Premiere: Deutsche Kirchen pilgern gemeinsam ins Heilige Land

Kardinal MarxEs ist sicher keine Pilgerfahrt wie jede andere: An diesem Sonntag startet eine hochrangige ökumenische Delegation zu einer einwöchigen Pilgerreise ins Heilige Land (Israel/Palästina). Das Besondere daran: Hier sind Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz und des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit dabei. Das macht diese Reise zu einer Premiere.

Die Tour steht im Zusammenhang mit dem Reformationsgedenken: Vermutlich gewinnt man einen ganz anderen Blick auf 500 Jahre Thesenanschlag von Wittenberg, wenn man in der Grabes- und Auferstehungskirche von Jerusalem oder in den Ruinen von Kapharnaum steht.

Einer der katholischen Teilnehmer ist der Trierer Bischof Stephan Ackermann. „Das ist nun wirklich etwas ganz Besonderes, zum ersten Mal eine solche Pilgerreise anzutreten“, urteilt er. „In früheren Zeiten wurden Reformationsjubiläen von beiden Seiten auch zur Profilierung genutzt, zur Abgrenzung – und jetzt zu sagen, wir setzen diesen gemeinsamen Akzent, das ist – glaube ich – wirklich ein starkes Zeichen. Die Pilgergruppe ist auf beiden Seiten hochrangig besetzt. Wir haben gesagt: Das ist uns wichtig. Lasst uns gemeinsam auf die Wurzeln unseres Glaubens schauen!“

Nun gibt es aber schlechterdings keine Reise ins Heilige Land, die nicht auch die verquere politische Realität dort zumindest streift. Warteschlange am Checkpoint an der Mauer zu den besetzten Gebieten, viele Bewaffnete auf den Straßen von Jerusalem – auf irgendeine Weise drängt sich der Nahostkonflikt noch ins frömmste Pilgerwesen hinein.

„Die Botschaft, das Signal heißt immer: Wir fühlen uns den Menschen dort verbunden, wir lassen vor allen Dingen die Christen nicht allein. Aber natürlich gibt es auch eine Partnerschaft mit den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern; von Deutschland kommend gibt es immer die besondere Verantwortung aufgrund unserer Geschichte. Wir sind ihnen verbunden und wollen auch tun, was wir können, um zu einem friedlichen Miteinander beizutragen.“

Die erste gemeinsame Reise beider Kirchen endet am 22. Oktober 2016, also unmittelbar vor Beginn des Reformationsjahres 2017. Jeder Reisetag steht unter einem biblischen Leitwort und unterstreicht so den besonderen Charakter als geistliche Reise. Neben Stationen rund um den See Genezareth stehen Bethlehem und Jerusalem im Mittelpunkt der Pilgerfahrt, die insbesondere durch Gebetszeiten, Bibelarbeit und Gottesdienst geprägt sein wird. Außerdem wird es einen Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem sowie politische Gespräche geben. (rv)

Franziskus in Yad Vashem: „Niemals wieder!“

Papstreise Hl. Land 2014„Niemals mehr o Herr, niemals mehr!“ Mit diesen Worten hat Papst Franziskus in Jerusalem der von den Nationalsozialisten ermordeten Juden gedacht. Seine Ansprache in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem an diesem Montagmorgen war eine Meditation, die um diese drei Begriffe kreiste: Schmerz, Schuld und Erbarmen. Am Ende ging der Papst dabei ins Gebet über.

„Adam, wo bist du? (vgl. Gen 3,9) Wo bist du, o Mensch? Wohin bist du gekommen?“

Yad Vashem – das bedeutet Gedenken an die Namen, an all die Menschen, die in der Shoah ermordet wurden. Sie seien „für immer verankert im Gedächtnis des Allmächtigen Gottes“, hatte Benedikt XVI. hier vor fünf Jahren betont. Das Holocaust-Memorial wurde 1953 durch einen Beschluss der Knesset eingerichtet; zu ihm gehören mehrere Museen, Forschungsinstitute und Orte der Erinnerung an die über sechs Millionen von den Nazis getöteten Juden. Franziskus setzte in seiner Meditation die „Tragödie des Holocaust“ in Bezug zum Sündenfall:

„Der Vater kannte das Risiko der Freiheit; er wusste, dass der Sohn verlorengehen könnte… doch vielleicht konnte nicht einmal der Vater sich einen solchen Fall, einen solchen Abgrund vorstellen! Jener Ruf ,Wo bist du?‘ tönt hier, angesichts der unermesslichen Tragödie des Holocaust wie eine Stimme, die sich in einem bodenlosen Abgrund verliert… Mensch, wer bist du? Ich erkenne dich nicht mehr. Wer bist du, o Mensch, Wer bist du geworden? Zu welchem Gräuel bist du fähig gewesen? Was hat dich so tief fallen lassen?“

Gott, der seine Schöpfung nicht mehr wiedererkennt – doch nicht die Schöpfung trage die Schuld, der Mensch sei gut gemacht:

„Nein, dieser Abgrund kann nicht allein dein Werk sein, ein Werk deiner Hände, deines Herzens…“

Lange sprach der Papst nicht, doch waren seine Worte intensiv und ernst. Die Meditation erinnerte ein wenig an seine Ansprache auf der Mittelmeerinsel Lampedusa, die Worte, die Franziskus dort für das Leid an die Flüchtlinge fand: ,Kain, wo ist dein Bruder?‘, hatte er damals gefragt. Auch in Yad Vashem meditierte Franziskus über die Abgründe des Menschen, die Versuchung des Bösen.

„Wer hat dich verdorben? Wer hat dich verunstaltet? Wer hat dich angesteckt mit der Anmaßung, dich zum Herrn über Gut und Böse zu machen? Wer hat dich überzeugt, dass du Gott bist? Nicht nur gefoltert und getötet hast du deine Brüder, sondern du hast sie als Opfer dir selber dargebracht, denn du hast dich zum Gott erhoben. Heute hören wir hier wieder die Stimme Gottes: Adam, wo bist du?“

Ausgehend vom alttestamentarischen Buch Baruch verband der Papst das Schuldbekenntnis dann mit der Bitte um Vergebung:

„Ein Übel ist über uns gekommen, wie es unter dem ganzen Himmel noch nie geschehen ist. Jetzt aber, o Herr, höre unser Gebet, erhöre unser Flehen, rette uns um deiner Barmherzigkeit willen. Errette uns aus dieser Ungeheuerlichkeit.“

Aus der Meditation ging der Papst dann über ins Gebet: Gegen Gott hat der Mensch gesündigt, Gottes Erbarmen braucht der Mensch. Die Scham über das Begangene sei eine „Gnade“, so der Papst.

„Denk an uns in deiner Barmherzigkeit. Gib uns die Gnade, uns zu schämen für das, was zu tun wir als Menschen fähig gewesen sind, uns zu schämen für diesen äußersten Götzendienst, unser Fleisch, das du aus Lehm geformt und das du mit deinem Lebensatem belebt hast, verachtet und zerstört zu haben. Niemals mehr, o Herr, niemals mehr!“

Ins Ehrenbuch der Gedenkstätte schrieb der Papst nach seiner Meditation auf Spanisch:
„Mit Scham über das, was der Mensch, der im Bild und der Ähnlichkeit Gottes nach geschaffen wurde, fähig war zu tun; mit der Scham des Menschen, der sich zum Herrn des Bösen gemacht hat; mit der Scham über das, was der Mensch, der sich für Gott hielt, geopfert hat für sich selbst und für seine Brüder. Nie wieder, nie wieder!“
In der „Halle der Erinnerung“ stellte der Papst die Ewige Flamme höher und legte einen Kranz auf dem Mosaikboden nieder, wo die Namen der Vernichtungslager verzeichnet sind. Anschließend betete er mit gebeugtem Haupt still vor einer Steinplatte, unter der die Asche von Opfern der nationalsozialistischen Vernichtungslager begraben ist. Vor seiner Meditation sprach Franziskus kurz mit sechs Überlebenden des Holocaust, wobei er vorab jedem einzelnen – für alle überraschend – die Hände küsste. Begleitet wurde er von Staatspräsident Schimon Peres und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Bei seiner Ankunft in Israel hatte Franziskus am Sonntag den Besuch in Yad Vashem als einen „besonderen Moment“ seines Aufenthalts bezeichnet. Die Schoah, der sechs Millionen Juden zum Opfer gefallen seien, bleibe ein Symbol dafür, „wie weit die Ruchlosigkeiten des Menschen gehen, wenn er, durch falsche Ideologien angestiftet, die grundlegende Würde eines jeden Menschen vergisst“, sagte er auf dem Flughafen von Tel Aviv. Er bete zu Gott, dass ein solches Verbrechen nie wieder geschehe. Auch viele Christen und andere seien ihm zum Opfer gefallen. (rv)