Pakistan: Christin angezündet, weil sie Muslim die Heirat verweigerte

LAHORE – Ein 30-jähriger Mann hat in Pakistan eine junge Christin mit Säure übergossen und angezündet, weil sie sich weigerte, ihren Glauben zu verleugnen, Muslima zu werden und ihn zu heiraten.

Die Zeitung „Pakistan Today“ berichtet, die 25-jährige Asma habe in Sialkot im Norden des Landes gearbeitet.

Im Polizeibericht mit den Angaben des Vaters von Asma, Yaqoob Masih, heißt es, dass dieser am 17. April zusammen mit seinem Sohn die jungen Frau in dem Haus, in dem sie arbeitete, besucht hatte. „Wir saßen in einem Gästezimmer, als es an die Tür klingelte. Asma ging, um zu sehen, wer es sei. Nach einiger Zeit hörten wir sie schreien vor Schmerz.“

Als sie hinrannten, um ihr zu helfen, sahen sie, „was geschehen war und den Angeklagten fliehen, während Asma in Flammen stand“.

Sie wurde ins örtlichen Krankenhaus gebracht. Dort sagte sie zu ihrem Vater, dass der Mann sie schon seit einiger Zeit bedränge, ihn zu heiraten, aber sie habe abgelehnt, weil sie nicht zum Islam konvertieren wolle.

Die junge Frau erlitt Verbrennungen an 80 Prozent ihres Körpers und Gesichts und wird in einem Krankenhaus in Lahore behandelt.

Laut Informationen von „Pakistan Today“ sagte Inspektor Muhammad Riaz von der örtlichen Polizei, sie hätten den Angeklagten, der sein Verbrechen gestanden habe, festgenommen.

In einer Erklärung beklagte Wilson Chowdhry, Vorsitzender der British Pakistani Christian Association, dass „dieser bösartige Angriff die Wertlosigkeit von christlichen Mädchen offenbart, wie sie sich in der Mentalität vieler muslimischer Männern in Pakistan entwickelt hat.“

„Aufgrund eines nationalen Lehrplans lehren voreingenommene und unehrliche Imame, es gebe einen besonderen Platz im Himmel für diejenigen, die christlichen Mädchen vergewaltigten und bekehrten; viele davon betrachten Frauen dieser Minderheit als Kriegsbeute.“

Chowdhry erklärte, dass „Statistiken zeigen – obwohl Zwangsverheiratung im Jahr 2017 für illegal erklärt wurde – dass jedes Jahr mehr als 700 christliche Mädchen entführt, vergewaltigt und in eine islamische Ehe gezwungen werden. Und es gibt keine Anzeichen, dass es weniger werden.“

Er fügte hinzu: „Die Menschenrechtskommission von Pakistan berichtet, dass im Jahr 2017 insgesamt 143 Frauen Opfer von Säureattacken oder angezündet wurden. (CNA Deutsch)

Pakistan: „Der Hass beginnt im Schulbuch“

PakistanIn Pakistan sind bei einem Bombenanschlag rund 40 Menschen ums Leben gekommen. Der Sprengsatz explodierte vor einer Klinik, wo sich Anwälte und Journalisten zu einer spontanen Trauerfeier für Bilal Anwar Kasi versammelt hatten. Der Anwalt Kasi, Chef der Rechtsanwälte-Vereinigung der Provinz Balutschistan, war kurz zuvor erschossen worden; die Hintergründe des Anschlags sind noch unklar, man vermutet Al Quaida dahinter. Immer wieder wird Pakistan von schweren Bombenattentaten erschüttert, zuletzt starben in Lahore über 70 Menschen. Die Radikalisierung, die Anstachelung zum Hass und zur Intoleranz auch gegen Nicht-Muslime beginnt schon in den Schulbüchern. Das erklärt uns Mobeen Shahid, Dozent für islamische Religion an der Päpstlichen Lateranuniversität in Rom.

Schulbücher, die religiösen Fanatismus fördern: Das ist das Ergebnis einer Studie der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden in Pakistan, die von der katholischen Bischofskonferenz gegründet wurde. Vom Staat abgesegnete Bildungspläne, die in den vier Provinzen des Landes verteilt werden, sind demnach zumindest mitverantwortlich für die Massengewalt und den religiösen Extremismus. Mobeen Shahid bestätigt das:

„In den staatlichen wie in den vom Staat anerkannten privaten Schulen gibt es die Pflicht, einen staatlichen Bildungsplan einzuhalten. Die Schulbücher, insbesondere jene der Geschichte Pakistans, aber auch die Bücher für andere Fächer, die nichts direkt mit Religion zu tun haben, etwa Biologie, Physik und andere, haben immer eine islamistische Konnotation: Sie sind geleitet von einer Ideologie, die die gegenwärtige fanatische Kultur in der Nation geschaffen hat.“

In den Büchern wird demnach zum Hass angeregt – nicht nur gegen religiöse Minderheiten, sondern vor allem auch gegen den Westen. Dabei spielt besonders die Kolonialzeit auf dem indischen Subkontinent eine wichtige Rolle, die als eine dunkle Ära für die islamische Bevölkerung dargestellt wird; die Engländer hätten die Muslime unterdrückt. Diese Erklärungsmuster würden auch heute noch auf Christen angewendet, erklärt Mobeen Shahid.

„Vor zwei Monaten hat die Regierung der Region Khyber Pakhtunkhwa Entwicklungsgelder für die religiösen Minderheiten gestrichen und sie einem Islamschullehrer gegeben, der auch den Anführer der islamistischen Terrororganisation Tehreek-e-Taliban unterrichtete. Der nächste Schritt besteht dann darin, zu behaupten, dass der Westen und die Christen die Muslime unterdrücken wollen. Das erzeugt eine allgemeine Haltung der Intoleranz und des Hasses auf den Westen, aber auch auf die Christen aus Pakistan selbst.“

Dabei war dieser Hass zwischen den Religionen in dem mehrheitlich islamischen Land nicht immer so ausgeprägt. In den ersten 30 Jahren des Bestehens Pakistans sei das Zusammenleben zwischen den Religionen viel friedlicher gewesen, so Shahid. Muslime machten besonders gerne Geschäfte mit Christen, weil diese als verlässlich galten. Seit den 70er Jahren allerdings, so erklärt es Shahid, begann das Land mit der Ausbildung der Mudschahedin im Krieg in Afghanistan. „Von da an hielten Ideologien aus Saudi-Arabien Einzug ins Land, die von einer Kultur des Hasses gegen religiöse Minderheiten geprägt waren – mit dem Ziel, auch Pakistan noch stärker zu islamisieren, damit es auf der Welt eine Führungsrolle übernehmen könne.“ (rv)

Kardinal Gracias: „Asien wird immer wichtiger“

Kardinal Gracias Verfolgung, Entführung, Inhaftierung: Die Nachrichten über Christen in Indien, Pakistan oder Afghanistan – also in Asien – bestimmen in letzter Zeit mit diesen Schlagworten die Medien. Doch die katholische Minderheit in Asien ist auch im Aufbruch. Das sagt Kardinal Oswald Gracias, Erzbischof von Bombay, im Interview mit Radio Vatikan. Der indische Kardinal ist Vorsitzender der Rat der Bischofskonferenzen Asiens und Mitorganisator des asiatischen Jugendtags in Korea. Die Papstreise sei für den gesamten Kontinent bedeutend.

„Ich denke, man muss berücksichtigen, dass Asien immer stärker ins Zentrum der Welt rückt. Das zeigt allein die Tatsache, dass Asien 60 Prozent der Weltbevölkerung ausmacht und mehr als die Hälfte der Asiaten junge Leute sind. Es ist ein junger Kontinent und er wird politisch, wirtschaftlich und militärisch immer wichtiger.“

Dem Kardinal zufolge könne man sehen, wie sich der Fokus derzeit radikal verschiebe. Dies sei auch für die katholische Kirche von großer Bedeutung, so Gracias.

„Die Kirche muss sich darum bemühen, nicht nur Katholiken zu erreichen, sondern alle Menschen, um ihnen ihren Segen zu spenden“.

Nach Südkorea wird der Papst nächstes Jahr wieder nach Asien Reisen: Auf die Philippinen und nach Sri Lanka. Warum dem Papst Asien so wichtig sei, weiß Kardinal Oswald Gracias. Bei einem Treffen sprach der Papst mit dem indischen Kardinal darüber, wie wichtig der Kontinent sei, aber auch Franziskus großen Wunsch, mehr über diesen Kontinent zu erfahren.

„Das zeigte sich schon sehr früh in seinem Pontifikat. Denn er kennt Europa und er kennt Südamerika. Von daher ist Asien für ihn ein enormer Kontinent mit großen Hoffnungen, großen Möglichkeiten, großer Zukunft. In dieser Richtung sollte sich die Kirche entwickeln“.

Der Kardinal sprach auch über die Probleme und die tragischen Ereignisse, die die katholische Kirche derzeit in Asien mitmacht. Jedoch zeigte er sich in diesem Zusammenhang hoffnungsvoll.

„Asien ist sehr vielfältig. Es gibt Herausforderungen verschiedener Art, verschiedener Ideologien. Es gibt sehr unterschiedliche politische Situationen, Verschiedene religiöse Gruppen, die die Kirche herausfordern. Aber, ich denke, Asien kann das schaffen. Es gibt immer wieder Hochs und Tiefs und

D: „Bei Christenverfolgung geht es uns zu sehr um uns“

Erzbischof Schick Ob Irak, Pakistan, Nigeria oder andere Länder: Die Christenverfolgung steht nicht im Brennpunkt der Aufmerksamkeit. Andere Krisen bekommen in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit, auch unter Christen ist das so. Initiativen, mehr Interesse und Einsatz bei Christen in Mitteleuropa für die bedrängten und verfolgten Christen im Nahen und Mittleren Osten zu wecken, haben aber bislang nur mäßigen Erfolg. Das beklagt der Weltkirchenbeauftragte der deutschen Bischofskonferenz, der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, gegenüber Radio Vatikan. Er nennt es einen Deutschen und zentraleuropäischen „Egozentrismus“, die Christen seien zu sehr auf sich selbst konzentriert.

„Das Problembewusstsein ist nicht groß genug, zum Beispiel wenn Flüchtlingsströme kommen und der Heilige Vater uns mit seinem Besuch in Süditalien darauf aufmerksam macht, dann spüren wir Bedrohung bei uns. Es geht uns zu sehr um uns. Als Christen müssten wir eigentlich wirklich ‚katholisch‘ sein, gerade was Menschenrechte und die Situation der Christen angeht mehr tun.“

Das war einmal anders, in den 70er und 80er Jahren war es völlig normal, sich als Christen für Latein- und Mittelamerika einzusetzen. Was hat sich da geändert?

„Damals war der Horizont weiter als er heute ist. Das ist eigentlich sehr schade, gerade wir Deutschen haben mit unserem Außenhandelsvolumen eine gute Position in der Welt, wir könnten da viel mehr bewirken. Aber wissen Sie, wenn ich Deutschland betrachte und dann die anderen europäischen Staaten und die EU, dann sage ich, dass in Deutschland noch mehr für verfolgte und bedrängte Christen und für Menschen in Notsituationen in Afrika, Asien, im Nahen und Fernen Osten getan als in anderen Staaten. Das darf uns aber nicht nachlässig machen; wir müssen da mehr fordern und wir müssen uns mehr einsetzen.“

Wir hören Nachrichten, dass Klöster, die es seit 1.700 Jahren gibt, von Islamisten besetzt werden und dass Christen aus Mossul vertrieben werden, wo es seit dem Beginn des Christentums Christen gegeben hat, diese Geschichte ist zu Ende. Aber es scheint, dass es irgendwie nicht unsere Geschichte ist und dass wir nicht wirklich beteiligt sind.

„Das ist auch unser verkürzter Geschichtsverstand, dass wir Iran und Irak auch als christliche Mutterländer sehen, das ist bei uns zu weit entrückt. Wir müssten hier viel mehr für die Bildung tun, damit junge Menschen bei uns diese langen christlichen Zusammenhänge besser kennen lernen. Denn ohne ein gesundes Traditionsbewusstsein gibt es auch kein Zukunftsbewusstsein und damit auch kein Einsatz für die Zukunft.
Wichtig wäre aber auch, dass einmal von namhaften Vertretern des Islam für die Christen gekämpft würde. Ich frage mich immer mal, warum es keine Fatwa, die sagt, dass es nicht sein kann, unschuldige Menschen und Christen zu verfolgen und zu töten. Es gibt ja auch Suren im Koran, die das eigentlich verbieten. Da wünsche ich mir auch von islamischer Seite mehr.“

Papst Franziskus hat von der „Ökumene des Leidens“ gesprochen als Fundament für das gemeinsame Eintreten gegen die Christenverfolgung, was müssen wir tun, um diese „Ökumene des Leidens“ auch bei uns ankommen zu lassen?

„Leiden heißt im griechischen ja ‚sympathein‘; wir müssten als erstes Interesse für diese Christen im Irak, im Gazastreifen, in Palästina und Israel finden. Auch in Indonesien und Pakistan ist die Situation ja ähnlich, oder im Sudan oder in Nigeria. Erstens also wirklich das Interesse. Das zweite ist dann, dass man wirklich innerlich mitleidet und das dritte ist dann, dass man intensiv betet. Und dazu gehört für Christen natürlich auch, dass man alle politischen Möglichkeiten, die wir haben, einsetzt damit man Verantwortliche, die etwas dagegen tun können, auch zum Handeln bringt. Es muss auch einen größeren Druck auf die Staaten geben, auf den Irak, auf die Staaten in Afrika, auf Israel und Palästina, dass sie die Christen mehr schützen.“ (rv)

Pakistan: Blasphemiegesetzt bleibt umstritten

PakistanImmer wieder wird die Abschaffung des sog. Blasphemiegesetz in Pakistan gefordert. Gotteslästerung werde zum Vorwand genommen für Übergriffe gegen Minderheiten, so internationale Menschenrechtsgruppen und katholische Hilfswerke wie zum Beispiel „Missio". Zuletzt kam es zu Gewalttätigkeiten gegen Besucher einer christlichen Kirche, bei der 120 Menschen starben.

Joseph Coutts ist Erzbischof von Karachi. Im Gespräch mit Radio Vatikan betont er, dass das Blasphemiegesetz leicht missbraucht werden könne. Man dürfe nicht extremistische Minderheiten mit dem Islam gleichsetzen.

„Das Gesetz wendet sich eigentlich nicht direkt gegen Christen. Das Problem ist, dass das Gesetz sehr leicht missbraucht werden kann. Das Gesetz kann auch einen Moslem treffen. Wenn erst einmal jemand der Blasphemie angeklagt wird, ist es sehr schwierig seine Unschuld zu beweisen. Es wird noch gefährlicher, wenn der Imam über die Lautsprecher der Moschee verkündet, dass jemand blasphemisch geredet hat. Das ist 2009 in einer kleinen Stadt namens Gojra passiert, worauf hin ohne Überprüfung der Tatsachen das Christenviertel überfallen wurde. Dabei kamen acht Menschen ums Leben. Es gab auch viele gute Muslime, die nach den Übergriffen gesagt haben, das hätte nicht passieren dürfen."

Über das Schicksal von Asia Bibi, die seit 2009 wegen des Blasphemiegesetzes in Haft ist, gibt es nichts neues zu berichten, so der Erzbischof. Derzeit warte man auf das Urteil des Berufungsgerichtes.

„Wir dürfen nicht vergessen: Wenn wir von Terroristen und Extremisten reden, dann sind nicht alle Muslime so. Die Mehrheit der Moslems in Pakistan ist sehr moderat. Wir leben gut zusammen, und auch Moslems besuchen unsere christlichen Schulen. Es waren auch viele Moslems dabei, die nach den letzten Übergriffen zu mir gekommen sind und ihr Mitleid ausgedrückt haben. Es gibt Gruppen – so die Menschenrechtskommission oder auch unabhängige Gruppen -, bei denen fast alle Moslems sind und sie sind sehr gut. Sie erheben ihre Stimme bei Übergriffen gegenüber religiösen Minderheiten, aber auch bei anderen Ungerechtigkeiten." (rv)

Pakistan: „Rimsha sorgte für Gesinnungswandel bei Muslimen“

Das pakistanische Mädchen Rimsha Masih ist zu einer Symbolfigur für Pakistan geworden. Das sagt im Gespräch mit Radio Vatikan Paul Bhatti, der Katholik, der die pakistanische Regierung in Minderheitenfragen berät. Der „Fall Rimsha" sei der Beweis dafür, dass auch in einem Land wie Pakistan Gerechtigkeit herrschen könne.

„Sie hat es geschafft, nicht nur die internationale Gemeinschaft auf das Problem des Blasphemiegesetzes aufmerksam zu machen. Rimsha hat auch einen Gesinnungswandel bei vielen Muslimen bewirkt. Bisher war es so, dass verurteilte oder auch nur beschuldigte Christen öffentlich angeprangert und sogar getötet wurden. Durch die Vermittlung der pakistanischen Regierung haben wir es geschafft, dies zu stoppen. Aber Rimsha hat erreicht, dass jetzt auch lokale Muslimführer davon überzeugt sind, dass jeder Mensch ein Anrecht auf Gerechtigkeit hat."

In Pakistan, wo die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung Muslime sind, kann eine Beleidigung des Propheten Mohammed weiterhin mit dem Tod bestraft werden. Paul Bhatti ist aber zuversichtlich, dass künftig die Minderheiten nicht mehr willkürlich beschuldigt werden.

„Die Menschen wissen nun, dass jeder, der falsches Zeugnis ablegt, bestraft werden kann. Künftig werden sich wohl viele zuerst überlegen, ob sie einfach jemand der Blasphemie beschuldigen sollen. Es war ein positiver Schock, dass ein Imam verhaftet wurde, der Rimsha beschuldigt hatte, ohne handfeste Beweise vorlegen zu können."

Ein Gericht in der Hauptstadt Islamabad hatte am Freitag die Freilassung des am 16. August festgenommenen Mädchens gegen Kaution angeordnet. Vor einer Woche hatte die pakistanische Polizei den islamischen Geistlichen festgenommen, der das Verfahren ins Rollen brachte. Der Imam Hafiz Mohammed Khalid Chishti wird verdächtigt, gefälschte Beweisstücke vorgelegt zu haben. (rv)

Pakistan: Christliches Mädchen auf Kaution freigelassen

Rimsha Masih kommt gegen Kaution auf freien Fuß: Ein Richter in Islamabad verfügte an diesem Freitagmorgen die Entlassung der jungen Christin aus der Haft. Dafür müssen ihre Unterstützer eine Kaution von einer Million Rupien hinterlegen; das entspricht etwa 8.300 Euro. Eine Entscheidung über Schuld oder Unschuld ist das nicht. Die ungefähr 13-jährige christliche Müllsammlerin aus einem Slum am Rand der pakistanischen Hauptstadt wird beschuldigt, Fetzen eines verbrannten Korans mitgeführt zu haben.

„DRINGEND – ", so meldeten die ersten internationalen Nachrichtenagenturen um 9.39 Uhr: „Rimsha wird gegen Kaution freigelassen." „Ich akzeptiere ihren Antrag auf Freilassung", mit diesen Worten zitieren sie den Richter Muhammad Azam Khan aus Islamabad. Rimshas Anwälte hatten zuvor in einer mehr als zweistündigen Verhandlung dargelegt, warum das geistig offenbar zurückgebliebene Mädchen – eine Analphabetin – aus ihrer Sicht nicht gegen den Blasphemieparagraphen verstoßen habe. Dieser Paragraph stellt die Lästerung von Religion unter Strafe; er wird oft gegen Angehörige der christlichen Minderheit gewendet, so auch vor drei Wochen – zeitgleich zum islamischen Opferfest – gegen Rimsha Masih. In dem kleinen und drückend heißen Gerichtssaal drängten sich etwa achtzig Zuhörer; Demonstrationen oder Unmutsäußerungen vor dem Gebäude gab es offenbar nicht.

Die polizeiliche Untersuchung zum Fall Rimsha „ist immer noch im Gang", erklärte einer der Anwälte, Raja Ikram, einem afp-Journalisten; das Mädchen darf derzeit Pakistan nicht verlassen. Noch nicht auf freiem Fuß ist der Imam einer Moschee, die nahe an Rimshas Wohnung liegt; er wurde am letzten Wochenende verhaftet. Zeugen beschuldigen ihn, dem Mädchen die verbrannten Koranfetzen zugesteckt zu haben. Sein Ziel sei gewesen, die christlichen Familien zur Flucht aus dem Stadtviertel zu veranlassen. Einer der wichtigsten muslimischen Verbände Pakistans, der Ulema-Rat, hat sich hinter Rimsha gestellt. Unklar ist noch, wer die Kaution zahlt und wo Rimsha fürs erste Aufnahme finden wird. Schließlich müsste sie in ihrem alten Wohnviertel um ihr Leben fürchten.

Der Pakistan-Verantwortliche von „Human Rights Watch", Ali Dayan Hasan, hat die Entscheidung des Richters begrüßt. Tatsache sei allerdings, „dass das Kind gar nicht erst ins Gefängnis hätte gesteckt werden dürfen". Er forderte, alle Anklagepunkte gegen Rimsha fallenzulassen und das pakistanische Blasphemiegesetz zu ändern. (rv)

Pakistan: Rimsha-Ankläger festgenommen

Sicherheitskräfte haben am Samstagabend in Islamabad den Imam festgenommen, der eine minderjährige Christin der Blasphemie beschuldigt hat. Nach Angaben eines Polizeisprechers haben drei Zeugen, darunter sein Assistent, den Geistlichen beschuldigt, dem Mädchen verkohlte Seiten eines Koran in die Tasche geschmuggelt zu haben. Sein Ziel sei es gewesen, die christliche Minderheit in dem Wohnviertel am Stadtrand der Hauptstadt unter Druck zu setzen. Dem Imam Hafiz Mohammed Khalid Chishti droht nun, wie der jungen Christin, ebenfalls ein Verfahren wegen Blasphemie. Die christliche Müllsammlerin Rimsha Masih war vor 14 Tagen in Polizeigewahrsam genommen worden. An diesem Montag wollte ein Gericht in Islamabad darüber befinden, ob sie auf Kaution freigelassen wird; die Entscheidung wurde aber erneut verschoben, diesmal auf kommenden Freitag. Berichten zufolge hat Rimsha das Down-Syndrom.

Der pakistanische Katholik Mobeen Shahid lehrt in Rom an der Päpstlichen Lateran-Universität – und hat in diesen Tagen viel mit Christen in seiner Heimat telefoniert. Er sagte uns an diesem Wochenende in einem Interview:

„Ich habe Rimshas Anwalt Tahir Naveed Chaudry angerufen: Er sagt, dass es Rimsha im Polizeigewahrsam sehr schlecht geht. Ihre Eltern fehlen ihr, ihr normales Umfeld, das sie kennt und wo sie gelebt hat. Rimsha ist nach meinen Informationen 13 Jahre alt, sie ist geistig zurückgeblieben, und nach zwei Wochen in Haft geht es ihr immer schlechter."

Bisherige Berichte hatten das Alter des Mädchens meistens mit elf Jahren angegeben. Die Entscheidung, ob Rimsha auf Kaution freikommt, ist vom Gericht mehrmals aufgeschoben worden.

„In gewisser Hinsicht ist dieses Aufschieben etwas Positives – das Gericht will eben mit aller Vorsicht vorgehen. Auf der anderen Seite aber ist es kontraproduktiv, das sehen wir an einer Äußerung des Anwalts von Ahmad. Ahmad ist der junge Mann, der Rimsha beschuldigt hat, den Koran verbrannt zu haben. Der Anwalt hat wörtlich gesagt: „Wenn nötig, wird es eben neue Mumtaz Quadris geben." Ein solcher Satz aus dem Mund des Anwalts des Anklägers schürt Hass und auch Fanatismus gegen die religiösen Minderheiten!"

Mumtaz Quadri war der Leibwächter, der letztes Jahr den Gouverneur des Bundesstaates Punjab ermordet hat. Der Politiker, Salman Tassir, hatte sich offen gegen das Blasphemiegesetz ausgesprochen, und er hatte Asia Bibi im Gefängnis besucht, die als Symbol bekannt gewordene Christin, die wegen dieses Gesetzes in Haft sitzt. Diese Haltung wurde dem Gouverneur zum Verhängnis. Sein Leibwächter erstach ihn.

„Man muss sich vor Augen führen, dass Tassir ein Muslim war – und dass Mumtaz Quadri als Polizist arbeitete. Quadri befürwortete das Blasphemiegesetz, weil es ihm um die Ehre des Propheten Mohammedd ging, und darum durfte dieses Gesetz aus seiner Sicht keinesfalls angerührt werden. Dabei hatte Tassir strenggenommen nur die Ausführungsbestimmungen des Gesetzes ändern wollen. Wenn der Anwalt von Ahmad sich jetzt also auf Mumtaz Quadri beruft, dann schürt er damit religiösen Hass gegen alle Nicht-Muslime in Pakistan."

Mobeen Shahid dementiert im Interview mit uns Berichte, dass der Anwalt der kleinen Rimsha ausgetauscht worden sei. Er bestätigt hingegen, dass insgesamt 600 Christen nach Rimshas Festnahme aus ihrem Slum geflohen seien.

„Sie haben weiterhin Angst davor, zurückzukehren, trotz aller Zusicherungen, die man ihnen macht. Aber sie haben erlebt, wie es der örtlichen Polizei nicht gelungen ist, aufgehetzte Massen daran zu hindern, ganze Dörfer in Brand zu stecken. Und sie haben erlebt, dass die Händler in ihrem Viertel sich weigern, ihnen Lebensmittel zu verkaufen – wie könnten sie dann jetzt auf den Gedanken kommen, wieder in ihr Viertel zurückzukehren?"

Mobeen Shahid leitet den Verband pakistanischer Christen in Italien; er führt derzeit eine Kampagne namens „Retten wir Rimsha Masih" durch, der sich u.a. hundert italienische Parlamentarier angeschlossen haben, dazu einige Bischöfe und Musliminnen aus den Golfstaaten. Gemeinsam wollen sie an den pakistanischen Präsidenten appellieren, Rimshas Freilassung zu verfügen. Dabei ist die junge Müllsammlerin keineswegs Pakistans einziger verfolgter Christ – im Gegenteil:

„In Pakistan werden die religiösen Minderheiten verfolgt, und damit auch die Christen. Ihre Lage hat sich kontinuierlich verschlechtert, seit letztes Jahr Shahbaz Bhatti ermordet wurde, der christliche Minister für die Angelegenheiten von Minderheiten. Shahbaz war noch jedem Fall von Diskriminierung von Minderheiten gefolgt, hatte sich jedes Mal vor Ort informiert und ist an den Fällen drangeblieben. Letztes Jahr gab es nun fast tausend Fälle von Zwangsbekehrungen zum Islam und von damit zusammenhängenden Morden; dieses Jahr liegt die Zahl schon bei fast zweitausend. Pakistan ist heute ein Opfer des Extremismus im Namen der Religion. In Wirklichkeit ist dieser Extremismus aber gar nicht an eine Religion gebunden, sondern ist ein übergreifendes Phänomen."

Immer noch in Haft sitzt in Pakistan die bereits genannte Asia Bibi, Mutter von fünf Kindern: Die Christin war 2010 wegen angeblicher Blasphemie festgenommen worden, zeitweise drohte ihr die Todesstrafe. Viele haben sich vom Ausland aus für sie eingesetzt, aber gebracht hat das nichts.

„Auch Asia Bibi geht es sehr schlecht nach diesen fast zwei Jahren in Einzelhaft. Der Berufungsprozess ist noch beim Obersten Gericht von Lahore in Gang. Wir hoffen immer, dass es einmal zu einer Anhörung kommt, aber aus Sicherheitsgründen war dies bisher nicht der Fall."

Der Leiter der bischöflichen Justitia-et-Pax-Kommission, Pater Emmanuel Yousaf, hat an diesem Montag an der gerichtlichen Anhörung in Islamabad im Fall Rimsha Masih teilgenommen. Im Gespräch mit dem vatikanischen Fidesdienst erklärte er sich davon überzeugt, dass das Mädchen am Freitag vom Gericht auf freien Fuss gesetzt werde. Aus seiner Sicht werde der Fall Rimsha „ein Exempel statuieren". Vor dem Gericht habe es keine Kundgebungen gegen Rimsha oder für den verhafteten Imam gegeben. Stattdessen häufen sich nach Yousafs Darstellung auch von muslimischer Seite Zeichen der Solidarität. So habe der Mufti einer Moschee in Karatschi angekündigt, Rimsha und ihre Familie bei sich aufzunehmen. (rv)

Pakistan: Kaum schuldfähig

Der Anwalt von Rimsah Masih verlangt, die Anklage gegen die Elfjährige fallenzulassen. Die junge Christin mit Down-Syndrom sitzt in Untersuchungshaft, weil sie Fragmente eines verbrannten Koran mit sich führte. Eine Medizinerkommission erklärte das wegen Blasphemie angeklagte Mädchen am vergangenen Dienstag offenbar für geistig unterentwickelt und damit nur bedingt schuldfähig. Das Mädchen hätte diesen Angaben nach noch nicht einmal inhaftiert werden dürfen. Rimsha sei wahrscheinlich zwischen 13 und 14 Jahre alt, ihre geistige Entwicklung entspreche jedoch der einer 9-Jährigen, so die Mediziner. Damit könnte der Fall an ein Jugendgericht übergehen. Eine Anhörung des Mädchens vor Gericht in Islamabad wurde den Berichten zufolge auf den 30. August verschoben.

Empörung über das bisherige Vorgehen gegen Rimsha herrscht auch bei islamischen Gelehrten in Pakistan. Das berichtet die Katholische Nachrichtenagentur an diesem Dienstag. So habe der Vorsitzende des Ulema-Rates, Tahir Ashrafi, geäußert, die Art und Weise, wie hier das Blasphemiegesetz angewandt werde, erinnere an „das Gesetz des Dschungels". Der Dachverband islamischer Gelehrter will nun in Zusammenarbeit mit der Polizei eine eigene Untersuchung einleiten, um zu klären, inwieweit man Rimsha „fälschlicherweise" der Blasphemie bezichtige und wie sehr dadurch der Extremismus angestachelt werde. An dieser Untersuchung sollten auch Nichtmuslime sowie ein ehemaliger Richter beteiligt werden. (rv)

„Pakistanisches Mädchen kann nicht lesen und schreiben“

In den Fall Rimsah Masih schaltet sich jetzt auch ein Kardinal ein. Die elfjährige Christin mit Down-Syndrom ist in Pakistan wegen Blasphemie verhaftet worden; sie soll in einem christlichen Slum am Stadtrand von Islamabad Fragmente eines verbrannten Koran mitgeführt haben. Der französische Kurienkardinal Jean-Louis Tauran sagt zu dem Fall:

„Es handelt sich bei ihr um ein Mädchen, das weder schreiben noch lesen kann. Sie hat Müll aufgelesen, um zu überleben; dabei hat sie auch die Fragmente dieses Buches aufgesammelt, die sie im Abfall gefunden hat. Bevor man behauptet, dass ein heiliger Text geschändet worden sei, sollte man erst einmal die Fakten verifizieren!"

Es ist das erste Mal, dass ein hochrangiger Vatikanmann zu dem Fall Stellung nimmt. Papst Benedikt XVI. hat letztes Jahr öffentlich gefordert, Pakistan solle sein Blasphemiegesetz fallenlassen; das Gesetz gegen religiöse Beleidigung führt immer wieder zur Verhaftung oder Diskriminierung von Christen. Die pakistanische Regierung hatte den Aufruf des Papstes zurückgewiesen. Kardinal Tauran leitet den Päpstlichen Dialograt. In seinem Gespräch mit Radio Vatikan brach er erneut eine Lanze für die Religionsfreiheit:

„Religionsfreiheit ist aus unserer Sicht der Raum, wo der Mensch frei ist, um auf die grundlegenden Fragen eine Antwort zu finden. Außerdem geht es hier um den Platz, den die Religion in der Gesellschaft haben darf. Hier wird auch an die Rolle des Staates bei der Verteidigung der Menschenrechte gerührt; das Recht auf Religionsfreiheit ist so etwas wie die Grundlage für die anderen Menschenrechte." (rv)