Bischofsweihe in Görlitz: Deutschland braucht eine Kirche mit Profil

Gemeinsam mit seiner Kirche und mit den Nachbarkirchen an einem christlichen Europa bauen, dazu hat sich der neue Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt bekannt. Am Sonntag wurde er vom Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki zum Bischof geweiht und vom päpstlichen Nuntius Jean-Claude Périsset im Dom von Görlitz in sein Amt eingeführt. Görlitz ist mit etwa 30.000 Katholiken das kleinste deutsche Bistum. Der Bischofsstuhl war mit der Versetzung von Bischof Konrad Zdarsa nach Augsburg im Juli vergangenen Jahres vakant geworden.

Eine Kirche mit Profil
Der Erfurter Bischof Joachim Wanke ging in seiner Predigt auf die Situation der Kirche in Deutschland, besonders aber in den östlichen Bundesländern ein. Sie müsse sich den Schwierigkeiten stellen und bereit sein zur Kreuzesnachfolge.

„Wir retten uns nicht dadurch, dass wir uns menschlich absichern, Imagekampagnen für die Kirche veranstalten, von allen möglichen Stategiepapieren das Heil erwarten. Nein: Es gehört zum Weg der Kirche, dass die Welt sich immerfort wundert, warum die Kirche nicht schon endgültig tot ist."

Auch in einer festlichen Stunde wie einer Bischofsweihe in einer Diasporakirche dürfe der Blick auf die Situation der Kirche, auf Schwierigkeiten und Krisen, nicht fehlen. Bischof Wanke nannte aber auch die Perspektive, unter der die Kirche heute zu sehen sei.

„Wir befinden uns heute in einer geschichtlichen Stunde der Kirche, wo diese Sicht der Kirche neu verinnerlicht werden muss. Es kann schon weh tun, wenn man merkt, wie äußere Stützen und Selbstverständlichkeiten religiös-kirchlicher Tradition wegbrechen. … Und doch: Hängen Glaube, Hoffnung und Liebe ab vom gesellschaftlichen Kurswert der Kirche und ihrer Repräsentanten? Das wirkliche Ansehen der Kirche und ihrer Botschaft hängt von anderen Faktoren ab. Es hängt von Menschen ab, die mit demütigem Selbstbewusstsein ihren Gottesglauben bekennen, die Solidarität üben und sich für die Schwachen einsetzen, und die tapfer zu ihren Gewissensüberzeugungen stehen, auch wenn sie keine Mehrheitsmeinung im Rücken haben. Freilich, dazu braucht es Profil."

Fremd und neu
Zum Abschluss der Feierlichkeiten bedankte sich der Neubischof bei allen Mitfeiernden. Mit Blick auf sein neues Bistum zitierte er den Psalmisten:

„’Auf dieses herrliche Land ist jetzt mein Los gefallen’. Das sind Brandenburg und Sachsen, das ist ein Teil des Sorbenlandes, der Spreewald, die Lausitz. Es wird für mich vieles fremd und neu sein…"

Aber wie sich bei den vielen Grüßen und Hilfen jetzt schon gezeigt habe, werde man das alles gemeinsam angehen. Einen besonderen Gruß richtete Bischof Ipolt auf Polnisch an seine neuen östlichen Nachbarn. Er hoffe auf eine Zusammenarbeit auf dem gemeinsamen Boden des Glaubens für ein christliches Europa. (rv)

Vatikan: Wechsel in der Leitung der Grabesritter

Papst Benedikt XVI. hat den Rücktritt von Kardinal John Patrick Foley als Großmeister des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem angenommen. Das gab der Vatikanische Pressesaal an diesem Montag bekannt. Gleichzeitig wurde der bisherige Erzbischof von Baltimore, Edwin Frederick O’Brien, zum Pro-Großmeister ernannt. Den Titel des Großmeisters selbst erhält er mit der Aufnahme in das Kardinalskollegium. Die Grabesritter sind ein päpstlicher Orden, der sich vor allem die Unterstützung der Aktivitäten und Einrichtungen der Katholischen Kirche im Heiligen Land auf die Fahnen geschrieben hat, vor allem des Lateinischen Patriachats. Dementsprechend hat der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Fouad Twal, das Amt des Großpriors im Orden inne. Der Orden baut und unterhält Kirchen, Schulen, Kindergärten, Altenheime und andere soziale Einrichtungen für sozial schwache oder alte Menschen. (rv)

Kenia: Fünf verurteilt, vier freigesprochen

Die Justiz in Kericho hat fünf Personen für den Mord an einem Missionar verurteilt. Drei Männer wurden zum Tod verurteilt, die beiden anderen erhielten jeweils vierzehn Jahre Haft. Vier weitere Verdächtige wurden freigesprochen. Der aus Irland stammende Pater Jeremiah Roche war im Dezember 2009 Opfer eines Raubmords geworden. Seine Missionsgemeinschaft äußert Genugtuung über den Abschluss des Falles, ist aber bestürzt über die Todesurteile: „Als christliche Missionare sind wir vollkommen gegen die Höchststrafe, weil wir gegen jedwede Gewalt sind." Die Todesstrafe ist in Kenia legal, wurde aber seit 1987 nicht mehr vollzogen. (rv)

D/Brasilien: Präsidentin bekommt Protestpost von Adveniat

Ein deutsches Hilfswerk schreibt der Präsidentin eines Landes. Ein nicht ganz gewöhnlicher Vorgang, aber genau das hat Adveniat – das Lateinamerika-Hilfswerk der deutschen Kirche – von einiger Zeit getan: Geschäftsführer Bernd Klaschka schrieb an Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff. Es geht um die Vernichtung des Regenwaldes und das Überleben der indigenen Völker. Christian Frevel, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit von Adveniat, erklärt gegenüber Radio Vatikan den Hintergrund:

„Wir haben zu einem besseren Schutz der Ureinwohner in Brasilien aufgefordert, weil wir bemerkt haben, dass es in letzter Zeit verstärkt dazu gekommen ist, dass es Übergriffe auf die physische und kulturelle Integrität der indigenen Völker in Brasilien gegeben hat. Jetzt gab es einen ganz konkreten Anlass, einen Überfall auf eine Station der indianischen staatlichen Kulturbehörde, die dazu da ist, die Indianer zu schützen und sie vor Übergriffen zu bewahren. Diese Station wurde zerstört und wir befürchten ein Massaker an Indianern, und zwar an Indianern, die bisher noch keinen Kontakt zur Zivilisation hatten und in freiwilliger Isolation leben."

So dramatisch diese Schilderung ist, so ist das kein Einzelfall. Vor allem die Grenzregion Peru – Brasilien sei in letzter Zeit immer gewalttätiger geworden, weil sie zunehmend Durchzugsgebiet von Drogenhändlern geworden ist und diese nähmen keinerlei Rücksicht auf die indigenen Völker. Es seien aber nicht nur illegale Aktivitäten, die Grund für die Gefährdung seien:

„Es gab in den 90er Jahren und in den ersten Jahren der Regierung von Präsident Lula (des Vorgängers von Präsidentin Rousseff, Anm. d. Red.) starke Verbesserungen, insbesondere was die sogenannte Demarkation – die Eingrenzung und Absteckung von Indianergebieten – bedeutete. Es gab ganz klare Demarkationen von Indianerreservaten und Naturreservaten. Dies ist in den letzten Jahren allerdings nicht weiter gegangen. Stattdessen hat die wirtschaftliche Seite dort die Oberhand bekommen, auch schon unter der Regierung Lula und jetzt auch unter der Regierung von Dilma Rousseff. Wirtschaftliche Gesichtspunkte wie die Frage der Wasserkraft oder der Ausbau der Sojafelder haben die Oberhand vor dem Schutz der Menschen und vor dem Schutz des Regenwaldes bekommen.
Adveniat fordert gemeinsam mit der Brasilianischen Bischofskonferenz, dass der Schutz der indigenen Bevölkerung und auch der Schutz des Regenwaldes stärker berücksichtigt wird und nicht allein wirtschaftliche Interessen verfolgt werden. Das ist das eine.
Das andere ist, dass wir eine zunehmende Militarisierung der Grenzen befürchten. Das ist genauso wie in anderen Staaten Lateinamerikas: Wenn man sieht, dass Drogen durch das Staatsgebiet transportiert werden, dann befestigt man die Grenzen und es wird mehr Militär in die Region entsandt. Das hilft aber nicht das Problem des Drogenhandels und des Drogenkonsums und auch der Illegalität dort zu lösen. Das schürt weitere Konflikte du bringt Waffen und Gewalt und damit sicher auch irgendwann Opfer in die Region."

Neben den grundsätzlichen Forderungen nach Schutz und Rücksicht weist der Brief von Adveniat auch auf konkrete Ansatzpunkte hin.

„Dazu gehört auch, dass man eine stärkere kulturelle Integrität der Indianer gewährleistet und nicht allein darauf aus ist, sie der sogenannten Zivilisation zuzuführen. Das konnten wir in letzter Zeit am Beispiel des Wasserkraftwerkes Belo Monte verfolgen, dort wo Bischof Erwin Kräutler zu Hause ist. Dort sagt die Regierung, dass sie den Indianern, die wegen des Baus des Staudamms ihren Lebensraum verlassen müssen, neue Möglichkeiten geben will. Sie will sie von Waldläufern zu Ackerbauern machen, aber das ist nicht der Schutz der kulturellen Integrität, den wir uns vorstellen."

Reaktionen hat es auf den Brief an die Präsidentin Dilma Rousseff noch nicht gegeben, Adveniat sei aber in Kontakt mit dem Brasilianischen Botschafter in Deutschland.

„Eine optimale Reaktion wäre für uns, dass es nicht nur darum ginge, sich zu sagen, dass es lediglich eine konkrete Situation an der Grenze zu Peru sei, die jetzt dadurch geändert wird, dass Militär entsandt wird. Uns geht es ganz konkret auch um die Frage, wie die Gewichtung der brasilianischen Politik ist. Wir wollen dort den Indianermissionsrat der Kirche in seiner Position unterstützen, dass klar ist, dass die Regierung nicht abwartend daneben steht und sagt, dass die Wirtschaftspolitik eine wichtige Sache sei und zu den Indianern wenig sagt. Dass bedeutet auch, dass man die Indianer als brasilianische Bürger so wie sie sind, mit ihrer Kultur, akzeptiert und nicht sagt, dass sie Menschen zweiter Klasse sind." (rv)

Kanada: Kardinal Aloysius Matthew Ambrozic ist tot

Der frühere Erzbischof von Toronto in Kanada starb am Freitag im Alter von 81 Jahren. Er hatte von 1990 bis 2006 an der Spitze des kanadischen Erzbistums gestanden, das 2002 den Weltjugendtag ausrichtete. In einem Beileidstelegramm würdigt Papst Benedikt Ambrozic „Hingabe und Dienst an der Kirche in seiner Wahlheimat". Der Kardinal stammte ursprünglich aus der slowenischen Hauptstadt Ljubljana; nach dem Zweiten Weltkrieg war er nach Kanada emigriert. Nach dem Tod von Ambrozic hat das Kollegium der Kardinäle noch 194 Mitglieder. Davon dürften derzeit 114 an einer Papstwahl teilnehmen, weil sie noch nicht achtzig Jahre alt sind. (rv)

Neuer Erzbischof in Berlin: „Christentum ist nicht Moral, es ist Liebe“

Rainer Maria Woelki ist seit diesem Samstag Erzbischof von Berlin. In einen feierlichen Gottesdienst wurde er vom päpstlichen Nuntius Jean-Claude Périsset in sein Amt eingeführt.

„Benedikt, Bischof und Diener der Diener Gottes, dem verehrten Bruder Rainer Maria Woelki, an den Metropolitansitz zu Berlin befördert, Gruß und apostolischen Segen." So heißt es in der Ernennungsbulle, verlesen vom Dompropst Stefan Dybowski. „Im Wunsch, für den ausgezeichneten und von unsgeliebten Berliner Metropolitansitz zu sorgen halten wir dich für würdig, verehrter Bruder, an die Spitze ebendieser Kirche zu treten und ernennen dich gemäß der Bestimmungen des geltenden Rechtes zum Erzbischof und Metropoliten von Berlin mit allen Rechten und Pflichten."

Mit der Verlesung der Bulle wurde es offiziell und Erzbischof Rainer trat sein Amt an. In seiner Predigt ging Erzbischof Woelki auf die Geschichte des Bistums ein, die voller Zeugen für das Evangelium sei. Der selige Bernhard Lichtenberg stehe dafür genauso wie die vielen Christen, die in den Zeiten der DDR für den Glauben eingestanden seien. Es gehöre zur Berufung und Sendung des Christentums, die Nöte der Welt heilen zu helfen. Sein Vorgänger im Amt, Georg Kardinal Sterzinsky, sei gerade dafür durch seinen Einsatz ein Beispiel gewesen. Aber dieser Einsatz müsse vom Glauben getragen sein, so Woelki:

„Unser Glaube ist nämlich nicht in erster Linie – wie man uns das von außen her eher zusprechen möchte – eine Moral! Und er ist auch nicht zuerst ein Gedankengebäude, und auch nicht ein bloßes Gebilde von Lehrsätzen. Das Christentum ist zu allererst ein Geheimnis, nicht irgendein Geheimnis, sondern ein Geheimnis der Liebe, einer Liebe zwischen Gott und Mensch, zwischen Gott und mir, einer Liebe, die nicht etwas gibt, sondern in der sich Gott gibt, ganz gibt. … Wir müssen uns dafür öffnen, damit er sich uns zu erkennen geben kann. .. Dieses „Erkennen" ist notwendig für unseren christlichen Einsatz für die Welt, um ihn mehr sein zu lassen als bloß anständige Menschlichkeit. Vor dem Hintergrund dieses Erkennens geht es dann auch nicht mehr einfach nur um konservativ und liberal, da geht es nicht um alt oder neu. Es geht nicht einfach nur um das sogenannte Zeitgemäße. Nein, es geht um viel viel mehr. Es geht geht allein um das Wahre und es geht um das Christliche für unser Heute!"

Für das Bistum Berlin und noch einmal besonders für die Stadt Berlin ist diese Bischofsernennung ein spezielles Ereignis. Bei seiner Ansprache zum Treueeid, den der neue Erzbischof bereits am 16. August vor Bürgermeister Klaus Wowereit ablegte, hatte Woelki betont, dass solch ein Eid von seinen Vorgängern nicht geleistet worden war, der politischen Situation geschuldet. Die Trennung sei Geschichte, wenn auch weiter wirkende Geschichte. Er wolle dazu beitragen, dass das Bistum und dass Ost und West weiter zusammen wachse. Kirche wolle Kirche für die Gesellschaft sein, so Woelki.

Weggefährten sehen dazu beim neuen Erzbischof die besten Voraussetzungen: „Er kann gut zuhören, er ist etwas still und bescheiden, weiß aber dann wirklich, was er will", so Kardinal Karl Lehmann, und Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst fügt hinzu: „Er hat schon im Zugehen auf seine neue Aufgabe sehr wichtige Akzente gesetzt. Er hat schon deutlich gemacht, wie sehr ihm daran liegt, da zu sein, wo Berlin zusammenwächst." Aber das ist nicht alles, was auf den neuen Bischof wartet: Als gleichsam erste Amtshandlung wird er den neuen Bischof von Görlitz, Wolfgang Ipolt, weihen. Und dann wartet als nächstes der Papstbesuch.

Zur Amtseinführung kamen rund 50 hochrangige Vertreter aus Kirche und Politik, unter ihnen der Vorsitzende der Europäischen Bischofskonferenz, Kardinal Peter Erdö (Esztergom-Budapest), der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, und die Kardinäle Joachim Meisner (Köln) und Reinhard Marx (München). Aus den Reihen der Politik war unter Anderen Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse vertreten. (rv)

Vatikanisches Geburtstagskind: Die Audienzhalle wird 40

Der Vatikan feiert in diesem Sommer ein ganz besonderes Geburtstagskind: Die Audienzhalle des Papstes wird 40 Jahre alt. Wer sie von Audienzen her kennt, vermutet hinter diesem Betonbau zunächst einmal nicht viel, dabei ist sie aber gebautes Zweites Vatikanisches Konzil.
Die Halle, nach seinem Architekten Sala Nervi oder ihrem Erbauer Aula Paulo VI. genannt, verkörpert die Ideen der Begegnung und der Gemeinschaft. So sieht es der Publizist Conny Cossa, der sich eingehend mit dem Bau befasst und ein Buch über den Bau des Architekten Pier Luigi Nervi geschrieben hat. Er sieht vor allem die Grundidee der Pastoralkonstitution des Konzils, Gaudium et Spes, von Papst Paul VI. dort verwirklicht:

„Er wollte keine klassische Audienzhalle wo Leute hinkommen um jemandem zuzuhören oder jemanden vorbeiziehen zu sehen, sondern er wollte eine Art Plattform, wo Kommunikation möglich ist. Viele Leute kennen diese Audienzhalle von Nervi, es waren ja bereits über 15 Mio Menschen bei Audienzen in der Halle. Im ersten Augenblick glaubt man, dass es ein typischer Theaterraum ist: Man hat das Publikum, dann gibt es ein par Stufen und eine Bühne und auf der Bühne ist der Papstthron. Aber die Halle ist in Wirklichkeit viel komplexer.
Der Fußboden der Halle ist natürlich zum Bereich des Papstthrones hin geneigt, er ist aber auch zur Mitte hin geneigt. Wenn sie als Pilger in der Halle sind, sehen sie nicht nur perfekt und ohne Blickhindernisse den Papst, sie sehen auch alle anderen Leute, die in der Halle sind. Sie haben zum einen dieses Gemeinschaftsgefühl mit der Masse, und sie haben das Gefühl, dass sie dem Papst sehr nahe sind, weil sie ihn direkt sehen können.
Diese doppelt geneigte Gestaltung der Halle ist sehr wichtig. Für Paul VI. war dieses ganze Konzept von Dialog von Kirche und Welt extrem wichtig."

Insgesamt passen bis maximal 12.000 Menschen in die Halle, so Cossa. Aber es ist kein Raum, der nur dazu dient, Massen unterzubringen. Der Raum entwickelt eine eigene Form der Veranstaltung, ein eigenes Ritual. Die Audienz, wie wir sie heute kennen mit Begrüßung, Lesung und Katechese, entsteht erst mit Paul VI. und drückt aus, was der Papst und seine Nachfolger beabsichtigen. So ist die Halle gebaute Veränderung.

„Es war sicher eine große Revolution, dass bereits unter Papst Johannes XXIII. die Audienz zu einem Event für alle wurde. Die ürsprünglichen Audienzen waren nicht für jedermann. Man brauchte besondere Genehmigungen und es war recht kompliziert, den Papst als lebendiges Wesen zu treffen und ihn zu sehen. Die klassischen Audienzen bis Johannes XXIII. fanden in verschiedenen Räumen im Apostolischen Palast statt, die je nach Anlass auch gewechselt wurden, da gab es keine festgelegten Regeln. Es war auch der ganze Ablauf der Audienz sehr flexibel. Die ältesten Aufzeichnungen aus dem 19. Jahrhundert gehen davon aus, das die Audienz ein Moment ist, wo Pilger oder prominente Besucher – Pilger sind damals ausschließlich prominente Besucher – den Papst treffen können und ihm den Ring küssen können. Das ist der Höhepunkt der Audienz.
Es war noch gar nicht üblich, dass in diesen frühen Audienzen der Papst Ansprachen hielt und die Audienz als Plattform für Botschaften verwendet hat.
Papst Pius XII. hat begonnen, bei Audienzen Botschaften aus dem Stehgreif an die Menschen zu richten. Diese wurden recht oft, weil sie die direkte Aussage des Papstes waren, von Journalisten rezipiert und kamen dann auch in die Medien."

Und damit entsteht eine neue Form der Audienz, die sich im Gebäude links neben dem Petersdom auch baulich verwirklicht. Einen Raum, wie es ihn so im Vatikan überhaupt noch nicht gegeben hat.

„Es ist auffällig, wenn sie sich die Audienzhalle anschauen: Es ist zwar zum einen ein spiritueller Ort, es ist aber trotzdem kein Sakralort. Es wurden dort nie Gottesdienste zelebriert, es gibt keinen Altar und die Glasfenster sind auch abstrakt.
Es gab ganz kurz einmal den Gedanken, dass Chagall die Fenster gestalten sollte. Chagall hat dann Themen für die Fenster vorgeschlagen und fand dann aber die vehemente Opposition von Nervi, der befürchtet hat, dass zum einen die Fenster von Chagall von seinem eigenen Werk ablenken, aber auch, dass bildliche Darstellungen von der Audienz und vom Wort ablenken. In der Audienzhalle geht es hauptsächtlich um das Wort."

Die beiden Urheber – Papst Paul VI. und der Architekt Pier Luigi Nervi – trafen sich in ihren Ideen. Nervi dachte ähnlich wie der Papst, so Cossa, was wohl auch für die Auswahl gerade dieses Architekten gesprochen hat.

„Für Paul VI. war Bauen von Anfang an etwas, was ihm wichtig war, weil er immer gedacht hat, dass Bauen, aber auch Erschaffen, also auch der künstlerische Aspekt, eigentlich so eine Art des Verständnisses von Gott ist, vom Göttlichen – Beten ist vielleicht das falsche Wort. Durch das Erschaffen, das Bauen, durch das künstlerisch tätig sein, hat man die Möglichkeit, etwas zu verstehen, was über den Dingen steht.
Nervi ist wenige Jahre älter als der Papst. Sie hatten sicherlich eine gemeinsame Basis an Werten und an Erfahrungen. Nervi war wahrscheinlich der einzige internationale Star der italienischen Architekturszene damals. Nervi hat in New York gebaut, Nervi hat in Sydney gebaut, Nervi hat in Montreal gebaut. Nervi war ein ganz großer damals und man kannte Nervi.
Nervi hatte eine inhaltliche Ähnlichkeit mit der Philosophie Pauls VI. Er war eigentlich Ingenieur. Für ihn war das ganze eine Art aktive Philosophie. Er glaubte, dass die perfekten Formen bereits existieren. Es gibt sie, irgendwo, im Himmel, man muss sie nur pflücken. Wenn man im Entwurfsprozess den Kräften der Statik folgt, dann wird das, was man dadurch erreicht, automatisch schön und durch das, was man baut, wird eine Art göttliche Poesie sichtbar. Alles, war gebaut wird, ist ein Symbol für das, was über den Dingen steht.
Das sind beides Personen einer Zeit des Überganges, einer Zeit des Wechsels. Sie waren zum einen den Traditionen verhaftet, aber andererseits standen sie mit einem Bein in der Zukunft. Beides sind Persönlichkeiten des Wandels."

Und das Ergebnis dieses Wandels wird in diesem Sommar 40 Jahre alt. Die Aula Paulo VI., die Audienzhalle des Vatikan. (rv)

Madrider Kardinal: „Papst war den Tränen nahe“

Der Papst war „den Tränen nahe" aus Freude über den geglückten Weltjugendtag. Das sagte der Erzbischof von Madrid, Kardinal Antonio Maria Rouco Varela, in einer Bilanz zum Jugendevent in seiner Stadt. Der Kardinal hatte den Papst bei jedem seiner Auftritte begleitet. Nun bedankte sich bei den Organisatoren und Behörden für die gelungene Zusammenarbeit. Im Gespräch mit dem vatikanischen Fernsehzentrum CTV sagte Kardinal Rouco Varela:

„Es fand wahrlich eine Begegnung mit dem Herrn statt. Ich glaube, dass diese Erfahrung das Leben vieler Jugendlichen ändern wird. Auf der anderen Seite scheint mir, dass die Einheit der Kirche gestärkt wurde. Denn die verschiedenen Realitäten, die es in der katholischen Kirche gibt, haben an ein und demselben Strang gezogen. Ich denke hierbei an Ordensgemeinschaften, Bewegungen, Vereine und neue Gemeinschaften, aber auch an Pfarreien und Diözesen. Das alles wird noch weitere reiche Früchte tragen."

Was ihm persönlich noch lange in Erinnerung bleiben wird, ist die Gebetsvigil am Samstagabend auf dem Fluggelände Cuatro Vientos, so Kardinal Rouco Varela.

„Der Windsturm dauerte etwa 20 Minuten, doch man sah eine fröhliche und festliche Stimmung. Und als man dem Papst fragte, ob er das Gelände verlassen möchte und er mit Nachdruck sagte, dass er nicht weggehen wolle, das war eindrücklich. Aber auch die Stille bei der Anbetung und das anschließende Freudengeschrei war wunderbar." (rv)

Somalia: „Das wird noch Jahre dauern“

In Ostafrika ist die unvorstellbare Zahl von 12 Millionen Menschen derzeit von einer Hungersnot betroffen. Die Caritas Somalia meldet, dass die Zahl der Kleinkinder im Land sich alle elf Wochen um ein Zehntel verringert. Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht vor dem Hungertod, leben in Lagern. In Ostafrika ist auch der Jesuiten-Flüchtlingsdienst JRS aktiv. Pater Frido Pflüger kommt gerade zurück von einem fünftägigen Besuch in äthiopischen Lagern an der Grenze zu Somalia. Miriam Thiede hat mit ihm gesprochen.

Es sind vier Lager inzwischen mit ungefähr 120.000 Flüchtlingen. Und es ist eigentlich eine furchtbare Situation. Es sind vier Lager inzwischen dort. Eines der Lager wurde gerade vier, fünf Tage vor unserem Besuch neu gegründet, war dann aber auch schon mit 5.000 Menschen bevölkert, und das waren vor allem Kinder. Das Lager ist in einer richtigen Felswüste nur mit Dornenbüschen, keine Bäume; Sand und Staub und Sturm und Hitze. Und die Kinder sitzen da in den Zelten, sie erhalten, wie die Erwachsenen, Nahrungsmittel. Von daher geht’s ihnen eigentlich besser. Aber gibt halt gar nichts zu tun. Das war für mich erschütternd, die Kinder einfach in den Zelten sitzen zu sehen, sie können ja nicht mal spielen zwischen den Felsblöcken und Dornbüschen. Das älteste der vier Lager existierte schon von der Hungersnot, seit 2009. Und es ist das einzige Lager mit einer Schule. Obwohl von den 120.000 Leuten ungefähr 80 Prozent Kinder und Jugendliche sind, gibt es nur eine einzige Primarschule.

Wie kann der JRS vor Ort denn helfen?

Wir fangen ja erst an. Das ist ja ein völlig neues Projekt für uns. Und als Jesuitenflüchtlingsdienst gehört man natürlich auch nicht zu den Erstversorgern; Ernährung, Gesundheitswesen und Sanität ist nicht unsere Spezialität, das machen Hilfsorganisationen. Aber im nächsten Schritt wird immer gleich klar, die Leute haben ja schreckliche Erfahrungen hinter sich, mit denen sie leben müssen, das belastet sie. Und dann die Kinder! Die mittlere Dauer von so einem Lager beträgt nach Erhebungen 17-20 Jahre. Das heißt, wir müssen uns darauf einstellen, dass das in dieser furchtbaren Wüste sehr lange gehen wird. Und da braucht man möglichst schnell andere Institutionen zB Schule, was dann auch eher unsere Spezialität ist. Wir planen psychologische Hilfe für die Leute, in ihrer Sprache. Und das zweite ist, dass die Kinder den ganzen Tag über etwas zu tun haben. Es sind ja Zehntausende. Wenn sie in der Schule sind, dann sind sie an einem Ort, wo sie auch geschützt sind. Ein Lagerleben ist kein sicheres Leben, vor allem für die Mädchen nicht. Sie hätten dort vor allem etwas Sinnvolles zu tun den ganzen Tag über. Und die Schule bringt ihnen auch Hoffnung, denn man sieht auch über die Schule hinaus und weiß, dass sich einem vielleicht durch die Schule auch eine bessere Zukunft erschließt.

Was sagen Ihnen die Flüchtlinge über ihre Geschichte? Gibt es etwas was Sie besonders berührt hat?

Das ist ja die gewisse Schwierigkeit direkt mit den Leuten zu reden, weil kaum jemand Englisch spricht. Da sind wir immer auf indirekte berichte angewiesen. Das Problem ist halt, was wir von den Leuten hören, das sie oft tagelang unterwegs waren, und schon Leute in Somalia zurücklassen mussten. Sie haben ihr gesamtes Vieh verloren und machen sich auf mit den letzen Kräften, über die Grenze zu kommen. Dann sterben natürlich unheimlich viele Leute. Über das Lager, das neu errichtet wurde, war letzte Woche im UN Bericht zu lesen, dass pro Tag ungefähr zehn Kinder sterben. Das ist das Leid der Leute. Oft melden sie die Toten nicht, weil dadurch natürlich die Lebensmittelkarten behalten werden können. Das heißt, man weiß nie genau, wie viele sterben, aber bei den Kindern in Durchschnittszahl zehn pro Tag. Das ist vollkommen zu hoch.

Was könne Sie mir zum Glauben der Menschen sagen? Könne Sie den Flüchtlingen Hoffnung geben?

Die Glaubensseite, da sprechen Sie für mich eine ganz wichtige Seite an! Denn die Menschen, die dort nach Dollo Rado kommen sind ja alles gläubige Muslime. Also wir können sagen, wir machen Seelsorge – aber von der psychologischen Beratungsebene her. Wir sind natürlich auch als Organisation eine christliche Organisation, und das bereitet überhaupt eine Schwierigkeit, weil wir ja auch von diesem Glauben leben. Wenn die Leute ihren Glauben nicht hätten, dann hätten sie ja gar nicht überlebt! Es ist ja jetzt fast noch einen Monat Ramadan. Und es ist für mich erstaunlich, dass auch die Menschen im Lager den Ramadan versuchen einzuhalten. Zunächst habe ich als Reaktion gehört von anderen Leuten, dass sie sagen, das ist ja unsinnig, jetzt haben sie nichts zu essen und jetzt müssen sie noch hungern. Aber das ist gerade: Die Leute leben ja aus ihrem Glauben! Und wenn man ihnen jetzt den Ramadan nimmt, was für Muslime ein ganz wichtiges Ereignis, dann würde man ihnen ja ihr Zentrum in ihrem Glauben wegnehmen. Ich denke, da sind wir als christliche Organisation schon auch sehr gefordert, das zu verstehen und die Menschen auch in ihrem gläubigen Leben zu begleiten, soweit es geht. Aber wir haben ja auch Erfahrungen in Darfur, wor wir in einer vollkommen muslimischen Umwelt leben und überhaupt kein Akzeptanzproblem haben. Denn die Leute schätzen und lieben den JRS und wissen alle genau, das sind Christen.

Wann wird sich die Lage verbessern?

Das ist eine ganz schwierige Frage. Das hängt natürlich zusammen mit der politischen Situation in Somalia. Es zeichnet sich jetzt eine leichte Besserung ab, weil die militante Gruppe Al-Shabab Mogadischu verlassen hat. Es ist vielleicht ein Zukunftszeichen. Aber ich würde nicht drauf setzen, denn das ist ja schon über 20 Jahren ein Kriegsgebiet, und es ist keinerlei staatliche Struktur mehr vorhanden. Wenn keinerlei stattliche Struktur da ist, ist es sehr schwierig, strukturell diese Hungersnot anzugehen. Das ist anders als in Kenia und Äthiopien, wo auch die Regierungen sehr viel versäumen, auch langfristig. Aber in Somalia kann ich leider gar nichts erwarten, wenn überhaupt keine Regierungsorganisation mehr vorhanden ist. Also das wird noch sehr lang dauern. (rv)

Papst an Helfer: „Wie viele Opfer, wie viel Liebe!“

In ihren grünen T-Shirts mit der Aufschrift „voluntario" prägten sie den gesamten Weltjugendtag: die freiwilligen Helfer. 40.000 von ihnen stellten ihre Zeit in den Dienst des Treffens. Sie verteilten Essen und Wasser, wirkten als Wegweiser und Blitzableiter, organisierten hinter den Kulissen, arbeiteten Tag und Nacht. Vor seiner Rückrese nach hat sich der Papst herzlich von diesen jungen Freiwilligen verabschiedet. „Wie viele Opfer, wieviel Liebe!", bewunderte er den Einsatz der ehrenamtlichen Helfer bei einer Begegnung am Madrider Messegelände.
„Alle, jeder nach seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten, habt ihr jeweils mit eurer Arbeit und mit dem Gebet das wunderschöne, vielfarbige Bild dieses Weltjugendtags gewebt. Danke für euren Einsatz! Ich bin euch dankbar für diese tiefe Geste der Liebe."
Viele der jungen Freiwilligen mussten darauf verzichten, selbst an den Veranstaltungen teilzunehmen. Aber gerade dieser Verzicht sei eine „sehr schöne und dem Evangelium gemäße Weise der Teilnahme" gewesen, formulierte der Papst.
„Das christliche Leben ist das grundsätzlich ein Dienst der Liebe. Der Herr wird eure angesammelte Müdigkeit, die Sorgen und die Last vieler Augenblicke in Früchte christlicher Tugenden verwandeln: in Geduld, Milde, Freude in der Hingabe an die anderen, Bereitschaft, den Willen Gottes zu tun. Lieben ist dienen, und der Dienst steigert die Liebe."
Möglicherweise sei auch in dem einen oder der anderen die Frage gereift, was Gott mit ihm oder ihr vorhabe. Priestertum? Ordensleben? Ehe? Der Rat des Papstes:
„Lasst euch vom Herrn führen und gebt euch freiwillig in den Dienst dessen, der „nicht gekommen [ist], um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele" (Mk 10,45). Euer Leben wird eine unerwartete Fülle erreichen. Vielleicht denkt jetzt jemand: Der Papst ist gekommen, um uns zu danken, und jetzt verlangt er etwas. Ja, so ist es. Das ist die Sendung des Papstes, des Nachfolgers Petri…. Das ist es, was der Papst in diesem Abschied von euch erbittet: dass ihr mit Liebe dem antwortet, der sich aus Liebe für euch hingegeben hat. Danke noch einmal, und möge Gott immer mit euch sein!" (rv)