Islamfachmann: Kalifat ist der alte Traum vom Gottesstaat

Kalachnikov Er startete als Terrorführer – und landete als (selbsternannter) Kalif: Der Anführer der islamistischen Terror-Gruppe Islamischer Staat, Abu Bakr Al-Baghdadi, hat alle Muslime der Welt aufgerufen, ihn als Führer aller Gläubigen anzuerkennen und ihm zu gehorchen. Was aber heißt das nun? Der ägyptische Jesuit Pater Samir Khalil Samir ist Islamwissenschaftler und lehrt an Universitäten in Rom, Paris und Beirut. Er vergleicht die Idee des Kalifates mit einer antiken Vorstellung der perfekten Welt.

„Man kann sagen: Das ist ein Traum. Denn das ist keine Realität, sie werden kein Kalifat errichten können. Jedes Land heute – Syrien, Irak, Tunesien, Libyen, Marokko, Algerien, Ägypten und die arabischen Inseln – existiert für sich. Niemand denkt daran, dass sie ein gemeinsames Land werden – also ein Kalifat. Das ist ein alter Traum…“

Ein alter Traum von einem islamischen Gottesstaat. Dieser ist erst im Jahr 1924 von Atatürk endgültig abgeschafft worden, als er dem Osmanischen Reich den Garaus machte.

„Manche Muslime träumen davon, aber nicht die Mehrheit. Denn die Mehrheit will in einer neuen Struktur der Welt leben, in unabhängigen Staaten, die jedoch auch Unionen untereinander eingehen können, wie zum Beispiel die Europäische Union.“

Laut Pater Samir werden die Terroristen vom Islamischen Staat also keinen Erfolg haben. Lediglich fanatische Jugendliche, die sich in einen religiös aufgeladenen Begriff verbissen haben, interessierten sich für ein solches Gebilde, meint Pater Samir. Dabei steht der Begriff des Kalifats auch für eine islamische Blütezeit, vor allem im 9., 10. und 11. Jahrhundert: Damals sei der Islam offen für andere Kulturen gewesen. Es gab damals einen regen Austausch, so Samir.

„Die Araber hatten Syrien erobert, Persien, Ägypten – und dadurch hatten sie die griechische Kultur erobert. Die syrische Kultur erhielten sie zusätzlich durch die syrischen Christen. Und sehr viel durch die persische Kultur. Dazu kamen die christlichen Philosophen von syrisch-sprachiger und griechischer Kultur… Die Kultur ist stark und wunderbar, wenn sie offen ist!“

Ähnlich wie die römische Kultur sei auch die arabische Kultur ein wahrer Schatz und habe ein reiches Kulturerbe hinterlassen. Dennoch wäre es absurd, meint der Jesuit, wenn wir nun deswegen wieder zurück wollten zu unserem Römischen Reich der Antike – nur weil einiges damals vielleicht besser war. Pater Samir warnt davor, dass der Wunsch nach einer islamischen Einheit die Verklammerung von Religion, Kultur und Staat bedeutet. Er unterstreicht die Bedeutung des Säkularen. Im Islam könnte durchaus eine „Diktatur der Religion“ entstehen.

„Das ist das Problem, besonders heute mit den Islamisten. Sie wollen die wunderbare Einheit aufbauen: zwischen Religion und Politik, aber auch: wie man isst, wie man sich kleidet. Sogar der Bart. Es gab eine Diskussion letzten Monat im ägyptischen Fernsehen zwischen Salafisten und Liberalen, beide Professoren für Islamisches Recht. Der Salafist fragte den Liberalen, warum er keinen Bart hätte. Er müsse doch einen Bart tragen! Genau das ist eine Diktatur der Religion.“

Eine solche „Diktatur der Religion“ lehnen allerdings sehr viele Muslime ab, meint Pater Samir. So sei die Mehrheit nicht bloß gegen ein Kalifat, sondern überhaupt gegen eine Radikalisierung ihrer Religion. Sie plädierten für eine Modernisierung, eine Anpassung ihrer Religion an das aktuelle Leben im Hier und Jetzt. Pater Samir sagt aber auch, dass der Islam durchaus auch in einigen Punkten ein Vorbild für die römisch-katholische Kirche sein könnte, zum Beispiel, wenn es um das fünfmalige Beten am Tag geht. Das sei schon etwas Besonderes, so der überwiegend im Libanon lebende Ägypter.

„Ich glaube, wir müssen zusammen – Christen, Muslime und andere – eine gemeinsame Kultur finden. Ich spreche jetzt als Ägypter und als christlicher Araber. Wir wollen eine neue arabische Gesellschaft aufbauen. Diese merke ich teilweise im Libanon – Muslime und Christen und auch Nicht-Gläubiger wollen gemeinsam eine Kultur bilden. Und das sieht man auch: Deswegen ist der Libanon offener für alle Menschen.“ (rv)

„Kirche von England“ stimmt über Bischöfinnen ab

Großbritannien Seit Freitag tagt in York die Synode der anglikanischen ‚Kirche von England’. Sie dürfte Geschichte schreiben, denn an diesem Montag soll sie über die Bischofsweihe für Frauen abstimmen. Und alle rechnen mit einem Ja zu Bischöfinnen, schießlich ist auch der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, dafür. 2012 war die Öffnung des Bischofsamtes für Frauen noch auf einer Generalsynode zurückgewiesen worden – mit nur zwölf Stimmen Mehrheit.

Rémy Bethmont ist Experte für britische Geschichte und Zivilisation, er lehrt in Paris und erklärt für Radio Vatikan, dass England mit dieser Entscheidung keineswegs die Vorreiterrolle innerhalb der Anglikaner hätte.

„Man muss die Sache in einem internationalen Kontext sehen. Frauen als Bischöfe gibt es in der anglikanischen Kirche schon seit langer Zeit. Die Kirche von England ist ja nicht die einzige anglikanische Kirche auf der Welt! Die US-Episkopalkirche hat schon in den achtziger Jahren damit begonnen, Frauen zu Bischöfen zu weihen. Auch in den anglikanischen Kirchen Australiens, Neuseelands und Kanadas gibt es längst Bischöfinnen – das ist also alles andere als eine Premiere in der anglikanischen Welt. Die Kirche von England tut nichts anderes, als sich einer wachsenden Zahl anglikanischer Kirchen anzuschließen, die das Bischofsamt für Frauen geöffnet haben.“

Und schon seit zwei Jahrzehnten gebe es auch in der Kirche von England schon Priesterinnen – da sei die Bischöfin gewissermaßen der nächste logische Schritt. Man habe das Thema lange genug hin und her gedreht; eine Austrittswelle sieht der Experte jetzt nicht losrollen.

„Die, die die Kirche wegen der Bischofsweihe für Frauen verlassen wollten, haben sie längst verlassen, glaube ich. Die, die noch da sind, haben sich allmählich an den Gedanken gewöhnt, dass eine Mehrheit in ihrer Kirche Bischöfinnen will. Sie sind außerdem zufrieden mit den Massnahmen, die ihr Gewissen schützen sollen.“

Diese Massnahmen sind von den Bischöfen nach langem Ringen in allen Details festgezurrt worden. Ausgangspunkt: Jeder Bischof ist vollgültig Bischof, egal ob er ein Mann ist oder eine Frau. Aber wenn eine Bischöfin in einer Pfarrei auf schwere Gewissensvorbehalte gegen sie stößt, dann überträgt sie ihre pastorale Zuständigkeit für diese Pfarrei auf einen anderen (männlichen) Bischof. Die Voraussetzung ist, dass der entsprechende Pfarrgemeinderat das mit Zweidrittel-Mehrheit beantragt hat. Bethmont glaubt, dass dieses System funktionieren wird. Und er glaubt auch nicht an eine Verschlechterung in den Beziehungen zwischen anglikanischer und katholischer Kirche nach dem Votum von York.

„Auch hier gilt: Die Beziehung zwischen Anglikanern und Katholiken lässt sich nicht allein auf die Beziehung zwischen der Kirche von England und der Kirche von Rom reduzieren. In diesen Beziehungen wird längst der Tatsache Rechnung getragen, dass es in der anglikanischen Gemeinschaft Bischöfinnen gibt. Es stimmt, dass sich unter dem neuen Papst Franziskus und dem anglikanischen Primas Justin Welby der Ton in den Beziehungen verbessert hat – aber ich wüßte nicht, warum sich das jetzt ändern sollte.“ (rv)

Keiner der beiden Päpste sah das Finalspiel

Erzbischof Gänswein Fußball-Freud und Fußball-Leid im Vatikan: Erzbischof Georg Gänswein hat nach dem Sieg Deutschlands über Argentinien am Sonntagabend auf sein „Herzensteam“ angestoßen. Das verriet der Präfekt des Päpstlichen Hauses und Privatsekretär des emeritierten Papstes Benedikt XVI. im Gespräch mit Radio Vatikan. Gudrun Sailer traf Erzbischof Gänswein am Montagmittag in der Präfektur.

„Nach dem Sieg der Deutschen über Brasilien habe ich ein interessantes, spannendes und mitreißendes Spiel erwartet. Das war nicht so ganz der Fall, aber am Ende glaube ich, dass die Mannschaft, die besser gespielt hat, auch den Sieg davon getragen hat. Ich habe mitgefiebert und am Ende war ich heilfroh und habe auf den Sieg der deutschen Mannschaft angestoßen!“

Selbstverständlich habe er für das „Herzensteam“ gezittert, so Gänswein. In der deutschen Nationalelf seien auch ein paar Spieler aus Bayern, „das wärmt das Herz noch etwas mehr“. Er habe sich das Finalspiel zu Hause im Kloster Mater Ecclesiae zusammen mit den „Memores“ angesehen, den Haushälterinnen des emeritierten Papstes, die ebenfalls für das deutsche Nationalteam Partei ergriffen hätten. Papst Benedikt selbst hingegen sei vorher zu Bett gegangen.

„Ich habe ihn eingeladen es anzuschauen, er hat aber genauso wie Papst Franziskus es vorgezogen, es nicht anzuschauen und sich am nächsten Tag lieber vom Ergebnis informieren zu lassen, sodass ich nicht weiß, wie er das verfolgt hätte. Er hat es nicht gesehen.“

Am Montagmorgen hat der bekennende Fußballfan Gänswein sich kurz mit dem argentinischen Sekretär von Papst Franziskus ausgetauscht. Don Fabio hatte Gänswein, wie dieser erzählt, vor dem Finalspiel dazu eingeladen, sich die Partei gemeinsam in einem Saal mit vielen Argentiniern anzuschauen, worauf er, Gänswein, aber lieber verzichtet habe.

„Ich hatte ihn also angerufen und ihm kondoliert und gesagt es täte mir Leid, dass Argentinien verloren hat, aber am Ende ist es so: morgen gewinnen die Argentinier, und dann sind die Deutschen die Traurigen.“

Eins zu Null sei auch ein Resultat, „das nicht demütigt“, und das sei wichtig für beide Teams.

Dass Deutschland und Argentinien im Finale gegeneinander antreten würden, stand am Mittwochabend fest. Seither richtete sich ein interessierter Seitenblick der Fußball-Berichterstattung ausgerechnet auf den Vatikan, der sonst nicht gerade für Sportereignisse bekannt ist. Doch leben hier nebeneinander nun einmal ein amtierender argentinischer und ein emeritierter deutscher Papst. „Werden sie die Partie miteinander anschauen?“, war eine Frage, die die Öffentlichkeit rund um die Welt bewegte. Warum auch nicht, meint Erzbischof Gänswein.

„Es hat mich gefreut, dass der Vatikan – und zwar beide Päpste – Grund für Sympathiewerbung war. Man konnte am Anfang der Weltmeisterschaft ja nicht sagen, wer am Ende im Finale stehen wird. Jedenfalls war es so, dass diese beiden Mannschafen, personalisiert in den beiden Päpsten Franziskus und Benedikt, nochmals einen großen Sympathieschub ausgestreut haben, und es hat mich sehr gefreut, natürlich ist in diesem Sympathieschub auch Ironie dabei, es war teilweise auch versteckt die eine oder andere Peitsche dabei, aber alles in allem hat der Vatikan hier, meine ich, über das sportliche Element viele Sympathiepunkte gewonnen.“

Auch wenn Papst Franziskus auf das direkte Mitfiebern beim Finalspiel vorsätzlich verzichtet hat: So manche Stellungnahme der vergangenen vier Wochen lässt seine Begeisterung für das runde Leder zweifelsfrei erkennen – und nicht nur seine Begeisterung, sondern auch die weiteren Horizonte des Sports, die Begegnung, das Potential des friedlichen Austauschs, das aus Sicht des Papstes im Fußball liegt. So galt die allgemeine Gebetsmeinung des Papstes für Juli der WM; er schrieb eine Botschaft zum Auftakt des sportlichen Großevents, und er twitterte, Fußball könne Frieden stiften. Ganz auf dieser Linie steht Erzbischof Gänswein:

„Überall dort, wo Menschen zusammenkommen, auf sportlicher Ebene, und überall dort wo dieses Interesse einen großen Einfluss weltweit hat, ist es wichtig, dass die Kirche, dass der Vatikan, dass der Glaube präsent sind. Denn Menschen, die Fußball spielen, sind – man hat es ja oft auch gesehen, Spieler, die sich bekreuzigen undsoweiter – sind Menschen, die auch glauben. Wenn ich die sportliche Welt einfach wegschneide von der normalen gläubigen Welt, schneide ich etwas Wesentliches weg aus eigener Schuld. Das darf nicht passieren, und das ist auch nicht passiert, insofern bin ich sehr froh, dass auch über den Monat Juli, über die verschiedenen Formen der Teilnahme, ein positives Bild der Kirche und des Vatikans in die Welt hinausgesandt wurde.“
(rv)

Papst in Südkorea: Homepage ist online

Papstreise Korea2014 Die offizielle Homepage zur Papstreise nach Südkorea ist jetzt freigeschaltet. Auf englisch und koreanisch kann sich jeder Interessierte auf ‚popekorea.catholic.or.kr’ ausführlich über die dritte internationale Reise von Papst Franziskus informieren. Die Reise vom 14. bis 18. August gilt unter anderem einem asiatischen katholischen Jugendtreffen und der Seligsprechung koreanischer Märtyrer. (rv)

Kardinalstaatssekretär bei Migrationskongress in Mexiko

 

Kardinal Pietro Parolin Kardinalstaatsekretär Pietro Parolin nimmt an einem Seminar zur illegalen Migration aus Lateinamerika in die USA teil. Das wurde jetzt im Vatikan bekannt. Die Tagung findet in Mexiko statt und wird vom Außenministerium und der mexikanischen Vatikanbotschaft organisiert. Jedes Jahr sollen schätzungsweise 350.000 Menschen illegal die Grenze passieren. Mehrere Hundert Menschen sterben jährlich bei dem Versuch, die hochgradig gesicherte Grenze zu überqueren. An dem Kongress nimmt auch der Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften teil, der vatikanische Kurienbischof Marcelo Sánchez Sorondo. (rv)

Neues Papst-„Interview“ von Scalfari: Krise der Familie, Pädophilie und Mafia

La Repubblica Am Sonntag hat die italienische Zeitung „Repubblica“ einen Artikel des Gründers Eugenio Scalfari über ein Gespräch mit Papst Franziskus abgedruckt. In dem Beitrag geht es um die Krise der Familie, um Pädophilie und das Verhältnis der Kirche zur Mafia. Das „Interview“ fand am vergangenen Donnerstag in Santa Marta statt, ist aber – wie schon bei vorgehenden Interviews – nur aus dem Gedächtnis des 90-jährigen Journalisten rekonstruiert. Vatikansprecher Federico Lombardi betonte, dass die „Zitate“ nicht als authentisch gelten könnten, da sie nicht autorisiert worden sind. Dies gelte insbesondere für die Aussagen zum Thema Zölibat und Fällen von Pädophilie unter Kardinälen, die eine tendenziöse Berichterstattung erkennen ließen. Wie auch beim Interview im Oktober vergangenen Jahres setze Scalfari Aussagen des Papstes in Anführungszeichen und mache sie so als direkte Zitate kenntlich, obwohl er keine Aufzeichnungen gemacht habe. Ausdrücklich weist Lombardi gegenüber Radio Vatikan auf eine Merkwürdigkeit hin: Bei einigen Zitaten würden zwar die Anführungszeichen zu Beginn gesetzt, dann aber nicht zum Abschluss. Das lasse die Frage aufkommen, ob es sich nicht um bewusste Lesermanipulation handle.

Im Folgenden die wichtigsten Aussagen laut Zeitunug:

Krise der Familie und Pädophilie

Der Papst sei erschüttert, dass die meisten Fälle von Pädophilie im familiären und verwandtschaftlichen Rahmen geschehen. Das sei besonders verwerflich, denn eigentlich sollte die Familie ein Schutzraum für die Erziehung der Kinder sein. Leider würden viele Eltern die Erziehung der Kinder vernachlässigen und andere Dinge in ihrem Leben als wichtiger ansehen. Das führe zu einer schleichenden Verwahrlosung der Kinder und zur Verbreitung anderer Laster wie zum Beispiel Drogensucht. Die Kirche kämpfe dagegen und setze sich dafür ein, dass Kinder wieder eine gute Erziehung erhielten.

Pädophilie und Kirche

Nach Kenntnis des Papstes seien im Klerus etwa 2 Prozent pädophil veranlagt, darunter auch Bischöfe und Kardinäle, eine Aussage, die Papstsprecher Pater Federico Lombardi bereits dementiert hat: Das habe der Papst nie gesagt.. Diese (geringe) Zahl beruhige den Papst aber keineswegs, so die Zeitung weiter, sondern sehe sie als äußerst schwerwiegend an. Unhaltbar sei auch das Schweigen der Mitwisser. Er habe die Absicht diese Probleme, wenn nötig, mit Strenge anzugehen.

Über die Barmherzigkeit

Ein weiteres Thema des Gesprächs war die absolute Freiheit des Menschen zur Sünde und die Frage nach der Reue „auf dem Sterbebett“. Scalfari fragt, ob die Aussicht auf Barmherzigkeit „in letzter Minute“ nicht dazu führen könne, sich die Hoffnung auf ein Jenseits zu bewahren ohne das eigene Leben im Jetzt zu ändern. Franziskus antwortet, dass nicht der Mensch richte, sondern der Herr, der schließlich allwissend sei. Die Barmherzigkeit Gottes sei unendlich und könne nicht in eine Falle gelockt werden. Wenn die Reue nicht ehrlich ist, könne auch die Barmherzigkeit ihre erlösendes Werk nicht ausüben. Das Gewissen sei frei, betont der Papst gegenüber dem bekennenden Atheisten Scalfaro. Diese Probleme seien Kernfragen der Theologie, und man müsse dazu vor allem die Weisheitsbücher der Bibel und das Buch Hiob studieren.

Kirche und Mafia

Der Papst gesteht, dass er nicht nachvollziehen könne, wie die Mafia funktioniere. In Argentinien gebe es auch Mörder und Verbrecher, aber keine Mafia. Er lese dazu viele Bücher. Scalfari schreibt, dass er dem Papst in dem Gespräch erklärt habe, dass die Mafia nach eigenen Regeln funktioniere und eine eigene Moral kenne. Es gebe sogar einen Gott der Mafia. Die Familien der Mafia seien regelmäßige Kirchgänger.

Papst Franziskus erinnert in dem Zusammenhang an die öffentliche Anklage Papst Johannes Paul II. Es sei gut, dass die Priester den Opfern der Mafia beistehen, aber es sei selten, dass sie die Mafia öffentlich ächten. Er selber habe nicht vor, es bei einem einmaligen Appell zu belassen, sondern werde die Probleme beständig anprangern: Pädophilie und Mafia: Dies seien, referiert Scalfari den Papst, zwei der wichtigsten Fragen für die Kirche.

Zölibat

Am Ende des Gesprächs fragt Scalfari, wann das Problem des Zölibats in der katholischen Kirche angegangen werde. Franziskus habe laut Scalfari geantwortet, dass das Problem kein großes Ausmaß habe. Es brauche Zeit, aber es gebe Lösungen, und er werde sie finden. (rv)

Kirche von England’ stimmt über Bischöfinnen ab

Erzbischof Justin Welby Seit Freitag tagt in York die Synode der anglikanischen ‚Kirche von England’. Sie dürfte Geschichte schreiben, denn an diesem Montag soll sie über die Bischofsweihe für Frauen abstimmen. Und alle rechnen mit einem Ja zu Bischöfinnen, schießlich ist auch der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, dafür. 2012 war die Öffnung des Bischofsamtes für Frauen noch auf einer Generalsynode zurückgewiesen worden – mit nur zwölf Stimmen Mehrheit.

Rémy Bethmont ist Experte für britische Geschichte und Zivilisation, er lehrt in Paris und erklärt für Radio Vatikan, dass England mit dieser Entscheidung keineswegs die Vorreiterrolle innerhalb der Anglikaner hätte.

„Man muss die Sache in einem internationalen Kontext sehen. Frauen als Bischöfe gibt es in der anglikanischen Kirche schon seit langer Zeit. Die Kirche von England ist ja nicht die einzige anglikanische Kirche auf der Welt! Die US-Episkopalkirche hat schon in den achtziger Jahren damit begonnen, Frauen zu Bischöfen zu weihen. Auch in den anglikanischen Kirchen Australiens, Neuseelands und Kanadas gibt es längst Bischöfinnen – das ist also alles andere als eine Premiere in der anglikanischen Welt. Die Kirche von England tut nichts anderes, als sich einer wachsenden Zahl anglikanischer Kirchen anzuschließen, die das Bischofsamt für Frauen geöffnet haben.“

Und schon seit zwei Jahrzehnten gebe es auch in der Kirche von England schon Priesterinnen – da sei die Bischöfin gewissermaßen der nächste logische Schritt. Man habe das Thema lange genug hin und her gedreht; eine Austrittswelle sieht der Experte jetzt nicht losrollen.

„Die, die die Kirche wegen der Bischofsweihe für Frauen verlassen wollten, haben sie längst verlassen, glaube ich. Die, die noch da sind, haben sich allmählich an den Gedanken gewöhnt, dass eine Mehrheit in ihrer Kirche Bischöfinnen will. Sie sind außerdem zufrieden mit den Massnahmen, die ihr Gewissen schützen sollen.“

Diese Massnahmen sind von den Bischöfen nach langem Ringen in allen Details festgezurrt worden. Ausgangspunkt: Jeder Bischof ist vollgültig Bischof, egal ob er ein Mann ist oder eine Frau. Aber wenn eine Bischöfin in einer Pfarrei auf schwere Gewissensvorbehalte gegen sie stößt, dann überträgt sie ihre pastorale Zuständigkeit für diese Pfarrei auf einen anderen (männlichen) Bischof. Die Voraussetzung ist, dass der entsprechende Pfarrgemeinderat das mit Zweidrittel-Mehrheit beantragt hat. Bethmont glaubt, dass dieses System funktionieren wird. Und er glaubt auch nicht an eine Verschlechterung in den Beziehungen zwischen anglikanischer und katholischer Kirche nach dem Votum von York.

„Auch hier gilt: Die Beziehung zwischen Anglikanern und Katholiken lässt sich nicht allein auf die Beziehung zwischen der Kirche von England und der Kirche von Rom reduzieren. In diesen Beziehungen wird längst der Tatsache Rechnung getragen, dass es in der anglikanischen Gemeinschaft Bischöfinnen gibt. Es stimmt, dass sich unter dem neuen Papst Franziskus und dem anglikanischen Primas Justin Welby der Ton in den Beziehungen verbessert hat – aber ich wüßte nicht, warum sich das jetzt ändern sollte.“ (rv)

Kardinal Woelki neuer Erzbischof von Köln

Kardinal Woelki Kardinal Rainer Maria Woelki wird der neue Erzbischof von Köln. Das gaben an diesem Freitagmittag der Vatikan und das Bistum gleichzeitig bekannt. Woelki ist Erzbischof von Berlin. Mit der Wahl durch das Domkapitel kehrt er nun in seine Geburtsstadt zurück. Vor genau drei Jahren war der damalige Weihbischof von Köln und ehemalige Sekretär von Kardinal Joachim Meisner zum Erzbischof von Berlin gewählt worden, im Februar 2012 hatte Papst Benedikt XVI. ihn in den Kardinalsstand erhoben. Im Vatikan ist Woelki Mitglied der Kleruskongregation und des Rates für die Einheit der Christen. In der deutschen Bischofskonferenz ist er verantwortlich für caritative Fragen. Köln gilt als der bedeutendste Bischofssitz im deutschen Sprachraum.

Woelki wurde 1956 geboren und 1985 zum Priester geweiht. Nach pastoralen Jahren in Neuss und Ratingen wurde er Sekretär des Erzbischofs, danach 1997 Leiter des Priesterseminars „Collegium Albertinum“ in Bonn. 2000 wurde er in Rom zum Doktor der Theologie promoviert.

Nach Joachim Meisner wird zum zweiten Mal der residierende Erzbischof von Berlin nach Köln versetzt. Papst Franziskus hatte Meisners Rücktrittsgesuch im Februar angenommen, sofort danach begann das Verfahren zur Auswahl eines neuen Bischofs. Dieses Verfahren ist unter anderem durch das Konkordat geregelt, also den staatskirchenrechtlichen Vertrag mit dem Heiligen Stuhl. Das Konkordat sieht für Köln die Wahl des Erzbischofs durch das Domkapitel aus einer von Rom geschickten Dreierliste, der sogenannten Terna, vor. Danach ernennt der Papst den Erzbischof.

Rainer Maria Woelki ist in der jüngeren Geschichte des Bistums der erste, der in Köln selber geboren wurde. Der altgediente Dompropst Norbert Feldhoff betonte im Anschluss an die Veröffentlichung, der neue Bischof werde es zugleich leicht und schwer haben. Zum einen kenne er sein neues Erzbistum, zum anderen käme er nun als „Chef“ zurück und müsse sich neu einfinden. Auch werde es ihm sicherlich schwerfallen, Berlin zu verlassen.

An diesem Samstag wird sich Woelki als neuer Erzbischof in Köln vorstellen. Seine Amtseinführung im Dom ist für den 20. September vorgesehen. (rv)

Reform der Medienarbeit: „Wir brauchen dringend Koordinierung

Bernd Hagenkord Papst Franziskus wünscht eine Reform der vatikanischen Medienlandschaft. Neben dem Geldinstitut IOR, der Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls APSA und dem Rentenfonds stehen also „Osservatore Romano“, Radio Vatikan und alle anderen Komponenten der Medienlandschaft im kleinsten Staat der Welt derzeit auf dem Prüfstand. Was sind eigentlich die vatikanischen Medien? Erklärungen von unserem Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord.

„Da gibt es zunächst natürlich Radio Vatikan, unser eigenes Haus. Das sind über 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus über 60 Ländern in 37 Redaktionen, samt Technikern und so weiter. Dann gibt es da den Osservatore Romano, den wir immer als Vatikanzeitung bezeichnen, was aber so nicht ganz stimmt, weil er eher ein Amtsblatt ist denn eine Zeitung, jetzt aber zunehmend auch journalistisch arbeitet. Auf Italienisch kommt er täglich heraus, andere Ausgaben wie die deutschsprachige wöchentlich oder in anderen Rhythmen. Als drittes gibt es das Vatikanische Fernsehen CTV, auch das ist nicht ganz korrekt benannt, weil es eher eine Produktionsgesellschaft ist denn ein eigener Sender, auch wenn für das Internet Sendungen produziert werden. Viertens gibt es natürlich den Pressesaal oder die Pressestelle und dann noch den Päpstlichen Rat für Soziale Kommunikationsmittel wie er offiziell heißt, also den Medienrat. Auch hier wird seit kurzem ein eigenes Medium im Internet betrieben, gefüllt mit den Inhalten der anderen Vatikanmedien. Das braucht ganz dringend eine Koordinierung.“

Was ist die Aufgabe dieser Medien?

„Je nach Medium und auch nach Sprache. Das Deutschsprachige Programm des Radios macht ganz andere Sendung als Hindi oder Arabisch, da gibt es große kulturelle Unterschiede. Wir sind journalistischer, andere wegen des fast vollständigen Fehlens von katholischer Infrastruktur sehr viel katechetischer. Die Aufgabe ergibt sich so aus den Menschen, für die man den Dienst anbietet, und aus dem, was der Vatikan mit einem Medium will.“

Wo genau befinden sich die Sitze der vatikanischen Medien?

„Der Osservatore und das Fernsehen sind im Vatikan selbst, Radio Vatikan und der Medienrat wie auch der Pressesaal in unmittelbarer Nähe. Wir sind aber nicht im selben Gebäude untergebracht. Da könnte man zum Beispiel nachdenken, etwas zusammen zu legen, wenn schon die Nutzungsgewohnheiten auch in diese Richtung gehen und die einzelnen Formen wie Internet und Radio immer mehr verschmelzen.“

Wenn zum Beispiel der Papst eine Reise macht, welche Funktion erfüllen die vatikanischen Medien?

„Zum einen technische: Wir liefern den Ton, das Fernsehen liefert Bilder, auch für andere Sender. Dann berichten wir aber auch vor Ort, Radio Vatikan schickt immer eine Redaktionsgruppe an die Orte, die der Papst besucht, um von da aus zu berichten. Wir wollen so gute Information zur Verfügung stellen über all das, was der Papst tut, auch wenn es vielleicht nicht auf dem Radar der anderen Medien ist.“

Die Reformplanung soll ein Jahr dauern. Das verkündete Präfekt des neuen vatikanischen Wirtschaftssekretariates, Kardinal George Pell, an diesem Mittwoch einer Pressekonferenz – was genau soll in diesem Jahr passieren? Welche Personen sind in dem Komitee und wurden die Menschen speziell von Papst Franziskus ausgesucht?

„Ich denke, dass die Personen von Fachleuten im Vatikan ausgesucht wurden. Dass wir Reform brauchen und Koordinierung, das ist uns allen klar, allein schon deswegen, weil die Medien in der Welt sich ändern und das alles viel Geld kostet. Also hat man sich die Leute – von innen und außen – geholt, von denen man sich Rat und Vorschläge erwartet, wie man das gut umsetzen kann. Und ich hoffe, dass genau das in dem Jahr passieren wird.“

Immer wichtiger wird die digitale Welt, der Online Journalismus. Was tut der Vatikan um bei der Digitalisierung der Welt mitzuhalten?

„Viel. Wir selber sind ja über Internet und Newsletter sehr präsent, andere nutzen Facebook oder Twitter mehr, je nachdem. Aber das ist alles noch etwas zufällig, hier täte Zusammenarbeit Not, dass nicht alle das für sich selber machen sondern man Erfahrungen und Technik austauschen kann. Nehmen wir Twitter: Papst Benedikt hat damit angefangen, Papst Franziskus ist einer der meist gefolgten und wichtiger noch meist weitergetwitterten Personen im Netz, das sind alles Sätze von ihm, die der Medienrat aussucht, ihm vorlegt und die er dann verbreiten lässt. Das ist ein Weg. Aber ich hoffe, dass es noch viele weitere für uns gibt, damit wir auch in Zukunft dort die Informationen so an die Hörerinnen und Hörer und die User und Leser bringen, wo sie gesucht werden.“ (rv)

Kardinal Pell: Abschied von der Ära der Skandale

Kardinal Pell Es war der neue Präfekt des neuen vatikanischen Wirtschafts-Sekretariats, Kardinal George Pell, der den Journalisten an diesem Mittwochmittag die neuesten Reformpläne vorstellte. Der frühere Erzbischof von Sydney machte dabei klar, dass das seine erste, aber sicher nicht seine letzte Pressekonferenz im Vatikan war:

„Wir werden uns darum bemühen, regelmäßig zu erklären, was wir tun! In meiner Zeit als Bischof habe ich herausgefunden: Je akkurater die Informationen sind, die man gibt, desto weniger Raum bleibt für Phantasie und Spekulation. Sobald wir also substantielle Fortschritte zu vermelden haben, werden wir das öffentlich tun. Für unsere Mitarbeiter gibt es außerdem ein monatliches News-Bulletin, und vielleicht können wir darin auch ein Forum anbieten, wo Mitarbeiter Fragen stellen können und eine Antwort bekommen.“

Vor allem im Wirtschafts- und Finanzbereich des Vatikans zieht Pell einen dicken Schlussstrich unter die bisherige Praxis.

„Wir zielen auf eine substantielle Transparenz: Es wird Jahresberichte geben, mit einem auswärtigen Untersuchungsverfahren. Wir hoffen, noch vor Jahresende – auf jeden Fall ziemlich bald – einen Generalrevisor zu haben, einen Buchprüfer mit Sondervollmachten. Er soll unabhängig sein und in der Lage, jederzeit überall hinzugehen. Natürlich haben wir auch eine Investment-Politik nach ethischen Kriterien. Auf lange Sicht wollen wir im Finanzmanagement eine Art Modell werden – statt eine Quelle immer neuer Skandale.“

Kardinal Pell bekräftigt, er habe nicht nur ein Mandat des Papstes zu seiner Arbeit, sondern auch wichtige Rückendeckung aus dem Kardinalskollegium.

„Im Vorkonklave vor der Wahl des Heiligen Vaters haben viele Kardinäle sehr klar Reformen verlangt. Papst Franziskus hat das akzeptiert und Kommissionen eingerichtet, die sich über einen neuen Zuschnitt von Verwaltung und Finanzstrukturen des Vatikans Gedanken gemacht haben. Von diesen Vorarbeiten haben wir sehr profitiert. Die Einrichtung des vatikanischen Wirtschaftsrates und des vatikanischen Wirtschaftssekretariats sind eine wichtige Neuerung für den Heiligen Stuhl, und zwar aus zwei Gründen: Der Rat ist kein Beratungsorgan des Sekretariats, sondern das Sekretariat legt umgekehrt dem Rat gegenüber Rechenschaft ab. Es ist also der Rat, der die grundlegenden Entscheidungen trifft und dem Heiligen Vater gegenüber Empfehlungen ausspricht. Das gehört zu einem System der „checks and balances“, der Gewaltenteilung. Die zweite Neuerung, die mir auch theologisch sehr angemessen erscheint, ist die enge Zusammenarbeit von Laien-Fachleuten und Klerikern. Das ist auf jeden Fall eine Art Innovation!“ (rv)