Kardinal Rodriguez Maradiaga: „Größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“

Kardinal Rodriguez MaradiagaDie Weltgemeinschaft ist derzeit „mit der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“ konfrontiert. So hat der Präsident von Caritas Internationalis, Kardinal Oscar Andrés Rodriguez Maradiaga, die aktuellen Konfliktherde im Nahen Osten und ihre fatalen Auswirkungen beschrieben. In seiner Eröffnungsrede zur internationalen Koordinierungssitzung der Caritas-Hilfswerke in Rom äußerte sich der Präsident des Hilfsnetzwerkes besorgt über die Militärallianz westlicher Länder, die im Irak und in Syrien unter US-Führung gegen den Islamischen Staat intervenieren wollen: „Weitere Gewalt ist nie die Antwort. Sie wird nur zu mehr ,sinnlosem Schlachten‘ führen“, zitierte der Kardinal Benedikt XVI., der so den Ersten Weltkrieg umschrieben hatte. (rv)

Vatikan: Neue Beratungsrunde für Kurienreform

KardinalsratZum sechsten Mal tagt ab diesem Montag der von Papst Franziskus eingesetzte Kardinalsrat für die Reform der römischen Kurie. Dabei dürften neuerlich Überlegungen zur künftigen Form und Arbeitsweise der vatikanischen Kongregationen und Räte im Mittelpunkt stehen. Bisher liegt noch kein Entwurf einer neuen Kurienverfassung vor, hatte Vatikansprecher Federico Lombardi nach der Konferenz im Juli erklärt. Die neun Kardinäle des wichtigsten Beratergremiums von Franziskus kommen aus allen Kontinenten. Neben Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und dem Präsidenten des vatikanischen Governatorats, Giuseppe Bertello, sind darunter der Deutsche Reinhard Marx und der australische Kurienkardinal George Pell vertreten. Franziskus nimmt an den Arbeitstreffen des „K9″-Rats jeweils teil. Die nun beginnende Runde ist bis Mittwoch anberaumt. (rv)

Papst Franziskus besucht Ende November die Türkei

TürkeiEnde November besucht Papst Franziskus die Türkei. Das gab Vatikansprecher Pater Federico Lombardi an diesem Freitag auf Anfrage von Journalisten bekannt. Der genaue Reisezeitraum und das Programm der Reise müssten noch festgelegt werden, so Lombardi. Der Vatikansprecher bestätigte, dass am Freitag eine Einladung des türkischen Präsidenten an den Heiligen Stuhl eingegangen sei. Darin hatte Recep Tayyip Erdogan den Papst offiziell eingeladen, das Land vom 28. bis 30. November zu besuchen, wie der Nachrichtendienst „ASCA“ aus türkischen Diplomatenkreisen erfuhr. Traditionell reist jedes Jahr zum orthodoxen Andreasfest am 30. November eine vatikanische Delegation nach Istanbul. Bestärkung erhielt die Idee zu der Papstvisite in der Türkei vor einigen Monaten durch die Einladung des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios von Konstantinopel. Es fehlte aber noch die Einladung von der Regierung aus Ankara. Am vergangenen Montag hatte Franziskus den scheidenden türkischen Botschafter beim Heiligen Stuhl in Audienz empfangen. (rv)

Vatikan: Neue Dikasterienmitglieder ernannt

Kardinal PiacenzaPapst Franziskus hat neue Mitglieder in zwei Dikasterien der römischen Kurie ernannt.

Am 12.09.2014 die Kardinäle Sarah und Piacenza zu Mitgliedern der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse und am 13.09.2014 die Kardinäle Pell, Dolan, Tagle, Kutwa, Baldisseri und Tempesta zu Mitgliedern der Kongregation für die Evangelisierung der Völker. (vh)

Vatikan-Kardinal: Ursachen für Krieg liegen in der Politik

Kardinal TurksonIn ihrem jüngsten Wirtschaftsbericht hat die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) den Industrienationen einen Rüffel verpasst: Vor allem ihre Politik habe bei der Krise von 2008 zu einer finanziellen Notlage geführt, heißt es darin. Im Fall einer weiteren Krise wären vor allem ärmere Schichten und Länder beeinträchtigt.

Dass Armut und Benachteiligung zu blutigen Konflikten führen können, zeigt der unerbittliche Kampf um Ressourcen in den ärmeren Ländern der Welt. Dabei ist es aber häufig kein Rohstoffmangel, der Krieg verursacht, sondern die Politik. Darauf weist Kardinal Peter Turkson hin, der Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden. Radio Vatikan sprach mit ihm am Rande der Präsentation des UN-Wirtschaftsberichtes in Rom. Der aus Ghana stammende Kurienkardinal sagte uns:

„Es sind Eigeninteressen, die Ressourcen in einen Grund für Konflikte verwandeln. Das passiert im Kongo, in der Region der Großen Seen. Durch die Bewegung von Kapital hat die Globalisierung zweifelsohne Entwicklung begünstigt. Innerhalb der Länder aber haben wir oft Situationen der Ungleichheit. Die Gründe dafür sind unterschiedlich: Es gibt Korruption und Vetternwirtschaft und eben auch schlechte Politik.“

Turkson spielt hier auf die Ausbeutung des rohstoffreichen Kongo an: Vom Verdienst aus dem Export an Holz und Bodenschätzen sieht die Bevölkerung des Landes kaum etwas, den Löwenanteil nehmen sich ausländische Firmen, die lukrative Geschäfte mit der Regierung machen. Kein Einzelfall, sondern eher die Regel für Afrika, so Kardinal Turkson:

„Ich kenne jemanden, der ein Buch darüber geschrieben hat, warum Afrika immer noch arm ist. Weil es eine gewählte Armut ist, ist seine Antwort. Seltsam, nicht wahr? Eine gewählte Armut heißt, dass die Regierungen Politiken anwenden, die in Wirklichkeit das Wachstum der Armut begünstigen. Es hängt also viel von den Regierungen ab: Man braucht eine gute Regierung, um Entwicklungsstrategien umzusetzen.“

Skeptisch äußert sich der Kardinal über Forderungen an Länder, „investorenfreundlich“ zu sein. Für die armen Länder der Welt bedeute dies in letzter Konsequenz nicht selten gnadenlose Ausbeutung, so Turkson:

„Das bedeutet, dass die Firmen, die in ein Land kommen, Handelsfreiheit und reduzierte Zölle erhalten. Das wird dann als ,investorenfreundliche Bedingungen‘ präsentiert. Ich denke aber, dass die Regierungen an dieser Stelle etwas Reife zeigen müssten: Wenn das Land danach arm zurückbleibt, ist das doch nicht ,investorenfreundlich‘. (…) In einigen Fällen haben wir es auch mit Verträgen zu tun, die vor langer Zeit geschlossen wurden und die immer noch gelten, obwohl die Lage heute anders ist.“

Ausbeutung und soziale Ungerechtigkeit führen unter extremen Bedingungen zu Zwist und Krieg – so liege der Schlüssel für den Frieden auch in der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung auf allen Ebenen, betont der Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, der hier Papst Franziskus‘ Vorgänger Benedikt zitiert:

„Um Entwicklung zu erleichtern, müssen wir der Logik des Gebens, einer Art Unentgeltlichkeit, folgen. Man kann keinen dauerhaften Frieden ohne Entwicklung verwirklichen. Man muss all das mit Ethik betrachten: Ethik nicht nur des Gemeinwohls der Völker, eine Ethik auch des Friedens für diese Länder, ohne nur an unseren Vorteil zu denken. Die Einladung von Benedikt XVI. zu einer Logik der Unentgeltlichkeit ist wirklich essentiell: sie lädt uns ein, auf das Wohl der anderen zu schauen, die von diesen Ressourcen abhängen, um zu überleben.“ (rv)

Vatikan: Neue Mitarbeiter für Aufarbeitung von Missbrauch

VatikanfahneWechsel auf zwei vatikanischen Schlüsselposten, die Missbrauchsfälle durch Kleriker aufarbeiten: Papst Franziskus hat an diesem Mittwoch den US-amerikanischen Jesuiten Robert J. Geisinger zum neuen Kirchenanwalt in der Kongregation für die Glaubenslehre ernannt. Er ersetzt den bisherigen „Promotor Iustitiae“, den Kirchenrechtler Robert W. Oliver. Dieser wird Sekretär der kürzlich eingerichteten Päpstlichen Kommission für Kinderschutz, die direkt dem Papst untersteht. Die Ernennungen gab der Vatikan an diesem Mittwoch bekannt.

Beide Priester kommen aus den USA. Der 1958 geborene Geisinger stammt aus dem Erzbistum Chicago und ist Generalprokurator der Jesuiten in Rom, wo er zudem an der Päpstlichen Universität Gregoriana Kirchenrecht lehrt. Robert Oliver war noch von Papst Benedikt XVI. – wenige Wochen vor der Bekanntgabe dessen Amtsverzichtes – zum Anwalt der Gerechtigkeit ernannt worden. Vor seiner Tätigkeit in Rom war er als Kirchenrechtler in der Erzdiözese Boston tätig, die in der Vergangenheit zahlreiche Fälle von Kindesmissbrauch durch Kleriker aufzuarbeiten hatte. In der Kinderschutzkommission wird Oliver eng mit dem Bostoner Erzbischof Kardinal Sean Patrick O’Malley zusammenarbeiten, der wie Oliver selbst aus Boston stammt. O’Malley hatte dem Papst zusammen mit anderen Kardinälen die Einrichtung der Kinderschutzkommission vorgeschlagen und gilt als Fachmann in dem Bereich.

Der „Anwalt der Gerechtigkeit“ ist in der Glaubenskongregation mit den „delicta graviora“ betraut, den schwerwiegendsten Verbrechen in der katholischen Kirche. Dazu zählt Kindesmissbrauch durch Kleriker. (rv)

Synode: „Die Kirche muss Antworten geben“

Gudrun SailerVon allen Nicht-Priestern, die zur außerordentlichen Bischofssynode über Familienpastoral nach Rom kommen werden, ist aus dem deutschen Sprachraum genau einer vertreten. Eine, um präzise zu sein: Ute Eberl. Sie ist für die Familienseelsorge im Erzbistum Berlin verantwortlich. Gudrun Sailer fragte Ute Eberl nach ihren Erwartungen an die Synode.

„Ich erwarte, dass wir uns aufgrund der Fragebogenaktion, die in Deutschland deutliche Ergebnisse gezeigt hat, als Kirche und Weltkirche auf den Weg machen, um Antworten zu geben. Gläubige Menschen haben gesagt: so und so leben wir. Und das passt nicht zusammen mit dem, was die Kirche uns sagt. Jetzt ist die Kirche daran, Antworten zu geben. Meine große Erwartung ist, dass wir uns da gemeinsam auf den Weg machen um zu schauen, wie wir den Menschen, die in Ehe und Familie leben, dienen können, ich unterstreiche das: dienen können – bei allen ihren Herausforderungen in glücklichen und in ganz unglücklichen Tagen, die eben auch da sind.“ Was sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Probleme in der katholischen Familienseelsorge? „Die sind weltweit sehr unterschiedlich, wenn man sich das Instrumentum Laboris durchliest. Für die deutsche Kirche ist, denke ich, wirklich die große Frage, wie gehen wir mit dem Thema Scheidung und Wiederheirat um; und wie gehen wir damit um, wenn gleichgeschlechtliche Paare sich einen Segen von der Kirche wünschen. Die große Frage ist, wie können wir den Menschen heute, den heutigen Menschen – und ich lebe in Berlin in einer Stadt, in der die katholische Kirche und die christliche Kirche überhaupt Minderheit ist, wie können wir in diese Situation hinein die gute Nachricht verkünden.“ Die Bischofssynode vom kommenden Oktober ist eine außerordentliche, ein Jahr darauf gibt es noch eine ordentliche Bischofssynode zum selben Thema. Die Erwartungen sind groß, schon für die außerordentliche Synode. Gleichzeitig heißt es, Vorsicht, es ist ein Prozess. Wie schätzen Sie diesen Prozess ein? „Ich denke, die außerordentliche Synode ist wirklich dazu da, die Fragen, die jetzt auf der Liste stehen müssen, zusammen herauszufinden. Entschieden wird wohl erst im Jahr darauf. Aber es ist eine pastorale Synode. Es geht darum, Wege aufzuzeigen. Und ich denke, da ist der Austausch untereinander sehr wichtig.“ (rv)

Wer an der Familien-Bischofssynode teilnimmt

Kardinal Marx14 Ehepaare und eine Reihe weiterer Laien werden an der außerordentlichen Bischofssynode zum Thema Familie teilnehmen, die im Oktober im Vatikan stattfinden wird. Das geht aus der Liste hervor, die der vatikanische Pressesaal an diesem Dienstag veröffentlichte. Insgesamt werden demnach 253 Bischöfe und Fachleute aus aller Welt zur Synode erwartet. Die Synodenväter – also Kleriker – sind 191, darunter 114 Präsidenten der Bischofskonferenzen, deren Anwesenheit bei Bischofssynoden von Amts wegen vorgesehen ist. Aus dem deutschen Sprachraum werden somit die Kardinäle Reinhard Marx und Christoph Schönborn sowie Bischof Markus Büchel aus der Schweiz anreisen. Ebenfalls von Amts wegen werden die 25 Kurienchefs bei der Synode vertreten sein, unter ihnen die Kardinäle Gerhard Ludwig Müller und Kurt Koch. Auf päpstliche Ernennung sind 26 Synodenväter eingeladen, so der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper, der auf Wunsch des Papstes den zum letzten Konsistorium versammelten Kardinälen einen Vortrag zum Thema Ehepastoral gehalten hatte.

Die eingeladenen 14 Ehepaare – 13 in der Kategorie der Hörer, eines in der Kategorie Experten – stammen mehrheitlich aus nichteuropäischen Ländern, unter anderem aus dem Irak, Kongo, den Philippinen, Brasilien und den USA. Die einzige Teilnehmerin aus Deutschland in der Sektion der Hörerinnen und Hörer ist Ute Eberl, die in der Erzdiözese Berlin die Ehe- und Familienseelsorge verantwortet. Als Berichterstatter deutscher Sprache wird Pater Bernd Hagenkord, Redaktionsleiter bei Radio Vatikan, die Synode verfolgen und tägliche Pressebriefings halten. Die Liste der „brüderlichen Delegierten“, das heißt der Beobachter aus anderen christlichen Kirchen, umfasst acht Würdenträger, darunter Metropolit Hilarion, der Außenverantwortliche der russisch-orthodoxen Kirche, den anglikanischen Bischof Paul Butler aus Großbritannien und – als einzige Frau dieser Sektion – die in Paris lehrende Exegetin Valerie Duval-Poujol, die die Weltallianz der Baptisten vertritt. Insgesamt nehmen 30 Frauen, darunter eine Ordensschwester, an der Versammlung teil.

Bereits seit längerem stand fest, wer Papst Franziskus bei der Leitung der Synode unterstützen wird: die Kardinäle André Vingt-Trois aus Paris, Luis Antonio Tagle aus Manila und Raymundo Damasceno Assis aus Aparecida. Generalrelator wird der Budapester Kardinal Peter Erdö. Die außerordentliche Bischofssynode unter dem Titel „Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Rahmen der Evangelisierung“ tagt von 5. bis 19. Oktober im Vatikan. Im Herbst 2015 folgt dann eine ordentliche Synode zum selben Thema. (rv)

Vatikan/Irland: Kardinal Brady tritt zurück

Kardinal BradyPapst Franziskus hat den Rücktritt des irischen Kardinals Seán Brady als Erzbischof von Armagh angenommen. Das wurde heute im Vatikan bekannt. Die Nachfolge tritt Erzbischof Eamon Martin an, der seit Januar 2013 als Koadjutor der Erzdiözese wirkte. Kardinal Brady sah sich seit Jahren Vorwürfen ausgesetzt, er habe Missbrauchsfälle durch Kleriker seines Bistums vertuscht. Sein Rücktritt erfolgte aus Altersgründen, Brady hatte am 16. August das 75. Lebensjahr vollendet. Der Kardinal war Vorsitzender der irischen Bischofskonferenz. Mit dem Bischofssitz von Armagh ist zudem die Würde des Primas von Irland verbunden. (rv)

Annette Schavan: „Heiliger Stuhl wird immer wichtiger als Partner in Friedensprozessen“

logo_DT_BotschaftDeutschlands neue Botschafterin beim Heiligen Stuhl Annette Schavan hat an diesem Montagvormittag Papst Franziskus im Vatikan ihr Beglaubigungsschreiben überreicht. Die Begegnung verlief in einem Klima großer Herzlichkeit und dauerte länger als die vorgesehenen 15 Minuten, sagte Annette Schavan, die nach der Privataudienz beim Papst zum Interview bei Radio Vatikan vorbeikam. Es sei „eine großartige Begegnung“ gewesen, die sie niemals vergessen werde, so die frühere Bundesbildungsministerin im Gespräch mit Gudrun Sailer.

„Wir haben über die Zukunftschancen der jungen Generation gesprochen, ganz besonders in Europa, aber auch in vielen Teilen der Welt, in denen die junge Generation nicht genügend starke Signale bekommt, dass sie gebraucht wird, dass ihr Kreativität gefragt ist. In dem Zusammenhang haben wir über die Rolle des Sportes in modernen Gesellschaften gesprochen; und natürlich über das, was die Diplomatie und Politik in den vergangenen Wochen so stark beschäftigt: die neuen Krisenherde, Gewalt und Konflikt, vor allem da, wo Religion instrumentalisiert wird, und die wichtige Rolle, die der Vatikan hat; auch darüber, in der Politik in Deutschland an Bemühungen in diesen letzten Wochen vorangetrieben wurde, um Frieden zu sichern und Frieden wiederherzustellen. Und wir haben über China gesprochen, der Papst hat gesagt in seinem Pontifikat wird Asien ein Schwerpunkt sein. Wir haben uns ausgetauscht über Erfahrungen in den letzten Jahren, die wir aus Deutschland und von Regierungskonsultationen in Deutschland. ich auch von meinen Besuchen, zuletzt im Februar, in China gemacht habe, über Sehnsucht junger Menschen nach Spiritualität, und ganz zum Schluss hat auch Romano Guardini eine Rolle gespielt. Sein zentrales Buch, die Gegensatzlehre, die Lehre, dass von den Gegensätzen her Guardini versucht hat, die verschiedenen Lebensbereiche zu beschreiben und am Ende eine Weisheitslehre entsteht, bei der alle Gegensätze in Gott zusammengefasst werden.“

Da spielt natürlich eine Rolle, dass Sie von Ihrer Ausbildung her auch Theologin sind, was nicht das übliche Curriculum ist für einen Botschafter, eine Botschafterin beim Heiligen Stuhl. Meinen Sie, dass das in Ihrer Arbeit zum Tragen kommen wird?

„Jedenfalls ist für eine Theologin die Aufgabe, die ich gerade übernommen habe, ganz besonders interessant. Nach vielen Jahren des politischen Lebens spielt dann das, was in der Theologie erarbeitet worden ist, noch stärker eine Rolle. Ich fand immer, dass das wichtig ist für das öffentliche Leben, aber natürlich jetzt kommt mir vieles in Erinnerung, auch viele Details aus dieser Zeit der intensiven theologischen Beschäftigung.“

Sie haben die Krisenherde und das Wirken des Heiligen Stuhles für den Frieden erwähnt: Wird der Vatikan als Friedensstifter eher unter oder überschätzt?

„Ich kann nicht beurteilen, wie das bisher war. Aber mir scheint, dass in den vergangenen Wochen vielen deutlich geworden ist, auch vielen Verantwortungsträgern international, dass der Heilige Stuhl, dass der Papst persönlich eine ungewöhnliche Autorität ausstrahlt, und deshalb ein zentral wichtiger Partner in den verschiedenen Friedensprozessen ist und immer mehr sein wird.“

Sie sind seit Jahrzehnten eine Beobachterin der katholischen Kirche in Deutschland, eine nicht immer unkritische Beobachterin. Manchmal wirft sich der deutsche Katholizismus selbst vor, sich als Nabel der Welt zu betrachten. Auch vatikanischer Perspektive kann man sagen, dass diese Tendenz in jeder Ortskirche vorhanden ist. Können Sie hier am Heiligen Stuhl dazulernen, die deutsche katholische Befindlichkeit mehr in Bezug zu setzen mit jener in anderen Ländern?

„Ich war nie nur Beobachterin, weil ich seit meiner Taufe Mitglied der katholischen Kirche bin und auch innerhalb der Kirche mich engagiert habe. Jeder Teil, auch die katholische Kirche in Deutschland, trägt ihren Anteil. Wenn ich an die Gründung der großen internationalen Werke denke, Misereor, Adveniat Renovabis, dann hat die KK nie nur sich selbst gesehen, sondern sie hat immer auch den Blick in die Welt gerichtet. Sie hat sich immer auch verstanden einer weltweiten Gemeinschaft, und dennoch ist klar, wer aus einem Teil kommt, kennt drum noch nicht das Ganze. Und deshalb ist die neue Aufgabe für mich eine große Chance, für mich auch zu sehen, wo sind in anderen Teilen der Welt welche Entwicklungen in Gang, und wie entwickelt sich die katholische Welt, die Religion betrifft, die für eine 2000 jährige Christentumsgeschichte steht die aber auch ein Verständnis vom Leben und vielleicht – das sage ich als rheinische Katholikin – eine Lebensart bedeutet. Was kann diese katholische Welt, und was können darüber hinaus die Christen und Christinnen beitragen zu einer guten Entwicklung von Globalisierung, denn sie hat gute Chancen und Seiten, aber nicht nur.“

Deutschland gilt beim Heiligen Stuhl als das Land der Reformation. Sie sind nach vier evangelischen Christen auf dem Botschafterposten beim Heiligen Stuhl die erste Katholikin seit 2002, die Berlin hierher entsendet. Macht das einen Unterschied?

„Es hat zumindest heute einen Unterschied gemacht, weil es nicht nur die Begegnung beim Heiligen Vater gab sondern auch den Besuch in Sankt Peter, mit der gesamten Delegation. Das Gebet der neuen Botschafterin in der Sakramentenkapelle, am Marienaltar und vor dem Petrusgrab. Das ist auch schon sehr eindrucksvoll gewesen – eine ganz andere Erfahrung des Petersdoms, als ich es von den Jahren davor kenne….“

… und welchen Unterschied macht Ihr Katholisch-Sein für Ihren Dienst als solchen?

„Ich bin nicht als Katholikin für die Katholiken in Deutschland in Rom, ich vertrete die Bürgerinnen und Bürger insgesamt. Und das heißt in Deutschland, wir sind Land der Reformation, ja. Und wir versuchen den Dialog, den ökumenischen Dialog zu pflegen, das ist in vielen Städten und Gemeinden wunderbar gelungen. Ich habe allein im vergangenen Jahr auf drei evangelischen Kanzeln gesprochen, in Gottesdiensten am Sonntag, auch zum Geburtstag von Martin Luther. Dann komme ich aus einem Land, das sich zunehmend religiös plural entwickelt. Das hat zum Beispiel dazu geführt, dass ich in meiner früheren Tätigkeit Institute für muslimische und jüdische Studien, vor allem Institute für islamische Studien an Universitäten eingerichtet habe. Deutschland ist ein Land, das viel Erfahrung hat mit der wissenschaftliche Reflexion über Religion, und das hat bislang vor allem bedeutet, mit der wissenschaftliche Reflexion über christliche Religion, katholische, evangelische, jetzt aber ist auch eine Tradition begründet der wissenschaftliche Reflexion des Islam. In den vergangenen Wochen ist es so deutlich geworden, wie wichtig es ist, dass Religion Raum hat und die Fähigkeit, und Bereitschaft der kritischen Selbstreflexion, wie sehr Wissenschaft klärt und aufklärt, und da hat Deutschland schon auch eine wichtige Tradition in die Weltkirche einzubringen, und heute geht von diesem Land und der theologischen Wissenschaft in diesem Land auch der Impuls aus, sich jetzt mit der Theologie und der wissenschaftlichen Reflexion in Afrika, Asien oder Lateinamerika zu verbinden. Das alles gehört zu Deutschland und vieles mehr, und so verstehe ich mich und die neue Aufgabe: wir können in Deutschland auch einen kleinen Beitrag leisten zu der Art der Nachdenklichkeit über Religion, die nicht dazu führt, aufeinander loszugehen, sondern miteinander zu leben.“

Der Vatikan plant eine Ausstellung zum Reformationsgedenken 2017. Sind Sie involviert?

„Ja, wir sind involviert. Die Zeit bis zum Reformationsjubiläum ist eine wichtige Phase, im 21. Jahrhundert deutlich zu machen, was verbindet die Christen, was ist die Substanz, was ist der Kern, und wo entfaltet sich Verschiedenartiges, Plurales. Aber wichtig, und das haben uns die letzten Wochen und Monate überdeutlich gezeigt, wichtig ist, dass Christen und Christinnen auch in zentralen Fragen in der Lage dazu sind, mit einer Stimme zu reden.“

Ins Jahr Ihres Amtsantrittes in Rom fallen allerlei Gedenkanlässe: Die Beziehungen zwischen Deutschland und Heiligem Stuhl wurden 1954 wieder aufgenommen, 1984 bezog die Botschaft ihr heutiges Gebäude, 1989 fiel die Mauer. Das ist viel auf einmal, was planen Sie dazu?

„Wir planen zum 30jährigen Bestehen unserer Residenz ein Konzert und eine Fotoausstellung. Natürlich 25 Jahre Mauerfall und im nächsten Jahr 25 Jahre Wiedervereinigung, das ist ein ganzes Jahr, das uns die Chance gibt, mit Veranstaltungen und Gesprächen diese große Geschichte in Erinnerung zu rufen, wie die Freiheit siegte, und was Christen und Christinnen in der früheren DDR und in den mittel- und osteuropäischen Ländern beigetragen haben zum Sieg der Freiheit. Wie sie sich nicht abgefunden haben mit einem Paternalismus ihrer Systeme, der Angst hatte vor der Freiheit, der immer versucht hat, die Freiheit klein zu halten. Und wie am Ende die Kerzen gesiegt haben. Gerade diese Botschaft beim Heiligen Stuhl wird natürlich diese besonderen Gedenktage und das Jahr vom Herbst 2014 bis zum Herbst 2015 oder in der Vergangenheit vom Herbst 1989 bis zum Herbst 1990 nutzen, um deutlich zu machen, diese große Veränderung in Europa, dieses große Geschenk, dass Deutschland wieder vereinigt wurde, aber vor allem, dass die Freiheit gesiegt hat.“ (rv)