Kardinal Pell: Abschied von der Ära der Skandale

Kardinal Pell Es war der neue Präfekt des neuen vatikanischen Wirtschafts-Sekretariats, Kardinal George Pell, der den Journalisten an diesem Mittwochmittag die neuesten Reformpläne vorstellte. Der frühere Erzbischof von Sydney machte dabei klar, dass das seine erste, aber sicher nicht seine letzte Pressekonferenz im Vatikan war:

„Wir werden uns darum bemühen, regelmäßig zu erklären, was wir tun! In meiner Zeit als Bischof habe ich herausgefunden: Je akkurater die Informationen sind, die man gibt, desto weniger Raum bleibt für Phantasie und Spekulation. Sobald wir also substantielle Fortschritte zu vermelden haben, werden wir das öffentlich tun. Für unsere Mitarbeiter gibt es außerdem ein monatliches News-Bulletin, und vielleicht können wir darin auch ein Forum anbieten, wo Mitarbeiter Fragen stellen können und eine Antwort bekommen.“

Vor allem im Wirtschafts- und Finanzbereich des Vatikans zieht Pell einen dicken Schlussstrich unter die bisherige Praxis.

„Wir zielen auf eine substantielle Transparenz: Es wird Jahresberichte geben, mit einem auswärtigen Untersuchungsverfahren. Wir hoffen, noch vor Jahresende – auf jeden Fall ziemlich bald – einen Generalrevisor zu haben, einen Buchprüfer mit Sondervollmachten. Er soll unabhängig sein und in der Lage, jederzeit überall hinzugehen. Natürlich haben wir auch eine Investment-Politik nach ethischen Kriterien. Auf lange Sicht wollen wir im Finanzmanagement eine Art Modell werden – statt eine Quelle immer neuer Skandale.“

Kardinal Pell bekräftigt, er habe nicht nur ein Mandat des Papstes zu seiner Arbeit, sondern auch wichtige Rückendeckung aus dem Kardinalskollegium.

„Im Vorkonklave vor der Wahl des Heiligen Vaters haben viele Kardinäle sehr klar Reformen verlangt. Papst Franziskus hat das akzeptiert und Kommissionen eingerichtet, die sich über einen neuen Zuschnitt von Verwaltung und Finanzstrukturen des Vatikans Gedanken gemacht haben. Von diesen Vorarbeiten haben wir sehr profitiert. Die Einrichtung des vatikanischen Wirtschaftsrates und des vatikanischen Wirtschaftssekretariats sind eine wichtige Neuerung für den Heiligen Stuhl, und zwar aus zwei Gründen: Der Rat ist kein Beratungsorgan des Sekretariats, sondern das Sekretariat legt umgekehrt dem Rat gegenüber Rechenschaft ab. Es ist also der Rat, der die grundlegenden Entscheidungen trifft und dem Heiligen Vater gegenüber Empfehlungen ausspricht. Das gehört zu einem System der „checks and balances“, der Gewaltenteilung. Die zweite Neuerung, die mir auch theologisch sehr angemessen erscheint, ist die enge Zusammenarbeit von Laien-Fachleuten und Klerikern. Das ist auf jeden Fall eine Art Innovation!“ (rv)

Vier große vatikanische Reform-Baustellen

Gudrun Sailer Die Reform der Vatikan-Verwaltung schreitet voran. Änderungen in vier Feldern hat der Präfekt des neuen vatikanischen Wirtschaftssekretariates, Kardinal George Pell, an diesem Mittwoch vorgestellt. Betroffen sind die Güterverwaltung, der Pensionsfonds, die vatikanischen Medien und das Geldinstitut IOR. Gudrun Sailer fasst zusammen.

Die Güterverwaltung des Apostolischen Stuhles, kurz APSA

Die APSA wird aufgeteilt. Das hat Papst Franziskus mit einem eigenen Dokument, einem so genannten „Motu proprio“, verfügt, das ebenfalls an diesem Mittwoch veröffentlicht wurde. Nur die „außerordentliche Abteilung“, die vatikanische Kapitalanlagen verwaltet, bleibt demnach bei der APSA. Die „ordentliche Abteilung“ hingegen wandert unter die Zuständigkeit des Wirtschaftssekretariates. Diese übernimmt damit unter anderem die Verwaltung der nicht wenigen vatikanischen Immobilien in- und außerhalb des Vatikanstaates sowie die laufende Buchführung, den Jahresabschluss und die Budgetplanung für den Heiligen Stuhl.

Das „Motu proprio“ ändert mehrere Artikel der Apostolischen Konstitution „Pastor Bonus“ – das ist eine Art Grundgesetz des Vatikans – in diesem Sinn. Der Präfekt des Wirtschaftssekretariates soll dem Willen von Papst Franziskus zufolge eine technische Kommission gründen, deren Ziel es ist, die Übertragung der Zuständigkeiten von der „ordentlichen Abteilung“ der APSA zum Wirtschaftssekretariat zu erleichtern. Franziskus verfügt in seinem „Motu proprio“ ausdrücklich, dass das Schreiben „in allen seinen Teilen“ beachtet werden muss, selbst wenn Hindernisse auftauchen sollten.

Kardinal Pell bezeichnete diese Aufteilung als wichtigen Schritt. Das von ihm geleitete Wirtschaftssekretariat könne so die wirtschaftlichen Angelegenheiten besser kontrollieren und über die einzelnen Einheiten des Heiligen Stuhles wachen, „einschließlich der Planung und der Aufteilung der menschlichen Ressourcen“, also des Personals.

Die APSA werde sich in Zukunft auf ihre Aufgabe als Kassen- und Schatzamt für den Heiligen Stuhl und den Vatikanstaat konzentrieren, teilte Pell mit. Eine wichtige anfängliche Aufgabe werde es sein, enge Beziehungen zu den wichtigsten Zentralbanken zu knüpfen, wie die Kommission MoneyVal das empfohlen hatte, um die Liquidität und die finanzielle Stabilität des Heiligen Stuhles weiterhin zu gewährleiten. Alle selbständigen Institute werden bei der APSA ein Benutzerkonto erhalten. Die APSA werde also zum Schatzamt dieser Institute.

Vatikanischer Pensionsfonds

Der Wirtschafsrat hat ein technisches Komitee gegründet, das die Lage des Pensionsfonds untersuchen wird, teilte Pell mit. Die Pensionen der Vatikan-Angestellten „dieser und auch der nächsten Generation“ seien gesichert, der Fonds müsse aber auch darüber hinaus Sicherheiten bieten. Der technische Komitee hat einen sachkundigen Prälaten als Leiter, Brian Ferme, und vier Berater im Laienstand; darunter ist der Österreicher Bernhard Kotanko.

Die vatikanischen Medien

Auch zur Neugestaltung der vatikanischen Medienlandschaft wurde ein Komitee ins Leben gerufen, sagte Pell. Dieses soll binnen eines Jahres einen Reformplan entwerfen. Ziel sei es, „die Medien des Heiligen Stuhles den neuen Tendenzen der Mediennutzung“ anzupassen, die Koordinierung zu verbessern und nach und nach auch zu „nennenswerten Einsparungen“ zu gelangen. Die digitalen Kanäle würden jedenfalls verstärkt, nahm Pell vorweg und verwies auf die „Pope App“ und den Twitter-Account als gelungene Beispiele, mehr Gläubige in aller Welt zu erreichen, besonders Jugendliche. Derzeit erreichten die vatikanischen Medien nur zehn Prozent der Katholiken weltweit, so Pell.

Das Medien-Komitee setzt sich aus Vatikan-Personal der verschiedenen Medien und internationalen Fachleuten zusammen. Präsident wird Lord Christopher Patten aus Großbritannien, vertreten sind unter den rund zehn weiteren Angehörigen die deutsche Medienwissenschaftlerin Daniela Frank und der Chefredakteur der Vatikanzeitung „L´Osservatore Romano“, Giovanni Maria Vian. Radio Vatikan ist vertreten durch den Juristen Giacomo Ghisani, der die Abteilung für internationalen Austausch leitet.

Das Geldinstitut IOR

Der deutsche IOR-Präsident Ernst von Freyberg wird das „Istituto per le Opere di Religione“ nach 17 Monaten im Amt verlassen. Er hat Kardinal Pell zufolge in der ersten Reformphase des Geldinstituts für „herausragende Schritte nach vorn“ bei der Einführung internationalen Standards gesorgt, könne aber aufgrund anderer Verpflichtungen nicht in Vollzeit zur Verfügung stehen. Der deutsche Bankenfachmann bleibt noch für eine Übergangsphase. Die Präsidentschaft übernimmt an diesem Mittwoch der Franzose Jean-Baptiste de Franssu; er wird nach Pells Angaben die zweite Reformphase beim vatikanischen Geldinstitut leiten. „Das IOR ist in einer Phase des friedlichen Übergangs“, so Pell wörtlich.

In den kommenden drei Jahren werden die Statuten des Geldinstituts überarbeitet und die Aktivitäten neu zugeschnitten. Pell kündigte drei strategische Prioritäten an. Zum einen werde das IOR die Geschäftstätigkeit verstärken. Zweitens werde die Vermögensverwaltung nach und nach auf ein „neues und zentrales Vatican Asset Management (VAM) übergehen“, um in diesem Bereich bestehende Doppelungen mit anderen vatikanischen Institutionen zu überwinden. Drittens werde sich das IOR auf Finanzberatung und Zahlungsdienste für Kleriker, Ordensgemeinschaften, Bistümer und vatikanische Laienangestellte konzentrieren.

Wie die zukünftige Leitung des IOR genau aussehen werde, sei noch zu definieren, sagte Pell. Jedenfalls werden weltliche Fachleute und Kleriker dabei zusammenarbeiten. Zu den fünf Kardinälen der zuständigen Kardinalskommission (Schönborn, Parolin, Tauran, Collins und Abril y Castello) werde mit dem kroatischen Erzbischof Josip Bozanic noch ein sechster dazukommen. Unter den sechs neuen Laienmitgliedern des IOR-Rates sind Clemens Boersig, früherer Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank, und die US-amerikanische Jura-Professorin Mary Ann Glendon, die frühere Präsidentin der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften und Kurzzeit-Botschafterin der USA beim Heiligen Stuhl. Der Generalsekretär des Wirtschaftssekretariates und frühere Papstsekretär Alfred Xuereb wird Sekretär ohne Stimmrecht im Rat des IOR. Prälat des IOR bleibt Battista Ricca. (rv)

Reform des IOR: „Wenn man eine Reform beginnt, dann kostet die auch“

IOR Er habe gelernt, wie wichtig Transparenz ist. Das sagt der Präsident des vatikanischen Finanzinstitutes IOR, Ernst von Freyberg, im Interview mit Radio Vatikan. Das IOR stellte an diesem Dienstag zum zweiten Mal einen Jahresbericht vor und schließt damit die erste Phase seiner Reform ab. Diese Phase sei an den Start gegangen, um dem Papst Optionen zu geben, die Entscheidungen zur Zukunft des IOR zu treffen, das geschehe nun.

„In dieser Phase Eins haben wir vier Sachen gemacht. Wir haben alle Konten gecheckt, wir haben die Hauptthemen aus der Vergangenheit untersucht und die Behörden unterrichtet, wo es notwendig war. Wir haben Transparenz so geschaffen, wie es auch eine andere Finanzinstitution in der Welt haben würde, und wir haben unsere internen Abläufe und Prozesse deutlich verbessert.“

Das Wichtigste sei, dass das IOR nun wisse, wer genau Kunde sei. Man habe sich jedes der 16.000 Konto einzeln angeschaut und dafür auch Fachwissen von außen dazu geholt. Nur sehr wenige Konten seien nicht korrekt gewesen, erklärt Freyberg. Eine Reihe der Konten habe man geschlossen, so steht es auch im Bericht, aber dafür gäbe es gute Erklärungen.

„Hier gibt es ein häufiges Missverständnis: Wir haben seit meinem Amtsantritt ungefähr 3.000 Konten geschlossen. 2.600 davon sind ‚schlafende Konten‘ gewesen. Das zweite sind Konten von Laien, etwa 400, die wir im vergangenen Jahr geschlossen haben. Das waren alles Leute, die hier ihre Konten haben durften und die ihr Geld auch ganz regulär nach Italien transferiert, da ist nichts Schwarzes dabei. Wir haben aber die Entscheidung getroffen, uns nur auf katholische Einrichtungen wir Orden, Bistümer und Pfarrgemeinden und Mitarbeiter und Pensionäre des Vatikan zu konzentrieren.“

Der Bericht weist neben den Kosten und den Ausgaben auch Verluste aus. So ist der Nettogewinn von 2012 auf 2013 drastisch gesunken: von 86,6 Millionen Euro auf 2,9 Millionen Euro. Neben Schwankungen im Goldpreis sind dies besondere Kosten, die in den Bemühungen des IOR im vergangenen Jahr anfielen.

„Wenn man eine Reform anfängt, dann kommt die auch mit Kosten. Das heißt, dass wir im vergangenen Jahr ein sehr ordentliches operatives Ergebnis hatten, so wie wir das auch in den Vorjahren hatten, von ungefähr 70 Millionen Euro. Wir hatten aber auch erhebliche Kosten. Das sind Kosten für die vielen Mitarbeiter, die wir eingestellt haben, und die Spezialisten, um den Reformprozess und die Prüfung der Konten durchzuführen. Das waren auch Kosten für die Bereinigung von Engagements der Vergangenheit, die nicht werthaltig waren.“

Das sind über acht Millionen für zusätzliche Mitarbeiter – mehr als 30 allein zur Überprüfung der Konten. Der Bericht weist auch weitere einzelne Summen aus. Trotzdem habe das IOR aus Eigenkapital und Reserven im vergangenen Jahr 54 Millionen Euro für den Haushalt des Heiligen Stuhles zur Verfügung stellen können.

Die vom IOR veröffentlichen Stellungnahme spricht auch von einer neuen Struktur und einer neuen Leitung, etwas, was der Vatikan in den kommenden Tagen in Angriff nehmen wird. Dabei handele es sich um genau das, was seit Beginn geplant gewesen sei: Informationen beschaffen, um dann die Entscheidungen zur Zukunft treffen zu können. Er selber habe bei dem Reformprozess im vergangenen Jahr noch einmal gelernt, wie wichtig Transparenz sei, resümiert Ernst von Freyberg seine persönlichen Eindrücke.

„Vieles von dem, was dem IOR als schlechter Ruf anhaftet, haftet ihm zu Unrecht an und hätte dadurch vermieden werden können, wenn man von vornherein die Fakten deutlich erläutert hätte. Das Wichtige ist die Transparenz. Das Zweite ist, dass hier über das vergangene Jahr eine großartige Gruppe zusammengearbeitet hat, von IOR-Mitarbeitern und den Externen, die dazu gekommen sind. Es ist beeindruckend zu sehen, wenn die Kirche ruft, wie viele Menschen guten Willens bereit sind, mitzumachen.“

Den Bericht des IOR zum Jahr 2014 finden Sie auf der Webseite des Instituts, www.ior.va (rv)