Bischof Hanke in Ägypten: „Christliche Mitgestaltung nicht erwünscht“

Ägypten wählt: Beginnend im November waren zuerst die Mitglieder des Unterhauses in drei Runden bestimmt worden, an diesem Dienstag und Mittwoch gehen nun die Wahlen zum Schura-Rat, zum Oberhaus des Parlamentes, zu Ende, in der kommenden Woche folgen noch eventuell nötige Stichwahlen. Ein komplizierter Vorgang, der die Mehrheitsverhältnisse und die zukünftige Verfassung bestimmen soll.
In der vergangenen Woche hat der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke das Land und die Christen dort besucht, gegenüber dem Bistumsradio K1 berichtet er von der angespannten Lage und seinen Gesprächen mit den Vertretern der koptischen Kirche. Auch wenn die Muslimbrüder keine Extremisten seien, könnten sie doch nicht alleine regieren:

„Man muss sagen, dass die Muslimbrüder zusammen mit den Salafisten die Mehrheit haben, und das ist in der Tat ein sehr gefährliches Gemisch, ein zur Radikalität neigendes Gemisch. Die Christen selbst spielen im Parlament keine Rolle. Es gibt, wenn ich recht informiert bin, fünf koptisch-orthodoxe Christen, die Parlamentsmitglieder sind: Hier bietet sich keine Plattform, von der aus die Christen sich mit all der Kraft, die sie ja in ihren Institutionen, den Schulen und Krankenhäusern und Sozialeinrichtungen haben, einbringen könnten und mit gestalten könnten. Man hat eher den Eindruck, dass das nicht erwünscht ist."

Viele Christen sind nicht optimistisch, was die Freiräume für sie in Ägypten angehe – diese Erfahrung hat Hanke bei vielen seiner Gesprächspartner auf der Reise durch das Land gemacht. Auch wenn vor einem Jahr bei der Revolution auf dem Tahrir-Platz Christen und Muslime zusammen demonstriert hätten, so verändere sich jetzt die Gesellschaft.

„Im koptisch-katholischen Patriarchat schätzt man die Lage nicht hoffnungsvoll ein. Dort wusste man auch von dieser heftiger werdenden Aggressivität des Islam und dieser Klimaveränderung in der Gesellschaft besonders bei den weniger gebildeten Schichten zu berichten. Gerade die weniger gebildeten Schichten nehmen diese Hasspredigten, die es teilweise in den Moscheen gibt, als Quasi-Offenbarung auf und verändern ihre Einstellung und Haltung gegenüber den Christen."

Die Veränderungen seien vor allem im Alltag zu bemerken, erzählt Bischof Hanke, immer wieder sei ihm von alltäglichen Diskriminierungen gegen Christen berichtet worden.

„Die Christen haben kaum eine Chance, etwa bei einem muslimischen Arbeitgeber Arbeit zu finden. Mir hat ein junger Student erzählt, dass er, sobald er zu einem Personalgespräch kommt und man dort seinen christlichen Vornamen identifiziert, er keine Chancen mehr hat. Das sind sehr feine und subtile Formen der Diskriminierung, die man noch irgendwie verdecken kann, aber sie sind da, und sie treffen die Christen sehr hart."

Christliche und deswegen in der Regel nicht verschleierte Frauen würden angepöbelt, in gewissen Stadtvierteln sei es sogar gefährlich für sie, öffentlich aufzutreten, berichtet Bischof Hanke. Das sei eine Herausforderung für die Gemeinschaft, aber ganz besonders auch für den Glauben dort.

„Die Christen sehen klaren Auges die Bedrängnis, in der sie sich befinden. Sie sehen auch die Gefährdung. Aber ich habe dort einen sehr starken Glauben erlebt. Mir hat man verschiedentlich gesagt, dass man Glied in einer Kette in einer vierzehnhundertjährigen Unterdrückung und Diskriminierung sei, das mache stark. Es gibt natürlich zwischen Christen und Muslimen Freundschaften, das haben mir die jungen Leute in Alexandria auch bestätigt, so etwas ist schon möglich. Aber die institutionelle Aggressivität von Seiten islamischer Einrichtungen gegenüber dem Christentum hat enorm zugenommen und hat auch zu einer Klimaveränderung in der Gesellschaft beigetragen." (rv)

Vatileaks: „Man merkt, wie wichtig die Sache ist“

„Vatileaks" – so nennt Papstsprecher Pater Federico Lombardi die Tatsache, dass in letzter Zeit immer mehr interne Dokumente aus dem Vatikan an die Öffentlichkeit gelangen und dort einerseits zu aufgeregter Berichterstattung, andererseits zu großer Verwirrung führen und den Vatikan in ein schlechtes Licht rücken. Die Verantwortung dafür liegt auf beiden Seiten. Das betont Pater Lombardi an diesem Dienstag gegenüber Radio Vatikan: bei jenen, die solche internen Informationen „auf illoyale Weise" nach außen tragen, und bei den Medien, die sie „für Zwecke benutzen, die sicher nicht die reine Liebe zur Wahrheit sind".

Lombardi nennt drei jüngere Fälle: Zum einen ging es um das Finanzgebaren am Governatorat, das viele der weltlichen Güter des Vatikans verwaltet. Der „Zweite Mann" des Governatorats, der für mehr Transparenz eingetreten sein soll, wurde vor kurzem als Nuntius auf den wichtigsten diplomatischen Posten des Heiligen Stuhles, nach Washington, berufen; einige Beobachter sahen darin aber eine Art Strafversetzung. Eine weitere vorgebliche „Aufdeckung" betraf die Vatikanbank IOR, der mangelnde Transparenz und Kooperation mit italienischen Behörden vorgeworfen wurde, obwohl Papst Benedikt vor einem Jahr strenge Richtlinien gegen Geldwäsche erlassen hatte. Der letzte Fall von „Vatileaks" schließlich handelte mit Blick auf das nächste Konklave von einem angeblichen „Mordkomplott" gegen Papst Benedikt – eine „Wahnvorstellung", wie Lombardi damals umgehend klarstellte.

Alles zusammen schafft Verwirrung, so Lombardi. Eine seriöse Berichterstattung müsste zumindest die einzelnen Fragen auseinanderhalten und die jeweilige Bedeutung ermessen. Der Vatikansprecher rät zu Gelassenheit: „Wir müssen der Versuchung widerstehen, uns in den Strudel der Verwirrung hineinziehen zu lassen, denn das ist es, was die Übelwollenden sich wünschen, und wir müssen fähig bleiben, vernünftig nachzudenken."

In gewisser Hinsicht sei das Auftreten starker Attacken „ein Zeichen dafür, dass etwas Wichtiges auf dem Spiel steht", sagt Lombardi. Die Angriffe auf die Kirche wegen der Missbrauchsskandale etwa hätten zu einem „ernsthaften Engagement für eine langfristige Erneuerung" geführt. Hier habe die Kirche inzwischen eine Strategie der Heilung, Erneuerung und Vorbeugung zum Wohl der ganzen Gesellschaft entwickelt. Gleichzeitig habe der Vatikan sich selbst den Auftrag zu großer Transparenz in wirtschaftlichen Vorgängen erteilt und neue Normen veröffentlicht. „Wenn das viele verbittert, merkt man, dass es wichtig ist", so Lombardi. „Wer denkt, er könne den Papst und seine Mitarbeiter in diesem Engagement entmutigen, täuscht sich."

Was das nächste Konklave anlangt, erinnert der Vatikansprecher daran, dass „alle Päpste" des letzten Jahrhunderts „Persönlichkeiten von höchster und unzweifelhafter moralischer Qualität" waren. Eine Sichtweise auf das Konklave in der Lesart eines „internen Machtkampfes hängt großteils von der moralischen Rohheit" des Beobachters ab, „der oft nicht dazu imstande ist, anderes zu sehen". Wer an Jesus Christus glaube, wisse glücklicherweise, dass „die echten Sorgen jener, die in der Kirche Verantwortung tragen, eher die großen Probleme der Menschheit von heute und von morgen sind." (rv)