Vatikan/USA: „Missbrauchsklage gegen Papst unbegründet“

Der Vatikan-Anwalt in den USA nennt die Klage eines Missbrauchsopfers gegen den Heiligen Stuhl und seine führenden Repräsentanten „vollkommen unbegründet“. Die Klage im so genannten Fall „Murphy“ stütze sich vorwiegend auf Rechtsauffassungen, die von US- Gerichten bereits verworfen worden seien, heisst es in einer am Freitag vom Vatikan verbreiteten Erklärung des US-Anwalts Jeffrey Lena. Der Vatikan habe erst nach Jahrzehnten vom sexuellen Missbrauch durch den Priester Lawrence Murphy in Milwaukee erfahren. Die Verletzungen, die der Kläger erfahren habe, seien deshalb in keiner Weise vom Vatikan mitverursacht. Der Anwalt Jeff Anderson hatte am Donnerstag Papst Benedikt XVI. vor einem Gericht in Milwaukee verklagt. Er wirft dem Papst vor, den Priester Murphy nicht seines Amtes enthoben zu haben, obwohl er von den Missbrauchsvorwürfen gegen diesen gewusst habe. Anderson vertritt einen ehemaligen Schüler des Gehörlosenheims in Milwaukee, in dem Murphy bis 1974 bis zu 200 Jungen missbraucht haben soll. Erst 1996 wurden die Vorwürfe der Glaubenskongregation gemeldet. Die US-Zeitung „New York Times“ hatte Papst Benedikt in einem Artikel vorgeworfen, den Fall in seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation vertuscht zu haben. Der Vatikan hatte diese Behauptung entschieden zurückgewiesen. Die Klage sei ein Versuch, die tragischen Vorkommnisse als Ausgangspunkt für einen grösseren Angriff auf die Kirche zu nutzen, heisst es in der Erklärung des Vatikan-Anwalts weiter. „Zuallererst gehört unsere Sympathie den Opfern der kriminellen Taten von Pfarrer Murphy“, so die Erklärung wörtlich. „Es hat legitime Klagen von Missbrauchsopfern vor Gericht gegeben, aber diese gehört nicht dazu.“ (rv)

Belgien: Bischof tritt wegen Missbrauchs zurück

Der Bischof von Brügge, Roger Joseph Vangheluwe, ist wegen Missbrauchs zurückgetreten. Papst Benedikt hat den Rücktritt umgehend angenommen. Vangheluwe gesteht, dass er als Priester und auch noch in seiner ersten Zeit als Bischof „einen Jungen sexuell missbraucht“ hat. Das Opfer sei „davon immer noch gezeichnet“. Er habe das Opfer und seine Familie „in den letzten Jahrzehnten mehrmals um Verzeihung gebeten“: „Aber das hat ihm keinen Frieden gegeben“, so der Bischof wörtlich. Und auch er sei „nicht im Frieden mit mir selbst“. Der „Mediensturm dieser letzten Wochen“ habe „das Trauma verstärkt“: So könne es „nicht mehr weitergehen“. Vangheluwe wörtlich: „Ich bedaure zutiefst, was ich getan habe, und bitte ehrlich um Entschuldigung beim Opfer, seiner Familie, bei der ganzen katholischen Gemeinschaft und der Gesellschaft allgemein.“ Die Familie des Opfers hatte sich am Dienstag schriftlich an die Bischöfe gewandt. Diese forderten Vangheluwe daraufhin zum Rücktritt auf. Erzbischof André-Joseph Léonard von Brüssel meinte am Freitag bei einer Pressekonferenz unter Tränen: „Bei Missbrauch gibt es keine Winkelzüge. Wir sind uns der Vertrauenskrise bewusst.“ Er hoffe, dass diese Deutlichkeit helfe, dem Opfer seine Würde zurückzugeben und dass sie zu seiner Genesung beitrage. Wenn der Bischof von Brügge nicht von sich aus seinen Rücktritt angeboten hätte, dann hätten die belgischen Bischöfe beim Vatikan ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn beantragt, so Léonard. – Vangheluwe wurde 1936 in Roeselare geboren. 1963 wurde er zum Priester geweiht. Er lehrte anschliessend Theologie am Priesterseminar in Brügge. In der Belgischen Bischofskonferenz war er unter anderem für die karitative Arbeit der katholischen Kirche zuständig. (rv)

D: „Ein konstruktiver Schritt zur Aufklärung und Aufarbeitung“

Einundsechzig Teilnehmer für einige Stunden – ein wohl eher symbolischer Beginn, aber ein Beginn. An diesem Freitag trat in Berlin zum ersten Mal der Runde Tisch zum Thema Missbrauch zusammen, die Ministerinnen Christina Schröder, Annette Schavan und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatten eingeladen. Kirchenvertreter, Politiker, Kinderschutz-Vereinigungen und auch Opfervertreter saßen zusammen. Wir haben einen der Teilnehmer, den Provinzialoberen der Jesuiten in Deutschland, P. Stefan Dartmann, gefragt, mit welchem Ziel man in die Gespräche gegangen ist:
„Diese erste konstituierende Sitzung des Runden Tisches hat vor allen Dingen das Ziel gehabt, einmal die Erwartungen an diesen Runden Tisch abzuklären. Es waren ja 61 Teilnehmer dabei, darunter fünf von der katholischen Kirche. Das zeigt auch schon, dass das Thema viel breiter ist, als dass es nur noch ein Thema der Kirche gewesen wäre, sondern dass es alle gesellschaftlichen Gruppen bewegt."
Waren das denn überhaupt Gespräche, bei so vielen Teilnehmern?
„Nein, es waren Beiträge – man konnte sich zu Wort melden, und wir haben insgesamt etwa 40 kurze Beiträge von den Repräsentanten verschiedener Organisationen gehört, die jeweils klarmachten, was aus der Sicht ihrer Organisation oder ihrer Kompetenz – es waren auch eine ganze Reihe von Wissenschaftlern dabei – für die kommende Arbeit wichtig wäre."
Wie geht es weiter?
„Es wird jetzt drei Arbeitsgruppen geben; eine dritte Arbeitsgruppe war eigentlich gar nicht vorgesehen, wurde aber spontan während dieses Gespräches von der Bildungsministerin Frau Schavan ins Gespräch gebracht. Diese drei Arbeitsgruppen sind also: einerseits die Frage nach der Prävention und der Intervention. Die zweite Gruppe behandelt das Thema juristische Aspekte, auch die materielle und immaterielle Anerkennung des erfahrenen Leides. Und die dritte Gruppe handelt von Forschung, von Lehre und auch von Weiterbildung und Ausbildung in dem Bereich."
Die Bild-Zeitung meldet heute, 77 Prozent der deutschen Katholiken hätten den Eindruck, die Kirche versuche, manches zu vertuschen. Ist dieser Runde Tisch ein Schritt in die andere, die richtige Richtung?
„Ich glaube, es geht hier nicht um die Beantwortung der Vorwürfe, die heute in den Zeitungen stehen, sondern es geht hier um einen konstruktiven Schritt zur Aufklärung – um an der Aufklärung und an der Aufarbeitung dieser Fragen mitzuarbeiten. Insofern würde ich sagen, es ist ein Schritt in diese Richtung." (rv)

Österreich:„Ein runder Tisch ist nur ein Startschuss“

In Österreich tagt der runde Tisch zum Thema Missbrauch seit Mitte April, der Wiener Erzbischof Kardinal Schönborn sprach damals von einer ‚Allianz gegen Missbrauch’. Die Vizepräsidentin des Hauptverbandes katholischer Elternverbände Österreichs, Cornelia Frankenstein, zieht aus den Erfahrungen erste Schlüsse und warnt vor überzogenen Erwartungen an diese Form der Auseinandersetzung:
„Man muss dabei sofort klarstellen, dass ein runder Tisch nur ein Startschuss sein kann. Ein runder Tisch hat den großen Vorteil, dass man hier Experten zusammenrufen kann, die durch ihre tägliche Arbeit mit dem Problem befasst sind und hier auch sachlich Lösungsvorschläge bringen können.“
Sehr deutlich sei bei diesem runden Tisch aber auch geworden, dass die Gesellschaft insgesamt auf wackligem Boden stehe, wenn es um Missbrauch geht. Hier habe die durch die Kirche begonnene Aufarbeitung einen guten Einfluss auf die Diskussionen gehabt:
„Die katholische Kirche in Österreich hat hier der Politik die Tür geöffnet, angstfrei mit der Thematik umzugehen. Ein runder Tisch kann eine Versachlichung der Debatte leisten, denn das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, dem man sich immer stellen muss. Jeder, der Verantwortung trägt für Schutzbefohlene, muss sich bewußt sein, dass es eine Gefahr gibt und dass es wichtig ist, damit richtig umzugehen. Und diese Verantwortung hat auch die Politik.“
Mit Bick auf die Österreichische Geschichte zu den Missbrauchsfällen, beginnend mit dem Wiener Erzbischof Kardinal Groer vor zehn Jahren, ordnet Cornelia Frankenstein die Bedeutung eines runden Tisches in der augenblicklichen Debatte ein:
„Als man aus Deutschland die Welle anrollen sah, dass dieses Thema jetzt wieder akut wird, war es so dass ich am Anfang nur in sehr angstvolle Gesichter geschaut habe. Es gab ein großes Gefühl der Ohnmacht, dass das jetzt wieder losgeht und dass man das eigentlich gar nicht mehr wissen möchte. Es kamen viele Aussagen von Eltern, dass sie das gar nicht wissen wollen. Es wurde mir direkt gesagt, dass wenn wir uns mit dem Thema befassen, sie sofort austreten würden aus der Kirche, weil sie kein Vertrauen mehr haben durch die Vorfälle um die Causa Groer. Denn das wurde ja damals nicht aufgearbeitet, sondern es wurde eigentlich nur langsam verdrängt, und das hat eine sehr schwere Wunde erzeugt. Der runde Tisch ist aber nur eine Begleitmaßnahme zur Aufarbeitung, die wirkliche Aufarbeitung ist das Bewußtsein in der Gesellschaft, die Entstigmatisierung der Opfer. Das kann ein runder Tisch begleiten, aber er kann es nicht bewerkstelligen.“ (rv)

Marokko: Bischofskonferenz Nordafrika zu Missionars-Ausweisungen

Aus den drei afrikanischen Ländern Algerien, Libyen und Tunesien sind in diesen Tagen die Bischöfe nach Marokko gereist – seit Dienstag tagen sie gemeinsam mit ihren marokkanischen Kollegen in Rabat über die Situation der Kirche in den jeweiligen Ländern. Insbesondere soll bei der regionale Bischofskonferenz Nordafrika, die am Freitag zu Ende geht, über die Ausweisung christlicher Missionare beraten werden, das war vorab bekannt geworden. Radio Vatikan hat mit Luciano Ardesi, einem Kenner der Maghreb-Zone gesprochen. Die Ausweisungswelle in Marokko Anfang März sei nicht eine neue Entwicklung, meint Ardesi.
„Das Phänomen ist nicht neu für Marokko, auch in den vergangenen Jahren hat es immer wieder Ausweisungen gegeben, das gilt auch für die anderen Länder der Maghreb-Zone, für Nordafrika, ganz speziell für Algerien, wo es immer wieder Vertreibungen von protestantischen und evangelikalen Predigern gegeben hat. Was neu ist in Marokko, ist die Beschuldigung des Proselytismus." Proselytismus – das bedeutet, dass jemand darum sehr bemüht ist, Gläubige aus anderen Glaubensgemeinschaften hin zur eigenen abzuwerben. Also ein Konfessions-Wechsel voranzutreiben. „In den vergangenen Jahren ist eine Gemeinschaft von Christen geboren, marokkanischen Ursprungs, und diese Gruppe reklamiert für sich einen Dialog mit der marokkanischen Regierung, pocht auf Glaubensfreiheit, die bis heute nicht in ihrem Land garantiert ist."
Es waren und sind aber vor allem Migranten, die den christlichen Glauben in die Maghreb-Länder gebracht haben. Für sie hat die Kirche vor Ort eine enorm große Bedeutung, meint Ardesi.
„Die Präsenz der Kirchen in diesen Ländern nährt diese Migranten-Gemeinden in spiritueller Hinsicht. Aber, das lässt sich kaum vermeiden, es hat auch unschöne Zwischenfälle mit der Bevölkerung vor Ort gegeben. Manche Evangelikalen-Kirchen waren einfach zu aktiv und das hat zu Spannungen mit den Regierungen in Ländern geführt, in denen der Islam Staats-Religion ist."
Theoretisch gibt es in den Staaten des Maghreb eine Religionsfreiheit, berichtet Ardesi. Aber wenn es um die Ausübung der Religion und um angemessene Orte zur Ausübung der Religion geht, das sei eine Herausforderung für die nächsten Jahre. Ardesi lobt aber auch den Austausch mit Muslimen. Gerade wenn es um Solidarität mit ärmeren Bevölkerungsschichten gehe, würde man einen gemeinschaftlichen Weg gehen.
„Es gibt eine praktische Zusammenarbeit auf diesem Gebiet, vielleicht viel weiter fortgeschritten als wenn es um den theologischen Dialog geht. Der war zwar nie unterbrochen, aber wenn es um theologische Inhalte geht, ist es eben nicht so konkret und auf gleicher Augenhöhe, wie die sonstige Zusammenarbeit."
Das sagte Luciano Ardesi, ein Kenner der Maghreb-Zone, also der vier Länder Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen. (rv)