Kardinal Meisner warnt vor „ökumenischem Holzweg“

Nicht ohne Skepsis reagiert der Kölner Kardinal Joachim Meisner auf den Appell „Ökumene jetzt: ein Gott, ein Glaube, eine Kirche", den Politiker und Prominente am Mittwoch lanciert haben. „Grundsätzlich ist natürlich das zu begrüßen, was der Ökumene dienen soll, aber es wäre sachlich richtiger, wenn damit eine Problemanzeige gegeben würde." Das sagte der Kölner Erzbischof dem Domradio. „Wenn es aber die Feststellung sein soll, die Kirchenleitungen bedürften nur eines herzhaften Entschlusses, die Einheit im Glauben herzustellen und so wäre alles geregelt, dann wäre das eine große Ignoranz." Meisner weist darauf hin, dass die katholische Kirche eine Weltkirche von 1,3 Milliarden Menschen sei: „Fragen katholischer Glaubensüberzeugung und der Übereinstimmung mit anderen Konfessionen sind daher im nationalen Raum zwar zu fördern, nicht aber verbindlich zu entscheiden."

Ökumene betreiben könne „nur der, der den jeweiligen Partner ernst nimmt", so der Kardinal. „Die traditionelle Formel, „dass katholische und evangelische Christen viel mehr verbindet als unterscheidet", reicht dazu nicht aus." Zum einen könne Ökumene in Europa „nicht auf die beiden großen Konfessionen beschränkt sein": „Wir dürfen nicht übersehen, dass in Deutschland und Westeuropa Millionen von orthodoxen Christen leben und diese namentlich in Osteuropa ein beträchtliches theologisches Gewicht haben. Ihre Theologie und ihr Amtsverständnis einfach auszuschließen, führt auf einen neuen ökumenischen Holzweg." Und ebenso hätten auch die zahlreichen Freikirchen in Deutschland und Westeuropa „einiges zum Thema Ökumene beizutragen", erinnert Meisner.

„Um es nochmals zu sagen: Die Autoren des Appells zur Ökumene erwecken den Eindruck, als bedürfe es nur eines herzhaften Entschlusses, die Einheit im Glauben herzustellen. Das wirkt für die mit der Ökumene Beauftragten sehr ernüchternd, um nicht zu sagen deprimierend."

In der Zeit nach dem II. Vatikanischen Konzil habe es auf dem Gebiet der Ökumene zwar „große Fortschritte gegeben"; man müsse aber auch einräumen, dass sich in jüngster Zeit einige konfessionelle Gegensätze „sogar verstärkt" hätten, etwa im Bereich der Ethik. Katholische und evangelische Kirche hatten sich in den letzten Jahren nicht auf eine gemeinsame Haltung zu Stammzellforschung und PID einigen können. „Seit nunmehr fast fünfzig Jahren bemühen sich die Kirchenleitungen trotz allem weiter darum, die tatsächlichen Entwicklungen in den Gemeinden vor Ort so zu begleiten, dass die Ökumene die Trennung unserer Kirchen überwindet und nicht neue Risse entstehen lässt." Er hoffe, so Kardinal Meisner, „dass der genannte Appell dieser Vertreter der Öffentlichkeit nicht zu der irrigen Einschätzung führt, die Einheit sei bereits erreicht und müsse nur noch vollzogen werden". „Ein Läufer, der vor dem Ziel stehenbleibt und jubelt, verliert bekanntlich den Lauf."

Hintergrund

Eine Initiative prominenter evangelischer und katholischer Christen hatte am Mittwoch in Berlin die Erklärung „Ökumene jetzt – ein Gott, ein Glaube, eine Kirche" vorgestellt. Unter Bezug auf zwei kirchengeschichtliche Jubiläen, den 50. Jahrestag des Beginns des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) sowie das 500. Gedenken an den Beginn der Wittenberger Reformation mit dem Thesenanschlag Luthers am 31. Oktober 1517, wolle sie „einen Beitrag zur Überwindung der Kirchentrennung" leisten. Die Unterzeichner der Initiative sind davon überzeugt, „dass katholische und evangelische Christen viel mehr verbindet als unterscheidet". Zwar gebe es unterschiedliche Positionen im Verständnis von Abendmahl, Amt und Kirche, doch diese Unterschiede könnten die Aufrechterhaltung der Trennung nicht rechtfertigen. In beiden Kirchen sei die Sehnsucht nach Einheit gross. Deshalb werde an die Kirchenleitungen appelliert, „die Trennung unserer Kirchen" zu überwinden.

Zu den Erstunterzeichnern des Aufrufes gehören mit dem im Ruhestand befindlichen Leipziger Pfarrer Christian Führer, dem emeritierten Theologieprofessor Günter Brakelmann und der ehemaligen Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer drei evangelische, mit Bundesministerin Annette Schavan und dem emeritierten Professor Otto Hermann Pesch zwei katholische Theologen. Andere Personen haben leitende Ämter in ihren Kirchen inne gehabt wie die ehemaligen Präsidenten des Deutschen Evangelischen Kirchentages, Bundespräsident a.D. Richard von Weizsäcker und der Mediziner Eckhard Nagel, der frühere Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Staatsminister a.D. Hans Maier, und dessen ehemaliger Generalsekretär Friedrich Kronenberg. Norbert Lammert als Bundestagspräsident, Frank-Walter Steinmeier, Gerda Hasselfeldt und Wolfgang Thierse stehen in aktueller politischer Verantwortung. Thomas Bach als Präsident und Michael Vesper als Generaldirektor dienen dem Deutschen Olympischen Sportbund. Mit Andreas Felger, Günther Jauch und Arnold Stadler sind Künstler, Medienschaffende und Schriftsteller vertreten. Der Text des Aufrufes ist im Internet unter oekumene-jetzt.de zu finden. (rv)

Kreuzfeuer: Kirche und Religion im US-Wahlkampf

Als der New Yorker Erzbischof, Kardinal Timothy Dolan, Ende August auf dem Republikaner-Parteitag in Tampa ein Gebet für die USA sprach, warf das auch bei Katholiken Fragen auf. Offiziell unterstützt die katholische Kirche keinen Kandidaten im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf. Sympathien und Synergien gibt es dennoch, vor allem Obamas laxe Haltung in Fragen des Lebensschutzes und der Sexualmoral könnte bei den Wahlen im November zum Zünglein an der Waage bei so manch katholischem Wähler werden. Welche Rolle spielt die katholische Kirche im Wahlkampf? Und wer ist eigentlich Obamas Herausforderer, der Republikaner und Mormone Mitt Romney? Diesen Fragen geht Anne Preckel in der Sendung „Kreuzfeuer" nach. (rv)

Pakistan: Christliches Mädchen auf Kaution freigelassen

Rimsha Masih kommt gegen Kaution auf freien Fuß: Ein Richter in Islamabad verfügte an diesem Freitagmorgen die Entlassung der jungen Christin aus der Haft. Dafür müssen ihre Unterstützer eine Kaution von einer Million Rupien hinterlegen; das entspricht etwa 8.300 Euro. Eine Entscheidung über Schuld oder Unschuld ist das nicht. Die ungefähr 13-jährige christliche Müllsammlerin aus einem Slum am Rand der pakistanischen Hauptstadt wird beschuldigt, Fetzen eines verbrannten Korans mitgeführt zu haben.

„DRINGEND – ", so meldeten die ersten internationalen Nachrichtenagenturen um 9.39 Uhr: „Rimsha wird gegen Kaution freigelassen." „Ich akzeptiere ihren Antrag auf Freilassung", mit diesen Worten zitieren sie den Richter Muhammad Azam Khan aus Islamabad. Rimshas Anwälte hatten zuvor in einer mehr als zweistündigen Verhandlung dargelegt, warum das geistig offenbar zurückgebliebene Mädchen – eine Analphabetin – aus ihrer Sicht nicht gegen den Blasphemieparagraphen verstoßen habe. Dieser Paragraph stellt die Lästerung von Religion unter Strafe; er wird oft gegen Angehörige der christlichen Minderheit gewendet, so auch vor drei Wochen – zeitgleich zum islamischen Opferfest – gegen Rimsha Masih. In dem kleinen und drückend heißen Gerichtssaal drängten sich etwa achtzig Zuhörer; Demonstrationen oder Unmutsäußerungen vor dem Gebäude gab es offenbar nicht.

Die polizeiliche Untersuchung zum Fall Rimsha „ist immer noch im Gang", erklärte einer der Anwälte, Raja Ikram, einem afp-Journalisten; das Mädchen darf derzeit Pakistan nicht verlassen. Noch nicht auf freiem Fuß ist der Imam einer Moschee, die nahe an Rimshas Wohnung liegt; er wurde am letzten Wochenende verhaftet. Zeugen beschuldigen ihn, dem Mädchen die verbrannten Koranfetzen zugesteckt zu haben. Sein Ziel sei gewesen, die christlichen Familien zur Flucht aus dem Stadtviertel zu veranlassen. Einer der wichtigsten muslimischen Verbände Pakistans, der Ulema-Rat, hat sich hinter Rimsha gestellt. Unklar ist noch, wer die Kaution zahlt und wo Rimsha fürs erste Aufnahme finden wird. Schließlich müsste sie in ihrem alten Wohnviertel um ihr Leben fürchten.

Der Pakistan-Verantwortliche von „Human Rights Watch", Ali Dayan Hasan, hat die Entscheidung des Richters begrüßt. Tatsache sei allerdings, „dass das Kind gar nicht erst ins Gefängnis hätte gesteckt werden dürfen". Er forderte, alle Anklagepunkte gegen Rimsha fallenzulassen und das pakistanische Blasphemiegesetz zu ändern. (rv)