Papst in Deutschland: Die Presseschau vom Samstag

Das Thema Ökumene bestimmt an diesem Samstag die Titelseiten der größten Zeitungen in Deutschland. Dabei wird das Erfurter Treffen des Papstes mit Vertretern der evangelischen Kirche in Erfurt ausführlich kommentiert.

Auf den Titelseiten der beiden Tageszeitungen „Süddeutsche Zeitung" und „Frankfurter Allgemeine Zeitung" springt das Wort „Enttäuschung" ins Auge. Das Treffen sei „hinter den bereits geringen Erwartungen auf evangelischer Seite zurückgeblieben", resümiert die „Frankfurter" (liberal-konservativ) Reaktionen ranghoher Vertreter der evangelischen Kirche in Deutschland. Der Papst habe die Hoffnung auf eine rasche Annäherung zwischen Protestanten und Katholiken gedämpft, schreibt die „Süddeutsche" (liberal-links).
Das Blatt betont weiter, der Papst habe mit seinem Besuch im Erfurter Augustinerkloster ein „historisches Zeichen" gesetzt. Die „Frankfurter" erwähnt die Freude des Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche in Deutschland über die päpstliche Würdigung Martin Luthers. Die Zeitung zitiert Nikolaus Schneider aber auch mit dessen Worten „Unser Herz brennt nach mehr".

„Werben für das pochende, hörende Herz" überschreibt die Tageszeitung „Die Welt" (konservativ) die Begegnung in Erfurt. Auf einer Doppelseite mit vielen Bildern lässt das Blatt im Innern die bisherigen Stationen der Papstreise Revue passieren. Der Papst habe „falsche Erwartungen" korrigiert und „neuen Ernst" in das ökumenische Gespräch gebracht. Ein „Routinetreffen" oder „klerikaler Festakt" sei das Erfurter Treffen nicht gewesen, heißt es auf Seite drei. Den Papstsatz, ein „selbstgemachter Glaube" sei „wertlos", versteht Vatikanberichterstatter Paul Badde als Werben des Papstes um die gemeinsame Suche nach der Basis des Glaubens.

Mehrere Zeitungen erwähnen an diesem Samstag weiter kurz ein Treffen des Papstes mit Missbrauchsopfern am Freitagabend. Der Papst habe den Opfern sexuellen Missbrauchs durch Priester und kirchliche Mitarbeiter „tiefes Mitgefühl und Bedauern" bekundet, gibt die Freiburger Regionalzeitung „Badische Zeitung" die Vatikanerklärung zur Begegnung wieder. Nach dem Treffen in den Räumen des Erfurter Priesterseminars hatte der Heilige Stuhl eine Pressemeldung herausgegeben.

Anlässlich des Papstbesuches im Erzbistum Freiburg widmet die „Badische Zeitung" Benedikt XVI. und dem Papstbesuch in Deutschland an diesem Samstag einen fünfzehnseitigen Magazinteil, den sie mit der Schlagzeile „Der Denker Gottes" eröffnet. In einem Artikel von Gerhard Kiefer wird der Papst als „intellektuell brillanter, kompromissloser und entschiedener Jahrhunderttheologe" vorgestellt. Weiter bringt die Zeitung ein ausführliches Interview mit dem Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, zu den Erwartungen an den Papstbesuch. Darin geht Zollitsch auch auf Fragen der Ökumene ein. Im Freiburger Teil der Zeitung wird Benedikt XVI. zuneigungsvoll mit der Schlagzeile „Wir sind Pabst!" begrüßt. Dem „Ausnahmezustand", der in der Stadt im Breisgau wegen des Papstbesuches herrscht, begegne man in Freiburg mit „badischer Gelassenheit", heißt es in einem Kommentar.

Auf einem Werbe-Faltblatt, das den regionalen Zeitungen beiliegt, wirbt die deutsche Bischofskonferenz „im Namen des Papstes" für Spenden an den „Benedikt-Ostafrikafond" – die Spendenaktion wurde parallel zum Papstbesuch ausgerichtet.

Die „Süddeutsche Zeitung" reichert ihre Einlage zum Wochenende mit einem Artikel zur Geschichte und Funktion des deutschen Bundesverfassungsgerichtes an. Benedikt XVI. trifft am Sonntag in Freiburg einige Bundesverfassungsrichter.

Andere Themen in der Presse sind die Begegnung des Papstes mit Muslimen in Berlin und weiter die Bundestagsrede Benedikt XVI. Das Kirchenoberhaupt habe die deutschen Muslime zur Orientierung am Grundgesetz gemahnt, schreibt die Regionalzeitung „Stuttgarter Zeitung", die in diesem Zusammenhang auch die Fürsprache des Papstes für eine öffentliche Dimension der Religionszugehörigkeit unterstreicht. „Die Welt" geht in einem Kommentar im Feuilleton auf die Rhetorik des Papstes bei der Bundestagsrede ein.

Die Zeitung „Bild" zeigt sich stolz über Benedikts Lob für die Titelseite des Blattes, die als Plakat seit Dienstag das Axel-Springer-Hochhaus in Berlin schmückt. (rv)

Zwischenbilanz der Reise – von P. Hagenkord

„Keiner soll alleine glauben": Ein Spruchband am Mariendom in Erfurt direkt neben dem Papstaltar bindet sehr gut zusammen, wofür der zweite Teil der Reise Papst Benedikt XVI. nach Deutschland steht.

Die Medien werden dominiert vom Wort „Enttäuschung", aber die Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sehen einen anderen Besuch. Während die 90.000 in Etzelsbach auf den Papst warteten, stimmten sie spontan – es war gerade keine Musik – ein ‚Großer Gott wir loben dich’ an. Sowohl auf dem Feld zur Vesper als auch zur großen Messe auf dem Domplatz zu Erfurt herrschte eine freudige, erwartungsvolle und auch geistliche Stimmung.

Der Papst sprach beide male über die Situation der Menschen hier, über die Diktaturen der Vergangenheit und auch über die Herausforderungen der Gegenwart, durch Diaspora und Glaubensverlust.

Aber auch das Treffen von Erfurt, die Begegnung und der ökumenische Gottesdienst, waren Höhepunkte der Reise. Ich habe einen Papst gehört, der das Suchen und Ringen Martin Luthers ausdrücklich würdigte und damit – auch wenn er die Worte nicht gebrauchte – die Einschätzung von Präses Nikolaus Schneider teilte, Luther sei mehr ein Scharnier zwischen den Konfessionen denn Ort der Trennung.

Gewiss, es hat nicht die schnellen Lösungen gegeben. Die hoch gesteckten und leider auch überzogenen Erwartungen im Vorfeld konnten gar nicht erfüllt werden. Aber Benedikt XVI., und so haben es auch die Beteiligten nach dem Treffen gesehen, hat die Grundlagen einer jeden möglichen Ökumene abgesteckt: Den gemeinsamen Glauben an Jesus, den gemeinsamen Auftrag, diesen Glauben zu bezeugen und ihn weiterzugeben. Wie sehr das Motivation oder Anstoß war, das werden wir in den nächsten Monaten und Jahren erst noch sehen.

Erfurt und Etzelsbach: ‚Wie den Glauben konkret gemeinsam leben?’ So würde ich eine vorsichtige Überschrift über diese Tage setzen. „Glaube ist immer auch wesentlich Mitglauben", in den Worten des Papstes gesagt. Das bindet die Ereignisse dieser Tage zusammen: Mitglauben in der Diaspora, Mitglauben in der wieder gewonnenen Freiheit, Mitglauben in den Herausforderungen der Glaubensverdunstung, Mitglauben in der Ökumene. (rv)

Lehmann: Papst wollte großer ökumenischer Geste nicht vorgreifen

Papst Benedikt wollte den konfessionsübergreifenden Arbeiten zum Reformationsjubiläum nicht vorgreifen, deshalb hielt er sich zurück mit ausdrücklichem Lob für Martin Luther. Das denkt der Mainzer Bischof Karl Lehmann, den der Papst in seiner Rede im Erfurter Augustinerkloster für sein ökumenisches Engagement lobend erwähnte.

„Papst Benedikt war natürlich sparsam mit Worten mit Blick auf das Lob, aber dass er hierhergekommen ist, dass er den Schritt über die Schwelle des Augustinerklosters getan hat, Luther hat immerhin hier 20 Jahre gewohnt, das ist schon sehr viel. Ich denke, er ist auch ein wenig zurückhaltend, weil er weiß, dass auf vielen Ebenen bis zum 500. Reformationsjubiläum jetzt gearbeitet wird und man eine gemeinsame Wertung versucht. Und der will er auch nicht einfach vorgreifen. Deswegen verstehe ich die Geduld, die er da praktiziert."

Denoch ein historischer Moment?

„Mit so großen Worten bin ich sparsam. Es ist sicher geschichtlich bedeutsam. Ob es sich so groß historisch sich zeigen wird, das entscheidet eigentlich die Zeit nach uns. Wenn man immer wieder darauf zurückkommt, damit ettwas anfängt, damit Impulse setzt, undsofort, dann ja." (rv)

Dziwisz lädt Papst nach Polen ein

Die Musik bei den Papstgottesdiensten in Deutschland findet nicht überall Anklang; mancherorts im Internet hatten offensichtliche Liturgie-Puristen ihrem Unmut über die musikalische Ausgestaltung der Messen Luft gemacht. Der polnische Kardinal Stanislaw Dziwisz kann die Kritik nicht teilen. Nach dem Gottesdienst in Erfurt sagte der Erzbischof von Krakau und frühere Privatsekretär von Papst Johannes Paul II. unserem Korrespondenten Ludwig Waldmüller:

„Die Messe war wunderbar. Ich habe die große Sammlung bewundert. Die Gesänge, die Musik."

Außerdem verriet uns Dziwisz, er habe in diesen Tagen persönlich Papst Benedikt dazu eingeladen, das in Konstruktion befindliche Heiligtum für Papst Johannes Paul II. in Krakau einzuweihen.

„Ich hoffe, dass er kommt, und denke, dass wir ihn gemeinsam mit der Bischofskonferenz nochmals offiziell einladen werden für den Weltjugendtag, der nach Rio der Janeiro stattfinden wird. Dem Kardinalstaatssekretär habe ich das schon geschrieben. Das wäre eine tolle Sache, wenn der Weltjugendtag in Krakau stattfinden könnte! Denn dort ist er auf gewisse Weise erfunden worden, und es wäre schön, wenn er nach Polen zurückkehrte. Wir möchten dieses Heiligtum ja gerne für die Menschen der ganzen Welt öffnen." (rv)