Italien: Kirche wirft Berlusconi undemokratisches Verhalten vor

Nach einem Eildekret, das die Beteiligung von Italiens Regierungspartei „Volk der Freiheit" (PdL) an den Regionalwahlen Ende März sicherstellen soll, gibt es jetzt auch Kritik aus der italienischen Bischofskonferenz. „Die Spielregeln während des Spiels zu ändern, ist ein höchst unfaires Vorgehen", sagte der für Rechtsfragen zuständige Bischof Domenico Mogavero am Sonntag im Gespräch mit Radio Vatikan. Der Kirchenmann warnte davor, Verfahrensregeln „willkürlich" unter Berufung auf Werte wie die politische Partizipation ausser Kraft zu setzen. Italien sei möglicherweise „nicht reif für eine echte Demokratie". Die Bischofskonferenz distanzierte sich mittlerweile von Bischof Mogaveros Worten; dennoch ist klar, dass dieser das Unbehagen vieler Katholiken in Worte gefasst hat. – Die Regierung unter Ministerpräsident Silvio Berlusconi hatte am Wochenende ein Dekret verabschiedet, das Pannen bei der Zulassung seiner Partei zu den Wahlen in Latium und der Lombardei ausbügeln soll. In Latium war die Kandidatenliste der Partei nicht rechtzeitig im Wahlbüro abgegeben worden, in der Lombardei entsprachen benötigte Unterschriften auf den Dokumenten nicht den formalen Vorgaben. Nach dem Dekret reicht es zur Wahrung der Frist, wenn die Abgesandten der Partei das betreffende Amt mit den Unterlagen betreten haben. Staatspräsident Giorgio Napolitano hat das Eildekret am späten Freitagabend unterschrieben, den ganzen Vorgang aber zuvor als „Schlamassel" bezeichnet. Die Oppositionsparteien riefen für den kommenden Samstag, 13. März, zu Protestkundgebungen auf. (rv)

Runder Tisch, ein Wundermöbel – von P. Bernd Hagenkord SJ

Hier ein Kommentar von P. Bernd Hagenkord SJ, Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan zum Thema „Missbrauch – Runder Tisch“:
Runde Tische haben seit dem Fall der Mauer einen guten Ruf. Sie haben damals einem guten Zweck gedient: der Auflösung der Machtstrukturen des DDR-Regimes. Derzeit gibt es aber einige Verwirrung um dieses Möbel. So soll einer gegründet werden, um die Aufarbeitung, Entschädigung etc. von Missbrauch und Missbrauchopfern zu ermöglichen.
Zum einen: die Aufklärung findet statt. Manchmal offen, manchmal noch holprig, aber sie findet statt. Und wie Bischof Ackermann, der für die Deutsche Bischofskonferenz Zuständige in dieser Frage, an diesem Montag in der FAZ erklärt hat: die Opfer müssen gehört werden, von der Kirche und nicht nur von Therapeuten. Die Verantwortlichen müssen die Geschichten der Opfer hören. Und die Sorge für dieses Hören auf die Opfer muss ein Gesicht haben. Runde Tische, um die Metapher weiter zu spinnen, drehen sich aber um sich selbst. Statt eines Verantwortlichen stünden dann Opfer von Missbrauch vor einem Gremium, wo jeder andere Interessen vertritt.
Runde Tische dienen der Auflösung der Verantwortlichkeit. Andere sollen die Verantwortung übernehmen und damit die Entscheidung. Wie damals beim Fall der Mauer. Frau Leutheusser-Schnarrenberger möchte selber entscheiden, was die Kirchen zu tun und zu lassen haben. Frau Schavan möchte einen gesellschaftlichen Impuls geben, um die Gesellschaft sensibel zu machen für das Thema, das nicht nur die Kirchen betreffe. Andere möchten gar nicht an den runden Tisch, weil das den Verdacht nähren könnte, sie hätten auch mit Mitbräuchen zu tun.
Kardinal Kasper hat es offen benannt, der „Osservatore Romano“ war nicht weniger klar: die Verantwortung liegt bei denen, die die Verantwortung haben: den Bischöfen, den Parlamenten, den Staatsanwaltschaften. Die Formulierung im „Osservatore“ lautet: „die schmerzliche Angelegenheit mit Entschlossenheit und in offener Weise untersuchen“. Dazu braucht es Verantwortliche.
Der runde Tisch ist ein Wundermöbel. Aber machen wir uns nichts vor: wenn es im Augenblick etwas braucht, dann nicht die Auflösung und Abgabe von Verantwortung, für die solch ein Möbel steht. Was es braucht, ist die Wahrnehmung der Verantwortung. (rv)