Ägypten: Christliche Lehrerin wegen Blasphemie verurteilt

ÄgyptenNicht nur in Pakistan: Eine christliche Lehrerin in Ägypten ist zu sechs Monaten Haft wegen Blasphemie verurteilt worden. Dimyana Abdel Nour habe vor ihren Schülern den islamischen Propheten Mohammed verspottet, urteilte ein Gericht. Die bei ihrer Verhaftung 23-jährige Lehrerin war von drei zehnjährigen Schülern der Sheikh Sultan Grundschule in Luxor beschuldigt worden, in ihrem Unterricht über die Geschichte der Weltreligionen den Islam und den Propheten Mohammed beleidigt zu haben. Die Eltern der drei Schüler warfen ihr vor, jedes Mal, wenn sie den Namen des islamischen Propheten Mohammed erwähnte, ihre Hand auf ihren Magen oder ihren Hals zu legen. Das berichtet die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Trotz der Entmachtung der Muslimbrüder und des eher säkular orientierten neuen Regierungskurses ist die Zahl der Verurteilungen wegen Blasphemie in Ägypten in jüngster Zeit enorm gestiegen. Das bestätigt gegenüber Radio Vatikan auch der koptisch-katholische Bischof von Assiut, William Kyrillos.

„Wir stellen fest, dass ein Christ sofort verurteilt wird, selbst wenn es Zweifel gibt, ob der Vorwurf überhaupt stimmt. Es werden dann auch sehr strenge Haftstrafen verhängt. Umgekehrt ist es aber so, dass ein Muslim hier auch sehr schlimm über Christen und das Christentum sprechen kann, ohne dass er Angst vor einer juristischen Verfolgung haben muss.“

Im Fall der verurteilten Lehrerin hatten sich sogar der muslimische Schuldirektor und die Mehrheit der Schüler für die Christin eingesetzt und sie verteidigt.

„Wir haben den Eindruck, dass es keinen politischen Willen gibt, den Christen Gerechtigkeit zu garantieren. Das stellen wir jetzt nicht nur im konkreten Fall dieser Lehrerin fest, sondern auch bei anderen Fällen ist es so, dass die Christen benachteiligt werden. Es gibt auch zahlreiche Fälle von Gewalt gegenüber Christen, ohne dass sich die Behörden um Gerechtigkeit kümmern. Diese Situation belastet uns sehr.“

Dennoch reagiere die christliche Gemeinschaft in Ägypten friedlich auf solche Fälle. Sie bete für die Betroffenen, stelle ihnen Anwälte zur Verfügung und unterstütze die Familien der Verhafteten.

„Wir dürfen nicht vergessen, dass es auch in der neuen Regierung viele Islamisten gibt, auch wenn die Muslimbrüder nicht mehr an der Macht sind. Es gibt aber auch viele Muslime in Ägypten, die sich für eine – sagen wir – bereinigte staatliche Verwaltung einsetzen, in der Extremisten keinen Platz haben. Es wäre wünschenswert, wenn nach der Vertreibung der Muslimbrüder auch noch weitere Schritte unternommen werden, damit jeglicher Fanatismus beseitigt wird.“ (rv)

Pakistan: Rimsha-Ankläger festgenommen

Sicherheitskräfte haben am Samstagabend in Islamabad den Imam festgenommen, der eine minderjährige Christin der Blasphemie beschuldigt hat. Nach Angaben eines Polizeisprechers haben drei Zeugen, darunter sein Assistent, den Geistlichen beschuldigt, dem Mädchen verkohlte Seiten eines Koran in die Tasche geschmuggelt zu haben. Sein Ziel sei es gewesen, die christliche Minderheit in dem Wohnviertel am Stadtrand der Hauptstadt unter Druck zu setzen. Dem Imam Hafiz Mohammed Khalid Chishti droht nun, wie der jungen Christin, ebenfalls ein Verfahren wegen Blasphemie. Die christliche Müllsammlerin Rimsha Masih war vor 14 Tagen in Polizeigewahrsam genommen worden. An diesem Montag wollte ein Gericht in Islamabad darüber befinden, ob sie auf Kaution freigelassen wird; die Entscheidung wurde aber erneut verschoben, diesmal auf kommenden Freitag. Berichten zufolge hat Rimsha das Down-Syndrom.

Der pakistanische Katholik Mobeen Shahid lehrt in Rom an der Päpstlichen Lateran-Universität – und hat in diesen Tagen viel mit Christen in seiner Heimat telefoniert. Er sagte uns an diesem Wochenende in einem Interview:

„Ich habe Rimshas Anwalt Tahir Naveed Chaudry angerufen: Er sagt, dass es Rimsha im Polizeigewahrsam sehr schlecht geht. Ihre Eltern fehlen ihr, ihr normales Umfeld, das sie kennt und wo sie gelebt hat. Rimsha ist nach meinen Informationen 13 Jahre alt, sie ist geistig zurückgeblieben, und nach zwei Wochen in Haft geht es ihr immer schlechter."

Bisherige Berichte hatten das Alter des Mädchens meistens mit elf Jahren angegeben. Die Entscheidung, ob Rimsha auf Kaution freikommt, ist vom Gericht mehrmals aufgeschoben worden.

„In gewisser Hinsicht ist dieses Aufschieben etwas Positives – das Gericht will eben mit aller Vorsicht vorgehen. Auf der anderen Seite aber ist es kontraproduktiv, das sehen wir an einer Äußerung des Anwalts von Ahmad. Ahmad ist der junge Mann, der Rimsha beschuldigt hat, den Koran verbrannt zu haben. Der Anwalt hat wörtlich gesagt: „Wenn nötig, wird es eben neue Mumtaz Quadris geben." Ein solcher Satz aus dem Mund des Anwalts des Anklägers schürt Hass und auch Fanatismus gegen die religiösen Minderheiten!"

Mumtaz Quadri war der Leibwächter, der letztes Jahr den Gouverneur des Bundesstaates Punjab ermordet hat. Der Politiker, Salman Tassir, hatte sich offen gegen das Blasphemiegesetz ausgesprochen, und er hatte Asia Bibi im Gefängnis besucht, die als Symbol bekannt gewordene Christin, die wegen dieses Gesetzes in Haft sitzt. Diese Haltung wurde dem Gouverneur zum Verhängnis. Sein Leibwächter erstach ihn.

„Man muss sich vor Augen führen, dass Tassir ein Muslim war – und dass Mumtaz Quadri als Polizist arbeitete. Quadri befürwortete das Blasphemiegesetz, weil es ihm um die Ehre des Propheten Mohammedd ging, und darum durfte dieses Gesetz aus seiner Sicht keinesfalls angerührt werden. Dabei hatte Tassir strenggenommen nur die Ausführungsbestimmungen des Gesetzes ändern wollen. Wenn der Anwalt von Ahmad sich jetzt also auf Mumtaz Quadri beruft, dann schürt er damit religiösen Hass gegen alle Nicht-Muslime in Pakistan."

Mobeen Shahid dementiert im Interview mit uns Berichte, dass der Anwalt der kleinen Rimsha ausgetauscht worden sei. Er bestätigt hingegen, dass insgesamt 600 Christen nach Rimshas Festnahme aus ihrem Slum geflohen seien.

„Sie haben weiterhin Angst davor, zurückzukehren, trotz aller Zusicherungen, die man ihnen macht. Aber sie haben erlebt, wie es der örtlichen Polizei nicht gelungen ist, aufgehetzte Massen daran zu hindern, ganze Dörfer in Brand zu stecken. Und sie haben erlebt, dass die Händler in ihrem Viertel sich weigern, ihnen Lebensmittel zu verkaufen – wie könnten sie dann jetzt auf den Gedanken kommen, wieder in ihr Viertel zurückzukehren?"

Mobeen Shahid leitet den Verband pakistanischer Christen in Italien; er führt derzeit eine Kampagne namens „Retten wir Rimsha Masih" durch, der sich u.a. hundert italienische Parlamentarier angeschlossen haben, dazu einige Bischöfe und Musliminnen aus den Golfstaaten. Gemeinsam wollen sie an den pakistanischen Präsidenten appellieren, Rimshas Freilassung zu verfügen. Dabei ist die junge Müllsammlerin keineswegs Pakistans einziger verfolgter Christ – im Gegenteil:

„In Pakistan werden die religiösen Minderheiten verfolgt, und damit auch die Christen. Ihre Lage hat sich kontinuierlich verschlechtert, seit letztes Jahr Shahbaz Bhatti ermordet wurde, der christliche Minister für die Angelegenheiten von Minderheiten. Shahbaz war noch jedem Fall von Diskriminierung von Minderheiten gefolgt, hatte sich jedes Mal vor Ort informiert und ist an den Fällen drangeblieben. Letztes Jahr gab es nun fast tausend Fälle von Zwangsbekehrungen zum Islam und von damit zusammenhängenden Morden; dieses Jahr liegt die Zahl schon bei fast zweitausend. Pakistan ist heute ein Opfer des Extremismus im Namen der Religion. In Wirklichkeit ist dieser Extremismus aber gar nicht an eine Religion gebunden, sondern ist ein übergreifendes Phänomen."

Immer noch in Haft sitzt in Pakistan die bereits genannte Asia Bibi, Mutter von fünf Kindern: Die Christin war 2010 wegen angeblicher Blasphemie festgenommen worden, zeitweise drohte ihr die Todesstrafe. Viele haben sich vom Ausland aus für sie eingesetzt, aber gebracht hat das nichts.

„Auch Asia Bibi geht es sehr schlecht nach diesen fast zwei Jahren in Einzelhaft. Der Berufungsprozess ist noch beim Obersten Gericht von Lahore in Gang. Wir hoffen immer, dass es einmal zu einer Anhörung kommt, aber aus Sicherheitsgründen war dies bisher nicht der Fall."

Der Leiter der bischöflichen Justitia-et-Pax-Kommission, Pater Emmanuel Yousaf, hat an diesem Montag an der gerichtlichen Anhörung in Islamabad im Fall Rimsha Masih teilgenommen. Im Gespräch mit dem vatikanischen Fidesdienst erklärte er sich davon überzeugt, dass das Mädchen am Freitag vom Gericht auf freien Fuss gesetzt werde. Aus seiner Sicht werde der Fall Rimsha „ein Exempel statuieren". Vor dem Gericht habe es keine Kundgebungen gegen Rimsha oder für den verhafteten Imam gegeben. Stattdessen häufen sich nach Yousafs Darstellung auch von muslimischer Seite Zeichen der Solidarität. So habe der Mufti einer Moschee in Karatschi angekündigt, Rimsha und ihre Familie bei sich aufzunehmen. (rv)