Hier spricht Radio Mogadischu

Zum ersten Mal wird an diesem Montag ein Welttag des Radios begangen – Gelegenheit, einmal auf seine fundamentale Rolle in armen Weltgegenden hinzuweisen. Beispiel: Somalia, der gescheiterte Staat. In seiner Hauptstadt Mogadischu sendet unter widrigsten Umständen Radio Shabelle. Fünf Mitarbeiter von Somalias einzigem unabhängigem Radio wurden in den letzten Monaten ermordet, der letzte war, am 28. Januar, sein Direktor Hassan Osman Abdi. Der 30-Jährige, Vater von drei Kindern, wurde vor seinem Haus von einem Killerkommando niedergestreckt.

„Das war eindeutig eine Hinrichtung", sagt uns Radio-Shabelle-Vizedirektor Amiin Adow: „Die Bewaffneten sind ihm gefolgt, sie hatten es eindeutig auf ihn abgesehen, weil er unser Radio leitete. Wir wissen nicht, ob die Regierung Verdächtige für den Mord festgenommen hat, aber schon bei den zwei Direktoren vor ihm, die hingerichtet wurden, hat man nie einen Verantwortlichen gefunden oder gar bestraft. Es ist gefährlich für uns, in Somalia zu arbeiten, aber wir wollen weitermachen, weil uns das wichtig erscheint für unser Land, weil freie Medien zu einer demokratischen Gesellschaft gehören, weil einer auf die Gefahren hinweisen muss, die dem Land drohen. Man wird uns nie zum Schweigen bringen!"

Natürlich hat Adow Angst, das gibt er ohne weiteres zu. Aber „wir wollen uns den Luxus des Angsthabens nicht zu sehr erlauben", sagt er: „Keiner will sterben, aber die Aufgabe unseres Senders ist nun mal sehr wichtig."

„Wir werden eben vorsichtig sein. Natürlich wissen wir, dass Mogadischu vielleicht die gefährlichste Stadt der Welt für Journalisten überhaupt ist, aber wir wollen die Wahrheit senden, und darum machen wir trotz unserer Angst weiter. Unser Traum wäre etwas politische Hilfe aus dem Westen, vor allem eine Resolution, die Morde und Schikanen gegen somalische Medien anprangert. Wir stehen sehr unter Druck: Wegen der Shabab-Rebellen mussten wir unseren Sitz in Bakara-Market verlassen und haben dabei auch viel von unserer technischen Ausrüstung verloren, auch einige unserer besten Mitarbeiter."

Die Quellen von Radio Shabelle sind keine Nachrichtenagenturen, sondern Leute vor Ort:

„Wir haben Journalisten, die überall herumstreifen und nach Nachrichten suchen; wir sprechen mit den Opfern von Anschlägen, sie sind unsere wichtigste und erste Nachrichtenagentur, denn mit denen, von denen die Gewalt ausgeht, wollen wir nichts zu tun haben. Natürlich reden wir aber auch mit den örtlichen Funktionären und mit der Regierung; wichtig ist uns aber, dass wir in Somalia völlig unabhängig von allen sind."

Und wie finanziert sich das Ganze? „Gute Frage", sagt der Vize-Direktor. Das bisschen Werbung, das sein Sender spiele, bringe nicht besonders viel ein, aber müsse zum Leben reichen. Aus einem EU-Topf für den Aufbau freier Medien in Somalia habe er leider noch nichts bekommen. Wenigstens habe sein Sender sehr treue Hörer:

„Alle sind uns wirklich sehr dankbar für unsere Arbeit. Alle hören uns! Die Leute bleiben vor allem dran, weil sie wissen wollen, in welchem Teil Mogadischus sie sich gerade halbwegs sicher bewegen können und in welchem eher nicht. Wir decken jede Straße und jeden Stadtteil von Mogadischu ab. Aber natürlich bieten wir auch Unterhaltung: Entgegen den Anweisungen der Shabab senden wir Musik, das hält die Moral bei unseren Hörern hoch, und dafür lieben sie uns."

Er hoffe, dass man draußen in der Welt nicht denke, dass alle Somalier gewalttätig seien, sagt Amiin Adow. Die Menschen in Mogadischu seien in der Regel „effizient, gutmütig, sie wollen, dass das Land wieder auf eigenen Füßen läuft". Die internationale Gemeinschaft dürfe Somalia nicht im Stich lassen; sie jedenfalls von Radio Shabelle würden durchhalten.

„Wir haben viel Hoffnung! Auch in den Gipfel über Somalia, der am 23. Februar in London stattfinden wird. Wir sind davon überzeugt, dass diese Gewalt einmal aufhören wird!" (rv)

Somalia: Religionsübergreifend gegen Dürre und Hunger

Trotz widriger Umstände findet die kirchliche Hilfsarbeit ihren Weg nach Somalia. Das berichtet Giorgio Bertin, Bischof von Dschibuti und Apostolischer Administrator von Mogadischu, im Gespräch mit Radio Vatikan. Gerade weil die politische Lage in dem Land am Horn von Afrika so unsicher ist, hat die Jahrhundertdürre dort besonders verheerende Folgen: Zu Hunger und Armut kommen Unruhen und Gewalt, was viele Menschen in die Flucht treibt. Und während Hilfsorganisationen in den Nachbarländern Äthiopien und Kenia vor Ort das Schlimmste zu verhindern suchen, wäre ihr Einsatz in Somalia tödlich. Dazu Bischof Bertin:

„In Somalia können wir leider nicht so direkt arbeiten wie in Äthiopien oder Dschibuti. Denn die am meisten betroffene Region ist Zentral- und Südsomalia. Und da gibt es keinen Staat. Wenn wir dort physisch arbeiten, gehen wir große Risiken ein, getötet oder entführt zu werden. Deshalb helfen wir durch lokale somalische Partner. Das sind Muslime, mit denen wir seit 20, 30 Jahren Kontakte pflegen und ein Vertrauensverhältnis aufgebaut haben. Normalerweise präsentieren sie eine Art Projekt, wir prüfen das, senden ihnen das Geld und sie kaufen vor Ort die wichtigsten Dinge: Essen und derzeit vor allem Plastikplanen, denn in den letzten Monaten gab es viel Regen hier."

Zum Hunger als Folge der Dürre kämen seit etwa drei Monaten starke Regenfälle hinzu, berichtet der Bischof weiter. Diese setzten auch den zahlreichen Flüchtlingen zu, die nach Kenia und Äthiopien geflohen sind. In einigen Regionen kann der Regen zwar Erleichterung bringen, der Hunger kann damit aber nicht so schnell beendet werden. Denn nur unter besseren Sicherheitsbedingungen kann wieder richtig Landwirtschaft betrieben werden:

„Wir sehen in Somalia die perversen Effekte der Abwesenheit des Staates. Die Situation betrifft das gesamte Horn von Afrika, aber sie ist besonders dramatisch in Zentral- und Südsomalia, denn es kommen die Kämpfe hinzu, die in den letzten 20 Jahren in Somalia zwischen verschiedenen Gruppen an der Tagesordnung sind."

Dass den Menschen in Somalia erst langfristig geholfen werden kann, wenn die Sicherheitslage dort stabiler ist – darüber sind sich Kirchenvertreter, Hilfsorganisationen und westliche Politiker einig. Die Bundesrepublik Deutschland machte ihre Entwicklungszuschüsse für das Land in den vergangenen Jahren von der politischen Stabilität des Landes abhängig. Wegen der aktuellen verheerenden Notsituation hat der deutsche Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, in diesen Tagen diese eingefrorenen Geldmittel für Somalia freigegeben. Niebel äußerte sich zur Frage in Berlin bei einem Treffen mit einem Vertreter der somalischen Übergangsregierung, Vizepremier Ibrahim. Die zehn Millionen Euro sollen unter anderem zum Erhalt und zur Wiederaufstockung von Viehbeständen verwendet werden.
Für Bischof Bertin heißt langfristige Hilfe auch Vorbeugung weiterer Dürre- und Hungerkatastrophen. So hat er großes Interesse daran, den Ursachen der Krise auf den Grund zu gehen:

„Catholic Relieve Services hatte ein Team geschickt, um sich das Dürreproblem näher anzusehen und eine Studie durchzuführen. Ich habe sie nach Dschibuti eingeladen und gebeten, bei uns eine ähnliche Untersuchung zu machen. Denn es gibt da ähnliche Erfahrungen: Die Dürre hat hier wie dort Bauern und Nomaden zugesetzt, die mit Kamelen, Ziegen und Kühen in der Landschaft leben. Die brauchen Regen und Wasser. Obwohl Dschibuti nicht hauptsächlich von Viehwirtschaft lebt, sondern von Handel, leben dennoch immerhin ein Fünftel der Bevölkerung so." (rv)

Somalia: „Das wird noch Jahre dauern“

In Ostafrika ist die unvorstellbare Zahl von 12 Millionen Menschen derzeit von einer Hungersnot betroffen. Die Caritas Somalia meldet, dass die Zahl der Kleinkinder im Land sich alle elf Wochen um ein Zehntel verringert. Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht vor dem Hungertod, leben in Lagern. In Ostafrika ist auch der Jesuiten-Flüchtlingsdienst JRS aktiv. Pater Frido Pflüger kommt gerade zurück von einem fünftägigen Besuch in äthiopischen Lagern an der Grenze zu Somalia. Miriam Thiede hat mit ihm gesprochen.

Es sind vier Lager inzwischen mit ungefähr 120.000 Flüchtlingen. Und es ist eigentlich eine furchtbare Situation. Es sind vier Lager inzwischen dort. Eines der Lager wurde gerade vier, fünf Tage vor unserem Besuch neu gegründet, war dann aber auch schon mit 5.000 Menschen bevölkert, und das waren vor allem Kinder. Das Lager ist in einer richtigen Felswüste nur mit Dornenbüschen, keine Bäume; Sand und Staub und Sturm und Hitze. Und die Kinder sitzen da in den Zelten, sie erhalten, wie die Erwachsenen, Nahrungsmittel. Von daher geht’s ihnen eigentlich besser. Aber gibt halt gar nichts zu tun. Das war für mich erschütternd, die Kinder einfach in den Zelten sitzen zu sehen, sie können ja nicht mal spielen zwischen den Felsblöcken und Dornbüschen. Das älteste der vier Lager existierte schon von der Hungersnot, seit 2009. Und es ist das einzige Lager mit einer Schule. Obwohl von den 120.000 Leuten ungefähr 80 Prozent Kinder und Jugendliche sind, gibt es nur eine einzige Primarschule.

Wie kann der JRS vor Ort denn helfen?

Wir fangen ja erst an. Das ist ja ein völlig neues Projekt für uns. Und als Jesuitenflüchtlingsdienst gehört man natürlich auch nicht zu den Erstversorgern; Ernährung, Gesundheitswesen und Sanität ist nicht unsere Spezialität, das machen Hilfsorganisationen. Aber im nächsten Schritt wird immer gleich klar, die Leute haben ja schreckliche Erfahrungen hinter sich, mit denen sie leben müssen, das belastet sie. Und dann die Kinder! Die mittlere Dauer von so einem Lager beträgt nach Erhebungen 17-20 Jahre. Das heißt, wir müssen uns darauf einstellen, dass das in dieser furchtbaren Wüste sehr lange gehen wird. Und da braucht man möglichst schnell andere Institutionen zB Schule, was dann auch eher unsere Spezialität ist. Wir planen psychologische Hilfe für die Leute, in ihrer Sprache. Und das zweite ist, dass die Kinder den ganzen Tag über etwas zu tun haben. Es sind ja Zehntausende. Wenn sie in der Schule sind, dann sind sie an einem Ort, wo sie auch geschützt sind. Ein Lagerleben ist kein sicheres Leben, vor allem für die Mädchen nicht. Sie hätten dort vor allem etwas Sinnvolles zu tun den ganzen Tag über. Und die Schule bringt ihnen auch Hoffnung, denn man sieht auch über die Schule hinaus und weiß, dass sich einem vielleicht durch die Schule auch eine bessere Zukunft erschließt.

Was sagen Ihnen die Flüchtlinge über ihre Geschichte? Gibt es etwas was Sie besonders berührt hat?

Das ist ja die gewisse Schwierigkeit direkt mit den Leuten zu reden, weil kaum jemand Englisch spricht. Da sind wir immer auf indirekte berichte angewiesen. Das Problem ist halt, was wir von den Leuten hören, das sie oft tagelang unterwegs waren, und schon Leute in Somalia zurücklassen mussten. Sie haben ihr gesamtes Vieh verloren und machen sich auf mit den letzen Kräften, über die Grenze zu kommen. Dann sterben natürlich unheimlich viele Leute. Über das Lager, das neu errichtet wurde, war letzte Woche im UN Bericht zu lesen, dass pro Tag ungefähr zehn Kinder sterben. Das ist das Leid der Leute. Oft melden sie die Toten nicht, weil dadurch natürlich die Lebensmittelkarten behalten werden können. Das heißt, man weiß nie genau, wie viele sterben, aber bei den Kindern in Durchschnittszahl zehn pro Tag. Das ist vollkommen zu hoch.

Was könne Sie mir zum Glauben der Menschen sagen? Könne Sie den Flüchtlingen Hoffnung geben?

Die Glaubensseite, da sprechen Sie für mich eine ganz wichtige Seite an! Denn die Menschen, die dort nach Dollo Rado kommen sind ja alles gläubige Muslime. Also wir können sagen, wir machen Seelsorge – aber von der psychologischen Beratungsebene her. Wir sind natürlich auch als Organisation eine christliche Organisation, und das bereitet überhaupt eine Schwierigkeit, weil wir ja auch von diesem Glauben leben. Wenn die Leute ihren Glauben nicht hätten, dann hätten sie ja gar nicht überlebt! Es ist ja jetzt fast noch einen Monat Ramadan. Und es ist für mich erstaunlich, dass auch die Menschen im Lager den Ramadan versuchen einzuhalten. Zunächst habe ich als Reaktion gehört von anderen Leuten, dass sie sagen, das ist ja unsinnig, jetzt haben sie nichts zu essen und jetzt müssen sie noch hungern. Aber das ist gerade: Die Leute leben ja aus ihrem Glauben! Und wenn man ihnen jetzt den Ramadan nimmt, was für Muslime ein ganz wichtiges Ereignis, dann würde man ihnen ja ihr Zentrum in ihrem Glauben wegnehmen. Ich denke, da sind wir als christliche Organisation schon auch sehr gefordert, das zu verstehen und die Menschen auch in ihrem gläubigen Leben zu begleiten, soweit es geht. Aber wir haben ja auch Erfahrungen in Darfur, wor wir in einer vollkommen muslimischen Umwelt leben und überhaupt kein Akzeptanzproblem haben. Denn die Leute schätzen und lieben den JRS und wissen alle genau, das sind Christen.

Wann wird sich die Lage verbessern?

Das ist eine ganz schwierige Frage. Das hängt natürlich zusammen mit der politischen Situation in Somalia. Es zeichnet sich jetzt eine leichte Besserung ab, weil die militante Gruppe Al-Shabab Mogadischu verlassen hat. Es ist vielleicht ein Zukunftszeichen. Aber ich würde nicht drauf setzen, denn das ist ja schon über 20 Jahren ein Kriegsgebiet, und es ist keinerlei staatliche Struktur mehr vorhanden. Wenn keinerlei stattliche Struktur da ist, ist es sehr schwierig, strukturell diese Hungersnot anzugehen. Das ist anders als in Kenia und Äthiopien, wo auch die Regierungen sehr viel versäumen, auch langfristig. Aber in Somalia kann ich leider gar nichts erwarten, wenn überhaupt keine Regierungsorganisation mehr vorhanden ist. Also das wird noch sehr lang dauern. (rv)

Somalia: „Das Grundproblem ist das Chaos“

Es ist die derzeit schlimmste Tragödie auf dem Erdball: Mehr als zehn Millionen Menschen riskieren in Ostafrika das Leben, sie sind von einer Hungersnot bedroht. Hilfswerke, auch christliche, haben seit Monaten auf die drohende Dürre hingewiesen. Aber die Weltgemeinschaft hat die Katastrophe erst zur Kenntnis genommen, als massenhaft Hungernde aus Somalia nach Kenia flüchteten. Dorothee Klüppel ist Leiterin der Abteilung Afrika und Naher Osten bei dem katholischen Hilfswerk Misereor. Sie sagte gegenüber Radio Vatikan, die Flüchtlingsströme bedeuten für die Region eine massiv verstärkte Bevölkerung in einer ökologisch und klimatisch ohnehin fragilen Region.

„Das heißt die Übernutzung der natürlichen Lebensgrundlagen, was Wasser, Weidegrund für Vieh, vorhandene Nahrungsmittel angeht. Das sieht man auch daran, dass es Konflikte gibt auf der einen Seite mit der lokalen Bevölkerung, aber auch mit jenen Flüchtlingen aus Somalia, die schon lange Zeit in Kenia leben. Da wird einfach der Kampf um das bisschen, was da ist an Lebensgrundlage größer."

Andererseits hätten sowohl Kenia als auch Äthiopien massive Angst vor islamistischem Terror, der auf diese Art in ihr Land einsickern kann.

„Das ist der Grund, dass etwas Kenia versucht hat die Grenze zu schließen und vorhandene Flüchtlingscamps nicht geöffnet hat, weil sie Angst hatten, dass mit den Flüchtlingen, die vor der Hungerkatastrophe flüchten, auch islamistische Terrorkräfte einsickern können."

Somalia galt weltweit schon vor der Dürrekatastrophe als Inbegriff für Chaos, eine staatliche Ordnung gibt es nur stellenweise, radikalislamische Milizen verbreiten Terror. Jetzt kommt noch diese Jahrhundert-Dürre dazu. Wenn die akute Phase vorüber ist, was muss in Somalia geschehen, damit sich das Land mittelfristig wieder selber helfen kann?

„Was das Land braucht, ist Frieden. Frieden ist die Grundlage für jede Form der Entwicklung. Ob es die Landwirtschaft ist, die die Ernährung sicherstellt, ob es die Möglichkeit ist für junge Menschen, sich nicht den Milizen anzuschließen oder Pirat zu werden, sondern einen Beruf zu erlernen, der ihnen auch ein Einkommen sichert. Selbst die Nothilfe braucht ein Mindestmaß an staatlicher Ordnung, und das ist in Somalia nicht vorhanden. Die Dürre ist ein klimatisches und ökologisches Problem, das die Region massiv trifft. Aber das Chaos, das Fehlen staatlicher Ordnung in Somalia, ist das, was die aktuelle Situation tatsächlich zur humanitären Katastrophe macht. Das heißt, die Friedensbemühungen der internationalen Gemeinschaft mit Somalia müssen massiv verstärkt werden. Die Afrikanische Union versucht mit Friedenstruppen den friedlichen Prozess in Somalia in Gang zu bringen und die Übergangsregierung zu stärken. Das sind aber alles Maßnahmen, die bisher nicht annähernd ausreichen. Was das Land braucht, ist Frieden." (rv)

Somalia: Die Wiege der Attentäter von Uganda

Das Ende der Fußballweltmeisterschaft wurde von blutigen Anschlägen in Afrika überschattet. Während der Übertragung des Endspiels am Sonntagabend sprengten sich in Uganda islamische Extremisten in zwei Lokalen in die Luft. Sie rissen mindestens 74 Menschen mit in den Tod. Zu den Anschlägen bekannten sich islamische Extremisten aus Somalia; nach Angaben der ugandischen Regierung wurden inzwischen mehrere mutmaßliche Tatbeteiligte festgenommen. Werfen wir einen Blick auf das Land am Horn von Afrika, aus dem die Attentäter kommen. Axel Rottländer ist Mitarbeiter des Hilfswerkes „Care“ und dort zuständig für Somalia. Zu den Hintergründen des Extremismus in Somalia sagte er uns im Interview:
 „Das größte Problem in Somalia ist die fehlende Regierung; seit 1991 gibt es dort keine Führung mehr. Seitdem herrscht dort ein Durcheinander von verschiedenen Interessen der Nachbarländer und verschiedener kultureller, religiöser und wirtschaftlicher Gruppen innerhalb des Landes. Und es gibt auch Interessen, die von weit her, zum Beispiel von den USA herrühren.“
Seit den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Äthiopien und somalischen Islamisten Ende 2006 flammten rund um Mogadischu immer wieder Konflikte auf, an denen verschiedene ethnische und religiöse Gruppen beteiligt waren. Die USA verstärkten seitdem ihren Kampf gegen islamistische Organisationen wie die radikalislamische Miliz El Shabaab und El Kaida von Äthiopien aus. Dazu Rottländer:
„Es ist bekannt, dass die USA seit der Machtübernahme der Islamisten doch etwas besorgt sind, dass Somalia ein Gebiet wird, das Al Kaida als Rückzugs- und Ausbildungsort dient.“
Selbst für vor Ort operierende Hilfsorganisationen sei es schwierig, die landesinternen Machtkämpfe noch zu überblicken. Besonders im Zentrum und Süden des Landes herrsche Anarchie. Das habe zuletzt auch Konsequenzen für die humanitäre Arbeit gehabt und auch für die Versuche der internationalen Gemeinschaft, das Land zu befrieden:
„Für Hilfsorganisationen wie Care war das eine sehr schwierige Situation. Wir haben unsere Mitarbeiter abziehen müssen, ganz einfach, weil wir bedroht worden sind. Ein Mitarbeitet ist entführt worden. Auch die internationale Gemeinschaft kann in dem Land nicht arbeiten: Selbst das Welternährungsprogramm musste seine Tätigkeit in Zentral- und Südsomalia einstellen. Der Eindruck, der sich aufdrängt, ist: Dass sich die internationale Gemeinschaft kaum noch die Finger verbrennen will. Sie versucht zwar, die Piraterie auf dem Seeweg zu stoppen, aber es geht eigentlich keiner mehr an Land.“
Ein zweites großes Problem in Somalia sie die allgemeine Armut. Der Großteil der Bevölkerung lebt als Nomaden und ist auch auf Wasser für Vieh angewiesen. Dazu Rottländer:
„Man könnte sagen, in einem funktionierenden Staat wären Dürren und Trockenperioden kontrollierbar. Jetzt funktioniert dieser Staat aber nur in Ansätzen. Es gibt zwar auf Gemeinde- und Dorfebene funktionierende Strukturen, nur sind die natürlich nicht in der Lage, für tausende Menschen, die Wassermangel und Lebensmittelknappheit erfahren, die Versorgung zu organisieren. So potenziert sich alles.“ (rv)