Indien: Katholischer Ritenmix und der Wunsch nach mehr Dialog

Der neue indische Kardinal Mar George Alencherry hofft auf mehr Dialog zwischen Gläubigen verschiedener katholischer Riten. Der Großerzbischof von Ernakulam-Angamaly im südindischen Bundesstaat Kerala ist das Oberhaupt von ungefähr vier Millionen Gläubigen des syro-malabarischen Ritus – einer der größten mit Rom unierten Ostkirchen. Alencherry ist neben dem Chinesen John Tong Hon einer der beiden neuen Kardinäle aus Asien, die Papst Benedikt XVI. am vergangenen Samstag kreierte.

Viele Gläubige der Ostkirchen in der Diaspora, darunter auch die syro-malabarischen Christen, haben es mit einem Mix katholischer Riten zu tun – etwa, wenn sie heiraten und sich wünschen, dass die Kinder mit den Riten beider Elternteile aufwachsen. So werden in der syro-malabarischen Kirche der römische Ritus – der als Relikt aus Kolonialzeiten überlebte – und der syro-malankarische Ritus praktiziert. Damit es für solche Gläubigen möglich ist, die eigene religiöse Tradition in einem spirituell vielfältigen Umfeld pflegen zu können, brauche es Unterstützung, appelliert der Kardinal im Gespräch mit Radio Vatikan.

„Dialog wird die Situation sicher verbessern. Die lateinischen Bischöfe denken immer an eine territoriale Jurisdiktion. Sie denken, dass das Territorium ihnen gegeben ist und niemand anderer das Recht hat, irgendetwas darauf zu tun, und dass eben alles durch sie geschehen solle. Unserer Tradition nach können die Dinge ja nur durch unsere Priester und Bischöfe gemacht werden. Das ist wirklich ein Problem."

Dabei könne man eigentlich darauf vertrauen, dass jede Kirche auf ihre Weise wachsen kann, fügt der Kardinal an, für den die rituelle Vielfalt keineswegs ein Hindernis im Glaubensleben darstellt. So hofft Alencherry denn auch, dass Papst Benedikt im postsynodalen Schreiben zur Nahost-Bischofssynode vom Oktober 2010, das er im Herbst diesen Jahres bei einer Reise in den Libanon übergeben könnte, das Problem der Zusammenarbeit der Gläubigen verschiedener katholischer Riten anspricht.

„Die Kirche muss dieses Problem angehen, denn die Weltkirche ist eine Vereinigung individueller Kirchen. Auch wenn einige dieser individuellen Kirchen sehr kleine Gemeinschaften sind, müssen wir sie schützen und ihr Erbe wertschätzen. Wir müssen sie in der universellen Kirche halten, und es ist Aufgabe der lateinischen Bischöfe und Kirchen, sie zu beschützen."

Als positives Beispiel des Dialoges zwischen Kirchen verschiedener katholischer Riten nennt der Kardinal die USA und Australien. In anderen Ländern sei man dagegen in diesem Feld nicht sehr offen. Ein Datum für einen Libanon-Besuch des Papstes steht noch nicht fest. (rv)
 

Papst nimmt Bischof Reinelts Rücktritt an

Papst Benedikt XVI. hat an diesem Montag den Rücktritt des Bischofs von Dresden-Meißen, Joachim Reinelt, angenommen. Grund des Rücktritts ist das Alter des Bischofs. Seinen Rücktritt bot der Geistliche dem Papst bereits im Oktober 2011 zu seinem 75. Geburtstag an, so wie das im Kirchenrecht vorgeschrieben ist; der Papst hatte das Rücktrittsgesuch damals aber noch nicht angenommen.

Reinelt wurde im Juni 1961 in Bautzen zum Priester geweiht. Nach Tätigkeiten in Gera, Freiberg, Ebersbach und Altenburg wurde er 1986 als Ordinariatsrat in die Bischöfliche Verwaltung des Bistums Dresden-Meißen berufen. Dort war er Leiter der Caritas. Nach der Ernennung durch Johannes Paul II. war Reinelt seit Februar 1988 – also noch vor dem Fall der Mauer – Bischof von Dresden-Meißen. Er gab sich damals den Wahlspruch „Iesus in medio", „Jesus in der Mitte", angelehnt an das Bibelwort aus dem Matthäusevangelium „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen". Als Reinelts Verdienst gilt vor allem die seelsorgliche Begleitung der Bürger in der ehemaligen DDR in der Übergangsphase der Wiedervereinigung. Wer Reinelts Nachfolge als Bischof antreten wird, ist noch unklar. (rv)

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Empfang für die Kardinäle: Glaube, Gesellschaft und ein Glas Sekt

Zu den Feierlichkeiten rund um das Konsistorium gehörte auch ein Empfang in der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl, Zeichen der gegenseitigen Wertschätzung von Kirche und Staat. Und auch wenn die gehaltenen Reden dem Anlass gemäß nicht programmatisch waren, so ließen es sich die Sprecher doch nicht nehmen, die Rolle des Glaubens und der Kirche in Staat und Gesellschaft anzusprechen.

Berlins regierender Bürgermeister Klaus Wowereit erinnerte daran, dass das Erzbistum Berlin vor zwanzig Jahren noch seinen Sitz im Ostteil der Stadt, hinter der Mauer hatte:

„Wir sind dankbar, dass die Kirche auch immer ein Ort war, wo Menschen jenseits des diktatorischen Systems Frieden schließen konnten, wo sie Schutz gefunden haben. Ohne diese Schutzräume wäre die friedliche Revolution in der DDR durch die Bürgerinnen und Bürger nicht möglich gewesen."

Es bliebe gerade in Berlin aber nicht bei historischen Daten, auch heute bilde diese Stadt eine eigene Herausforderung:

„Kardinal Woelki wird in den letzten Monaten schon gemerkt haben: Ganz so schlimm ist es nicht im heidnischen Berlin. Sondern diese Stadt ist geprägt durch Vielfalt und durch unterschiedliche Religionen, aber durch Menschen, die ihren Glauben haben, die ihren Glauben auch praktizieren und leben (..). Deshalb freue ich mich, dass Sie in Ihrer kurzen Amtszeit schon deutliche Signale ausgesendet haben."

Das Thema wurde auch von den beiden gefeierten Kardinälen Woelki und Becker aufgegriffen. Becker sprach es in deinem Lob des Verhältnisses von Staat und Kirche explizit an:

„Davor liegt aber ein anderes Problem: Das Verhältnis von Glaube und ziviler Gesellschaft. Die beiden Beziehungspunkte sind nicht identisch. Ich bin froh, dass ein solcher Empfang uns darauf hinweist, dass wenn so gut zwischen Staat und Kirche verhandelt werden kann, dann kann man langsam auch das andere angehen, das davor liegt und was für mich viel wichtiger ist, eben das Verhältnis von Glaube und ziviler Gesellschaft."

Nachdenkliche Töne, die aber auch dem Empfang in der deutschen Botschaft gut anstanden. Das Zusammen von Nachdenken, diskutieren und feiern ist schließlich durchaus eine katholische Tugend. (rv)

Ring und Birett für die neuen Kardinäle

Detail bei diesem vierten Konsistorium im Pontifikat von Papst Benedikt XVI.: Auf den Ringen, die der Papst den neuen Kardinälen ansteckte, sind auf einer kreuzförmigen Fläche die beiden Apostel Petrus und Paulus als Symbole für den Glauben und die Verkündigung der frohen Botschaft abgebildet. Auf der Innenseite der Ringe, deren Spiral-Schaft die Form einer stilisierten Säule des Petersdoms hat, ist das Papstwappen Benedikt XVI. eingraviert. Das neue Motiv hat die Kreuzigungsszene abgelöst, die bislang auf Kardinbalsringen abgebildet war.

Die Übergabe der Ringe an die neuen Kardinäle erfolgte an diesem Samstag während desselben eigenen liturgischen Ritus, bei dem auch das Kardinalsbirett übergeben wurde. Die Vereinfachung geht auf eine Reform des Konsistoriums zurück: Vor 1969 wurden die Ringe den Kardinälen in einer Messe am Folgetag nach dem Konsistorium übergeben. Auch in anderen Elementen war das Konsistorium von diesem Samstag überarbeitet und vereinfacht: so waren Gebete verändert und die Schriftlesung verkürzt worden. Hintergund der Reform ist das Anliegen, von einer allzu sakralen Wirkung des Konsistoriums wegzukommen. (rv)

Erzbischof Zollitsch: „Kardinal Woelki ist Auszeichnung für Berlin“

Unter den Gratulanten Kardinal Rainer Maria Woelkis war auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der extra nach Rom gereist ist. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte Erzbischof Robert Zollitsch über den neuen Berliner Kardinal:

„Für mich war es klar, dass der Erzbischof von Berlin auch Kardinal wird; ich freue mich, dass es so schnell ging, weil es für Berlin eine Auszeichnung ist. Ich habe Kardinal Woelki in der Bischofskonferenz erlebt, wir waren zusammen in der Kommission IV [Anm. d. Red.: Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste] und haben dort viel zusammen gearbeitet. Ich freue mich über die Erwählung und ich wünsche ihm von Herzen Gottes Segen und viel Glück – und vor allem auch eine gute Hand in der Vermittlung all dessen, was wir in Deutschland brauchen, auch in der Verbindung zur Weltkirche und zum Heiligen Vater."

Deutschland hat einen Papst und jetzt neun Kardinäle. Dazu Erzbischof Zollitsch:

„Es ist ein hoher Anteil, und Deutschland ist gut vertreten, allerdings spüren wir auch, dass unter den aktiven Kurienkardinälen kein Deutscher mehr ist. Es gibt zwar einen deutschsprachigen, Kardinal Kurt Koch, den wir ein wenig zu uns rechnen, aber wir spüren auch, nachdem nun Kardinal Ratzinger und Kardinal Kasper nicht mehr als Kurienkardinäle im Amt sind, dass da noch etwas nachzuholen wäre."

Und auf die Frage, ob sich in näherer Zukunft an dieser Situation etwas ändern werde, antwortete der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz:

„Ich kann schlecht Prognosen machen, aber ich hoffe, dass auch da die deutsche Stimme wieder direkt zum Tragen kommen wird."

Bereits im Kardinalsstand waren auf deutscher Seite bisher Joachim Meisner, Walter Kasper, Karl Lehmann, Friedrich Wetter, Paul Josef Cordes, Reinhard Marx und Walter Brandmüller. (rv)

Die beiden Titelkirchen für die zwei deutschen Kardinäle

  Den neuen Kardinälen wird beim Ritus der Kardinalserhebung traditionell eine eigene Titelkirche in Rom zugewiesen. Bei den beiden neuen Deutschen Kardinälen Rainer Maria Woelki und Kardinal Karl Josef Becker sind dies die römische Kirchen „San Giovanni Maria Vianney" und „San Giuliano Martire".

Die Kirche San Giovanni Maria Vianney liegt in einem multikulturellen Stadtviertel am südöstlichen Stadtrand Roms. Die pastoralen Aktivitäten der Kirchengemeinde reichen in die frühen 50er Jahre zurück. Die Kirche ist architektonisch mit einem schlichten Betonbau recht einfach gehalten, sie ist nach dem französischen Heiligen Jean-Marie Vianney, der auch als „Heiliger Pfarrer von Ars" und Schutzpatron der Pfarrer bekannt ist, benannt. Dem 1815 in Grenoble zum Priester geweihten Vianney gelang es, die nicht religiöse Gemeinde von Ars-sur-Formans bei Lyon in ein lebendiges Zentrum des katholischen Glaubens zu verwandeln. Der in Armut und unter Entbehrungen lebende Geistliche ließ nicht nur die Ortskirche renovieren, sondern gründete ab 1818 verschiedene Bruderschaften, Schulen und soziale Einrichtungen. Ars wurde unter seiner Leitung zu einem Pilgerort, der jährige tausende von Gläubige anzog. Papst Benedikt XVI. rief anlässlich des 150. Todesjahres des Pfarrers von Ars ein Priesterjahr aus, das am 19. Juni 2009 und ein Jahr später mit einem großen Priestertreffen in Rom endete.

Die im Norden Roms an der Via Cassia gelegene San Giuliano Martire-Kirche ist nach dem römischen Märtyrer Julianus benannt. Der in Dalmatien geborene Julianus erlitt unter Kaiser Antonius Pius (138-161 nach Christus) den Märtyrertod, nachdem er seinen christlichen Glauben bekannte und diesem auch unter schrecklichen Qualen der Folter nicht abschwor. Die noch relativ junge San Giuliano-Gemeinde erlebt mit einem Besuch von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1997 prominenten Besuch. (rv)

„Nicht bedienen lassen, sondern dienen“: Die Papstansprache während des Konsistoriums

„Tu es Petrus, et super hanc petram aedificabo Ecclesiam meam „.

Verehrte Mitbrüder,
liebe Brüder und Schwestern!

Mit diesen Worten hat uns der Eingangsgesang in den feierlichen und eindrucksvollen Ritus des Öffentlichen Ordentlichen Konsistoriums zur Kreierung neuer Kardinäle mit der Überreichung des Biretts, der Übergabe des Ringes und der Zuweisung der Titelkirche eingeführt. Es sind die eindringlichen Worte, mit denen Jesus den Petrus als festes Fundament der Kirche eingesetzt hat. Der Glaube ist dabei der bezeichnende Faktor dieses Fundamentes: Simon wird ja Petrus – Fels –, weil er seinen Glauben an Jesus, den Messias und Sohn Gottes, bekannt hat. In der Zusage Christi wird die Kirche an Petrus gebunden, und Petrus wird in der Kirche als Fels eingesetzt; aber der Erbauer der Kirche ist Christus selber, Petrus muss ein besonderes Element des Baus sein. Und er muss dies sein durch die Treue zu seinem bei Cäsarea Philippi abgelegten Bekenntnis, kraft seiner Aussage: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes".

Die an Petrus gerichteten Worte Jesu heben deutlich den kirchlichen Charakter des heutigen Ereignisses hervor. Die neuen Kardinäle werden nämlich durch die Zuweisung des Titels einer Kirche dieser Stadt oder einer suburbikarischen Diözese in jeder Hinsicht in die vom Nachfolger Petri geführte Kirche Roms eingegliedert, um in der Leitung der Weltkirche eng mit ihm zusammenzuarbeiten. Diese lieben Mitbrüder, die in kürze zum Kardinalskollegium gehören werden, schließen sich mit neuen und stärkeren Bindungen nicht nur mit dem Römischen Pontifex zusammen, sondern auch mit der gesamten Gemeinschaft der Gläubigen in aller Welt. In der Erfüllung ihres besonderen Dienstes zur Unterstützung des Petrusamtes sind die neuen Purpurträger nämlich aufgerufen, die Angelegenheiten, Probleme und pastoralen Kriterien, die die Sendung der gesamten Kirche betreffen, in Betracht zu ziehen und zu beurteilen. In dieser heiklen Aufgabe wird ihnen das im Leben und im Sterben abgelegte Glaubenszeugnis des Apostelfürsten Vorbild und Hilfe sein, der sich aus Liebe zu Christus ganz hingegeben hat bis zum äußersten Opfer.

In diesem Sinn ist auch die Überreichung des roten Biretts zu verstehen. Den neuen Kardinälen ist der Dienst der Liebe aufgetragen: Liebe zu Gott, Liebe zu seiner Kirche, Liebe zu den Brüdern und Schwestern mit einer absoluten und bedingungslosen Hingabe, nötigenfalls bis zum Blutvergießen, wie es die Formel zur Überreichung des Biretts ausdrückt und wie es die rote Farbe der Talare, die sie tragen, anzeigt. Außerdem wird von ihnen verlangt, der Kirche mit Liebe und Kraft zu dienen, mit der Klarheit und der Weisheit der Lehrmeister, mit der Energie und der Stärke der Hirten, mit der Treue und dem Mut der Märtyrer. Es geht darum, herausragende Diener der Kirche zu sein, die in Petrus das sichtbare Fundament der Einheit findet.

In dem eben vorgetragenen Evangelium zeigt Jesus sich als Diener und bietet sich als Vorbild an, das man nachahmen und dem man folgen soll. Vor dem Hintergrund der dritten Ankündigung von Leiden, Tod und Auferstehung des Menschensohns hebt sich als krasser Gegensatz die Szene der beiden Söhne des Zebedäus, Jakobus und Johannes, ab, die noch Träume von einer Herrlichkeit an Jesu Seite verfolgen. Sie baten ihn: „Lass in deinem Reich einen von uns rechts und den andern links neben dir sitzen" (Mk 10,37). Die Antwort Jesu ist wie ein Blitzschlag, und unerwartet ist seine Frage: „Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke?" (V. 38). Die Anspielung ist ganz klar: Der Kelch ist der Kelch des Leidens, den Jesus annimmt, um den Willen des Vaters auszuführen. Der Dienst für Gott und die Mitmenschen, die Selbsthingabe – das ist die Logik, die der echte Glaube unserem Alltagsleben aufprägt und darin entwickelt, nicht der weltliche Stil der Macht und der Herrlichkeit.

Jakobus und Johannes zeigen mit ihrer Bitte, dass sie die Lebenslogik, die Jesus bezeugt, nicht verstehen, jene Logik, die nach dem Meister den Jünger in seinem Denken und Handeln prägen muss. Und die irrige Logik ist nicht nur in den beiden Söhnen des Zebedäus vorhanden, sondern steckt auch „die zehn anderen Jünger" an, die „sehr ärgerlich über Jakobus und Johannes" werden (V. 41). Sie empören sich, weil es nicht leicht ist, in die Logik des Evangeliums einzutreten und die der Macht und der Herrlichkeit zu verlassen. Der heilige Johannes Chrysostomus sagt, dass alle Apostel noch unvollkommen waren, sowohl die beiden, die sich über die zehn erheben wollten, als auch die anderen, die sie beneideten (vgl. Kommentar zum Matthäus-Evangelium, 65,4: PG 58,622). Und der heilige Cyrill von Alexandrien fügt in seinem Kommentar über die Parallelstelle im Lukasevangelium hinzu: „Die Jünger waren der menschlichen Schwäche verfallen und diskutierten miteinander darüber, wer der Anführer und den anderen überlegen sei … Das ist zu unserem Nutzen geschehen und uns erzählt … Was den heiligen Aposteln passiert ist, kann für uns ein Ansporn zur Demut sein" (Kommentar zum Lukas-Evangelium, 12,5,24: PG 72,912). Dieser Vorfall gibt Jesus die Gelegenheit, sich an alle Jünger zu wenden und sie „zu sich zu rufen", um sie gleichsam fest an sich zu ziehen, so dass sie gemeinsam mit ihm einen einzigen, untrennbaren Leib bilden und er ihnen zeigen kann, welches der Weg ist, um zur wahren Herrlichkeit, zur Herrlichkeit Gottes zu gelangen: „Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein" (Mk 10,42-44).

Herrschaft und Dienst, Egoismus und Altruismus, Besitz und Gabe, Interesse und Unentgeltlichkeit – diese zutiefst gegensätzlichen Logiken stehen zu allen Zeiten und an allen Orten einander gegenüber. Über den von Jesus gewählten Weg besteht kein Zweifel: Er beschränkt sich nicht darauf, ihn den damaligen und den heutigen Jüngern mit Worten anzuzeigen, sondern verwirklicht ihn in seinem eigenen Leben. Er erklärt nämlich: „Auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele" (V. 45). Diese Worte werfen ein ganz besonders intensives Licht auf das heutige Öffentliche Konsistorium. Sie klingen im Innersten der Seele nach und sind eine Einladung und ein Aufruf, ein Auftrag und eine Ermutigung speziell für euch, liebe, verehrte Mitbrüder, die ihr nun in das Kardinalskollegium aufgenommen werdet.

Nach der biblischen Überlieferung ist der Menschensohn derjenige, der die Macht und die Herrschaft von Gott erhält (vgl. Dan 7,13f). Jesus deutet seine Sendung auf Erden, indem er die Gestalt des Menschensohns und jene des leidenden Gottesknechts, wie sie von Jesaja beschrieben wird, übereinander legt (vgl. Jes 53,1-12). Er empfängt die Macht und die Herrlichkeit nur als „Knecht"; aber Knecht ist er, insofern er das Schicksal von Leid und Sünde der ganzen Menschheit auf sich nimmt. Sein Dienst verwirklicht sich in der gänzlichen Treue und in der vollen Verantwortung gegenüber den Menschen. Darum wird die freiwillige Annahme seines gewaltsamen Todes der Preis für die Befreiung vieler, der Anfang und das Fundament der Erlösung jedes Menschen und des gesamten Menschengeschlechts.

Liebe Mitbrüder, die ihr jetzt in das Kardinalskollegium aufgenommen werdet! Die völlige Selbsthingabe Christi am Kreuz sei euch Ursprung, Ansporn und Kraft für einen Glauben, der in der Liebe wirksam wird. Eure Sendung in der Kirche und in der Welt erfülle sich immer und einzig „in Christus"; möge sie seiner Logik und nicht der der Welt entsprechen, erleuchtet sein vom Glauben und beseelt von der Liebe, die vom ruhmreichen Kreuz des Herrn her zu uns kommt. Auf dem Ring, den ich euch gleich übergeben werde, sind die heiligen Petrus und Paulus dargestellt, mit einem Stern in der Mitte, der an die Muttergottes erinnert. Wenn ihr diesen Ring tragt, seid ihr täglich dazu ermahnt, euch das Zeugnis ins Gedächtnis zu rufen, das die beiden Apostel für Christus bis hin zum Martertod hier in Rom gegeben haben, die so die Kirche mit ihrem Blut fruchtbar gemacht haben. Der Hinweis auf die Jungfrau Maria sei hingegen stets eine Einladung an euch, derjenigen zu folgen, die fest im Glauben stand und eine demütige Magd es Herrn war.

Am Schluss dieser kurzen Überlegungen möchte ich meinen herzlichen Gruß und Dank an euch alle richten, die ihr hier zugegen seid, besonders an die offiziellen Delegationen der verschiedenen Länder und an die Vertretungen zahlreicher Diözesen. Die neuen Kardinäle sind in ihrem Dienst dazu aufgerufen, immer Christus treu zu bleiben und sich einzig von seinem Evangelium leiten zu lassen. Liebe Brüder und Schwestern, betet, dass sie ein lebendiges Spiegelbild unseres einzigen Hirten und Lehrers seien, des Herrn Jesus, der Quelle aller Weisheit, der allen den Weg weist. Und betet auch für mich, dass ich dem Volk Gottes immer das Zeugnis der sicheren Lehre geben und mit milder Festigkeit das Steuer der heiligen Kirche führen kann. (rv)

133 Kardinäle treffen Papst hinter verschlossenen Türen

Über das Thema Neuevangelisierung reden 133 Kardinäle an diesem Freitag hinter verschlossenen Türen mit dem Papst. Einen Tag vor seiner Schaffung von neuen Kardinälen hatte Benedikt XVI. seinen „Senat" zu einem Tag des Nachdenkens und Betens zusammengerufen. Die Beratungen starteten am Morgen mit Reden von Kardinaldekan Angelo Sodano sowie den Erzbischöfen Timothy Dolan aus New York und Rino Fisichella von der Kurie. Danach folgten sieben frei gehaltene Ansprachen; für diesen Abend ab 17 Uhr ist eine neue Runde angesetzt. Insgesamt gehören 213 Personen zum Kardinalskollegium, wenn man die 22 „Neuen" mit einrechnet.

Fisichella, der den neuen Päpstlichen Rat für die Neuevangelisierung leitet, stellte den Kardinälen und dem Papst unter anderem den voraussichtlichen Kalender von Ereignissen für das „Jahr des Glaubens" ab Oktober 2012 vor; der Kalender ist noch nicht öffentlich bekannt. Dolan, der am Samstag zum Kardinal wird, unterstrich, „nicht nur Guinea" müsse missioniert werden, sondern auch seine Bischofsstadt New York. Die Säkularisierung sei „keine Bedrohung für Gläubige, die von außen kommt, sondern entstellt den christlichen Glauben von innen". Dolan fuhr fort, „als Gläubigen müssen uns aber vor allem auch die am Herzen liegen, die sich als Agnostiker oder Atheisten bezeichnen". Die Kirche solle „immer vertrauensvoll sein, aber nie triumphal". (rv)

Non olet – dolet

Zwölf Kardinäle haben am Dienstag und Mittwoch im Vatikan über Organisation und Finanzen des Heiligen Stuhls beraten. Der so genannte Kardinalsrat beschäftigte sich hinter verschlossenen Türen mit den Haushaltsvorschauen der Vatikanstadt sowie des Völkerrechtssubjekts Heiliger Stuhl für 2012. Die Präfektur für wirtschaftliche Angelegenheiten des Heiligen Stuhls wurde durch ihren neuen Präsidenten, den künftigen Kardinal Giuseppe Versaldi, und zwei Mitarbeiter vertreten. Auf Einladung der Kardinäle berichtete die Führungsspitze von Radio Vatikan über Sparanstrengungen des Senders, der kaum Werbeeinnahmen, dafür aber jährliche Millionenausgaben hat. Die Kardinäle zeigten sich nach Angaben eines Statements erfreut über die für 2012 veranschlagten Haushaltsziele. Sie äußerten aber Sorge angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise, die auch den Vatikan nicht ausspare. Das zeige sich, so das Statement, vor allem beim Heiligen Stuhl, der sich vor allem durch Spenden wie den jährlichen Peterspfennig finanziert.

An den Gesprächen unter Leitung von Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone nahmen für Europa die Kardinäle Joachim Meisner aus Köln, Antonio Maria Rouco Varela aus Madrid, Jean-Pierre Ricard aus Bordeaux, Angelo Scola aus Venedig und Agostino Vallini aus Rom teil. Auffällig an der Teilnehmerliste ist, dass diesmal kein asiatischer und kein US-Kardinal mit am Tisch saß, dafür aber gleich vier Kardinäle aus Mittel- und Südamerika. Die zwei übrigen Kardinäle im Rat kamen aus Südafrika und Australien. (rv)

Konsistorium: Rote Hüte, neue Formen

22 Geistliche empfangen nächsten Samstag bei einem öffentlichen Konsistorium in Rom die Kardinalswürde. In der Fachsprache: Der Papst kreiert neue Kardinäle. Das Konsistorium ist keine Eucharistiefeier, sondern ein eigener liturgischer Ritus, besonders feierlich, das ja, aber eben keine Messe. Diesen Ritus zur Kardinalskreierung hat Papst Benedikt nun etwas vereinfacht. Der Kirchenhistoriker Ulrich Nersinger greift zurück in die Geschichte:

„Früher war die Erhebung eines Geistlichen in den Kardinalsstand eine farbenprächtige Angelegenheit, aber auch eine sehr komplizierte. Es war so breitgefächert: die Übergabe des Hutes, wir hatten früher auch den breitrandigen Kardinalshut, Birett, Pileolus, und einige andere Insignien – die Überreichung war aufgeteilt auf verschiedene Gelegenheiten."

Das war Form Nummer eins. Nun Form Nummer zwei: Nach dem II. Vatikanischen Konzil gab es schon einmal eine Vereinfachung bei der Kardinalserhebung. Nersinger:

„Man ist zu der Form gekommen, dass man – bis in die jüngste Vergangenheit – in einem Konsistorium die Kreierung vornahm, das heißt im Wesentlichen, der Heilige Vater hat die Namen der neuen Kardinäle verkündet, ihnen dann das rote Birett aufgesetzt und ihnen die Titelkirche oder Diakonie zugewiesen; und ihnen dann meistens am nächsten Tag in einer Eucharistiefeier den Kardinalsring überreicht."

Jetzt, und das ist Form Nummer drei, erfolgt die Überreichung des Kardinalsrings ebenfalls im Konsistorium und nicht erst in der Messe danach. Das ist der Hauptänderungspunkt der Feier. Für Außenstehende mag das wenig der Rede wert sein. Doch der Kardinalsring ist ein Objekt mit besonders hoher Symbolkraft.

„Der Ring galt immer als ein besonderes Zeichen der Bindung, denn Eheleute binden sich ja auch durch einen Ring. Man wollte auch durch den Ring nochmals unterstreichen die enge Bindung, die der neue Kardinal mit dem Heiligen Vater und der Kirche eingeht."

Das Anstecken der Ringe in der Messe: Das erinnert tatsächlich an eine Hochzeit, an das Sakrament der Ehe. Genau diesen Eindruck der Sakramentalität will der Vatikan vermeiden. Denn die Kardinalserhebung ist kein Sakrament, ist weder eine Ehe noch eine Priesterweihe. Bis hinein in katholische Kreise konnte aber zuletzt dieser Eindruck entstehen. Um dem Missverständnis vorzubeugen, weist selbst das liturgische Büchlein für das bevorstehende Konsistorium neue Gebete auf – neue alte Gebete, wohlgemerkt, sie stammen aus dem ersten Jahrtausend. Auch sie weisen darauf hin, dass diese Feier keine Weihehandlung ist.

„Es sind Gebete, die unterstreichen, welche Aufgabe die Kardinäle haben und wie sie auch ihr Amt verstehen sollten: Als Berater des Papstes, die in enger Bindung zu ihm stehen, eine Bindung, die ganz einzigartig ist. Die Kardinäle werden ja vom Papst kreiert, das heißt: geschaffen. Sie sind seine persönlichen Geschöpfe. Und sie sollen sehr eng zum Papst und zur Kirche stehen. Das soll deutlich werden. Und dass es ein Amt ist, das nicht durch eine sakramentale Handlung vermittelt wird."

Vor dem Konsistorium lädt der Papst alle Kardinäle, auch die neu erhobenen, zu einem Tag des Nachdenkens und des Gebets. Auf der Tagesordnung stehen dabei Gespräche über Neuevangelisierung und Mission. Kardinäle sind ja von ihrer ursprünglichen Funktion her Berater des Papstes. Zum Reflexionstag bemerkt Nersinger:

„Ich glaube, das ist ein Rückgriff auf eine ganz alte Zeit, zurück in die Anfänge der Konsistorien."

Zur Erinnerung: Das Amt des Kardinals entstand im 11. Jahrhundert.

„Die Konsistorien waren ja Beratungen mit dem Papst und sind im Lauf der Zeit – etwa im 16. Jahrhundert – zu rein formalen Ereignissen geworden. Früher war es so, dass der Papst alle wichtigen kommenden oder schon geschehenen Ereignisse mit seinen engsten Ratgebern besprach, um einen Meinungsaustausch bat. Ganz am Anfang war das eine wirkliche Abstimmung. Das ist mit der Zeit etwas verschwunden, und das will man nun wieder stärker hervorheben. Das ist eine gute und vernünftige Idee, da ja das Kardinalskollegium auch die Weltkirche repräsentiert."

Ein altes Element der ursprünglichen Konsistorien mit der Abstimmung wird am kommenden Samstag wieder zum Tragen kommen. Ulrich Nersinger:

„Am Ende der Kardinalskreierung wird der Papst gebeten werden, Entscheide über künftige Heiligsprechungen anzukündigen, und da hat er auch die Kardinäle um ihre Meinung gefragt."

22 neue Kardinäle wird es ab Samstag in der katholischen Kirche geben, auch zwei Deutsche sind darunter, der Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki, mit 55 Jahren der jüngste aller Kardinäle, und der 83-jährige Jesuit Karl Josef Becker.

Das Konsistorium beginnt am Samstag um 10:30 Uhr, Radio Vatikan überträgt die Feier live und mit deutschem Kommentar. (rv)