Viri probati: Papst Franziskus und der bröckelnde Zölibat

Anfang des Jahres hat der Papst eine mögliche Öffnung bei der Vorschrift der Ehelosigkeit für Priester angedeutet. Er sagte:

„Wir müssen darüber nachdenken, ob „viri probati“ (bewährte verheiratete Männer) eine Möglichkeit sind. Dann müssen wir auch bestimmen, welche Aufgaben sie übernehmen können, zum Beispiel in weit entlegenen Gemeinden.“

Derzeit gibt es drei Ausnahmemöglichkeiten als verheirateter Kleriker eingesetzt werden zu können.

  • Übergetretene Pfarrer aus einer evangelischen oder anglikanischen Kirche.
  • Priester einer katholischen Ostkirche.
  • Verheiratete Diakone, welche aber keine Priester werden können.

Priestermangel ist kein Phänomen Europas, sondern existiert weltweit. Die Diskussion darüber ist auch nicht neu, schließlich hat die Katholische Kirche diese Mangelerscheinung in den Priesterseminaren und Pfarreien schon seit Jahrzehnten. Der Papst sprach allerdings von dieser Möglichkeit speziell von „weit entlegenen Gemeinden“, was er genau damit meinte bleibt noch abzuwarten.

Amazonas Bischofssynode 2019

Im Oktober kündigte Franziskus eine Sonderversammlung der Bischofssynode 2019 für das Amazonas-Gebiet in Rom an. Im Amazonasgebiet herrscht ein besonderer Mangel an Priestern und offenbar findet der Papst für eine mögliche Veränderung im Sinne von „viri probati“ die ersten Mitstreiter zum Thema. So der Österreicher Erich Kräutler C.P.P.S., dieser war von 1981 bis 2015 Bischof und Prälat von Xingu, der größten Diözese Brasiliens und der Brasilianer Kardinal Cláudio Hummes O.F.M., von 2006 bis 2010 Präfekt der Kleruskongregation in Rom und von 1999 bis 2014 Mitglied der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika. Beide Kirchenmänner sind treibende Kräfte für Veränderungen des Priestertums im Amazonasgebiet. Ihre Vorstellungen sind radikaler als die Ankündigungen des Papstes. Geht es nach ihnen, so kommt es unweigerlich zur Zölibatsabschaffung durch den Papst.

Kardinal Marx und „viri probati“

Am Freitag dieser Woche fand in München bei der Herbstvollversammlung des Landeskomitees der Katholiken in Bayern das Thema deutlichen Anklang. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Marx sagte hier: „Das Thema „viri probati“ muss einmal gründlich durchdacht und in der ganzen Bandbreite der Problematik besprochen werden“. Der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner äußerte in einem Impulsreferat die Überzeugung, dass der Papst neue Formen des Priestertums zulassen wird. Verdeutlichend sagte er: „Wir werden das noch erleben, wenn niemand den Papst erschießt oder vergiftet.“ Der emeritierte Universitätsprofessor Zulehner ist der Herausgeber der Initiative „Pro Pope Francis“ vom Oktober diesen Jahres.

Bis das Thema „viri probatis“ durch den Papst am Ende der Amazonas Bischofssynode entschieden wird, vergehen mindestens noch zwei Jahre. Wie brisant das Thema ist, beweisen aber schon heute die Äußerungen eines Marx und Zulehner in der Öffentlichkeit.

Es bleibt zu Hoffen, dass „viri probati“ nicht im selben Informationsdesaster wie „Amoris laetitia“ enden wird. (vh)

Bedford-Strohm: „Uns bringt niemand mehr auseinander!“

„Beeindruckend“, „bleibend wichtig“, „bewegend“: Mit solchen Worten blickt Heinrich Bedford-Strohm auf das Reformations-Gedenkjahr zurück. Er sei „extrem dankbar“ für die ökumenische Ausrichtung dieses Jahres, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) und lutherische Landesbischof von Bayern am Wochenende in Rom in einem Interview mit Radio Vatikan.

Am 31. Oktober 1517, also vor genau 500 Jahren, hat Martin Luther in Wittenberg seine 95 Thesen veröffentlicht und damit die Reformation ausgelöst.

Hier lesen Sie unser Interview mit Bischof Bedford-Strohm im vollen Wortlaut. Die Fragen an Bischof Bedford-Strohm stellte Stefan von Kempis.

Frage: Was ist gut, was ist weniger gut gelaufen, was war inspirierend am Gedenkjahr?

Antwort: „Dieses Reformationsjahr 2017 war in vieler Hinsicht ein wirklich reiches Jahr, für das ich sehr dankbar bin! Und das, was es vielleicht am beeindruckendsten gemacht hat und vielleicht am meisten bleibend wichtig sein lässt, ist die Tatsache, dass wir zum ersten Mal in der Geschichte seit der Reformation dieses Jubiläum und Gedenken in gemeinsamem ökumenischem Geist gefeiert haben. Alle anderen Jubiläen waren dadurch gekennzeichnet, dass die Identität durch die Abgrenzung und sogar Abwertung der anderen geschaffen werden sollte.

Es gibt keinen katholischen oder evangelischen Christus

Wir haben uns entschieden, dieses Reformationsjahr so zu feiern, dass wir dem gerecht werden, worum es Martin Luther selber gegangen ist. Martin Luther ging es darum, Christus neu zu entdecken! Er wollte eine religiöse Erneuerungsbewegung anstoßen, er wollte keine neue Kirche gründen. Die historischen Umstände haben dann dazu geführt, dass eine neue Kirche entstanden ist und dass es eine Trennung der Kirchen gegeben hat.

Heute können wir das, worum es Martin Luther ging, nämlich Christus neu entdecken, religiöse neue Kraft bekommen, nicht mehr gegeneinander tun – nur noch miteinander, nur noch in ökumenischem Geist. Und deswegen bin ich extrem dankbar für alle ökumenischen Gottesdienste, die mich und viele Menschen sehr berührt haben und die gezeigt haben: Es gibt keinen katholischen Christus, keinen evangelischen Christus und keinen orthodoxen Christus, sondern nur den einen Herrn Jesus Christus!“

Frage: Man hätte vorher gar nicht gedacht, dass in diesem Gedenkjahr eine solche Dynamik entstehen würde. Was sind denn die Spuren, die jetzt weiterführen, auf die Einheit der Kirchen zu?

Antwort: „Ich glaube, das Wichtigste war und ist, dass ungeheuer viel Vertrauen aufgebaut worden ist, das sich auch in menschlichen Beziehungen zeigt – auch in freundschaftlichen Beziehungen. Die Geschwisterlichkeit um den einen Herrn Jesus Christus herum wird dadurch auch menschlich sehr sichtbar. Diese Grundlage des Vertrauens halte ich für das Wichtigste, und daraus können dann auch Schritte entstehen, die uns als Kirchen zusammenführen.

Wir wollen unsere Vorstellungen von Ökumene klären

Natürlich wäre es sehr schön, wenn wir gemeinsam antworten könnten auf das, was Papst Franziskus immer wieder unterstrichen hat, dass nämlich gerade auch Ehepaare unterschiedlicher Konfession sich sehnen nach dem gemeinsamen Abendmahl. Natürlich hoffe ich, dass solche Schritte dann am Ende dazu führen können, dass wir eben als Menschen, aber vor allem als Christen zusammen das Mahl des Herrn feiern können.

Wir wollen dazu unsere Vorstellungen von Ökumene klären: Was heißt „sichtbare Einheit in versöhnter Verschiedenheit“, ein Stichwort, das wir in diesem Jahr immer wieder gebraucht haben? Was heißt es genau? Und welche der Unterschiede sind wirklich noch kirchentrennend? Es können Unterschiede bleiben; wir müssen nicht einförmig sein. Aber die Unterschiede müssen ihren kirchentrennenden Charakter verlieren, und daran wollen wir jetzt weiter arbeiten.“

Frage: Was ist das eine Erlebnis, der eine Moment, den Sie vom Reformationsjahr besonders in Erinnerung behalten werden?

Als aus der Barriere ein Kreuz wurde

Antwort: „Ich glaube, das ist der Gottesdienst zur Heilung der Erinnerungen am 11. März in Hildesheim. Als ich Kardinal Marx im Namen der evangelischen Christen um Vergebung gebeten habe für die Wunden, die wir den Katholiken zugefügt haben, und er umgekehrt das Gleiche getan hat; als wir dann gesagt haben, was wir an der anderen Konfession schätzen und lieben – das war sehr berührend!

Und dann haben wir eine große Metallbarriere von jungen Menschen aufrichten lassen, und sie ist zum Kreuz geworden, das mit den Balken in alle vier Himmelsrichtungen zeigt. Ein Symbol dafür, dass wir neu auf Christus schauen, wenn wir Zugang zu Gott finden wollen und wenn wir zusammenfinden wollen. Das ist für mich der bewegendste Moment gewesen, und das ist auch die stärkste Basis für die Zukunft. Uns bringt niemand mehr auseinander!“ (rv)

Kardinal Marx schlägt Europäischen Konvent vor

 

 

Kardinal Reinhard Marx hat die Einberufung eines neuen Europäischen Konvents vorgeschlagen, um die europäische Idee wieder mit Leben zu füllen. Es sei wichtig, „Räume des Dialogs für den ganzen Kontinent“ zu schaffen, sagte er am Samstagabend auf einem Kongress im Vatikan. Der Europäische Konvent solle „die großen Fragen der Einigung offen beraten“; dabei müssten „sowohl die Einzelnen als auch die gesellschaftlichen Gruppen die Möglichkeit zur Beteiligung an der Debatte haben“.

Der Münchner Erzbischof Marx ist Präsident der Kommission der katholischen Bischofskonferenzen in der EU (ComECE). Er sprach auf einem von der ComECE organisierten Kongress mit dem Titel „(Re)thinking Europe“ im Vatikan. Dabei bekräftigte er, die Kirche wolle „die Entwicklung einer europäischen Gesellschaft mit befördern“.

Wir geben das Projekt Europa nicht auf

Europa stehe an einem entscheidenden Punkt seiner Entwicklung, so Kardinal Marx. Es stelle sich die Frage, ob der Kontinent sich wieder auseinanderentwickle und zu überkommenen Mustern zurückkehre, oder ob er Kraft zu einem neuen Aufbruch finde. Marx wörtlich: „Jetzt ist die Stunde Europas. Jetzt ist die Stunde der Christen in Europa… Wir geben das Projekt Europa nicht auf, sondern nehmen es neu an.“

An der zweitägigen Dialogveranstaltung im Vatikan, die auf eine Anregung von Papst Franziskus zurückging, nahmen etwa 350 Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft aus allen 28 EU-Mitgliedsstaaten teil. Der Papst – Träger des Aachener Karlspreises für Verdienste um die europäische Einigung – rief sie am Samstagabend dazu auf, „Europa wieder eine Seele zu geben“. (rv)

Sind Kardinäle Marx und Sarah geteilter Meinung über Magnum Principium?

VATIKANSTADT – Welche Autorität gibt das neue Schreiben Magnum Principium den örtlichen Bischöfen? Wer entscheidet letztlich genau darüber, welche Übersetzung des Lateinischen die richtige ist, und wie?

Zwei prominente Kardinäle sind darüber offenbar geteilter Meinung.

Für den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Kardinal Reinhard Marx, stellt das Dokument von Papst Franziskus einen Bruch mit der bisherigen Regelung aus dem Jahr 2001 dar, Liturgiam Authenticam. Letzteres bezeichnete der Münchner Erzbischof als eine, so wörtlich, „Sackgasse“.

Rom sei verantwortlich für dogmatische Interpretationen aber nicht für Stilfragen.

Tatsächlich gibt das neue Schreiben den Ortsbischöfen mehr Autorität, und räumt der zuständigen Behörde in Rom die Rolle ein, nicht mehr eine „Recognitio“ zu erteilen, sondern eine Confirmatio.

Kardinal Robert Sarah, Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, hat nun jedoch betont, dass eine Anerkennung – die Confirmatio – weiterhin keineswegs eine Formalität ist.

Die letzte Entscheidungsbefugnis verbleibe beim Vatikan, so Kardinal Sarah. Rom müsse alle neuen Übersetzungen prüfen und absegnen. Die Kongregation habe das Recht, ein Veto einzulegen, wenn Übersetzungen nicht dem lateinischen Original treu geblieben sind.

Magnum Principium erleichtere die Zusammenarbeit zwischen dem Heiligen Stuhl und den Bischofskonferenzen.

Diese ist gerade aus der Sicht der deutschen Bischöfe nicht immer leicht gewesen. Prominentes Beispiel dafür ist das „Kelchwort“, und eine konkrete Anweisung des – ebenfalls deutschen – Papst Benedikts des Jahres 2006, der er noch einmal dargelegt hat in einem persönlichen Schreiben samt einer Katechese im Jahr 2012, dieses von „für alle“ zu „für viele“ zu ändern, entsprechend dem „pro multis“ im lateinischen Original. Bis heute haben dies die deutschen Bischöfe nicht getan – auch, weil das Messbuch nicht überarbeitet wurde.

In seiner jetzigen Fassung geht es auf die Mitte der 1970er Jahre zurück, und nun hat Kardinal Marx angedeutet, dass man, mit Magnum Principium, eine neue Übersetzung erst einmal nicht brauchen werde. (CNA Deutsch)

Marx: „Deutschland dreht sich nicht um eine einzige Partei“

Nicht nur auf die AfD starren, sondern „verbal abrüsten“: Dazu lädt Kardinal Reinhard Marx ein, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Die Debatten in Deutschland dürften sich nicht ausschließlich um eine Partei drehen, sagte er zum Beginn der Herbstvollversammlung der Bischöfe am Montagnachmittag in Fulda.

„Deutschland dreht sich nicht nur um eine Partei! Sechs Parteien sind im Bundestag vertreten; es geht nicht nur um den Blick auf eine Partei, sondern um den Blick auf Lösungen für Probleme. Nicht von vornherein die Fixierung auf ein einziges Thema und eine einzige Partei – das wäre kontraproduktiv!“

Zwar mache ihm der „Rechtsruck“, der bei der Bundestagswahl zutage getreten sei, durchaus Sorge, sagte der Kardinal. Doch das sei „ein Trend, der generell durch Europa geht, nichts typisch Deutsches“.

„Jeder Abgeordnete ist dem ganzen deutschen Volk verpflichtet. Ich appelliere, verbal abzurüsten und jetzt zur Sachdiskussion zu kommen. Das Parlament hat auch seine Würde. Ich bitte alle Abgeordneten darum, zwar zu streiten, aber mit Respekt vor dem anderen, in der Form eines Dialogs, im Streit um das bessere Argument und in der Suche nach dem Gemeinwohl.“

Aus seiner Sicht gebe es in allen Parteien „Menschen, die sich auf den christlichen Glauben berufen“, fuhr Marx fort. Er hoffe auch im neuen Bundestag auf eine anständige Form der Auseinandersetzung. „Es geht darum, dass der Stil auch deutlich macht: Wir ringen um einen guten Weg. Da ist es sehr wichtig, dass man keine Sprache des Hasses in eine politische Kultur hineinbringt.“

Der Erzbischof von München und Freising nannte ein paar Themenfelder, die auch künftig in der Politik wichtig sein werden und denen das besondere Augenmerk der deutschen Bischöfe gehöre. „Wie gehen wir mit den Fremden um, wie gehen wir mit den Armen um? Wie gehen wir mit Menschen um, die wegen einer Notsituation zu uns gekommen sind? Das sind Fragen, die für Christen in allen politischen Gruppierungen bedeutsam sein sollten.“ Er könne verstehen, dass sich bei den Menschen in Deutschland angesichts von Migranten Ängste entwickelten. „Dass wir die Sorgen der Menschen ernst nehmen, ist klar; diesen Sorgen können wir nur durch eine gute Integration der Menschen begegnen.“ (rv)

Premiere: Eine ökumenische Doppel-Audienz

Es war ein besonderer Moment für die Ökumene: Eine Delegation der evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) war an diesem Montag bei Papst Franziskus zu Gast – und der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, nahm ebenfalls an der Papstaudienz teil. Eine Premiere und ein Highlight des Jahres, in dem an den Beginn der Reformation vor fünfhundert Jahren erinnert wird.

Franziskus würdigte in seiner Ansprache die „langjährige Zusammenarbeit“ und „gereifte ökumenische Beziehung“ der deutschen Kirchen. „Ich wünsche Ihnen, dass Sie auf diesem segensreichen Weg des geschwisterlichen Miteinanders vorankommen und mutig und entschlossen auf eine immer vollkommenere Einheit hin fortschreiten. Wir haben die gleiche Taufe: Wir müssen zusammen gehen, ohne müde zu werden!“

Es sei „bedeutsam“, dass sich evangelische und katholische Christen im Jahr des Reformationsgedenkens vorgenommen hätten, „Christus erneut ins Zentrum ihrer Beziehungen zu stellen“, sagte der Papst. Martin Luthers Frage nach dem gnädigen Gott sei – damit zitierte er seinen Vorgänger Benedikt XVI. – „die tiefe Leidenschaft und Triebfeder“ von Luthers Denken und Handeln gewesen. „Was die Reformatoren beseelte und beunruhigte, war im Grunde der Wunsch, den Weg zu Christus zu weisen. Das muss uns auch heute am Herzen liegen, nachdem wir dank Gottes Hilfe wieder einen gemeinsamen Weg eingeschlagen haben.“

„Nicht grollend auf die Vergangenheit schauen“

Das Gedenkjahr biete die Chance, „einen weiteren Schritt vorwärts zu tun“, fuhr Franziskus fort. Statt „grollend auf die Vergangenheit zu schauen“, sollten die Kirchen „den Menschen unserer Zeit wieder die radikale Neuheit Jesu und die grenzenlose Barmherzigkeit Gottes vor Augen stellen“. Das sei doch „genau das, was die Reformatoren in ihrer Zeit anregen wollten“.

„Dass ihr Ruf zur Erneuerung Entwicklungen auslöste, die zu Spaltungen unter den Christen führten, war wirklich tragisch. Die Gläubigen erlebten einander nicht mehr als Brüder und Schwestern im Glauben, sondern als Gegner und Konkurrenten. Allzu lange haben sie Feindseligkeiten gehegt und sich in Kämpfe verbissen, die durch politische Interessen und durch Machtstreben genährt wurden…“

Zum Glück sei das heute vorbei, urteilte Papst Franziskus. Allerdings müsse man die schmerzhafte Vergangenheit „in Demut und mit Freimut angehen“; darum sei es richtig, dass die Kirchen bald einen Buß- und Versöhnungsgottesdienst feiern wollten, um die „Erinnerung zu heilen“.

„So werden Sie – Katholiken und Protestanten in Deutschland – betend auf den starken Ruf antworten können, den Sie im Ursprungsland der Reformation gemeinsam vernehmen: in Gott das Gedächtnis zu reinigen, um innerlich erneuert und vom Heiligen Geist ausgesandt, dem Menschen von heute Jesus zu bringen.“

Der Papst lobte die gemeinsamen Initiativen von EKD und katholischer Kirche in Deutschland im Jahr des Reformationsgedenkens. Dabei erwähnte er u.a. die gemeinsame Pilgerreise von Bischöfen verschiedener Konfessionen ins Heilige Land. „Mögen die Wiederentdeckung der gemeinsamen Glaubensquellen, die Heilung der Erinnerung in Gebet und Nächstenliebe sowie die praktische Zusammenarbeit bei der Verbreitung des Evangeliums und dem Dienst an den Mitmenschen Impulse sein, um noch rascher auf dem Weg voranzukommen!“

„Wir wissen die Gaben der Reformation zu schätzen“

Jahrzehnte des „ökumenischen Miteinanders“ in Deutschland haben nach Ansicht des Papstes eine „geistliche Verbundenheit gefestigt“. Das mache es heute möglich, „das beiderseitige Versagen an der Einheit im Kontext der Reformation und der nachfolgenden Entwicklungen heute gemeinsam zu beklagen“. „Zugleich wissen wir – in der Wirklichkeit der einen Taufe, die uns zu Brüdern und Schwestern macht, und im gemeinsamen Hören auf den Geist – in einer bereits versöhnten Verschiedenheit die geistlichen und theologischen Gaben zu schätzen, die wir von der Reformation empfangen haben.“

Versöhnte Verschiedenheit ist eine Formulierung des reformierten Theologen und Konzils-Beobachters Oscar Cullmann, die das Ziel einer christlichen Einheit beschreibt. Der Lutherische Weltbund hat sich die „versöhnte Verschiedenheit“ als ökumenisches Leitbild auf die Fahnen geschrieben, und Franziskus hat sich schon in seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires dazu bekannt.

Der Papst erinnerte an seine Teilnahme am Start des offiziellen Reformations-Gedenkjahres im schwedischen Lund Ende Oktober letzten Jahres. Er habe dort „für die Vergangenheit um Vergebung gebeten“, erinnerte er. „Für die Zukunft möchte ich unsere unwiderrufliche Verpflichtung bekräftigen, gemeinsam das Evangelium zu bezeugen und auf dem Weg zur vollen Einheit voranzuschreiten. Indem wir dies gemeinsam tun, kommt auch der Wunsch auf, neue Wege einzuschlagen. Immer mehr lernen wir, uns zu fragen: Können wir diese Initiative mit unseren Brüdern und Schwestern in Christus teilen? Können wir zusammen eine weitere Wegstrecke zurücklegen?“

„Dialog und Zusammenarbeit intensivieren“

Auf den Wunsch vieler Christen, vor allem konfessionsverschiedener Ehepaare, nach einer eucharistischen Gastfreundschaft (Interkommunion) ging Franziskus nicht ausdrücklich ein. Er erwähnte aber die „weiter bestehenden Differenzen in Fragen des Glaubens und der Ethik“, die eine „sichtbare Einheit“ immer noch blockierten – zum Frust vieler Gläubiger.

„Der Schmerz wird besonders von den Eheleuten empfunden, die verschiedenen Konfessionen angehören. Besonnen müssen wir uns mit inständigem Gebet und all unseren Kräften darum bemühen, die noch bestehenden Hindernisse zu überwinden durch eine Intensivierung des theologischen Dialogs und durch eine Stärkung der praktischen Zusammenarbeit unter uns, vor allem im Dienst an denen, die am meisten leiden, und in der Fürsorge für die bedrohte Schöpfung.“

Zum Abschluss der Audienz betete der Papst mit seinen Besuchern aus Deutschland ein Vaterunser: auch das ein Zeichen dafür, was schon geht unter Christen verschiedener Konfessionen. (rv)

Premiere: Deutsche Kirchen pilgern gemeinsam ins Heilige Land

Kardinal MarxEs ist sicher keine Pilgerfahrt wie jede andere: An diesem Sonntag startet eine hochrangige ökumenische Delegation zu einer einwöchigen Pilgerreise ins Heilige Land (Israel/Palästina). Das Besondere daran: Hier sind Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz und des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit dabei. Das macht diese Reise zu einer Premiere.

Die Tour steht im Zusammenhang mit dem Reformationsgedenken: Vermutlich gewinnt man einen ganz anderen Blick auf 500 Jahre Thesenanschlag von Wittenberg, wenn man in der Grabes- und Auferstehungskirche von Jerusalem oder in den Ruinen von Kapharnaum steht.

Einer der katholischen Teilnehmer ist der Trierer Bischof Stephan Ackermann. „Das ist nun wirklich etwas ganz Besonderes, zum ersten Mal eine solche Pilgerreise anzutreten“, urteilt er. „In früheren Zeiten wurden Reformationsjubiläen von beiden Seiten auch zur Profilierung genutzt, zur Abgrenzung – und jetzt zu sagen, wir setzen diesen gemeinsamen Akzent, das ist – glaube ich – wirklich ein starkes Zeichen. Die Pilgergruppe ist auf beiden Seiten hochrangig besetzt. Wir haben gesagt: Das ist uns wichtig. Lasst uns gemeinsam auf die Wurzeln unseres Glaubens schauen!“

Nun gibt es aber schlechterdings keine Reise ins Heilige Land, die nicht auch die verquere politische Realität dort zumindest streift. Warteschlange am Checkpoint an der Mauer zu den besetzten Gebieten, viele Bewaffnete auf den Straßen von Jerusalem – auf irgendeine Weise drängt sich der Nahostkonflikt noch ins frömmste Pilgerwesen hinein.

„Die Botschaft, das Signal heißt immer: Wir fühlen uns den Menschen dort verbunden, wir lassen vor allen Dingen die Christen nicht allein. Aber natürlich gibt es auch eine Partnerschaft mit den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern; von Deutschland kommend gibt es immer die besondere Verantwortung aufgrund unserer Geschichte. Wir sind ihnen verbunden und wollen auch tun, was wir können, um zu einem friedlichen Miteinander beizutragen.“

Die erste gemeinsame Reise beider Kirchen endet am 22. Oktober 2016, also unmittelbar vor Beginn des Reformationsjahres 2017. Jeder Reisetag steht unter einem biblischen Leitwort und unterstreicht so den besonderen Charakter als geistliche Reise. Neben Stationen rund um den See Genezareth stehen Bethlehem und Jerusalem im Mittelpunkt der Pilgerfahrt, die insbesondere durch Gebetszeiten, Bibelarbeit und Gottesdienst geprägt sein wird. Außerdem wird es einen Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem sowie politische Gespräche geben. (rv)

Kardinal Marx sieht Fortschritte in Vietnam

Kardinal MarxKardinal Marx sieht Fortschritte bei der Religionsfreiheit in Vietnam. Zwar seien noch nicht die vollen Rechte gewährleistet, wie sie in den internationalen Menschenrechtsvereinbarungen festgehalten sind. Aber der heutige Zustand sei auch „weit entfernt von der Repression, die die Kirche in früheren Jahrzehnten erleiden musste“, so der Kardinal laut einer Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz. Am Sonntag war der Münchner Erzbischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz von einer neuntägigen Reise in das Land zurückgekehrt. Er war mit Vertretern der örtlichen Kirche und Repräsentanten des Staates sowie des Wirtschaftslebens in Hanoi und Ho-Chi-Minh-City zusammengetroffen. Auch sprach Marx mit einigen Dissidenten. Ein geplanter Besuch in die zentralvietnamesische Stadt Vinh wurde hingegen von den staatlichen Behörden untersagt, wahrscheinlich wegen des geplanten Begegnung mit dem Bischof von Vinh, Nguyen Thai Hop. (rv)

Vietnam: Ein wichtiges Jahr für die Kirche

Kardinal Nguyen Van NhonKardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, besucht derzeit Vietnam und trifft dort auf eine Kirche, die 2015 ein ausgesprochen wichtiges Jahr erlebt hat. Das ergibt sich aus dem Jahresrückblick, den die Bischofskonferenz des Landes jetzt veröffentlichte. Zu den nachhaltigsten Ereignissen dürfte die Einrichtung der ersten katholischen Universität Vietnams gehören.

An erster Stelle der wichtigen Ereignisse nennt der Bericht die Erhebung des Erzbischofs von Hanoi, Pierre Nguyen Van Nhon, zum Kardinal. Er sei der sechste Kardinal überhaupt in der Geschichte des Landes. Als zweites führt der Bericht den Besuch von Kardinal Fernando Filoni auf; der Präfekt der vatikanischen Missionskongregation feierte im Januar letzten Jahres die Abschlussmesse der Feiern, die den 400. Jahrestag der Evangelisierung Vietnams markierten.

Nummer drei: die Einrichtung der katholischen Universität, die derzeit allerdings noch in den Kinderschuhen steckt. Eine Erlaubnis des Regimes und dann im Oktober letzten Jahres ein Dekret der vatikanischen Bildungskongregation machten den Weg frei für das „Katholische Institut Vietnams“.

Als weitere kirchliche Höhepunkte des Jahres 2015 führen die Bischöfe einen Nationalen Eucharistischen Kongress und ein Katholisches Jugendtreffen auf. Das Jugendtreffen organisieren sie seit mittlerweile dreizehn Jahren, Vorbild ist der kirchliche Weltjugendtag. In Vietnam richtet jedes Jahr ein anderes Bistum das Jugendtreffen aus, das sich wachsenden Zuspruchs erfreut. (rv)

Papst betont Rolle des Wirtschaftsrates

Kardinal MarxDer Wirtschaftsrat des Heiligen Stuhls ist zentral für die Reform des Vatikan. Das sagte Papst Franziskus an diesem Freitag. Er nahm an einer Sitzung des Rates teil, in der er sich persönlich für die Arbeit der Mitglieder des Rates bedanken wollte, so der Papst.

Im Auftrag des Rates bedankte sich Kardinal Reinhard Marx für den Besuch des Papstes. Der Koordinator des Wirtschaftsrates sprach sich im Namen des ganzen Rates für die finanziellen und administrativen Reformen des Papstes aus. Seit der Gründung des Rates, arbeite dieser an der Umsetzung von Transparenzmaßnahmen und an einer effektiveren Verwaltung des Heiligen Stuhls.

Papst Franziskus hatte den Rat 2014 eingesetzt. Der Vorsitzende des Rates ist Kardinal George Pell. Die Arbeit des Rates wird von dem Aufsichtsrat kontrolliert, dem Kardinal Reinhard Marx vorsitzt. (rv)