Feld zur Vesper als auch zur großen Messe auf dem Domplatz zu Erfurt herrschte eine freudige, erwartungsvolle und auch geistliche Stimmung.

Der Papst sprach beide male über die Situation der Menschen hier, über die Diktaturen der Vergangenheit und auch über die Herausforderungen der Gegenwart, durch Diaspora und Glaubensverlust.

Aber auch das Treffen von Erfurt, die Begegnung und der ökumenische Gottesdienst, waren Höhepunkte der Reise. Ich habe einen Papst gehört, der das Suchen und Ringen Martin Luthers ausdrücklich würdigte und damit – auch wenn er die Worte nicht gebrauchte – die Einschätzung von Präses Nikolaus Schneider teilte, Luther sei mehr ein Scharnier zwischen den Konfessionen denn Ort der Trennung.

Gewiss, es hat nicht die schnellen Lösungen gegeben. Die hoch gesteckten und leider auch überzogenen Erwartungen im Vorfeld konnten gar nicht erfüllt werden. Aber Benedikt XVI., und so haben es auch die Beteiligten nach dem Treffen gesehen, hat die Grundlagen einer jeden möglichen Ökumene abgesteckt: Den gemeinsamen Glauben an Jesus, den gemeinsamen Auftrag, diesen Glauben zu bezeugen und ihn weiterzugeben. Wie sehr das Motivation oder Anstoß war, das werden wir in den nächsten Monaten und Jahren erst noch sehen.

Erfurt und Etzelsbach: ‚Wie den Glauben konkret gemeinsam leben?’ So würde ich eine vorsichtige Überschrift über diese Tage setzen. „Glaube ist immer auch wesentlich Mitglauben", in den Worten des Papstes gesagt. Das bindet die Ereignisse dieser Tage zusammen: Mitglauben in der Diaspora, Mitglauben in der wieder gewonnenen Freiheit, Mitglauben in den Herausforderungen der Glaubensverdunstung, Mitglauben in der Ökumene. (rv)

Lehmann: Papst wollte großer ökumenischer Geste nicht vorgreifen

Papst Benedikt wollte den konfessionsübergreifenden Arbeiten zum Reformationsjubiläum nicht vorgreifen, deshalb hielt er sich zurück mit ausdrücklichem Lob für Martin Luther. Das denkt der Mainzer Bischof Karl Lehmann, den der Papst in seiner Rede im Erfurter Augustinerkloster für sein ökumenisches Engagement lobend erwähnte.

„Papst Benedikt war natürlich sparsam mit Worten mit Blick auf das Lob, aber dass er hierhergekommen ist, dass er den Schritt über die Schwelle des Augustinerklosters getan hat, Luther hat immerhin hier 20 Jahre gewohnt, das ist schon sehr viel. Ich denke, er ist auch ein wenig zurückhaltend, weil er weiß, dass auf vielen Ebenen bis zum 500. Reformationsjubiläum jetzt gearbeitet wird und man eine gemeinsame Wertung versucht. Und der will er auch nicht einfach vorgreifen. Deswegen verstehe ich die Geduld, die er da praktiziert."

Denoch ein historischer Moment?

„Mit so großen Worten bin ich sparsam. Es ist sicher geschichtlich bedeutsam. Ob es sich so groß historisch sich zeigen wird, das entscheidet eigentlich die Zeit nach uns. Wenn man immer wieder darauf zurückkommt, damit ettwas anfängt, damit Impulse setzt, undsofort, dann ja." (rv)

Dziwisz lädt Papst nach Polen ein

Die Musik bei den Papstgottesdiensten in Deutschland findet nicht überall Anklang; mancherorts im Internet hatten offensichtliche Liturgie-Puristen ihrem Unmut über die musikalische Ausgestaltung der Messen Luft gemacht. Der polnische Kardinal Stanislaw Dziwisz kann die Kritik nicht teilen. Nach dem Gottesdienst in Erfurt sagte der Erzbischof von Krakau und frühere Privatsekretär von Papst Johannes Paul II. unserem Korrespondenten Ludwig Waldmüller:

„Die Messe war wunderbar. Ich habe die große Sammlung bewundert. Die Gesänge, die Musik."

Außerdem verriet uns Dziwisz, er habe in diesen Tagen persönlich Papst Benedikt dazu eingeladen, das in Konstruktion befindliche Heiligtum für Papst Johannes Paul II. in Krakau einzuweihen.

„Ich hoffe, dass er kommt, und denke, dass wir ihn gemeinsam mit der Bischofskonferenz nochmals offiziell einladen werden für den Weltjugendtag, der nach Rio der Janeiro stattfinden wird. Dem Kardinalstaatssekretär habe ich das schon geschrieben. Das wäre eine tolle Sache, wenn der Weltjugendtag in Krakau stattfinden könnte! Denn dort ist er auf gewisse Weise erfunden worden, und es wäre schön, wenn er nach Polen zurückkehrte. Wir möchten dieses Heiligtum ja gerne für die Menschen der ganzen Welt öffnen." (rv)

Papst „tief erschüttert“ bei Treffen mit Missbrauchsopfern

Papst Benedikt XVI. hat auch bei seiner Deutschlandreise Opfer sexuellen Missbrauchs durch katholische Priester getroffen. Im Erfurter Priesterseminar sprach er mit drei Männern und zwei Frauen aus verschiedenen Teilen Deutschlands, die in jungen Jahren Übergriffe durch Geistliche und kirchliche Mitarbeiter erlitten hatten. Der Papst war „bewegt und erschüttert von der Not der Missbrauchsopfer", hieß es in einer anschließenden Erklärung des vatikanischen Pressesaales. Er habe „sein tiefes Mitgefühl und Bedauern bekundet für alles, was ihnen und ihren Familien angetan wurde". Zugleich habe der Papst versichert, dass den Verantwortlichen in der Kirche an der Aufarbeitung aller Missbrauchsdelikte gelegen sei und sie um wirksame Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen bemüht seien.

Die Begegnung dauerte eine halbe Stunde und fand in einer „sehr menschlichen und offenen Atmosphäre" statt, sagte der Trierer Bischof Stephan Ackermann; der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz war bei dem Treffen dabei. Die Opfer hätten sich „kein Blatt vor den Mund genommen", so Ackermann. Dem Papst seien „Beschämung und Schmerz deutlich anzumerken gewesen".

Die Opfer trafen Benedikt als Gruppe. Dabei kam es nicht zu Einzelgesprächen. Ähnliche Treffen hatte es auch bei vorangegangenen Auslandsreisen des Papstes gegeben. Die von der Bischofskonferenz ausgesuchten Opfer stammten den Angaben zufolge aus verschiedenen Regionen und reflektierten unterschiedliche Situationen aus Pfarreien und einem Kinderheim. Ackermann verteidigte die Geheimhaltung der Identität der Opfer mit Hinweis auf den Schutz ihrer Privatsphäre. Nur so sei die offene Gesprächsatmosphäre möglich gewesen, bei der die Betroffenen ihre Situation und Teile ihrer Biografie offen geschildert hätten. Wenn sie es selbst wünschten, könnten die Opfer sich an die Öffentlichkeit wenden. (rv)

Sambia: Kardinal Mazombwe feiert 80. Geburtstag

Der aus Sambia stammende Medardo Joseph Kardinal Mazombwe feiert heute seinen 80. Geburtstag. Er war von 1996 bis 2006 Erzbischof von Lusaka und wurde von Papst Benedikt XVI. im Jahr 2010 in den Kardinalsstand erhoben. Mit dem heutigen Tag verliert er sein aktives Wahlrecht in einem künftigen Konklave. Sambia ist durch das Ausscheiden von Kardinal Mazombwe aus dem Wahlgremium, im nächsten Konklave nicht mehr vertreten. 

Somit umfasst das Kardinalskollegium derzeit nur noch 113 wahlberechtigte Eminenzen und 80 der insgesamt 193 Kardinäle haben kein aktives Wahlrecht bei einer nächsten Papstwahl. (vh)

Papst bei Ökumene-Treffen: Die Predigt in vollem Wortlaut

Liebe Brüder und Schwestern!

„Nicht nur für diese hier bitte ich, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben" (Joh 17,20) – so hat Jesus nach dem Johannes-Evangelium im Abendmahlssaal zum Vater gesagt. Er bittet für die künftigen Generationen von Glaubenden. Er blickt über den Abendmahlssaal hinaus in die Zukunft hinein. Er hat gebetet auch für uns. Und er bittet um unsere Einheit. Dieses Gebet Jesu ist nicht einfach Vergangenheit. Immer steht er fürbittend für uns vor dem Vater, und so steht er in dieser Stunde mitten unter uns und will uns in sein Gebet hineinziehen. Im Gebet Jesu ist der innere Ort unserer Einheit. Wir werden dann eins sein, wenn wir uns in dieses Gebet hineinziehen lassen. Sooft wir uns als Christen im Gebet zusammenfinden, sollte uns dieses Ringen Jesu um uns und mit dem Vater für uns ins Herz treffen. Je mehr wir uns in dieses Geschehen hineinziehen lassen, desto mehr verwirklicht sich Einheit.
Ist das Gebet Jesu unerhört geblieben? Die Geschichte der Christenheit ist sozusagen die sichtbare Seite dieses Dramas, in dem Christus mit uns Menschen ringt und leidet. Immer wieder muß er den Widerspruch zur Einheit erdulden, und doch auch immer wieder vollzieht sich Einheit mit ihm und so mit dem dreieinigen Gott. Wir müssen beides sehen: Die Sünde des Menschen, der sich Gott versagt und sich in sein Eigenes zurückzieht, aber auch die Siege Gottes, der die Kirche erhält durch ihre Schwachheit hindurch und immer neu Menschen in sich hineinzieht und so zueinander führt. Deshalb sollten wir bei einer ökumenischen Begegnung nicht nur die Trennungen und Spaltungen beklagen, sondern Gott für alles danken, was er uns an Einheit erhalten hat und immer neu schenkt. Und diese Dankbarkeit muß zugleich Bereitschaft sein, die so geschenkte Einheit nicht zu verlieren mitten in einer Zeit der Anfechtung und der Gefahren.
Die grundlegende Einheit besteht darin, daß wir an Gott, den Allmächtigen, den Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde glauben. Daß wir ihn als den Dreifaltigen bekennen – Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die höchste Einheit ist nicht monadische Einsamkeit, sondern Einheit durch Liebe. Wir glauben an Gott – den konkreten Gott. Wir glauben daran, daß Gott zu uns gesprochen hat und einer von uns geworden ist. Diesen lebendigen Gott zu bezeugen ist unsere gemeinsame Aufgabe in der gegenwärtigen Stunde.
Braucht der Mensch Gott, oder geht es auch ohne ihn ganz gut? Wenn in einer ersten Phase der Abwesenheit Gottes sein Licht noch nachleuchtet und die Ordnungen des menschlichen Daseins zusammenhält, scheint es, daß es auch ohne Gott geht. Aber je weiter die Welt sich von Gott entfernt, desto klarer wird, daß der Mensch in der Hybris der Macht, in der Leere des Herzens und im Verlangen nach Erfüllung und Glück immer mehr das Leben verliert. Der Durst nach dem Unendlichen ist im Menschen unausrottbar da. Der Mensch ist auf Gott hin erschaffen und braucht ihn. Unser erster ökumenischer Dienst in dieser Zeit muß es sein, gemeinsam die Gegenwart des lebendigen Gottes zu bezeugen und damit der Welt die Antwort zu geben, die sie braucht. Zu diesem Grundzeugnis für Gott gehört dann natürlich ganz zentral das Zeugnis für Jesus Christus, wahrer Mensch und wahrer Gott, der mit uns gelebt hat, für uns gelitten hat und für uns gestorben ist und in der Auferstehung die Tür des Todes aufgerissen hat. Liebe Freunde, stärken wir uns in diesem Glauben! Helfen wir uns, ihn zu leben. Dies ist eine große ökumenische Aufgabe, die uns mitten ins Gebet Jesu hineinführt.
Die Ernsthaftigkeit des Glaubens an Gott zeigt sich im Leben seines Wortes. Sie zeigt sich in unserer Zeit ganz praktisch im Eintreten für das Geschöpf, das er als sein Ebenbild wollte – für den Menschen. Wir leben in einer Zeit, in der die Maßstäbe des Menschseins fraglich geworden sind. Ethik wird durch das Kalkül der Folgen ersetzt. Demgegenüber müssen wir als Christen die unantastbare Würde des Menschen verteidigen, von der Empfängnis bis zum Tod – in den Fragen von PID bis zur Sterbehilfe. „Nur wer Gott kennt, kennt den Menschen", hat Romano Guardini einmal gesagt. Ohne Erkenntnis Gottes wird der Mensch manipulierbar. Der Glaube an Gott muß sich in unserem gemeinsamen Eintreten für den Menschen konkretisieren. Zum Eintreten für den Menschen gehören nicht nur diese grundlegenden Maßstäbe der Menschlichkeit, sondern vor allem und ganz praktisch die Liebe, wie sie uns Jesus im Gleichnis vom Weltgericht lehrt (Mt 25): Der richtende Gott wird uns danach beurteilen, wie wir den Nächsten, wie wir den Geringsten seiner Brüder begegnet sind. Die Bereitschaft, in den Nöten dieser Zeit über den eigenen Lebensrahmen hinaus zu helfen, ist eine wesentliche Aufgabe des Christen.
Dies gilt zunächst im persönlichen Lebensbereich jedes einzelnen. Es gilt dann in der Gemeinschaft eines Volkes und Staates, in der alle füreinander einstehen müssen. Es gilt für unseren Kontinent, in dem wir zur europäischen Solidarität gerufen sind. Und es gilt endlich über alle Grenzen hinweg: Die christliche Nächstenliebe verlangt heute auch unseren Einsatz für die Gerechtigkeit in der weiten Welt. Ich weiß, daß von den Deutschen und von Deutschland viel getan wird, damit allen Menschen ein menschenwürdiges Dasein ermöglicht wird, und möchte dafür ein Wort herzlichen Dankes sagen.
Schließlich möchte ich noch eine tiefere Dimension unserer Verpflichtung zur Liebe ansprechen. Die Ernsthaftigkeit des Glaubens zeigt sich vor allem auch dadurch, daß er Menschen inspiriert, sich ganz für Gott und von Gott her für die anderen zur Verfügung zu stellen. Die großen Hilfen werden nur konkret, wenn es vor Ort diejenigen gibt, die ganz für den anderen da sind und damit die Liebe Gottes glaubhaft werden lassen. Solche Menschen sind ein wichtiges Zeichen für die Wahrheit unseres Glaubens.
Im Vorfeld des Papstbesuchs war verschiedentlich von einem ökumenischen Gastgeschenk die Rede, das man sich von diesem Besuch erwarte. Die Gaben, die dabei genannt wurden, brauche ich nicht einzeln anzuführen. Dazu möchte ich sagen, daß dies ein politisches Mißverständnis des Glaubens und der Ökumene darstellt. Wenn ein Staatsoberhaupt ein befreundetes Land besucht, gehen im allgemeinen Kontakte zwischen den Instanzen voraus, die den Abschluß eines oder auch mehrerer Verträge zwischen den beiden Staaten vorbereiten: In der Abwägung von Vor- und Nachteilen entsteht der Kompromiß, der schließlich für beide Seiten vorteilhaft erscheint, so daß dann das Vertragswerk unterschrieben werden kann. Aber der Glaube der Christen beruht nicht auf einer Abwägung unserer Vor- und Nachteile. Ein selbstgemachter Glaube ist wertlos. Der Glaube ist nicht etwas, was wir ausdenken oder aushandeln. Er ist die Grundlage, auf der wir leben. Nicht durch Abwägung von Vor- und Nachteilen, sondern nur durch tieferes Hineindenken und Hineinleben in den Glauben wächst Einheit. Auf solche Weise ist in den letzten 50 Jahren, besonders auch seit dem Besuch von Papst Johannes Paul II. vor 30 Jahren viel Gemeinsamkeit gewachsen, für die wir nur dankbar sein können. Ich denke gern an die Begegnung mit der von Bischof Lohse geführten Kommission zurück, in der solches gemeinsames Hineindenken und Hineinleben in den Glauben geübt wurde. Allen, die daran mitgewirkt haben, besonders von katholischer Seite Kardinal Lehmann, möchte ich meinen herzlichen Dank aussprechen. Ich versage mir, weitere Namen zu nennen – der Herr kennt sie alle. Miteinander können wir alle nur dem Herrn danken für die Wege der Einheit, die er uns geführt hat, und in demütigem Vertrauen einstimmen in sein Gebet: Laß uns eins werden, wie du mit dem Vater eins bist, damit die Welt glaube, daß er dich gesandt hat (vgl. Joh 17,21). (rv)