Katholische Hilfsorganisationen sprechen über modernen Menschenhandel

Im Oktober organisierte bei den Vereinten Nationen in Genf der Malteserorden ein Podium zu einem oft unterbelichteten Thema: Der Behandlung des Menschen als Ware für Sklaverei und Ausbeutung. Diese ist – wie insgesamt der illegale Schmuggel von Millionen Migranten und Flüchtlingen – ein Milliardengeschäft für kriminelle Organisationen.

Zusammen mit dem Heiligen Stuhl, Caritas Internationalis, der Internationalen Katholischen Migrationskommission und einigen staatlichen Organisationen wollte man das öffentliche Bewusstsein für den Menschenhandel schärfen.

Die Internationale Arbeitsorganisation beziffert die Zahl der Betroffenen dieser bestimmten Form von Schlepperei weltweit auf 20,9 Millionen, die meisten davon in Zwangsarbeit. Menschenhandel ist mit einem geschätzten jährlichen Gewinn von über 150 Milliarden US Dollar ein großes Geschäft. Experten zufolge sind etwa 26 Prozent der Betroffenen noch Kinder, 55 Prozent sind Frauen und Mädchen.

Der Apostolische Nuntius Erzbischof Ivan Jurkovič, ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf wies in seiner Rede auf die traurige Tatsache hin, dass Verbrecher wie Menschenhändler von niemandem wirklich angeklagt werden:

„Wir leben heute in einer modernen Gesellschaft, überall Kommunikation, jeder könnte Hinweise geben, um sie ausfindig zu machen, sie zu schnappen – aber keiner kommt, keiner legt Hand an sie. Beim Drogenhandel ist es genauso. In der Kleinstadt Ljubljana [Laibach] beispielsweise können einem schon die Kinder sagen, wo man Drogen verkauft, aber keiner tut irgendwas.“

Er wies auf eine ungewöhnliche Initiative hin, die Papst Franziskus in Santa Marta seinem Wohnsitz in Rom gestartet hat:

„Und in diesem Haus Santa Marta, wo er lebt – ein schöner Ort um dort zu wohnen, ich habe auch schon dort gewohnt – aber es ist nicht so schön wie der päpstliche Palast, der natürlich viel größer ist. In diesem Haus wiegesagt hat er einen Zusammenschluss von Bischöfen und Vollzugsbehörden ins Leben gerufen. Er nennt das die Gruppe von Santa Marta. Denn es ist in der Tat so, dass viele Betroffenen der Polizei nicht trauen. Für die Polizisten ist das natürlich unschön, sie sind dem Schlimmsten ausgesetzt, aber trotzdem traut man ihnen nicht. Die Erfahrung zeigt, dass es den Betroffenen leichter fällt, sich den Mitarbeitern der Kirche anzuvertrauen, als der Polizei.“

Ich habe mit Michel Veuthey dem Hauptorganisator des Forums und einer der beiden neuen Botschafter des Malteser Ordens zur Bekämpfung von Menschenhandel gesprochen und ihn nach dem Ziel der Veranstaltung gefragt:

„Wir wollten mit der Veranstaltung an den europäischen Tag gegen Menschenhandel erinnern. Also haben wir die Initiative ergriffen und das alles in recht kurzer Zeit organisiert. Die Botschaft des Heiligen Stuhls, und die Botschaften der Europäischen Union, des Europarats, Italiens und des Vereinigten Königreichs haben uns dabei geholfen. Ich muss sagen, dass ich sehr dankbar für diese Unterstützung bin, denn es war für uns gewissermaßen der erste Schritt in die Öffentlichkeit, das Engagement des Malteserordens gegen Menschenhandel zu unterstreichen. Im Vorfeld haben wir Erklärungen abgegeben, wir haben eine Erklärung in Wien abgegeben, wir haben im September, am 27. September in New York eine Erklärung abgegeben und morgen werde ich auch nach Rom fahren, um an einem Workshop des Heiligen Stuhls teilzunehmen… aber das alles ist nur der erste Schritt, würde ich sagen…der erste Schritt dieser Selbstverpflichtung des Ordens, die sich in der Ernennung von zwei Botschaftern gegen Menschenhandel ausdrückt. Einer mit Sitz in Afrika und der andere – ich – in Genf. Was wir möchten, ist zunächst beobachten und dann kämpfen. Um kämpfen zu können, musst du wissen, was auf dem Spiel steht, musst die Interessensgruppen kennen und wer von denen dein Partner sein könnte.“

Teil der Initiative ist für den Orden ein geplantes Netzwerk von Partnern aus UN Organisationen, Regierungen, katholischen und anderen christlichen Institutionen.

„Allen voran die Anglikanische Kirche. Das ist wichtig, weil wir von bewährten Vorgehensweisen anderer lernen wollen. Natürlich sollten wir zunächst zuhören, dann Vertrauen zu anderen Organisationen aufbauen und auf jeden Fall auch zu Regierungen. Wir wollen auch Vorschläge bei der Magistratur des Ordens in Rom einreichen, damit wir durch die Magistratur, also durch den Großkanzler, nationalen Verbänden Anregungen geben können und dann womöglich Botschaftern des Malteserordens rund um die Welt. Es ist eine große Aufgabe und ich bin, wenn Sie so wollen, einfach nur ein Kundschafter, ein Forscher. Ich sage: ja, ich bin ein Botschafter – ein Botschafter allerdings, der nicht sein Prestige oder seinen Titel gebraucht, sondern einfach zuhört, Hände schüttelt und dann schaut, wie man mit anderen zusammenarbeiten kann, die auch schon einige Jahre gegen Menschenhandel arbeiten.“

Das verstärkte Engagement des Malteserordens ist eine Antwort auf den Aufruf von Papst Franziskus zur Beendigung der Zwangsarbeit, der modernen Sklaverei und des Menschenhandels, so Michel Veuthey:

„Es ist sehr wichtig für den Malteserorden als katholischen Orden, das Gebet nicht zu vergessen. Wir müssen für die Betroffenen beten und für die Umkehr derer, die diese Straftaten tatsächlich begehen. Und aus diesem Grund, das darf ich vielleicht erwähnen, werden wir nächstes Jahr am 8. Februar den Festtag der Heiligen Josephine Bakhita feiern. Josephine Bakhita verbrachte den ersten Teil ihres Lebens als Sklavin, kam dann nach Italien, wurde Ordensfrau und half als solche später ehemaligen Sklaven.Seit 2015 ist das ein internationaler Gebetstag für Sklaven. Und ich finde, wir sollten das besonders betonen, denn ein Aktionsplan kann nicht ‚ohne die Hilfe des Himmels‘ funktionieren, würde ich sagen. Wenn wir so tun, als ob wir durch menschliche Anstrengungen alle Probleme lösen könnten, übersehen wir diesen sehr wichtigen Schritt!“

2014 hatten auf Initiative von Papst Franziskus die Vertreter großer Religionen eine Erklärung zum Kampf gegen Sklaverei unterzeichnet. Ziel ist es, moderne Sklaverei bis 2020 weltweit auszumerzen – durch Sensibilisierung, Weisheit, Technologie und den Heiligen Geist: Eine Mission, die nicht unmöglich ist.

Dieser Beitrag wurde von U.N.-Korrespondent Christian Peschken in Genf verfasst. Das Thema wird auch bei EWTN – Katholisches Fernsehen zu sehen sein im Rahmen des Magazins ‚Vatikano‘. Weitere Informationen zu Christian Peschken unter www.peschken.media. (CNA Deutsch)

Papstreisen: im richtigen Moment am richtigen Ort sein

Wohin reist der Papst? Franziskus ist in guter päpstlicher Tradition seit Paul VI. ein „eiliger Vater“. Und dabei setzt er eigene Schwerpunkte. Immer wieder wählt er Schauplätze aktueller Konflikte, geht „dahin, wo die Welt sich wenig moralisch und ethisch verhält“, wie der Generalsekretär von Caritas Internationalis, Michel Roy, beobachtet. So lenkte der Papst beispielsweise die internationale Aufmerksamkeit auf die humanitäre Krise in Zentralafrika. Im Gespräch mit Radio Vatikan spricht Roy über die Mission, die Franziskus bei seinen Auslandsreisen verfolgt.

Vor genau vier Jahren brach Franziskus zu seiner ersten Auslandsreise auf, sie führte ihn zum Weltjugendtag nach Rio de Janeiro. In Kuba traf der Papst den russisch-orthodoxen Patriarchen und setzte sich für die Annäherung zu den USA ein; in Asien zeigte er Solidarität mit Christen in Korea und Sri Lanka und mit den Opfern des Taifuns auf den Philippinen. Auf Lesbos und Lampedusa setzte Franziskus sich für die Recht von Flüchtlingen ein, ebenso wie drei Jahre später an der Grenze zwischen Mexiko und den USA. Der Generalsekretär von Caritas Internationalis, Michel Roy:

„Ich denke, die Strategie des Papstes ist, dort zu sein, wo er gebraucht wird, wenn er gebraucht wird. Aber allgemein reist er zu Orten der Spaltung, in Randgebiete. Wir erinnern uns an seine erste Reise nach Lampedusa, wo der Papst die Aufmerksamkeit auf den Migrationsfluss gelenkt hat, der seitdem nicht abgerissen ist. Ich bin mir nicht sicher, ob sein Appell wirklich gehört wurde. Und das ist eins der heißen und wichtigen Thema, die Immigration und die Flüchtlinge. Im nächsten Jahr werden die Vereinten Nationen ein internationales Abkommen über Migration und Flüchtlinge verabschieden, bisher konnte der Papst sich nicht auf seine Weise beteiligen, aber er wird sich beteiligen. Aber er ist nach Mexiko an die Grenze zu den USA gegangen, um zu zeigen, dass das Thema der Migration mit Würde behandelt werden muss, dass Migranten zuallererst Menschen sind und keine Objekte, die wir zurückweisen können.“

„Notfalls wäre er per Fallschirm in Bangui abgesprungen“

Flucht und Frieden seien wiederkehrende Schwerpunkte der Papstreisen, erklärt Michel Roy. Er habe keine Angst, sich auch in möglicherweise gefährliche Situationen zu begeben – so zum Beispiel 2015 bei seinem Besuch in der Zentralafrikanische Republik. Französische Sicherheitskräfte hatten ihm von der Reise abgeraten, aber der Papst beharrte, notfalls „per Fallschirm“ in Bangui abzuspringen, falls man sich weigere, ihn dorthin zu fliegen. Er sehe seine Mission darin, „vorauszugehen“, meint Roy. Franziskus zeige stets seine Verbundenheit zu den katholischen Kirchen vor Ort, nutze die Reisen aber zugleich, um die dortigen Autoritäten subtil an ihre humanitären Pflichten zu erinnern.

„Der Papst ist heute die Stimme der Moral, die Stimme der Ethik, die überall auf dem Planeten gehört wird. Ich habe muslimische Kollegen, Verantwortliche muslimischer Nichtregierungsorganisationen, die mir schon gesagt haben, der Papst sei die Stimme, die sie heute hören, sei sogar ihr spiritueller Führer. So weit geht es. Die Bedeutung der Stimme des Papstes wird wirklich gehört. Wir wissen, dass die Enzyklika Laudato Si dazu beigetragen hat, in Paris ein Abkommen über das Klima zu schließen, das nicht so stark gewesen wäre, wenn der Papst und seine Delegation nicht diese Arbeit gemacht hätten. Der Papst wird auf der Welt von Vielen – ich glaube, auch von Staats- und Regierungschefs – als ein Führer wahrgenommen, der den Weg weist.“

Zwar sei der Papst manchmal scheinbar „allein auf weiter Flur“, mit seinen Appellen für eine brüderlichere und gerechtere Welt, aber auch ein wichtiger Hoffnungsträger. Immer wieder rede er gegen Materialismus an.

„Ein Teil der heutigen Konflikte wird im Namen Gottes oder der Religion ausgetragen“, so de Roy. Der Papst betone immer wieder, dass Religionen im Gegenteil Quellen des Friedens sein sollten – über Konfessionsgrenzen hinweg.

„Mit anderen Religionsführern einen Dialog zu führen und sich mit ihnen zu verbünden erlaubt, alle auf der Welt an das Essentielle zu erinnern. Der Papst ist für sich schon eine starke, anerkannte Stimme; aber wenn er sich mit anderen zusammentut, ist er noch viel stärker darin, uns zu erinnern, dass die menschliche Person im Mittelpunkt der Entwicklung steht.“

Die nächste Reise wird Papst Franziskus nach Kolumbien führen. Vom 6. bis 11. September wird er die Städte Bogotá, Villavicencio, Medellín und Cartagena besuchen und sich unter anderem den Friedensprozess in dem Land beschäftigen. Geplant ist für 2017 auch noch eine Reise nach Indien und Bangladesch, ein Datum dafür steht aber noch nicht fest. Eine angedachte Reise in den Südsudan wird dieses Jahr nicht mehr stattfinden. (rv)

„Wer Frieden in Syrien will, muss aufhören, mit Waffen zu handeln“: Papst Franziskus

cna_ Franziskus_WaffenhandelVATIKANSTADT – In seiner Botschaft für eine Friedenskampagne für Syrien hat Papst Franziskus führende Politiker dafür kritisiert, dass sie über ein Ende des Kriegs reden würden, aber gleichzeitig diesen durch Waffenhandel finanzierten.

„Während die Bevölkerung leidet, werden unglaubliche Geldmengen dafür ausgegeben, Waffen an Kämpfer zu liefern“, sagte der Papst ein einer am heutigen 5. Juli veröffentlichten Videobotschaft.
Der Pontifex sagte, dass einiger der Länder, welche diese Waffen lieferten „auch zu jenen gehören, die über Frieden reden. Wie kann man jemandem glauben, der einen mit der rechten Hand streichelt und mit der linken schlägt?“

Franziskus ermutigte Menschen jeden Alters in aller Welt, das Jahr der Barmherzigkeit als eine Gelegenheit zu nutzen, „die Gleichgültigkeit zu überwinden und kraftvoll zu verkünden, dass Frieden in Syrien möglich ist! Frieden in Syrien ist möglich!“
Seine Botschaft begleitet den Start einer neuen Kampagne von Caritas Internationalis unter dem Titel „Syrien: Frieden ist möglich.“
Der Bürgerkrieg in Syrien, der mittlerweile seit fünf Jahren tobt, ist das größte Einsatzgebiet der internationalen Caritas. Seit Kriegsbeginn hat er über 270.000 Menschen das Leben gekostet.

Über 4.6 Millionen syrische Flüchtlinge leben in Nachbarländern, und geschätzte 8 Millionen weitere Syrer sind Binnenvertriebene: Flüchtlinge im eigenen Land.

Caritas unterstützt mit Lebensmitteln, medizinischer Behandlung, Bildungsangeboten, Unterkünften und psychologischer Hilfe. Allein im Jahr 2013 halfen Caritas-Mitarbeiter und Unterstützer rund 1.3 Millionen Menschen im Kriegsgebiet und Umland.

Mit seiner Kampagne, die per Twitter und andere Soziale Medien unter dem Hashstag “#peacepossible4syria” läuft, bittet Caritas Unterstützer in aller Welt, „Druck auf ihre Regierungen auszuüben“, so die Pressemitteilung.
Dieser Druck, teilte Caritas Internationalis mit, sollte dafür sorgen, dass alle Kriegsparteien „sich gemeinsam um eine friedliche Lösung bemühen“; und dafür, dass sie die abertausenden Menschen unterstützen, die an den Folgen des Krieges leiden; sowie dafür, dass Syrer im eigenen Land und im Ausland „Würde und Hoffnung“ hätten.
In seiner Botschaft sagte Franziskus, dass der Syrienkrieg eien Situation „unbeschreiblichen Leidens“ sei und sein „Herz sehr traurig stimme“.
Syrer, so der Pontifex, „sind Opfer“ dieses Leidens und werden „gezwungen, unter Bombenangriffen zu überleben, Fluchtwege in andere Länder oder Gegenden Syriens zu suchen, die weniger vom Krieg betroffen sind: Ihr Heim, einfach alles zu verlassen.“

Der Papst betonte auch die verfolgten christlichen Gemeinden, und gedachte der „Diskriminierung, die diese erleiden“; er sagte ihnen seine volle Unterstützung zu.
Franziskus lud alle Menschen und die Entscheider der Weltpolitik ein, für den Frieden in Syrien zu benten und für seine Einwohner – bei Andachten, durch Initiativen in Pfarreien und Gemeinschaften, damit sich die Botschaft von Frieden, Einheit und Hoffnung verbreite.
„Dem Gebet folgt dann die Stiftung von Frieden“, sagte er, und appellierte an alle Beteiligten, sich an Friedensverhandlungen zu beteiligen „und diese ernst zunehmen, und alles nur Machbare zu tun, um Hilfsorganisationen Zugang zu gewährleisten.
Jeder müsse erkennen, dass „es keine militärische Lösung für Syrien gibt, nur eine politische“, fuhr der Papst fort, und unterstrich noch einmal, dass die internationale Gemeinschaft „deshalb Friedensverhandlungen unterstützen muss, zur Errichtung einer Regierung nationaler Einheit.“
Papst Franziskus ermutigte Menschen aller Gesellschaftsschichten „sich zusammenzutun“ um sicherzustellen „dass Frieden in Syrien möglich ist“. Das, so Franziskus, „wird ein großes Beispiel sein für eine für das Wohl der internationalen Gemeinschaft gelebte Barmherzigkeit und Liebe!“ (CNA Deutsch)

Kardinal Tagle: „Wir brauchen ein humanitäres Umdenken“

Kardinal TagleAm ersten UNO-Gipfel für humanitäre Hilfe hat am Montag und Dienstag in Istanbul auch der philippinische Kardinal Luis Tagle teilgenommen. Der Erzbischof von Manila ist Präsident von Caritas Internationalis. Er wirbt im Gespräch mit Radio Vatikan für ein „humanitäres Umdenken“:

„Ich denke, der erste Schritt sollte sein, sich wirklich dem Menschen zuzuwenden. Die Opfer von Unglück und Leid bei der Hand zu nehmen, die Geschichten von Flüchtlingen anhören. Das ist das Eine. Der andere wichtige Punkt ist die humanitäre Hilfe – und damit beschäftigt sich besonders auch die Caritas. Bei der Caritas haben wir gelernt, dass internationale Förderer und Agenturen das Subsidiaritätsprinzip akzeptieren müssen. Anders geht es nicht. Denn die kommen von ganz oben, und manchmal meinen sie es zwar gut, aber die örtlichen Gemeinden kennen ihre eigene Kultur, ihre Bedürfnisse und ihre Situation besser. Also sollten wir den örtlichen Gemeinden bei ihrer eigenen Rehabilitation und dem Wiederaufbau helfen. Uns also nicht von oben herab einmischen.“

Der dritte Punkt, den Kardinal Tagle anspricht, hat vor allem mit der derzeitigen Flüchtlingskrise – nicht nur in Europa – zu tun. „Wir müssen die Gründe für die Konflikte, die Menschen dazu bewegen, aus ihrer Heimat wegzugehen, ansprechen. Wenn eine Naturkatastrophe der Grund ist, müssen wir das benennen und die dramatischen Veränderungen untersuchen, um sie in Zukunft verhindern zu können. Ich habe dieses ungute Gefühl, dass erfolgreiche Hilfsaktionen zwar gelobt werden – aber Menschen sollten nicht nur für kurze Zeit humanitäre Organisationen unterstützen. Das reicht nicht!“

Das Schicksal eines Menschen sei keine To-do-Liste, die man abhaken und dann wegwerfen könne, sagt Tagle. „Wenn eine Hilfsaktion erfolgreich ausgeführt wurde, meinen einige Bereiche der Gesellschaft sagen zu können: „Naja, die Bedürfnisse der Menschen sind gestillt … Damit ist es jetzt gut.“ Aber das ist kein Ersatz für politische Entscheidungen! Und leider denken gerade viele von denen so, die politischen Einfluss haben.“

Kardinal Tagle ist davon überzeugt, dass gerade in einer pluralen Welt die Menschen gut zusammenarbeiten können.

„Was für Ressourcen haben wir in unserer pluralen Welt, in der wir einander respektieren sollten, um Frieden zu schaffen? Wie können wir Brücken bauen? Wie schaffen wir Versöhnung? Wie können wir friedliebend sein? Ich bin mir sicher: Alle Religionen finden hierauf Antworten, denn alle Religionen haben genügend Ressourcen.“ (rv)

Synode: „Barmherzigkeit und Gerechtigkeit sind in Gott vereint“

Kardinal TagleDer philippinische Kardinal und Synodenvater Luis Antonio Tagle wünscht sich einen „seelsorgerlichen Blick“ der Kirche auf die Familie, egal ob sie leidet oder freudig voranschreitet. Einen Gegensatz zwischen Barmherzigkeit und Wahrheit, wie manche Synodenväter ihn zeichnen, kann der Erzbischof von Manila nicht sehen. Kardinal Tagle unterstützt den Papst als einer von vier „delegierten Präsidenten“ wie schon 2014 bei der Durchführung der Synode und gilt als engster Papst-Vertrauter aus Asien. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte er:

„Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Mitleid sind in Gott vereint! Nur wir sterblichen Menschen, Geschöpfe mit einem Geist, der nicht alle Dinge vereinen kann, wir unterschieden das, um es uns selbst zu erklären. Aber wir müssen vorsichtig sein, denn in Gott und in den Augen des Glaubens gibt es keinen Gegensatz zwischen Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Ich als Hirte und als Glaubender brauche die Barmherzigkeit Gottes, und nicht nur Gottes, sondern vieler Menschen. Für mich ist das Gebet ‚Herr, erbarme dich!‘ zugleich ein Schrei: ‚Gott, sei gerecht mit mir!‘ Die wahre Gerechtigkeit finden wir nur in einem barmherzigen Gott.“

Letztes Jahr empfing Kardinal Tagle Papst Franziskus zu Besuch auf den Philippinen. Als Erzbischof von Manila versucht Tagle die Empfehlung des Papstes an die Priester und Bischöfe zu verwirklichen, das Volk aufzusuchen und mit den Menschen sich zu freuen und zu leiden. Das gilt auch für verletzte Familien. Das Um und Auf sieht Tagle in der persönlichen Begegnung mit den ihm anvertrauten Menschen.

„Persönliche Begegnung heißt nicht bloß körperliche Anwesenheit, sondern eine besondere Aufmerksamkeit mit den Augen des Glaubens und den Augen des Guten Samariters: die Augen von Jesus, dem Hirten. Das sind die Augen eines Bruders, der die Freuden und Leiden, die Träume und auch die Frustrationen der Geschwister teilt. Wie der Heilige Paulus sagte: ich bin alles für alle geworden. Wenn die Herde sich freut, dann wird das Herz des Hirten mit Empathie und freudigem Mitempfinden wissen, wie es sich mitfreut. Und dann gibt es die Aufmerksamkeit für die Wunden. Da muss man die Präsenz eines Gottes zeigen, der alle liebt, nicht nur die, die würdig sind: denn wer wäre der Liebe des Herrn überhaupt würdig? Das ist der Blick des Guten Samariters, ein seelsorgerlicher Blick.“

Die Philippinen sind – neben dem kleinen Osttimor – das einzige katholische Land Asiens. Armut, Mangel an Arbeit sowie Migration stellen die Familien dort auf eine harte Probe. „Aber in meiner Erfahrung lehren uns die armen Familien, wie man in der Hoffnung lebt“, so Kardinal Tagle. Mit Blick auf die Synode – für den erst 57 Jahre alten Kardinal ist es bereits die sechste – warnte er davor, Diversität als Anlass für Spaltung zu sehen.

„Es ist normal, dass es in jeder Synode verschiedene Beiträge gibt, denn die Teilnehmer kommen aus einer komplexen Diversität von Kulturen, Traditionen und Sprachen. Ich bin nicht nervös über diese Diversität, aber wir alle müssen in jeder Synode, auch in dieser, aufmerksam überprüfen, ob die Diversität nicht als Grund der Spaltung benutzt wird, statt ein Reichtum zu sein. Sie ist eine Gelegenheit, einen weiteren Horizont zu haben, um die Lehre, die Tradition, das Wort Jesu im Kontext der menschlichen Existenz zu verstehen.“

Kardinal Tagle wirkt seit diesem Frühjahr auch als Präsident von Caritas Internationalis, dem im Vatikan angesiedelten Dachverband der gut 160 nationalen Caritas-Einrichtungen der katholischen Kirche. In dieser Eigenschaft besuchte Tagle am Montag das griechische Flüchtlingslager Idomeni an der Grenze zu Mazedonien. „Welches Leid, welches Elend in diesen Lagern“, berichtete Tagle. „Die Leute haben nichts, nur das Wertvollste: die Familie, die Kinder. Ich habe diese müden Kinder gesehen, die schlafen wollten und Trost auf den Schultern der Mutter oder des Vaters gefunden haben. Und in all dem Elend des Lagers, in all dem Leid und der Demütigung, gibt es die Liebe.“ (rv)

Kardinal Tagle neuer Präsident von Caritas Internationalis

Kardinal TagleKardinal Luis Antonio Tagle ist der neue Präsident von Caritas Internationalis. Die Generalversammlung wählte den Erzbischof von Manila an diesem Donnerstag zum Nachfolger von Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten konnte. Ausgelaufen war ebenfalls die Amstszeit von Generalsekretär Michel Roy, der aber erwartungsgemäß wiedergewählt wurde.

Die Vereinigung der katholischen Wohlfahrtsverbände hält derzeit in Rom ihre Generalversammlung unter dem Titel „Eine Menschheitsfamilie. Die Schöpfung bewahren“ statt. (rv)

Caritas Internationalis: „Es braucht ein Umdenken“

Caritas InternationalisMit einer Papstmesse am Dienstagabend beginnt in Rom die 20. Generalversammlung von Caritas Internationalis. Delegierte von 164 nationalen katholischen Wohlfahrtsverbänden kommen zusammen, um die Leitlinien für die Arbeit der nächsten Jahre bis 2019 zu verabschieden sowie einen neuen Präsidenten des Dachverbandes zu bestimmen. Zur Wahl stehen zwei Kandidaten: Kardinal Luis Antonio Tagle von Manila und der maronitische Erzbischof Youssef Soueif von der Erzeparchie Zypern. Der bisherige Amtsinhaber, Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, kann gemäß den Satzungen nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten. Die Wahl findet am Donnerstag statt.

Das Motto der Generalversammlung lautet „Caring for Creation“, auf die Umwelt achten. Martina Liebsch, die Leiterin des Grundlagenreferates bei Caritas Internationalis in Rom, sprach mit Radio Vatikan über die Punkte der bevorstehenden Generalsversammlung, die alle vier Jahre stattfindet.

„Wir wissen, dass wir, wenn wir weiter so leben wie bisher, die Erde eigentlich zweieinhalb Mal bräuchten. Es braucht ein Umdenken. Diese Generalversammlung dient auch dazu, unsere Mitglieder zu hören. Zum einen, wie sie darüber denken, was sie vielleicht auch für Praktiken fördern, aber eben auch auf diese Linie einzuschwören.“

Was sind die Schwerpunkte des Rahmenplanes, den die Caritas-Delegierten besprechen und verabschieden werden?

„Ein starkes Thema, das auch von Franziskus vorgegeben worden ist, ist: Wie können wir das umsetzen, eine arme Kirche für die Armen zu sein. Das ist sicher kein neues Thema, aber von Franziskus sehr stark hervorgehoben worden. Wie können wir das als Caritas umsetzen? Das ist der Auftakt von dieser Generalversammlung und besonders wichtig. Ansonsten werden wir einige der Themen mit denen wir bereits gearbeitet haben, weiter beibehalten: Klimawandel, Nahrungsmittelsicherheit, Migration, Gesundheit bzw. Epidemien. Die neuen Entwicklungsziele werden eine große Rolle spielen. Natürlich wird uns weiterhin das Thema Friedenssicherung stark beschäftigen. Wir haben sehr viele Konflikte, zu denen die Caritas arbeitet im Sinn wo die Caritas Hilfe leistet, auch das wird weiterhin ein starkes Thema sein.“

Gibt es auch richtig neue Themen, die sich für Caritas abzeichnen?

„Als ganz neue Themen, die im Verborgenen geschlummert habe, aber jetzt an die Oberfläche kommen, ist das Thema Ressourcen, natürliche Ressourcen. Vor allem im Bereich Bodenschätze, die manchmal skrupellose Ausbeutung der Bodenschätze, die enorme Auswirkungen hat auf die Menschen, die an den Orten leben – Menschen werden vertrieben, Boden wird vergiftet.“

Das einführende Referat hält der – im Vatikan bis vor kurzem weniger wohlwollend aufgenommene – Befreiungstheologe Gustavo Gutierrez. Was erwarten Sie von seinem Beitrag?

„Es ist erstens eine große Freude, dass er mit uns reden wird, ich hatte einmal schon das Glück ihn zu hören, er wird zu der Öffnungs-Plenarsitzung reden, die um das Thema „eine arme Kirche für die Armen“ geht. Die Kirche in Lateinamerika ist oft eher in der Lage oder setzt das eher um als eine Kirche im Norden; das ist eine persönliche Wahrnehmung, und ich denke, Gutierrez kann das gut vermitteln und auch anregen und sehr inspirierend sein, damit wir in dieser Richtung gehen.“

Frauenanteil in Caritas-Führungspositionen niedrig

Zum ersten Mal ist auch eine Gruppe von rund 50 außerordentlichen Caritas-Gästen zur Vollversammlung eingeladen, berichtete Martina Liebsch. Damit habe man bei dem Treffen den Frauenanteil erhöhen wollen – bis vor zwei Jahren waren 16 Prozent der nationalen Caritas-Leiter Frauen, doch der Anteil ist Liebsch zufolge inzwischen gesunken. Zum anderen seien gezielt junge Caritas-Mitarbeiter eingeladen worden. „Wir möchten ihnen den Raum bieten, in dem sie sich gegenseitig kennenlernen und ihr eigenes Programm entwickeln können und uns als Gesamtcaritas auch etwas zu sagen haben“, erklärte Liebsch. Zwei dieser jungen Caritas-Hauptamtlichen werden an den Plenarsitzungen auch Vorträge halten. Die dritte Gruppe der „außerordentlichen“ Gäste seien Caritas-Mitarbeiter von der Basis. Sie sollen in die Debatten bei der Generalversammlung „vielleicht auch korrigierend eingreifen, wenn wir von einer Leitungsebene aus Dinge etwas zu einfach oder zu kompliziert sehen“, erklärte Liebsch. (rv)

Vatikan: Kardinal Turkson auf Ebola-Mission

Kardinal TurksonKardinal Peter Turkson, Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden reist für drei Tage nach Sierra Leone und Liberia. Das hat der Vatikan am Samstag in einer Aussendung bekannt gegeben. Kommenden Dienstag, den 16. Dezember 2014 reist er in Begleitung des Gesundheitsbeauftragten von Caritas Internationalis, Monsignor Robert Vitillo nach Sierra Leone um am darauf folgenden Donnerstag, den 18. Dezember 2014 nach Liberia weiterzureisen. Es sind zwei der drei Länder, die am schlimmsten von der Ebola Seuche betroffen seien, heißt es in der Aussendung. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) gebe es 18.000 Infizierte und Verdachtsfälle sowie mehr als 6.500 registrierte Todesfälle. Der Kardinal wolle mit seinem Besuch eine Botschaft der Hoffnung und Solidarität den Menschen vor Ort, der Kirche und dem Gesundheitspersonal bringen.

Die Auswirkungen dieser Epidemie gehen, laut Kardinal Turkson, weit über den Gesundheitssektor hinaus. Die bereits geschwächte Wirtschaft werde durch die Zwangsschließung von Firmen und Geschäften lahmgelegt. Die Gesellschaft sei an einer Schnittstelle angekommen: geschlossene Schulen, immer mehr schwangere Teenagern und ein Anstieg von Kleinkriminalität. Das seien nur einige Konsequenzen der Seuche und von vielen Jugendlichen ohne Tätigkeit. Viele Ebola-Waisen werden auch dann von restlichen Familienmitgliedern abgelehnt, selbst wenn sie als Ebola-frei bestätigt wurden. (rv)

Kardinal Rodriguez Maradiaga: „Größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“

Kardinal Rodriguez MaradiagaDie Weltgemeinschaft ist derzeit „mit der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“ konfrontiert. So hat der Präsident von Caritas Internationalis, Kardinal Oscar Andrés Rodriguez Maradiaga, die aktuellen Konfliktherde im Nahen Osten und ihre fatalen Auswirkungen beschrieben. In seiner Eröffnungsrede zur internationalen Koordinierungssitzung der Caritas-Hilfswerke in Rom äußerte sich der Präsident des Hilfsnetzwerkes besorgt über die Militärallianz westlicher Länder, die im Irak und in Syrien unter US-Führung gegen den Islamischen Staat intervenieren wollen: „Weitere Gewalt ist nie die Antwort. Sie wird nur zu mehr ,sinnlosem Schlachten‘ führen“, zitierte der Kardinal Benedikt XVI., der so den Ersten Weltkrieg umschrieben hatte. (rv)

Vatikan/Irak: Aufruf zum Gewaltstopp an IS-Kämpfer

Kardinal Rodriguez MaradiagaCaritas Internationalis appelliert an die IS-Kämpfer im Irak, Gewaltakte gegen die Bevölkerung unverzüglich einzustellen. In einem Solidaritätsschreiben an die chaldäische Kirche und die Caritas im Irak wendet sich der Präsident von Caritas Internationalis, Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, an die Islamisten, die dabei sind, in dem Land ein Kalifat zu installieren: „Wir rufen die Kämpfer des Islamischen Staates dazu auf, die folgenschweren Gräueltaten an ihren Brüdern und Schwestern einzustellen und auf eine friedliche Gesellschaft hinzuarbeiten, in der alle Menschen – ob Mehrheits- oder Minderheitsgemeinschaften zugehörig – zusammen in Frieden und fruchtbringend leben können“, schreibt der Kardinal in dem Brief, der auf den 15. August datiert ist.

Angst vor Rückschritten im Dialog
In dem Schreiben bringt der Präsident von Caritas Internationalis seine Sorge zum Ausdruck, dass die jüngste Gewaltwelle zu Rückschritten im christlich-muslimischen Dialog führen und die friedliche Koexistenz der beiden Religionsgruppen weltweit und „vor allem im Nahen Osten“ beeinträchtigen könne. Der Kardinal hält jedoch fest, dass die Gewalt im Irak alle Volks- und Religionsgruppen – Christen, Jesiden, Kurden, Shabaks und Mandäer. Die durch Islamisten erzwungene Markierung christlicher Häuser im Irak erinnere freilich an die Judenverfolgung im Nationalsozialismus, deutet der Kardinal an.

Solidarität mit den leidenden Menschen
Kirchen- und Ordensleuten, Caritasmitarbeitern und allen bedrängten Menschen im Irak drückt der Caritas Internationalis-Präsident im Namen des vatikanischen Dachverbandes Solidarität und Nähe aus. Caritas Internationalis arbeite „auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene“ für die Wiederherstellung der Sicherheit, die Wahrung der Menschenrechte und die Unterbindung von Gewalt im Irak, versichert Rodriguez Maradiaga weiter. Der Brief ist an den chaldäischen Patriarchen, Louis Raphael Sako, und den Präsidenten von Caritas Irak, Schlemon Warduni, adressiert. (rv)