Argentinien: Kritik an Buenos Aires

Kardinal Jorge Bergoglio hat die Zustände in der argentinischen Hauptstadt kritisiert. „Buenos Aires ist eine bestechliche Stadt", zitiert die Tageszeitung „La Gaceta" den Erzbischof der Hauptstadtdiözese. In der argentinischen Metropole gebe es ein gesellschaftliches Klima, das Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung fördere. Vor allem Migranten sowie Mädchen und Frauen aus den Armenvierteln seien Opfer einer geduldeten Versklavung. „Selbst einen Hund behandeln wir besser", sagte Bergoglio. (rv)

Presseschau am Montag: Erfolgreiches Glaubensfest

Nahezu alle Zeitungen berichten an diesem Montag auf ihren Titelseiten ausführlich über die Papstreise nach Deutschland; auch im deutschen Fernsehen wurde der Abschluss des Besuches am Sonntagabend übertragen und kommentiert. Die Zeitungen bilden die Reise einerseits als erfolgreiches und schönes Glaubensfest ab. Weiter gehen sie ausführlich auf Kritik und Reaktionen ein und leiten aus Benedikts Worten ganz unterschiedliche Fragen ab: die Papstreise hat ganz offensichtlich in mehrere Richtungen zu denken gegeben.

Die „Süddeutsche Zeitung" und „Die Welt" heben Benedikts Appell zur Vatikantreue auf ihre Titelseiten: „Die Kirche in Deutschland wird für die weltweite katholische Gemeinschaft weiterhin ein Segen sein, wenn sie treu mit den Nachfolgern des heiligen Petrus und der Apostel verbunden bleibt", hatte der Papst beim größten Gottesdienst der Reise in Freiburg gesagt.

Die Papstreise habe die Vitalität des Katholizismus in Deutschland aufgezeigt, heißt es in einem Leitartikel der Zeitung „Die Welt", der die insgesamt große Beteiligung und Zustimmung der Bevölkerung bei den Reden und Messen des Papstes unterstreicht. Atheismus in Deutschland sei keine wirkliche Gefahr, und das könne für Benedikt XVI. „Trost und Bestätigung sein", schreibt darin Matthias Kamann. Zur gegenseitigen Anerkennung von Kirchenspitze und Kirchenbasis habe die Reise beigetragen. Der evangelischen Kirche habe der Papst allerdings die Orthodoxen „vorgezogen", fährt Kamann fort, der eine „Eiszeit" im Verhältnis von Katholiken und Protestanten vorhersagt – auch wenn die christlichen Bürger in Deutschland „in Heiratsverhalten, Alltagshandeln und auch Glaubensleben" konfessionelle Grenzen „viel früher" überwunden hätten, „als es den Bischöfen möglich war".

Der Papst habe auf der Reise durch Deutschland „manches überhört", meint die „Süddeutsche Zeitung", die die Mahnung Benedikts XVI. zur Romtreue als Deckelung des Dialogprozesses und Absage an reformwillige Katholiken interpretiert. In einem Beitrag über die Messe vom Sonntagmorgen mit rund 100.000 Menschen, darunter vielen Jugendlichen, attestiert das Blatt der „Generation Benedikt" Papstnähe und zugleich „Selbstbewusstsein". Auf die Frage hin, ob sie sich in ihrer Lebensführung an der Meinung des Papstes orientieren, hatte die Mehrheit der rund 30.000 Jugendlichen beim Vorprogramm der Vigilfeier am Samstag mit „nein" gestimmt. Die „Badische Zeitung" wertet das als Zeichen dafür, dass Papstkritik kein Anligen der Jugend mehr sei, sondern „innerkirchlich vor allem von denen getragen wird, die sich vom Zweiten Vatikanischen Konzil mehr Reformen erhofften".

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" hebt Teile der Papstrede im Freiburger Konzerthaus auf ihre Titelseite und dokumentiert die ganze Ansprache im Innenteil im genauen Wortlaut. Benedikt XVI. hatte in seinen Ausführungen zum Wesen und zur Rolle der Kirche die seiner Meinung nach notwendige „Distanz" der Kirche zu ihrer Umgebung betont und unterstrichen, dass das missionarische Zeugnis einer entweltlichten Kirche „klarer zutage" trete. Im Bericht zur Abschlussmesse vom Sonntag zitiert das Blatt auch Pilger, bei denen dieser Gedanke des Papstes auf Unverständnis stößt. Benedikts Kirchenverständnis habe „keine Spielräume für eine Änderung der Ämterstruktur in der Kirche" gelassen, kommentiert das Blatt die Konzerthausrede des Papstes. In seiner Passage über den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche habe Benedikt XVI. das Wort „Missbrauch" nicht ausgesprochen, merkt die Zeitung an.

Papst Benedikt XVI. habe die katholische Kirche „durch die Blume verurteilt", dabei habe diese ihn doch eigentlich eingeladen, schreibt „Die Tageszeitung" zur Konzerthausrede und den päpstlichen Worten bei der Abschiedsmesse auf dem Freiburger Flughafengelände. Das sei „etwas unhöflich" gewesen, so die TAZ.

Die „Badische Zeitung" räumt dem Abschluss des Papstbesuches mit sieben Seiten viel Platz in ihrer Montagsausgabe ein. Ausführlich berichtet die Zeitung von den Freiburger Gottesdiensten mit dem Papst – für die hätten viele junge Katholiken „Wochenende und Nachtschlaf" geopfert. Bei diesen Begegnungen, an denen zahlreiche junge Gläubige teilnahmen, habe der Papst deutlich gemacht, dass die Kirche lebt und den stärkenden Charakter der Gemeinschaft betont, so der Grundtonus der Artikel. Mit seiner Bemerkung, Agnostiker und Kirchenkritiker seien Gott oft näher als manch ein kirchentreuer Routinier habe den Besuchern Diskussionsstoff mit auf den Weg gegeben.

Die Papstrede im Konzerthaus sei „ehrlich" und „ohne rhetorischen Weihrauch" gewesen, schreibt das Blatt weiter: „Benedikt hat nicht bestritten, dass man Glauben gesellschaftlich nicht erzwingen kann, aber vor den Folgen der Verhandelbarkeit von Werten gewarnt". Immer wieder habe der Papst während seiner Deutschlandreise unerwartete Themen angesprochen, die verschiedenen Stationen der genutzt, „um seine Argumentation logisch zu entfalten". Der Dialogprozess sei zwar nur „am Rande" erwähnt worden, erstmals habe sich ein Papst überhaupt Zeit für die Begegnung mit der offiziellen deutschen Laienvertretung genommen, schreibt die „Badische Zeitung" über das Treffen mit dem ZdK.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, sieht die Arbeit des höchsten Laiengremiums der Katholiken bestätigt. „Der Papst hat unsere Arbeit gewürdigt", sagte Glück im ZDF. Zugleich nannte der CSU-Politiker den Papstbesuch „ein großes Fest des Glaubens". Es habe gezeigt, „dass die Katholiken in Deutschland nicht so distanziert zu ihrem Papst stehen, wie das im Vorfeld immer behauptet worden ist".

Auch andere Prominente aus Politik, Kirche und Gesellschaft hatten am Wochenende ein erstes positives Fazit zur Papstreise gezogen. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse würdigt in der Montagsausgabe der „Saarbrücker Zeitung" das Ökumenetreffen von Erfurt mit den Worten, Benedikt XVI. habe die Gemeinsamkeiten zwischen den Christen beider Konfessionen betont. „Auf der Basis dieser grundlegenden Gemeinsamkeit des Glaubens kann man weiter gehen – bis zur gemeinsamen Feier des Reformationsjubiläums im Jahr 2017", meinte der SPD-Politiker, der auch Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist. Ähnlich äußert sich Thierses Amtskollegin Katrin Göring-Eckardt in der Wochenzeitung „Das Parlament". Darin bezeichnet die Grünen-Politikerin, die als Präses der Synode der evangelischen Kirche an dem Treffen in Erfurt teilnahm, die Zusammenkunft als „bedeutendes Signal". (rv)

Abschied des Papstes von Deutschland

Auf dem Freiburger Flughafen hat sich Papst Benedikt XVI. am Sonntag Abend von Deutschland verabschiedet. Zu der Feier war auch Bundespräsident Christian Wulff gekommen. In seiner Rede sprach der Papst von einer „eindrucksvollen Zeit" und bedankte sich vor allem bei den vielen ehrenamtlichen Helfern in Berlin, Thüringen und Baden-Württemberg.
„Im Land der Reformation bildete naturgemäß die Ökumene einen Schwerpunkt der Reise. Hier möchte ich die Begegnung mit den Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland im Augustinerkloster in Erfurt hervorheben. Für den brüderlichen Austausch und das gemeinsame Gebet bin ich von Herzen dankbar."
Er sei „zuversichtlich für die Zukunft des Christentums in Deutschland", meinte der Papst. Die deutsche Kirche solle „mit Kraft und Zuversicht … zu den Wurzeln, zum wesentlichen Kern der Frohbotschaft Christi zurückkehren".
„Es wird kleine Gemeinschaften von Glaubenden geben – und es gibt sie schon –, die in die pluralistische Gesellschaft mit ihrer Begeisterung hineinstrahlen und andere neugierig machen, nach dem Licht zu suchen, das Leben in Fülle schenkt."
„Wo Gott ist, da ist Zukunft!" – dieses Motto der Reise habe in den letzten Tagen seine Gültigkeit eindrucksvoll gezeigt.
„Wo Gott zugegen ist, da ist Hoffnung und da eröffnen sich neue, oft ungeahnte Perspektiven, die über den Tag und das nur Kurzlebige hinausreichen." (rv)

Papst in Deutschland: Presseschau vom Sonntag

Die Presse behandelt an diesem Sonntag im Schwerpunkt die Freiburger Station der Papstreise, darunter auch die Treffen mit dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZdK) und mit politischen Vertretern aus der Region. Ausführlicher wird die Messe in Erfurt vom Samstagabend aufgegriffen. Die Bundestagsrede des Papstes hinterlässt in mehreren Zeitungen weiter ihre Spuren.

Der Papst sei im katholischen Freiburg zum „Teil der bürgerlichen Öffentlichkeit" geworden, anders als in Erfurt und Berlin, schreibt die "Welt am Sonntag" über die begeisterte Begrüßung des Papstes auf dem Freiburger Münsterplatz am Samstagmittag. Schon in Berlin und Erfurt habe Benedikt XVI. „Bemerkenswertes" geleistet, heißt es weiter: Jede seiner Reden sei „theologisch reich und seelsorglich ansprechend" gewesen.

Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS) benennt Benedikt XVI. als „Papst für alle", der als „Gast" angereist ist: „Eine Messe für 60.000 Menschen im Stadion, ein Erweckungserlebnis für die Ostdeutschen, Gehör für die Missbrauchten und Lob für die Ökos. Nur für die Ökumene ist nichts herausgesprungen", schreibt das Blatt auf Seite vier und fünf.

„Der Papst ermuntert den Grünen Kretschmann und ehrt den Kanzler der Einheit" titelt die „Bild am Sonntag" mit Blick auf den Empfang des Papstes in Baden-Württemberg und das Treffen mit Altbundeskanzler Helmut Kohl. Im Innenteil geht die Zeitung auf das Treffen des Papstes mit Vertretern des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ein. Der Papst habe „ein düsteres Bild von Kirche und Gesellschaft in seinem Heimatland gezeichnet", als er die „menschliche und religiöse Armut" in Deutschland angeprangert habe. Das Treffen des Papstes mit Missbrauchsopfern in Erfurt sei der „wohl schwerste Termin der Deutschlandreise" gewesen, heißt es weiter.

Die Begegnung mit den Missbrauchsopfern war „von langer Hand vorbereitet", notiert die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Zum Thema Missbrauch werde spätestens an diesem Sonntag „ein klärendes Wort erwartet", mutmaßt die „NZZ am Sonntag" (Neue Züricher Zeitung, internationale Ausgabe). „Beständigkeit ist die Stärke wie die Schwäche des Papstes", überschreibt NZZ-Autor Thomas Binotto sein Porträt von Benedikt XVI.

Die FAS geht in zwei kürzeren Beiträgen noch einmal auf die Bundestagsrede des Papstes ein. Der Papst habe den Abgeordneten „ins Gewissen geredet" und sie daran erinnert, „dass die Gewissensfreiheit nicht nur ein Recht ist, mit dem der Abgeordnete Zumutungen des Fraktionszwangs abwehren kann, sondern auch eine Pflicht, selbst nach Gerechtigkeit zu streben", schreibt Thomas Gutschker. Mit seinem Satz „Der Mensch macht sich nicht selbst", nehme der Papst einen „entschieden antiliberalen Standpunkt" ein, meint Cord Riechelmann einige Seiten weiter. Benedikt XVI. habe bewiesen, dass „eine wirklich ethische Einstellung ihren Preis hat" und „eine vage, angenehme Spiritualität mit ihm nicht zu haben ist". (rv)

Benedikt XVI.: „Erneuerung der Kirche nur durch Umkehr“

Papst Benedikt XVI., rund 100.000 Gläubige und strahlender Sonnenschein. Am letzten Tag seines viertägigen Besuchs in Deutschland hat der Papst an diesem Sonntag die Heilige Messe am Flughafengelände in Freiburg gefeiert. Seit den frühen Morgenstunden haben viele Pilger stundenlange Märsche auf sich genommen, um zusammen mit dem Papst den Gottesdienst zu feiern. Einige haben sogar in Schlafsäcken die Nacht im Freien verbracht, um die besten Plätze zu ergattern. Musikalisch hat ein Chor, bestehend aus 450 Sängerinnen und Sängern, die Messe begleitet. Alex Kofler mit den Eindrücken der Messfeier:

In seiner Predigt in Freiburg bemerkte Papst Benedikt, einige Theologen von heute hielten Gott nicht für allmächtig, und sie verwiesen dabei auf „alles Schreckliche, was in der Welt geschieht".

„Demgegenüber bekennen wir uns zu Gott, dem Allmächtigen, dem Schöpfer des Himmels und der Erde. Wir sind froh und dankbar, daß er allmächtig ist. Aber wir müssen zugleich uns bewußt werden, daß er seine Macht anders ausübt, als Menschen es zu tun pflegen. Er hat seiner Macht selbst eine Grenze gesetzt, indem er die Freiheit seiner Geschöpfe anerkennt."

Man könne zwar manchmal „erschrecken", wenn man sehe, wie der Mensch seine Freiheit missbrauche, doch eigentlich sollte man „froh und dankbar für die Gabe der Freiheit" sein, meinte der Papst. Gott achte unsere Freiheit, „er zwingt uns nicht". Benedikt riet: „Trauen wir Gott, dessen Macht sich vor allem im Erbarmen und Verzeihen zeigt!" Die Menschen heute sollten sich öffnen für Gott – auch und gerade die Christen sollten das tun. Denn:

„Nicht auf das Reden, sondern auf das Tun kommt es an, auf die Taten der Umkehr und des Glaubens… Agnostiker, die von der Frage nach Gott umgetrieben werden; Menschen, die unter unserer Sünde leiden und Sehnsucht nach dem reinen Herzen haben, sind näher am Reich Gottes als kirchliche Routiniers, die in ihr nur noch den Apparat sehen, ohne dass ihr Herz vom Glauben berührt wäre!"

Das bedeute aber nicht, „dass nun alle, die in der Kirche leben und für sie arbeiten, eher als fern von Jesus und Gottes Reich einzustufen wären", so der Papst beschwichtigend. „Ganz und gar nicht!"

„Nein, dies ist vielmehr der Augenblick, um den vielen haupt- und nebenamtlichen Mitarbeitern, ohne die das Leben in den Pfarreien und in der Kirche als ganzer nicht denkbar wäre, ein Wort sehr herzlichen Dankes zu sagen."

Sie sollten sich bei ihrem Einsatz nicht nur um ihre „sachliche und berufliche Kompetenz" kümmern, sondern vor allem um ein „offenes Herz, das sich von der Liebe Christi treffen lässt und so dem Nächsten, der unser bedarf, mehr gibt als technischen Service".

„Fragen wir uns dann: Wie steht es mit meiner persönlichen Gottesbeziehung – im Gebet, in der sonntäglichen Meßfeier, in der Vertiefung des Glaubens durch die Betrachtung der Heiligen Schrift und das Studium des Katechismus der Katholischen Kirche? Liebe Freunde! Die Erneuerung der Kirche kann letztlich nur durch die Bereitschaft zur Umkehr und durch einen erneuerten Glauben kommen."

Dazu gehöre auch die Demut, die Christus selbst durch seinen Gehorsam dem Vater gegenüber an den Tag gelegt habe. Christliches Leben müsse „stets neu an Christus Maß nehmen", rief Benedikt XVI.. Demut stehe heute zwar „nicht hoch im Kurs", aber schon die Jünger Jesu hätten gewußt, dass sie „gleichsam das Öl ist, das Gesprächsprozesse fruchtbar, Zusammenarbeit einfach und Einheit herzlich macht".

„Die Kirche in Deutschland wird die großen Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft bestehen und Sauerteig in der Gesellschaft bleiben, wenn Priester, Gottgeweihte und christgläubige Laien in Treue zur jeweils spezifischen Berufung in Einheit zusammenarbeiten; wenn Pfarreien, Gemeinschaften und Bewegungen sich gegenseitig stützen und bereichern; wenn die Getauften und Gefirmten die Fackel des unverfälschten Glaubens in Einheit mit dem Bischof hochhalten und ihr reiches Wissen und Können davon erleuchten lassen. Die Kirche in Deutschland wird für die weltweite katholische Gemeinschaft weiterhin ein Segen sein, wenn sie treu mit den Nachfolgern des heiligen Petrus und der Apostel verbunden bleibt, die Zusammenarbeit mit den Missionsländern in vielfältiger Weise pflegt und sich dabei auch von der Glaubensfreude der jungen Kirchen anstecken läßt." (rv)

„Klartext-Reise“: Kommentar von P. Bernd Hagenkord

Papst Benedikt XVI. beendet an diesem Sonntag seine Reise nach Deutschland, nach Berlin, Thüringen und Freiburg. Unser Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord konnte ihn dabei begleiten: Ein erster Rückblick.

„Klartext ist das erste Wort, das mir bei der Reise in den Sinn kommt. Und dann natürlich die wunderbaren Gottesdienste. Wenn ich zurückdenke an das „Wort zum Sonntag", in dem der Papst seine Vorstellungen von der Papstreise vorstellte, dann sehe ich genau diese Papstreise.

Ausführlicher werden wir bei Radio Vatikan sicherlich noch auf den Besuch zurückblicken, es zeigen sich aber jetzt schon erste Linien.

Er wollte Menschen begegnen: Bei diesem sehr vollen Programm hat man wirklich ein Maximum an Begegnungen eingefügt. Nicht eine einzige war unwichtig, alle waren – so hören wir in den Gesprächen danach – sehr dicht.

Und er wollte über Gott reden. Wo Gott ist, da ist Zukunft. Also hat Benedikt XVI. über Gott gesprochen, im Bundestag, in den Predigten, den Ansprachen, den Reden. Nicht alles war einfache Kost, vieles war kantig und nicht das, was erwartet wurde. Der Papst hat Klartext gesprochen, er hat zu denken gegeben.

Ihm ist die deutsche Kirche nicht gleichgültig, das wurde immer wieder deutlich. Er hat seinen Beitrag zum Erneuerungsprozess geleistet, theologisch und durchaus auch kritisch, das Engagement in der Kirche aber auch würdigend. Über das, was er genau angesprochen hat, werden wir noch lange sprechen, kritisch wie auch würdigend. Und das ist es ja letztlich auch, was er wollte: Gehört werden.

Bei allem Sprechen waren es aber die Gottesdienste, die mich am meisten beeindruckt haben. Die Kirche in Deutschland in der Krise, trotzdem kommen sehr viele Menschen zu den Feiern, mehr als erwartet. Das zeigt vielleicht das beste Bild unserer Kirche: Dieser Papst bringt Menschen zusammen, man feiert zusammen, spricht über Gott und hört sein Wort. Das sind Impulse, die über das Praktische und rein Lösungsorientierte hinausgehen.

Die gemeinsame Feier Gottes in Gemeinschaft mit der Weltkirche, das ist bei Papstreisen immer und war auch bei dieser Reise der Höhepunkt. Über Gott sprechen wollte er – das heißt natürlich als erstes, sein Wort feiern. Dass die deutsche Kirche das will, das konnten wir in den vergangenen Tagen sehr deutlich sehen." (rv)

Papst in Freiburg: Für eine „Entweltlichung“ der Kirche

Mit engagierten Katholiken hat sich der Papst am Sonntag Abend in Freiburg getroffen. Im modernen Konzerthaus der Stadt dankte er ihnen für ihren Einsatz – und fand wieder einmal durchaus deutliche Worte zur Lage der Kirche in Deutschland: Die religiöse Praxis gehe zurück, viele Katholiken gingen auf Abstand zum kirchlichen Leben.

„Es kommt die Frage auf: Muss die Kirche sich nicht ändern? Muss sie sich nicht in ihren Ämtern und Strukturen der Gegenwart anpassen, um die suchenden und zweifelnden Menschen von heute zu erreichen?"
Dazu fiel dem Papst eine Anekdote ein: Mutter Teresa wurde einmal gefragt, was sich ihrer Meinung nach als erstes in der Kirche ändern müsse. Ihre Antwort sei gewesen: „Sie und ich." Das bedeute:
„Kirche sind nicht nur die anderen, nicht nur die Hierarchie, der Papst und die Bischöfe; Kirche sind wir alle, wir, die Getauften."
Und dennoch stimme es gleichzeitig, dass in der Kirche „Änderungsbedarf" herrsche: Benedikt sprach von „stetiger Änderung". Aber wie solle dies nun „konkret aussehen"?
„Geht es hier um eine Erneuerung, wie sie etwa ein Hausbesitzer durch die Renovierung oder den neuen Anstrich seines Anwesens durchführt? Oder geht es hier um eine Korrektur, um wieder auf Kurs zu kommen sowie schneller und geradliniger einen Weg zurückzulegen?"
Beides spiele natürlich „eine Rolle" – doch „das grundlegende Motiv der Änderung" in der Kirche müsse, so Benedikt wörtlich, „die apostolische Sendung der Jünger und der Kirche selbst" sein. Dieser ihrer Sendung müsse sich die Kirche „immer neu vergewissern".
„Um ihre Sendung zu verwirklichen, wird sie immer wieder auf Distanz zu ihrer Umgebung gehen, sie hat sich gewissermaßen zu „ent-weltlichen"."
Die „Sendung der Kirche" komme vom Wesen Gottes her, von der sich verströmenden Liebe des Dreifaltigen. Darum gelte für die Kirche:
„Sie hat nichts Eigenständiges gegenüber dem, der sie gestiftet hat. Sie findet ihren Sinn ausschließlich darin, Werkzeug der Erlösung zu sein, die Welt mit dem Wort Gottes zu durchdringen und die Welt in die Einheit der Liebe mit Gott zu verwandeln."
Das müsse die Hauptaufgabe der Kirche in der Welt sein: Sie solle sich insofern auf die Welt einlassen, als sie dadurch „die Hinwendung des Erlösers zu den Menschen" fortsetzt und sichtbar macht.
„In der geschichtlichen Ausformung der Kirche zeigt sich jedoch auch eine gegenläufige Tendenz, daß nämlich die Kirche sich in dieser Welt einrichtet, selbstgenügsam wird und sich den Maßstäben der Welt angleicht. Sie gibt Organisation und Institutionalisierung größeres Gewicht als ihrer Berufung zur Offenheit."
Das dürfe nicht sein, befand der Papst aus Deutschland: Stattdessen müsse die Kirche „immer wieder die Anstrengung unternehmen, sich von der Weltlichkeit der Welt zu lösen". Die Säkularisierung trage in gewisser Hinsicht zur „Läuterung und inneren Reform" der Kirche bei.
„Die Säkularisierungen – sei es die Enteignung von Kirchengütern, sei es die Streichung von Privilegien oder ähnliches – bedeuteten nämlich jedesmal eine tiefgreifende Entweltlichung der Kirche, die sich ja dabei gleichsam ihres weltlichen Reichtums entblößte und wieder ganz ihre weltliche Armut annahm."
In einer „entweltlichten Kirche" trete ihr „missionarisches Zeugnis" wieder „klarer zutage", so Benedikt XVI. Eine „von ihrer materiellen und politischen Last befreite Kirche" könne sich besser auf christliche Weise der Welt zuwenden, also „wirklich weltoffen sein".
„Sie öffnet sich der Welt, nicht um die Menschen für eine Institution mit eigenen Machtansprüchen zu gewinnen, sondern um sie zu sich selbst zu führen, indem sie zu dem führt, von dem jeder Mensch mit Augustinus sagen kann: Er ist mir innerlicher als ich mir selbst (vgl. Conf. 3, 6, 11)."
Er wolle hier keineswegs „eine neue Taktik finden, um der Kirche wieder Geltung zu verschaffen", meinte der Papst. Vielmehr gelte es, „jede bloße Taktik abzulegen und nach der totalen Redlichkeit zu suchen", die „ganz im Heute den Glauben vollzieht" und alles ablegt, „was nur scheinbar Glaube, in Wahrheit aber Konvention und Gewohnheiten sind".
„Sagen wir es noch einmal anders: Der christliche Glaube ist für den Menschen allezeit, nicht erst in unserer Zeit, ein Skandal. Dass der ewige Gott sich um uns Menschen kümmern, uns kennen soll, daß der Unfaßbare zu einer bestimmten Zeit faßbar geworden sein soll, daß der Unsterbliche am Kreuz gelitten haben und gestorben sein soll, daß uns Sterblichen Auferweckung und Ewiges Leben verheißen ist – das zu glauben ist nun einmal für uns Menschen eine Zumutung."
Dieser Skandal sei „unaufhebbar", „wenn man nicht das Christentum selbst aufheben will". Leider sei er „gerade in jüngster Zeit überdeckt worden von den anderen schmerzlichen Skandalen der Verkünder des Glaubens" – eine deutliche Anspielung auf die Missbrauchs-Skandale.
„Gefährlich wird es, wenn diese Skandale an die Stelle des primären skandalon des Kreuzes treten und ihn dadurch unzugänglich machen, also den eigentlichen christlichen Anspruch hinter der Unbotmäßigkeit seiner Boten verdecken. Um so mehr ist es wieder an der Zeit, die Weltlichkeit der Kirche beherzt abzulegen!"
Das sei kein Ruf nach dem Rückzug aus der Welt: Eine vom Weltlichen entlastete Kirche könne gerade im sozial-karitativen Bereich den Menschen „die besondere Lebenskraft des christlichen Glaubens vermitteln".
„Allerdings haben sich auch die karitativen Werke der Kirche immer neu dem Anspruch einer angemessenen Entweltlichung zu stellen, sollen ihr nicht angesichts der zunehmenden Entkirchlichung ihre Wurzeln vertrocknen." (rv)