Scharfe Kritik an Vorveröffentlichung der deutschen Missbrauchstudie

Medienberichte: Forschungsprojekt belegt tausende Fälle von 1946 bis 2014 – Bischof Ackermann: Für die Betroffenen ein „schwerer Schlag“.

BONN ,- In einer ersten Reaktion der Deutschen Bischofskonferenz hat Bischof Stephan Ackermann kritisiert, dass mehrere Medien am heutigen 12. September die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht haben, die den Missbrauch Minderjähriger durch Priester und Ordensleute in Deutschland in den Jahren 1946 bis 2014 dokumentiert.

„Gerade mit Blick auf die Betroffenen sexuellen Missbrauchs ist die verantwortungslose Vorabbekanntmachung der Studie ein schwerer Schlag“, so Ackermann, der Beauftragter für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich und für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) ist.

Die Ergebnisse des interdisziplinären Forschungsprojekts, das von der DBK in Auftrag gegeben wurde, sollte eigentlich am 25. September vorgestellt werden, wie CNA Deutsch berichtete.

Den Meldungen zufolge wurden im Zeitraum von 1946 bis 2014 laut Studie „3677 überwiegend männliche Minderjährige als Opfer sexueller Vergehen. 1670 Kleriker werden der Taten beschuldigt“, so der „Spiegel„. Die Forscher hätten „mehr als 38.000 Personal- und Handakten aus 27 deutschen Diözesen untersucht und ausgewertet“.

„Ich bedauere, dass die bisher vertraulich gebliebene Studie und somit das Ergebnis vierjähriger Forschungsarbeit zur Thematik ‚Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz'“ heute veröffentlicht worden sei, so Bischof Ackermann.

„Der Vorgang ist umso ärgerlicher, als bislang noch nicht einmal den Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz die Gesamtstudie bekannt ist.“

Wie der „Spiegel“ weiter berichtet sei die Hälfte aller Fälle ohne Antrag auf Entschädigung „durch die Betroffenen nicht einmal entdeckt worden, da die Personalakten der Beschuldigten keine Hinweise enthielten“.

In vielen Fällen seien sie „vernichtet oder manipuliert“ worden. Daraus ergebe sich ein „Hinweis auf das Ausmaß des anzunehmenden Dunkelfelds“, schreiben die Autoren der Studie, heißt es.

Die DBK teilt mit, dass für die Woche der Herbst-Vollversammlung vom 24.–27. September 2018 geplant ist, ein Beratungs-Telefon für diejenigen zu schalten, die aufgrund der Berichterstattung aufgewühlt sind und mit jemandem sprechen möchten.

Ackermann betonte: „Wir wissen um das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs, das durch die Ergebnisse der Studie belegt wird. Es ist für uns bedrückend und beschämend. Vor vier Jahren haben wir die Studie in Auftrag gegeben und gerade wir Bischöfe stellen uns den Ergebnissen“.

Dazu werde als erstes die Vollversammlung in Fulda dienen.

„Ziel der Studie, an der sich alle 27 Diözesen Deutschlands beteiligt haben, ist es, mehr Klarheit und Transparenz über diese dunkle Seite in unserer Kirche zu erhalten und zwar um der Betroffenen willen, aber auch, um selbst die Verfehlungen sehen und alles dafür tun zu können, dass sie sich nicht wiederholen“.

Der Missbrauchsbeauftrage betonte:

„Es geht uns um eine verantwortungsvolle und professionelle Aufarbeitung. Ich bin davon überzeugt, dass die Studie eine umfangreiche und sorgfältige Erhebung ist, die Zahlenmaterial und Analysen bietet, aus denen wir weiter lernen werden. Das gilt auch für die Erkenntnisse, die eine vertiefte Einsicht über das Vorgehen der Täter und über das Verhalten von Kirchenverantwortlichen in den zurückliegenden Jahrzehnten ermöglichen. Nochmals betone ich: Die Studie ist eine Maßnahme, die wir nicht nur der Kirche schuldig sind, sondern vor allem und zuallererst den Betroffenen.“

Betroffene sollten sich – so die Mitteilung der DBK – bis zur Bereitstellung des Beratungs-Telefons an die Telefonseelsorge (Tel. 0800/1110111 oder 0800/1110222), die Internetseelsorge (www.internetseelsorge.de) sowie die Missbrauchsbeauftragten der Bistümer (Liste auf der Themenseite www.dbk.de/themen/sexueller-missbrauch/informationen-fuer-betroffene) wenden. (CNA Deutsch)

Bischof Ackermann: Papst-Brief über Missbrauch auch für Deutschland aufrüttelnd

BONN – Bischof Stephan Ackermann von Trier hat das Schreiben von Papst Franziskus über die Missbrauch- und Vertuschungskrise der Kirche, in dem der Pontifex den Klerikalismus als wesentliches Element für das Vorkommen sexueller Gewalt und die Deckung von Tätern bezeichnet, als ein – auch für Deutschland – „aufrüttelndes Schreiben“ bezeichnet.

Das teilte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) mit.

Ackermann ist der „Beauftragte für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich und für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes“ der DBK. Er schreibt:

„Mit seinem Schreiben will der Papst sicher auch ein eindeutiges Zeichen setzen, bevor er am kommenden Samstag zum Weltfamilientreffen nach Dublin aufbricht. Denn er wird dem Thema der sexuellen Gewalt in der Kirche auch dort wieder begegnen.“

Tatsächlich haben bereits zwei US-Kardinäle ihre Teilnahme am Weltfamilientreffen abgesagt, wie CNA Deutsch berichtete, während irische Kirchenvertreter warnend die Veranstaltung als Gelegenheit zum „Nachdenken über Sünde“ bezeichnet haben.

Der Trierer Bischof schreibt weiter, der Papst mache „in seinem Schreiben unmissverständlich klar, dass er an der Seite der Opfer und ihrer Familien steht“.

Der Papst habe in „den vielen Stellungnahmen, die er in seiner fünfjährigen Amtszeit zu diesem Thema schon abgegeben hat, noch nie so deutlich ausgedrückt, dass der sexuelle Missbrauch durch Priester immer zugleich auch ein Macht- und ein Gewissensmissbrauch ist“, hießt es in der Erklärung.

„Sexueller Missbrauch wird begünstigt und gedeckt durch die Haltung des Klerikalismus, die der Papst als eine ‚anomale Verständnisweise von Autorität in der Kirche‘ brandmarkt und aufs Schärfste verurteilt“, so Ackermann weiter.

Deshalb mahne der Papst in seinem Schreiben auch nicht nur verstärkte Präventionsbemühungen an, sondern sieht die Notwendigkeit einer „Umkehr des kirchlichen Handelns“ insgesamt.

„Aus diesem Grund ruft er das Volk Gottes auf zu Fasten, Buße und Gebet.“

Sicher werde die Frage gestellt werden, warum der Papst dieses Schreiben an das ganze Volk Gottes richtet, wo doch die Schuld und Verantwortung in erster Linie bei den Priestern, den Bischöfen und Ordensoberen liege, so Bischof Ackermann.

„Spricht der Papst nicht allzu leicht in der Wir-Form und nimmt damit diejenigen in der Kirche mit in Haftung, die aufgrund des skandalösen Verhaltens von Priestern selbst eher zu den Leidtragenden gehören? Der Brief wird sich diese Frage gefallen lassen müssen. Zugleich lässt der Papst keinen Zweifel daran, dass er dem Klerus allein nicht die notwendige Kraft zur Erneuerung zutraut. Vielmehr setzt Franziskus dabei auf die Hilfe des ganzen Gottesvolkes auch in der Form, „all das anzuprangern, was die Unversehrtheit irgendeiner Person in Gefahr bringen könnte.“

Der Papst wünsche sich in der Kirche die Bereitschaft zu einer Solidarität, „die zum Kampf gegen jede Art von Korruption, insbesondere der spirituellen, aufruft“.

„Voller Scham bekennt der Papst, dass die Unterdrücker und Mächtigen allzu oft nicht außerhalb, sondern innerhalb der Kirche saßen und sitzen. Insofern ist der Brief des Papstes ein wirklich aufrüttelndes Schreiben, das auch uns in Deutschland zur Gewissenserforschung und Erneuerung aufruft.“

Mit Blick auf Deutschland – und indirekt damit zu den im Raum stehenden zwei Fragen der Skandale in USA, Chile und anderen Ländern, nämlich ob erstens Fälle des Missbrauchs, aber auch sexuellen Fehlverhaltens hier vertuscht und gedeckt werden könnten, und zweitens wie mit Bischöfen in diesen Fällen umgegangen wird – erklärt Bischof Ackermann:

„Mit dem von der Deutschen Bischofskonferenz beauftragten interdisziplinären Forschungsprojekt ‚Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz‘ gehen wir einen solchen Schritt.“

Die Ergebnisse sollen bei der Herbst-Vollversammlung der DBK vorgestellt werden. (CNA Deutsch)

Bischof Ackermann: „Wir wollen Klarheit in Limburg“

Die deutschen Bischöfe wollen eine schnelle Lösung der Krise im Bistum Limburg. Angesichts der sich zuspitzenden Lage ist bei den deutschen Oberhirten eine Schmerzgrenze erreicht, lässt der Trierer Bischof Stephan Ackermann im Interview mit Radio Vatikan durchblicken. Das Vertrauen im Bistum sei „massiv gestört", klagte Ackermann, dessen Bistum an das Bistum Limburg angrenzt. Der Bischof äußerte sich am Donnerstagabend am Rande einer Veranstaltung zum Thema Religionsfreiheit in der deutschen Botschaft am Heiligen Stuhl in Rom.

„Das gilt für mich als Bischof von Trier, ich bin ja unmittelbarer Nachbar zu Limburg, aber das gilt im Grunde für alle Bischöfe in Deutschland: Dass wir wirklich auch mitleiden in der Situation, das heißt, mit dem Bischof und mit dem Bistum, mit den Menschen. Weil man ja sieht: Das hat sich irgendwie derart verknotet, dass es schwierig ist, eine Lösung zu sehen. Wir wissen, und das wird von allen Seiten auch gesagt, das ist unbestritten, dass Kardinal Lajolo wirklich eine gute Mission erfüllt hat. Wichtig ist natürlich, dass es jetzt noch mehr Klarheit gibt. Es wird die Kommission ja geben von Seiten der Bischofskonferenz, was die Kosten des Bischofshauses bzw. des diözesanen Zentrums angeht. Aber das Entscheidende ist, dass Wege wieder zueinander gefunden werden. Und das Vertrauen ist ja massiv gestört, das muss man ja ganz nüchtern so sagen."

Bischof Ackermann erklärt im Gespräch mit Radio Vatikan auch, warum sich die deutschen Bischöfe mit einer gemeinsamen Stellungnahme in der Frage Limburg bisher zurückgehalten haben:

„Es ist ja schon gesagt worden: Warum melden sich die Bischöfe nicht deutlicher zu Wort, auch sozusagen, indem sie den Bischof stützen, aber ich glaube, es gibt auch von unserer Seite gewisse Hilflosigkeiten, weil man natürlich die Situation letztlich auch nicht wirklich überblicken kann, sondern das mitbekommt, was an Stellungnahmen da ist, und das ist wirklich bestürzend und schmerzlich für alle." (rv)

Bischof Ackermann zur Neuausschreibung der Missbrauchsstudie: „Besser verstehen“

Die Deutsche Bischofskonferenz schreibt das Projekt der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Missbrauchsskandals neu aus. Nachdem Anfang des Jahres der Versuch gescheitert war, gemeinsam mit dem Kriminologen Christian Pfeiffer diese Aufarbeitung zu leisten, suchen die deutschen Bischöfe nun die Zusammenarbeit mit mehreren wissenschaftlichen Partnern verschiedener Disziplinen. Die Bischöfe zeigen sich lernwillig und bekräftigen den Willen, Missbrauch in Zukunft zu verhindern. Es gehe einerseits darum, verlässliche Daten zu sexuellem Missbrauch in deutschen Bistümern zu erheben, und andererseits um die Ausleuchtung systemischer Zusammenhänge, führt der Trierer Bischof Stefan Ackermann im Interview mit Pater Bernd Hagenkord aus. Ackermann ist in der Bischofskonferenz für die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle zuständig.


„Wir haben natürlich aus den Vorgängen um Professor Pfeiffer und das Forschungsinstitut in Hannover gelernt. Man muss bedenken, dass sich für Professor Pfeiffer und auch für uns im Verlauf der Planung und Vorbereitung des Forschungsprojektes Fragen gezeigt haben, die man so nicht im Blick hatte. Ich denke da an die ganzen Fragen des Datenschutzes. Da haben wir wirklich daraus gelernt. Diese Erfahrung geht nun in den Neustart des Projektes ein.
Ich glaube, dass auch dadurch eine gute Voraussetzung geschaffen ist, dass wir uns ja entschlossen haben, ein Expertengremium zu berufen, das uns auch schon in der Ausschreibung beraten hat. Allein dass wir das Projekt jetzt ausschreiben ist auch dem Rat der Experten geschuldet, die uns geraten haben, das Vorgehen durch eine Ausschreibung transparenter und objektiv zu machen, so dass man wirklich nicht sagen kann, dass die Bischöfe nur mit einem Institut verhandelt hätten und dass da etwas hinter verschlossenen Türen gemacht würde. Jetzt ist das Ganze auf breitere Basis gestellt."

Eine Neuerung ist, dass Sie mehrere Verbundpartner haben wollen, also nicht nur ein Institut, sondern mehrere, und es soll interdisziplinär sein.

„Das war auch ein Rat der Experten: Wenn es darum geht, dass zum Beispiel auch mit Betroffenen gesprochen wird, aber auch mit Tätern, dass man dafür Qualifikationen braucht. Kriminologen sind nicht automatisch befähigt, in guter Weise mit Menschen zu sprechen, die traumatisiert sind. Oder wenn man daran denkt, dass es auch um Aspekte systemischer Art geht, das heißt: Was waren die Rahmenbedingungen, die von institutioneller Seite der Kirche her und von den Verantwortlichen her dazu beigetragen haben, dass bestimmte Dinge nicht entdeckt worden sind, dass man sie nicht systematisch angegangen ist. Da braucht man historisch-sozialwissenschaftliche Kompetenz und nicht unbedingt kriminologische.
Die Experten haben uns gesagt, dass es gut wäre, wenn es mehrere Fachrichtungen gäbe, die dann kooperieren, so dass man in breiterer Weise auf das Feld schauen kann."

Die Frage des Datenschutzes haben Sie bereits angesprochen. Es gab beim letzten Projekt Streit um die Frage der Verfügbarkeit von Personalakten. Ist diese Frage jetzt gelöst?

„Unser Ziel ist ja, dass dieses Material , was wir haben und was natürlich auch zu einem großen Teil in den letzten Jahren zu Tage gekommen ist, auszuwerten. Das heißt, dass all das Material, das relevant ist, auch ausgewertet werden kann. Wir wollen ja besser verstehen, wir wollen ja – soweit das geht – der Wahrheit ins Gesicht schauen. Da muss ja das Ziel sein, das auch zur Verfügung zu stellen, was an Material für ein Forschungsprojekt interessant und relevant ist und was uns zur Verfügung steht.
Es geht aber auch darum, das zu tun, ohne Persönlichkeitsrechte zu verletzen. Es muss sichergestellt werden, dass die staatlichen Datenschutzrichtlinien beachtet sind und auch die kirchlichen, so dass die Forscher mit gutem Gewissen forschen können, wir aber als Bischöfe unserer Verantwortung als Dienstgeber gerecht werden – all die Dinge, die abzuwägen sind, sind also bedacht."

Die Debatte läuft jetzt schon eine ganze Zeit; was für neue Erkenntnisse erwarten Sie sich oder was für ein Ziel strebt diese Studie jetzt an?

„Aus meiner Sicht sind das vor allem zwei Aspekte. Zunächst geht es noch einmal darum, verlässliches Zahlenmaterial zu bekommen. Wir sind ja immer wieder gefragt worden, wie das jetzt eigentlich in den Bistümern aussieht. Wenn man nicht vergleichbare Parameter hat, also Bedingungen, nach denen man das in Kategorien einteilen kann, (kann man nicht arbeiten, Anm. d. Red.). Es gibt ja Grenzverletzungen, die nicht gleich zu setzen sind mit Pädophilie. Wir haben auch negative Erfahrungen gemacht, wenn Bistümer und Ordensgemeinschaften Zahlen nennen und die dann falsch interpretiert werden. Es geht darum: Worüber sprechen wir? Und das muss vergleichbar und belastbar sein. Das ist der eine, quantitative Gesichtspunkt, der wichtig ist.
Dann ist es aber auch noch einmal wichtig zu schauen, was die institutionellen Aspekte sind. Wo ist man verantwortlich mit der Problematik umgegangen, auch in zurückliegenden Jahrzehnten, und wo waren Schwachstellen, auch systemischer Art, bei den Verantwortlichen? Gibt es Rahmenbedingungen, die Missbrauch begünstigt haben? Die Studie hat auch einen präventiven Aspekt: Wir wollen lernen, damit das in der Zukunft nicht wieder passiert." (rv)

Papst „tief erschüttert“ bei Treffen mit Missbrauchsopfern

Papst Benedikt XVI. hat auch bei seiner Deutschlandreise Opfer sexuellen Missbrauchs durch katholische Priester getroffen. Im Erfurter Priesterseminar sprach er mit drei Männern und zwei Frauen aus verschiedenen Teilen Deutschlands, die in jungen Jahren Übergriffe durch Geistliche und kirchliche Mitarbeiter erlitten hatten. Der Papst war „bewegt und erschüttert von der Not der Missbrauchsopfer", hieß es in einer anschließenden Erklärung des vatikanischen Pressesaales. Er habe „sein tiefes Mitgefühl und Bedauern bekundet für alles, was ihnen und ihren Familien angetan wurde". Zugleich habe der Papst versichert, dass den Verantwortlichen in der Kirche an der Aufarbeitung aller Missbrauchsdelikte gelegen sei und sie um wirksame Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen bemüht seien.

Die Begegnung dauerte eine halbe Stunde und fand in einer „sehr menschlichen und offenen Atmosphäre" statt, sagte der Trierer Bischof Stephan Ackermann; der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz war bei dem Treffen dabei. Die Opfer hätten sich „kein Blatt vor den Mund genommen", so Ackermann. Dem Papst seien „Beschämung und Schmerz deutlich anzumerken gewesen".

Die Opfer trafen Benedikt als Gruppe. Dabei kam es nicht zu Einzelgesprächen. Ähnliche Treffen hatte es auch bei vorangegangenen Auslandsreisen des Papstes gegeben. Die von der Bischofskonferenz ausgesuchten Opfer stammten den Angaben zufolge aus verschiedenen Regionen und reflektierten unterschiedliche Situationen aus Pfarreien und einem Kinderheim. Ackermann verteidigte die Geheimhaltung der Identität der Opfer mit Hinweis auf den Schutz ihrer Privatsphäre. Nur so sei die offene Gesprächsatmosphäre möglich gewesen, bei der die Betroffenen ihre Situation und Teile ihrer Biografie offen geschildert hätten. Wenn sie es selbst wünschten, könnten die Opfer sich an die Öffentlichkeit wenden. (rv)

Ägypten: Nach der Euphorie die Skepsis

Nach der Freiheits-Euphorie rund um den Tahrir-Platz in Kairo mehren sich jetzt mit Blick auf Ägypten die besorgten Stimmen. Der deutsche „Friedens-Bischof" Stephan Ackermann fragt: „Wird Ägypten seinen Friedensvertrag mit Israel bestätigen? Werden aus den demokratischen Kräften im Land freie und verantwortungsvolle Parteien entstehen oder werden radikale Kräfte den Übergang in das neue Ägypten ausnutzen?" In einem Beitrag für den SWR2 fordert der Trierer Bischof, der die „Iustitia et Pax"-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz leitet, dass die neuen Machthaber in Kairo die Weichen Richtung Religionsfreiheit stellen. „Dazu muss der Artikel 2 der Verfassung gestrichen werden, der die Scharia als wichtigste Quelle des Rechts in Ägypten festschreibt und die Grundlage für die Benachteiligung und Verfolgung der christlichen Kopten darstellt."
 Die Muslimbruderschaft hat an diesem Dienstag in Kairo angekündigt, dass sie ihre offizielle Zulassung als Partei beantragen will. Bei einer schnellen Wahl käme der ursprünglich islamistische Verband nach Schätzungen auf 30 Prozent der Stimmen. Bischof Ackermann sieht es immerhin als Zeichen der Hoffnung, dass während der Proteste in Kairo auch Christen zusammen mit Muslimen für ein Ende des Regimes demonstriert hätten. „Da wurden Koran und Kreuz nebeneinander als Zeichen der Freiheit hochgehalten. Gebe Gott, dass diese Erfahrung der Gemeinsamkeit in einem andauernden gegenseitigen Respekt mündet!" Ackermann kritisiert die, so wörtlich, „schnellen Beifallskundgebungen" von westlichen Politikern: „Es ist noch nicht lange her, dass Präsident Mubarak an erster Stelle nicht als Vertreter eines autoritären Regimes gesehen wurde, sondern als verlässlicher Partner." 2009 seien deutsche Rüstungsgüter im Wert von mehr als 77 Millionen Euro nach Ägypten verkauft worden, „wohl wissend, dass es um die Lage der Menschenrechte im Land am Nil schlecht bestellt ist."
Auch die evangelische Kirche in Deutschland macht sich Sorgen mit Blick auf Ägypten, vor allem um die Kopten. Der Berliner Bischof Markus Dröge hat deswegen an den koptischen Bischof in Deutschland, Anba Damian, geschrieben. Es stelle sich die Frage, ob die Christen in Ägypten darauf vertrauen könnten, dass in der Verfassung die Religionsfreiheit verankert und die Menschenrechte aller Bürger geschützt werde. Unter den elf Mitgliedern des jetzt eingesetzten Komitees für eine Verfassungsreform sei nur ein Christ.
Von den rund 83 Millionen Einwohnern sind 87 Prozent Muslime und zehn Prozent orthodoxe Kopten. Außerdem gibt es kleinere Gruppen von katholischen Kopten und Protestanten. (rv)