Papst an Jugend: „Seid einig gegen Gewalt!“

Es ist Zeit, dass Muslime und Christen sich vereinen, um der Gewalt und den Kriegen ein Ende zu setzen. Das sagte der Papst am Samstagabend an Jugendliche in Bkerké. Der Papst rief die jungen Christen im Libanon zum Bleiben auf. Fehlende Sicherheit, Ausgrenzung, das Gefühl der Einsamkeit und andere „Frustrationen" wie Arbeitslosigkeit dürften nicht dazu führen, den „bitteren Honig der Emigration zu kosten" und die Heimat zu verlassen, sagte der Papst beim maronitischen Patriarchatssitz, wo er über 25.000 Jugendliche traf.

Eine Art Arabisches Weltjugendtreffen
Es war wie ein „kleines" Weltjugendtreffen mit arabischem Touch: Mit Tänzen und Gesängen begrüßten die Jugendlichen den Papst. Anwesend waren neben libanesischen Jugendlichen auch Gäste aus den benachbarten Ländern sowie aus Europa, Australien und Nordamerika. In seiner Ansprache während des Wortgottesdienstes ging Benedikt XVI. auf die Herausforderungen ein, denen sich Heranwachsende ausgesetzt sehen. Die Christen müssten die Zukunft des Landes mitgestalten, so der Papst. Benedikt XVI. betonte, die Region müsse einsehen, dass Muslime und Christen „ohne Hass und in der Achtung des Glaubens eines jeden zusammenleben können, um gemeinsam eine freie und menschliche Gesellschaft aufzubauen". Die Jugendlichen sollten zu Friedenstiftern werden und sich für die Werte des Lebens und gegen Abtreibung, Gewalt, Ungerechtigkeit und Krieg einsetzen.

Auswanderung bedeutet Entwurzelung
Die Christen im Nahen Osten müssten ihren Glauben auch weiterhin in jener Region bezeugen und weitergeben, die die Geburt Jesu und die Entstehung des Christentums gesehen habe, betonte der Papst. Eine Auswanderung sei stets „mit Entwurzelung und Trennung um einer ungewissen Zukunft willen" verbunden. Ausdrücklich wandte er sich auch an die muslimischen Jugendlichen: „Ihr seid zusammen mit euren christlichen Altersgenossen die Zukunft dieses wunderbaren Landes und des gesamten Ostens", so Benedikt XVI. Er rief sie auf, „ein Miteinander aufzubauen" und einträchtig mit den Christen zusammenzuleben.

Papst bewundert Mut der Syrer
Einen besonderen Gruß richtete der Papst auch an junge Syrer, die zum Papstbesuch nach Beirut gekommen waren. Er bewundere ihren Mut und nehme Anteil am Leiden und der Trauer ihrer Familien und Freunde in Syrien. Der Papst warnte die Jugendlichen in seiner Ansprache auch vor Drogenkonsum und Pornographie. Dies sei eine Flucht in Parallelwelten. Zudem mahnte er einen besonnen Umgang mit sozialen Netzwerken an. Diese seien zwar „interessant", könnten aber auch sehr leicht zu Abhängigkeiten und einer Verwechslung der virtuellen mit der reellen Welt führen. Er rief die jungen Libanesen auf, „im Kampf gegen die Oberflächlichkeit und den leichtfertigen Konsum" Initiativen zu ergreifen, die dem Leben Sinn und Grund gäben.

Patriarch: Furcht vor Fundamentalismus
Der maronitische Patriarch Bechara Rai sprach in seinem Grußwort von einer wachsenden Furcht vor religiösem Fundamentalismus. Dieser bestreite das „Recht auf Unterschiede" und stehe damit in Widerspruch zur Religionsfreiheit. Zugleich äußerte sich Rai besorgt über eine politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Krise der Region. Durch sie drohten junge Christen ihre Identität sowie „ihre Verwurzelung in ihrem Land und ihren Kirchen" zu verlieren. (rv)

Papst fordert beim Angelus: Ende der Gewalt in Syrien

Benedikt XVI. warb erneut für Frieden und Versöhnung zwischen Christen und Muslimen im Nahen Osten. Besonders forderte der Papst ein Ende der Gewalt in Syrien und rief zu internationaler Vermittlung auf. Nach dem Gottesdienst an diesem Sonntag in Beirut betete der Papst den Angelus. Im Anschluss sagte er: „Mögen die Menschen doch begreifen, dass sie alle Brüder sind!" Die arabischen Staaten sollten „gangbare Lösungen" zur Beilegung des Syrienkonflikts vorschlagen. Diese müssten „die Würde jedes Menschen, seine Rechte und seine Religion achten". Auch die internationale Gemeinschaft rief Benedikt XVI. zum Engagement auf.

Syrische Tragödie
In Syrien spiele sich eine „Tragödie der Auseinandersetzungen und der Gewalt" ab. Das „Dröhnen der Waffen" und „das Schreien der Witwen und Waisen" nehme kein Ende. Es falle nicht leicht, im anderen einen Menschen zu sehen, der zu achten und zu lieben sei; „doch ist eben dies notwendig, wenn man Frieden stiften möchte, wenn man Brüderlichkeit will", so der Papst. Wörtlich sagte er: „Gott gebe eurem Land, gebe Syrien und dem Nahen Osten das Geschenk des Friedens der Herzen, das Schweigen der Waffen und das Aufhören jeder Gewalt!" Die Muttergottes verstehe die Sorgen und Nöte der Menschen im Nahen Osten. Mit den anwesenden Patriarchen und Bischöfen stelle der Papst deshalb den Nahen Osten unter ihren mütterlichen Schutz, so wie es in der Exhortation „Ecclesia in Medio Oriente" stehe. (rv)

Korrespondent Stefan Kempis: Libanesen freuen sich über gute Nachrichten aus ihrem Land

Unser Korrespondent Stefan Kempis hat für uns den zweiten Besuchstag des Papstes im Libanon verfolgt. Frage an ihn: Wie ist`s gelaufen?

„Man kann sagen, dass die Reise bisher auf einem sehr guten Gleis ist. Die Libanesen, mit denen ich spreche, sind beeindruckt davon, dass zum ersten Mal bei einem solchen gesellschaftlichen Großereignis nicht die Fahnen und Abzeichen aller möglichen Gruppen und Parteien geschwenkt werden, sondern dass die libanesische Fahne dominiert – für viele eine eindringliche Erfahrung. Auf den Papst haben sich Vertreter aller Gruppen ehrlich gefreut, weil die Libanesen sich endlich einmal gute Nachrichten aus ihrem eigenen Land wünschen, und jetzt haben sie am Fernsehen einen überraschend müden, unsicher gehenden Benedikt XVI. gesehen. Das beeindruckt viele: dass der Papst trotz seiner Schwäche, trotz der Strapazen und auch der Gefahr, gekommen ist, dass er ein freundlicher alter Mann ist und so gar nicht auftrumpft. Allerdings haben – und das gilt auch für die Christen – sehr viel weniger Menschen versucht, den Papst live zu sehen, als bei der Visite Johannes Pauls II. vor 15 Jahren."

Liegt das an den Sicherheitsvorkehrungen?

„Ja, das auch – aber nicht nur. Viele Leute, mit denen ich spreche, sind etwas verstört durch die Bilder vom brennenden US-Schnellrestaurant in Tripoli; man hat diese Bilder im Fernsehen immer abwechselnd zur Einfahrt des Papstes in Beirut gesehen. Und jetzt haben doch viele die Sorge, dass es zu Zusammenstößen oder Ärger zwischen jungen Christen und Muslimen kommen könnte, das ist, wie man mir sagt, hier im Libanon nämlich bei solchen Großereignissen eigentlich an der Tagesordnung. Viele Christen, die Tickets für die Messe des Papstes am Sonntag haben, sind sich noch gar nicht sicher, ob sie wirklich hingehen sollen, sie sagen: Warten wir erst mal ab, wie das Treffen des Papstes mit Jugendlichen in Bkerke am Samstagabend so läuft, und wenn da alles glattgeht, dann trauen wir uns vielleicht am Sonntag zur Papstmesse an der „Waterfront"."

Warum ist das so mutig, zur Papstmesse zu gehen?

„Weil sie im muslimischen Teil Beiruts stattfindet – in dem Teil der Innenstadt, wo so gut wie keine Christen leben. Diese grüne Grenze aus den Zeiten des libanesischen Bürgerkriegs gibt es in den Köpfen auch heute immer noch. Man sieht daran, dass sich so alte Ängste nicht so schnell in Luft auflösen. Trotzdem sagen aber viele: Das war ja ein unglaublich schönes und beeindruckendes Bild, so viele Politiker und Vertreter verschiedenster Religionen einträchtig im Präsidentenpalast um den Papst versammelt zu sehen, das gab es noch nie, auf keinem Empfang beim Staatsoberhaupt. Solche Bilder rühren die Menschen hier im Libanon an – weil sie`s eben im Alltag meistens weniger einträchtig erleben. Übrigens: Auch beim Jugendtreffen mit dem Papst in Bkerke, das in diesem Moment, wo unser Gespräch hier aufgezeichnet wird, stattfindet, sieht man auch viele junge Muslime – die haben sich also auch, umgekehrt, in den christlichen Teil getraut."

Die Muslime haben dem Papst ja überhaupt einen sehr guten Empfang bereitet…

„Ja, und das zeitgleich zu den Bildern von den islamischen Unruhen in Tripolis! Das sind wirklich Zeichen der Hoffnung. Es gab nicht nur ein sehr herzliches Treffen Benedikts mit Moslemvertretern im Präsidentenpalast am Samstag, sondern auch vollverschleierte Frauen und Hisbolla-Pfadfinder, die dem Papst auf dem Weg vom Flughafen zur Innenstadt mit Vatikanfähnchen zujubelten! Die Presse hat an diesem Samstag hier im Libanon ein bisschen gerätselt, wie man diese Freundlichkeit der Hisbollah-Stadtviertel dem Papst gegenüber einzustufen hat. Kann schon sein, dass da auch innenpolitische Kalküle dahinterstecken, aber die Geste hat viele beeindruckt. Es ist wirklich das erste Mal überhaupt seit dem Bürgerkrieg vor zwanzig Jahren, dass der Libanon eine solche Einmütigkeit praktiziert und erlebt!"

Jetzt gerade also, da wir dieses Gespräch aufzeichnen, das Treffen von Jugendlichen mit Benedikt XVI. in Bkerke…

„Ja, und beim Vorprogramm habe ich eine sehr ausgelassene Stimmung erlebt. Mehrere zehntausend Menschen sind gekommen (auch aus Jordanien, dem Irak, dem Heiligen Land usw.), es singen fünf Chöre, davon ein islamischer, und der Moderator – ein bekannter Sänger – hat immer wieder gerufen: Was sagt ihr angesichts von Krieg und Terror, von Schikanen und Problemen?, worauf die jungen Leute jedesmal im Sprechchor geantwortet haben: „Jesus ist unsere Freude!" Als dann Benedikt im Papamobil einfuhr, hat man schnell auf eher meditative Musik umgeschaltet, damit es ihm nicht zuviel wird. Junge Leute tragen dem Papst ihre Sorgen und Hoffnungen vor, und in einem dieser Texte heißt es: Das ist ein Zeichen der Hoffnung, dass Sie trotz aller Gefahren gekommen sind!" (rv)

Lombardi: „Der Papst ist ein Prophet, er muss weitersehen“

In ganz Beirut Fahnen des Vatikans und Transparente mit dem Bild des Papstes – das hat Pater Federico Lombardi besonders überrascht. Der Jesuit und Pressesprecher des Vatikan freut sich über den guten Empfang für den Papst. Unser Korrespondent Stefan Kempis sprach mit Lombardi über die ersten Stunden des Papstes in Beirut.

Pater Lombardi, der Papst hat den so genannten Arabischen Frühling überraschend positiv gewürdigt. Wie kommt das? Viele Kirchenleute hier im Nahen Osten sehen den Arabischen Frühling doch sehr kritisch…

„Nun, der Papst ist ein Prophet, er muss weiter sehen, und er muss hoffen. In diesem Sinn halte ich es für sehr positiv, zunächst einmal Hoffnung zu haben und das Gute an diesen Entwicklungen zu sehen, um zum Positiven beizutragen. Denn wenn man nur das Negative sieht, dann hilft man den Menschen nicht. Ich glaube, der Papst hat gut verstanden, welche positiven Erwartungen es im Zusammenhang mit diesem Arabischen Frühling gibt. Aber der Papst ist gleichzeitig Realist. Er hat gesagt: Wie bei allen Revolutionen sucht man zunächst nach Freiheit, doch dann wird nicht unbedingt die Freiheit realisiert, sondern es kommt zu Gewalt und zu schlechten Lösungen. Dazu kommt die Verantwortung, die gewonnene Freiheit gut zu nutzen. Das ist auch das Problem: Der Arabische Frühling hat eine Öffnung gebracht, aber wir haben noch nicht vollständig das Positive gesehen."

Ist es eigentlich mutig, dass der Papst trotz der Sicherheitsbedenken an der Reise festhält, auch in diesen Tagen der Unruhen unter vielen Muslimen nach dem Youtube-Video?

„Es war von vornherein klar, dass die Lage im Nahen Osten nicht leicht ist. Natürlich ist das Problem mit diesem dummen Video sehr ernst. Wir haben das auch gesagt: Man muss sehr, sehr vorsichtig sein, wenn man mit den Symbolen und Sensibilitäten anderer Religionen spielt, das ist wirklich unverantwortlich! Aber das ist nicht das einzige Problem, es gibt auch andere und größere, etwa den Konflikt in Syrien. Der Papst wollte gerade in dieser Situation von Frieden sprechen und Frieden bringen – zumindest tun, was in seiner Verantwortung steht. Jeder von uns muss tun, was er kann, und es vor Gott verantworten! Der Papst weiß das sehr wohl, er tut was er kann – und das ist viel."

Was kann der Heilige Vater in einer so komplizierten Region wie dem Nahen Osten konkret erreichen?

„Was bedeutet denn ,konkret'? Wenn ich ein guter Christ bin und mich in der Gesellschaft engagiere, nicht korrupt bin in meiner wirtschaftlichen Tätigkeit und etwa als Journalist die Wahrheit sage usw., dann mache ich es schon richtig! Das ist es, was ein Christ machen muss. In diesem Sinn ist der Papst ein Hirte, der den Christen sagt, ihr müsst mit Kohärenz ein gutes Zeugnis als Christen geben. Das würde die Welt verändern." (rv)

Muslimische Religionsführer treffen Papst: Botschaft angekommen

Der Großmufti der libanesischen Sunniten, Mohammed Rashid Kabbani, hat sich für einen Verbleib der Christen im Libanon ausgesprochen. Das berichtete Vatikansprecher Pater Federico Lombardi nach der Begegnung des Papstes mit Repräsentanten der Muslime im Präsidentenpalast von Baabda. Das Treffen habe in einer „sehr herzlichen Atmosphäre" stattgefunden, so Lombardi. Kabbani habe dem Papst bei der Gelegenheit für die Stellungnahme des Vatikan zum antiislamischen Film „Die Unschuld der Muslime" gedankt. Der Vatikan hatte auf die polemische Filmsatire des Propheten Mohammed umgehend mit einem Aufruf zu Respekt und Dialog der Völker und Religionen reagiert. Der Appell vom 12. September war auch in arabischer Sprache verfasst; in der Stellungnahme formulierte Vatikansprecher Lombardi eine Kritik an „ungerechtfertigten Angriffen und Provokationen gegenüber der Sensibilität der muslimischen Gläubigen". Kabbani war während des rund 15-minütigen Treffens mit dem Papst der Hauptredner auf muslimischer Seite. Mit ihm nahmen führende Vertreter der Schiiten, Alawiten und der Religionsgemeinschaft der Drusen teil. Rund 60 Prozent der gut vier Millionen Einwohner des Libanon sind nach Schätzungen Muslime, knapp 40 Prozent Christen. (rv)

Libanesischer Staatspräsident: „Mehr Christen in die Politik“

Ohne die politische Teilhabe der Christen im Nahen Osten kann dort keine Demokratie entstehen. Das hat der libanesische Staatspräsident, Michel Suleiman, in seiner Begrüßungsrede an den Papst im Präsidentenpalast unterstrichen.

Der katholisch-maronitische Politiker ging am Samstagmorgen weiter auf aktuelle Konfliktherde in der Region ein. Er bekräftigte die „Nichteinmischungspolitik" der libanesischen Führung gegenüber Syrien. Der Bürgerkrieg im Nachbarland hat auch im Libanon zu Spannungen geführt. So stießen in den vergangenen Wochen in verschiedenen Landesteilen Anhänger des syrischen Machthabers Baschar al-Assad und Unterstützer der syrischen Opposition gewaltsam zusammen, und die konfessionelle Konfliktlinie zwischen Sunniten und Schiiten im Libanon verschärfte sich. Die libanesische Regierung hat nun Sorge, dass sich die Scharmützel zu neuen interkonfessionellen Unruhen wie zu Zeiten des libanesischen Bürgerkrieges von 1975 bis 1990 auswachsen könnten. Zugunsten der „Stabilität" bemühe sich die libanesische Führung deshalb darum, Auswirkungen der Syrienkrise im eigenen Land einzudämmen, führte Suleiman dazu aus.

Der Staatspräsident plädierte weiter für eine „umfassende Lösung der Probleme zwischen den arabischen Ländern und Israel". In diesem Zusammenhang bekräftigte er die politische Linie des Libanon, den palästinensischen Flüchtlingen die libanesische Staatsbürgerschaft zu verweigern, da sie das „Recht auf Rückkehr in ihre Heimat" hätten. Auch der melkitische Patriarch Gregorius III. Laham hatte vor dem Papst seiner Hoffnung auf einen eigenen Palästinenserstaat Ausdruck gegeben. In seiner Begrüßungsrede für Benedikt XVI. in der Sankt Pauls-Kathedrale von Harissa sagte er am Freitagabend, damit könne die Abwanderung von Christen aus dem Nahen Osten gestoppt und der Weg für einen „wahrhaften arabischen Frühling" geebnet werden.

Mit einem Aufruf gegen Extremismus richtete sich der libanesische Staatspräsident Suleiman in seiner Ansprache vom Samstag weiter an junge Libanesen und Libanesinnen und rief diese zu Friedfertigkeit auf. Im nordlibanesischen Tripoli waren bei Ausschreitungen nach dem Freitagsgebet eine Person getötet und 25 weitere verletzt worden. Hintergrund der Unruhen war die filmische Mohammed-Karikatur „Die Unschuld der Muslime", die auch in anderen arabischen Ländern zu heftigen Protesten führte. In Tripoli wurden laut Medienberichten Parolen gegen die USA und Benedikt XVI. gerufen, Plakate heruntergerissen und ein US-Schnellrestaurant in Brand gesetzt. Der Papst wurde über die Ausschreitungen informiert. (rv)

Papstreise Libanon: Berichte 1. Tag

 Papstreise 1. Tag

„Salaami o-tikum, Beirut!"

„Herr Präsident, liebe Freunde, ich komme in den Libanon als Pilger des Friedens, als Freund Gottes und als Freund der Menschen. „Salaami o-tikum" – „Meinen Frieden gebe ich euch", sagt Christus (Joh 14,27). Und hier in Ihrem Land komme ich heute auch gleichsam in alle Länder des Nahen Ostens als Pilger des Friedens, als Freund Gottes und als Freund aller Bewohner aller Länder der Region, welcher Herkunft und welchen Glaubens auch immer sie sind. Auch zu ihnen sagt Christus: „Salaami o-tikum".

Mit diesen Worten auf dem Flughafen von Beirut begann Papst Benedikt XVI. seine 24. Auslandsreise, die ihn in eine von Unruhe geprägte Situation führt. Syrien ist direkter Nachbar des Libanon, über 100.000 Flüchtlinge von dort sind bereits in Beirut und Umgebung untergekommen. Trotzdem will der Papst seine Reise nicht als rein politisch verstanden wissen.

„Ein (…) Grund meines Besuchs ist die Unterzeichnung und die Übergabe des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens der Sonderversammlung der Bischofssynode für den Nahen Osten Ecclesia in Medio Oriente. (…) Das Nachsynodale Apostolische Schreiben, das sich an die ganze Welt richtet, bietet sich an, eine road map für die kommenden Jahre zu sein."

Und an die angereisten Vertreter der christlichen Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften gewandt, fügte der Papst hinzu:

„Es bedeutet mir viel, mit großer Ehrerbietung auch die orthodoxen Patriarchen und Bischöfe, die gekommen sind, um mich zu empfangen, und die Vertreter der verschiedenen Religionsgemeinschaften im Libanon zu begrüßen. Ihre Anwesenheit, liebe Freunde, bringt die Wertschätzung und die Zusammenarbeit zum Ausdruck, die Sie unter allen im gegenseitigen Respekt zu fördern wünschen. Ich danke Ihnen für Ihre Bemühungen, und ich bin sicher, daß Sie weiter nach Wegen der Einheit und der Eintracht suchen."

Er vergesse nicht die traurigen und schmerzlichen Ereignisse, die seit vielen Jahren den Libanon heimgesucht hätten. Aber gerade dieses Land zeige, dass ein Zusammenleben in respektvollem Dialog möglich sei.

„Sie und ich wissen, daß dieses Gleichgewicht, das überall als Beispiel dargestellt wird, höchst labil ist. Gelegentlich droht es zu zerbrechen, da es wie ein Bogen gespannt ist oder einem Druck unterliegt, der allzu oft parteiisch, ja selbstsüchtig ist und der Harmonie und der libanesischen Sanftmut als etwas Fremdes entgegensteht. Deswegen ist es notwendig, echte Mäßigung mit großer Weisheit zu üben. Und die Vernunft muss über einseitige Leidenschaften obsiegen, um das Gemeinwohl aller zu fördern. Hat nicht der große König Salomo, der Hiram, den König von Tyrus, kannte, die Weisheit als die höchste Tugend angesehen? Darum hat er Gott inständig gebeten, und Gott hat ihm ein weises und verständiges Herz geschenkt (1 Kön 3,9-12). Ich bin glücklich, bei Ihnen allen zu sein. „Salaami o-tikum". Gott segne Sie alle." (rv)

 

„Alles perfekt: Sicherheit und Verkehr"

Mehr als 5.000 Sicherheitskräfte sind im Moment in Beirut im Einsatz, um den Schutz von Papst Benedikt XVI. zu gewährleisten. Viele Straßen sind gesperrt, der Luftraum wird streng überwacht. Unser Korrespondent Stefan Kempis hat sich während der Ankunft des Papstes im Zentrum der libanesischen Hauptstadt umgesehen.

Der Muezzin ruft zum Gebet in einem schiitischen Wohnviertel von Beirut: Rund um seine Moschee hängen Plakate von Hisbollah-Chef Scheich Nasrallah und sogar ein Bild des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Doch wer sich ein bisschen mit den Leuten im Viertel unterhält, der merkt schnell: Auch ihnen ist der Papst willkommen. „Er ist ein Botschafter des Friedens", sagt ein Mann.

Nur wenige Schritte sind es von diesem Schiitenviertel hinunter zum Mittelmeer und der Stelle, wo vor einigen Jahren der starke Mann des Libanon, der Geschäftsmann und Ex-Ministerpräsident Rafik Hariri, von einer versteckten Bombe in den Tod gerissen wurde. Hier wie überhaupt im ganzen Stadtzentrum: Militär, Polizeifahrzeuge, Checkpoints, Stacheldraht. Schon seit einigen Tagen ist das Mitführen von Schusswaffen in der Öffentlichkeit verboten, Straßensperrungen zwingen die Taxifahrer zu großen Umwegen. Die genaue Route, die der Papst in Beirut nimmt, wird geheim gehalten, in der Luft dröhnen Hubschrauber. Dass hier hohe Sicherheitsmaßnahmen herrschen, ist offensichtlich – und trotzdem liegt keine Spannung, keine Nervosität in der Luft.

„Wir sind nun mal daran gewöhnt, überall Militär zu sehen", erklärt mir ein Beiruter aus einem Armenierviertel. „Natürlich herrschen strenge Sicherheitsvorkehrungen, der Papst ist ja ein wichtiger Staatsgast. Aber wir sehen hier jeden Tag Soldaten, die Leute richten sich eben darauf ein. Es ist ja auch nur für ein paar Tage."

Doch der Armenier hatte am Donnerstag für einen Moment doch ein ungutes Gefühl: Eine Kirche in seinem Viertel war von Unbekannten überfallen worden, ein Akt des Vandalismus. Die Medien in Beirut nehmen davon fast keine Notiz. Stattdessen berichten sie lang und breit von Unruhen in anderen Hauptstädten der Region wegen des US-Films, der Mohammed beleidigt. Immerhin, in Beirut ist es bislang ruhig geblieben, und die Zeichen scheinen hier auch nicht auf Sturm zu stehen.

„Es ist alles perfekt: der Verkehr und die Sicherheit", behauptet ein Taxifahrer vor Beiruts größtem Hotel, dem „Phoenicia". „Besucher sind uns eben willkommen", fährt er fort, „der ganze Libanon ist heute sehr glücklich." Und auf meine Nachfrage, Ja und was ist jetzt mit den Straßensperrungen usw., wiederholt er: „Doch, der Verkehr läuft gut. Vielleicht nicht überall, aber zwischen hier und dem Flughafen gibt es gar nicht so viele Sicherheitsmaßnahmen." (rv)

 

Benedikt würdigt Arabischen Frühling und warnt vor dessen Risiken

Vor der Ankunft im Libanon hat Papst Benedikt XVI. während des Fluges eine Pressekonferenz gegeben, ein seit Papst Johannes Paul übliches Vorgehen. Die erste Frage bezog sich auf die Gewalt, die mit dem Nahen Osten verbunden ist: Der Jahrestag der Anschläge vom 11. September liegt gerade zurück, der Jahrestag des Massakers von Sabra und Shatila wird am Sonntag begangen. Mit welchen Gefühlen der Papst diese Reise unternehme, wollten die Journalisten wissen. Und: Ob wegen der Sicherheitslage eine Absage der Reise zur Debatte gestanden habe.

Niemand habe ihm von der Reise abgeraten und er selber habe eine Absage auch nie erwogen, so der Papst. Gerade so schwierige Situationen brauchten umso mehr Zeichen der Brüderlichkeit, Ermutigung und Solidarität. Er wolle zum Dialog einladen. Johannes Paul II. habe den Libanon ein „Zeichen der Begegnung" genannt, er selber sei sich dessen sehr bewusst und auch all derer, die für ein friedliches Miteinander arbeiteten. Er sei sich sicher, einen wirklichen Dienst für das Wohl der Menschen und für den Frieden leisten zu können.

Fundamentalismus und Islam
Eine zweite Frage während der Pressekonferenz bezog sich auf das Verhältnis zum Islam: Auf der einen Seite bestünde der Vatikan immer auf einem Dialog, auf der anderen Seite seien viele Menschen gerade im Nahen Osten unsicher und verließen das Land, gerade wegen eines wachsenden Fundamentalismus im Islam.

Fundamentalismus sei immer eine Verfälschung von Religion, so der Papst, er widerstrebe dem Sinn von Religion, die doch Gottes Frieden in die Welt bringen wolle. Es sei eine Herausforderung für die Kirche und alle Religionen, sich von dieser Versuchung frei zu machen. Man müsse sich gegenseitig respektieren. Jeder sei ein Abbild Gottes, und so müsse die Botschaft der Religionen sich gegen die Gewalt richten und für Versöhnung und Frieden eintreten.

Gefahr für das Überleben des Christentums?
Der so genannte „arabische Frühling" habe eine Welle der Demokratie gebracht, gleichzeitig habe er aber auch die Christen in eine politische Minderheitenposition gedrängt. Der Papst wurd gefragt, ob er nicht das Risiko sehe, dass das Überleben des Christentums in der Region gefährdet sei?

„Zunächst einmal ist der arabische Frühling etwas Positives", antwortete der Papst wörtlich, er drücke einen Wunsch aus nach mehr Demokratie, mehr Freiheit, mehr Zusammenarbeit und nach einer erneuerten arabischen Identität. Leider seien Revolutionen immer von der Gefahr begleitet, die Toleranz für den Anderen zu vergessen. Freiheit sei immer geteilte Freiheit, nur in diesem Teilen und in der Solidarität, im Zusammenleben, könne sie wachsen. Christen und Muslime hätten gemeinsam diese Länder aufgebaut, sie könnten gar nicht anders als zusammen leben und arbeiten. Er selber denke also, dass man die positiven Aspekte der Bewegung und damit das richtige Verständnis von Freiheit stärken müsse.

Die Situation in Syrien
Die Situation in Syrien stand während der gesamten Vorbereitungszeit der Reise immer im Hintergrund, hier fühlten sich viele Christen – wie auch im Irak – gezwungen, das Land zu verlassen. Was für eine Hilfe könne der Papst in dieser Situation anbieten, was sage er zu den Menschen in Syrien?

Nicht nur Christen flöhen, auch Muslime, so der Papst. Es bestehe allerdings die Gefahr, dass die Christen permanent vertrieben würden, man müsse alles tun, ihnen beim Bleiben zu helfen. Die wichtigste Hilfe dabei sei ein Ende der Gewalt. Dazu müsse man auf der eigenen Botschaft des Friedens beharren und selber nicht zur Gewalt greifen. Wichtig sei auch die Arbeit der Journalisten: sie zeige, wie sehr diese Gewalt zerstöre und damit niemandem diene. Außerdem müsse die Einfuhr von Waffen nach Syrien enden, ohne sie könne der Krieg nicht weitergehen. Wörtlich bezeichnete Papst Benedike den Waffenimport als „schwere Sünde". Stattdessen brauche es in Syrien die Einfuhr von Ideen, von Frieden, von Kreativität. Alles müsse getan werden – auch das Materielle – um der Gewalt ein Ende zu bereiten, damit das Land wieder aufgebaut werden könne.

Das postsynodale Schreiben
Das nachsynodale Schreiben, das der Papst bei seiner Reise übergeben werde, richte sich an eine leidende Christenheit; was für konkrete Schritte biete der Papst über Solidaritätsbekundungen hinaus den Menschen an?

Die Christen müssten die politische Meinung beeinflussen, so der Papst in seiner Antwort. Es gehe um Anstrengungen in der Bildung, aber auch um Ermahnungen von der Seite der Christen her. Darüber hinaus würden die christlichen Hilfsorganisationen bereits materiell helfen. Noch einmal betonte der Papst, dass öffentliche Zeichen der Solidarität, wie ein Gebetstag für den Frieden im Nahen Osten, die öffentliche Meinung sensibilisieren könne und so wirkliche Wirkung haben könne. (rv)

 

Das Gesicht der katholischen Vielfalt

Die katholische Kirche im Libanon besteht aus nicht weniger als sieben Einzelkirchen sui iuris, also eigenen Rechtes. Die maronitische Kirche geht auf den Heiligen Maroun zurück, einen Mönch des fünften Jahrhunderts. Als Kirche in der syrischen Tradition war sie nie von Rom getrennt. Zu dieser Kirche gehören etwa vier Millionen Mitglieder auf der ganzen Welt, davon etwa 1,6 Mio im Libanon. Geleitet wird sie von einem Patriarchen, Béchara Boutros Raï.

Die armenisch-katholische Kirche beruft sich in ihrer Gründung auf den Apostel Bartholomäus, sie feiert die Liturgie im armenischen Ritus. Ein Teil dieser Kirche trat im 18. Jahrhundert in Union mit Rom. Versstreut auf der Welt gibt es etwa 600.000 Gläubige, die meisten davon in Armenien und den Ex-Sowjetrepubliken.

Die chaldäische Kirche sieht den Apostel Thomas als ihren Gründer. Nach dem Konzil von Ephesus trennte sie sich von den anderen Kirchen und trat später wieder in Gemeinschaft mit Rom. Ihr Patriarch residiert in Bagdad. Die Kirche feiert im syrisch-chaldäischen Ritus, etwa 3,5 Mio gehören ihr an, die meisten davon im Irak und mittlerweile in der Diaspora.

Die syrisch-katholische Kirche ging ebenfalls aus einem Streit um ein Konzil hervor, dieses mal um das Konzil von Chalcedon. Die Kirche trennte sich von Byzanz und Rom, ging aber 1557 wieder eine Union mit der lateinischen Kirche ein. Der Kirche gehören weltweit etwa 160.000 Mitglieder an. Ihr Patriarch, Ignace Joseph III. Younan, residiert im Libanon.

Die griechisch-melkitisch-katholische Kirche entstand 1724, als der damals neugewählte Patriarch die Union mit Rom einging. Seitdem gibt es zwei melkitische Kirchen, neben der katholischen auch die orthodoxe. Der aktuelle Patriarch des katholischen Zweiges, Gregorios III. Laham, trägt den Titel des Patriarchen von Antiochia und lebt in Syrien. Dieser Kirche gehören etwa 1,6 Millionen Gläubige an.

Die koptisch-katholische Kirche hat ihre Wurzeln in Alexandria in Ägypten. Sie feiert die Liturgie im koptischen Ritus, ist aber von der nichtkatholischen koptischen Mehrheitskirche in Ägypten zu unterscheiden. Der derzeitige katholische Patriarch Antonios Naguib ist von Papst Benedikt XVI. in den Kardinalsstand erhoben worden.

Der Ausdruck „lateinische Kirche" schließlich bezeichnet die katholischen Gemeinschaften, die im lateinischen Ritus Gottesdienst feiern, und nicht wie die übrigen katholischen Ostkirchen ihren eigenen Ritus haben. Diese Kirche ist im Libanon relativ klein und in Beirut mit einem Apostolischen Vikar vertreten. (rv)

Patriarch Rai: Für einen „Christlichen Frühling“

Für den maronitischen Patriarchen von Antiochien, Bechara Butros Rai, kann der Papstbesuch die Christen im Libanon einen und ihnen neue Kraft für ihre Mission in der Region geben. Benedikt XVI. wird das Oberhaupt der größten christlichen Konfession in dem Land am Samstagnachmittag in Bkerke besuchen. Rai sagte im Gespräch mit Radio Vatikan:

„Der Libanon kann sich in diesen Tagen als friedliches, tolerantes Land präsentieren. Die Reise des Papstes bringt dem ganzen Nahen Osten Hoffnung. Ich hoffe auf einen ,christlichen Frühling’ in der Region, der dann auch einen wirklichen arabischen Frühling mit sich bringt ohne Gewalt und Krieg, einen Frühling des Geistes."

Er weigere sich, die Christen im Libanon als „Minderheit" zu bezeichnen, so Rai: Sie seien ja nicht vor kurzem eingewandert, sondern gehörten seit jeher zur Bevölkerung des Landes. Sie lebten friedlich mit den Muslimen zusammen, und gerade die Muslime freuten sich besonders über den Besuch des Papstes.

„Die post-synodale Exhortation ist ein prophetisches Wort in diesem historischen Moment, da bin ich mir sicher!"

Das Dokument zur Nahostsynode von 2010 im Vatikan werde nicht nur die größten Herausforderungen für die Christen in der Region benennen, sondern auch konkrete positive Lösungen für die aktuellen politischen Spannungen im Nahen Osten anbieten, zeigte sich der Patriarch überzeugt. Die arabische Welt höre auf regionaler und internationaler Ebene momentan „leider nur die Sprache der Gewalt und des Hasses", so Rai. Die Kirche müsse dem nun eine „Sprache des Friedens und Dialoges" entgegensetzen.

Große Gebetsvigil mit Christen und Muslimen in Beirut
Die Begeisterung ist auch unter den Muslimen im Libanon groß; sie machen neben den Christen den Löwenanteil der libanesischen Bevölkerung aus. Auch das betonte Patriarch Rai im Gespräch mit Radio Vatikan; der Maronit hatte sich in Vorbereitung des Papstbesuches in den vergangenen Tagen mit islamischen Geistlichen getroffen. Und von diesem Enthusiasmus unter der muslimischen Bevölkerung zeugt auch die große Gebetsvigil und Marienandacht, die mit Blick auf Benedikts Visite am Mittwochabend in Beirut stattfand: An dem Treffen nahmen neben unzähligen Christen auch tausende Muslime teil. Radio Vatikan hat mit einigen von ihnen gesprochen:

„Maria ist eine Mutter für alle Menschen, nicht nur für Christen. Auch für uns Muslime ist Jesus ein Prophet. Ich bin hier, um den Papst zu sehen, ich habe ihn noch nie gesehen. Wir leben seit 2.000 Jahren zusammen, und das sollten wir weitere 2.000 Jahre tun – in Frieden und mit Freude."
(rv)

Pakistan: „Rimsha sorgte für Gesinnungswandel bei Muslimen“

Das pakistanische Mädchen Rimsha Masih ist zu einer Symbolfigur für Pakistan geworden. Das sagt im Gespräch mit Radio Vatikan Paul Bhatti, der Katholik, der die pakistanische Regierung in Minderheitenfragen berät. Der „Fall Rimsha" sei der Beweis dafür, dass auch in einem Land wie Pakistan Gerechtigkeit herrschen könne.

„Sie hat es geschafft, nicht nur die internationale Gemeinschaft auf das Problem des Blasphemiegesetzes aufmerksam zu machen. Rimsha hat auch einen Gesinnungswandel bei vielen Muslimen bewirkt. Bisher war es so, dass verurteilte oder auch nur beschuldigte Christen öffentlich angeprangert und sogar getötet wurden. Durch die Vermittlung der pakistanischen Regierung haben wir es geschafft, dies zu stoppen. Aber Rimsha hat erreicht, dass jetzt auch lokale Muslimführer davon überzeugt sind, dass jeder Mensch ein Anrecht auf Gerechtigkeit hat."

In Pakistan, wo die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung Muslime sind, kann eine Beleidigung des Propheten Mohammed weiterhin mit dem Tod bestraft werden. Paul Bhatti ist aber zuversichtlich, dass künftig die Minderheiten nicht mehr willkürlich beschuldigt werden.

„Die Menschen wissen nun, dass jeder, der falsches Zeugnis ablegt, bestraft werden kann. Künftig werden sich wohl viele zuerst überlegen, ob sie einfach jemand der Blasphemie beschuldigen sollen. Es war ein positiver Schock, dass ein Imam verhaftet wurde, der Rimsha beschuldigt hatte, ohne handfeste Beweise vorlegen zu können."

Ein Gericht in der Hauptstadt Islamabad hatte am Freitag die Freilassung des am 16. August festgenommenen Mädchens gegen Kaution angeordnet. Vor einer Woche hatte die pakistanische Polizei den islamischen Geistlichen festgenommen, der das Verfahren ins Rollen brachte. Der Imam Hafiz Mohammed Khalid Chishti wird verdächtigt, gefälschte Beweisstücke vorgelegt zu haben. (rv)

Vatikansprecher ruft nach Anschlag auf US-Botschaft in Libyen zu Dialog auf

Mit einem Aufruf zum Respekt und Dialog der Völker und Religionen hat der Vatikan auf eine polemische Filmsatire des Propheten Mohammed reagiert, in dessen Folge der US-amerikanische Botschafter in Libyen ermordet wurde. Gleichzeitig zeuge der Fall von „vollkommen inakzeptaber Gewalt", erklärte Vatikansprecher P. Federico Lombardi an diesem Mittwoch. Bei einer Attacke auf das Konsulat in Bengasi waren am Dienstag der Botschafter John Christopher Stevens und drei Botschaftsmitarbeiter ums Leben gekommen. Auslöser für den vierfachen Mord war offenbar ein amerikanischer Film, der aus muslimischer Sicht den Propheten Mohammed verunglimpfte. Lombardi sprach von „ungerechtfertigten Angriffen und Provokationen gegenüber der Sensibilität der muslimischen Gläubigen". Die darauf folgenden tragischen Ereignisse hätten die Spannungen und den Hass wiederum vertieft.

Der US-Diplomat und die drei Botschaftsmitarbeiter waren am Dienstagabend im Auto des Botschafters mit Raketen beschossen worden, sagte ein libyscher Regierungsvertreter. Davor seien sie aus dem ebenefalls attackierten amerikanischen Konsulat geflohen. Unbekannte mit Gewehren hätten das Feuer eröffnet. Lombardi erklärte, die Botschaft des Dialogs und des Respekts vor allen Religionen, die der Papst in den Libanon trage, zeige den Weg auf, den alle gemeinsam gehen müssten, um das friedliche Zusammenleben der Religionen und Völker zu ermöglichen. (rv)