Österreich: Schönborn fordert „Prozess der Läuterung“

Nach den in Österreich bekannt gewordenen Missbrauchsfällen hat Kardinal Christoph Schönborn „echte Umkehr“ von der Kirche gefordert. Neue Glaubwürdigkeit werde die Glaubensgemeinschaft erst erlangen, wenn sie durch einen „Prozess der Läuterung“ gehe, sagte der Kardinal am Donnerstagnachmittag anlässlich der Zweiten Wiener Diözesanversammlung im Stephansdom. Hörbar betroffen erinnerte er dabei vor rund 1.500 Delegierten an die Missbrauchsopfer:
„Was ist mit euch getan worden? Was ist euch angetan worden? Diese Trauer muss uns bewegen, nicht die Frage: Wie geht es schon wieder uns, der Kirche? – Der geht es schlecht. Nein, das schmerzliche Gedenken an das Leiden der Opfer, diese echte Trauer wird allein die Kirche läutern und reinigen.“
In Österreich waren nach Missbrauchsvorwürfen zuletzt drei Patres des Stiftes Kremsmünster ihrer Ämter enthoben worden. Ein 75 Jahre alter Mönch habe mittlerweile gestanden, erklärte Abt Ambros Ebhart in einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Auch in anderen Teilen Österreichs haben sich inzwischen mutmaßliche Opfer von Gewalt und sexuellen Übergriffen aus den 60er und 80er Jahren gemeldet, unter anderem auch zwei Ex-Mitglieder der „Wiener Sängerknaben“. In persönlichem Ton rief Kardinal Schönborn in seiner Impulsrede zu Aufklärung der Missbrauchsfälle auf. Dabei berief er sich auf das Wort Jesu „Die Wahrheit wird euch freimachen“.
„Fürchtet euch nicht vor der Wahrheit, denn sie sieht vor allem das Leiden der Opfer. Die Kirche wird an Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn sie durch diesen Prozess der Läuterung geht. Und sie wird deutlicher sichtbar machen, wo von Jesus her ihr Platz ist: Dort, wo vom Menschen das Ebenbild Gottes verletzt, geschändet, missbraucht wird.“
Mit Blick auf die beginnende Diözesanversammlung wies Schönborn auf rasante Veränderungen in Gesellschaft und Kirche hin. Es gelte, diesen Übergang nicht nur einfach zu erleiden, sondern ihn mit zu gestalten. Dabei rief der Wiener Erzbischof zu einer Kirchenöffnung auf – über die Grenzen der eigenen Gemeinden hinweg.
„Eines ist sicher: Wir müssen von manchem Abschied nehmen. Es verändert sich rasant unsere Gesellschaft und mit ihr auch unsere Kirche. Werden wir uns öffnen? Über die Grenzen unserer Gemeinden heraus? Manche orten einen Reformstau. Ich orte mit Sorgen, dass wir uns zu sehr mit uns selber beschäftigen, dass wir unsere Energien zu sehr an die binnenkirchlichen Themen binden. Wie wird eine Kirche aussehen, die wohl deutlich kleiner und deutliche multikultureller geworden ist? Werden wir diesen Übergang nur erleiden, oder ihn auch mit gestalten? Das ist die Herausforderung.“ (rv)

Zollitsch: „Papst stärkt uns den Rücken“

Papst Benedikt XVI. ermutigt die Deutschen Bischöfe zu unbeirrter und mutiger Aufklärung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Das sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, am Freitag im Vatikan. Zollitsch traf das katholische Kirchenoberhaupt bei einer 45-minütigen Unterredung. Dabei informierte der Freiburger Erzbischof den Papst über den Stand der Dinge. Mario Galgano berichtet:
Papst Benedikt XVI. hat den Bericht zur Lage der katholischen Kirche in Deutschland „mit wachem Interesse, großer Betroffenheit und tiefer Erschütterung“ zur Kenntnis genommen, sagte Zollitsch nach dem Treffen vor Journalisten. Zollitsch wörtlich:
„Mir war es wichtig, deutlich zu machen, dass die Deutschen Bischöfe zutiefst bestürzt sind über das, was im kirchlichen Raum an Übergriffen möglich war. Bereits vor einigen Wochen habe ich die Opfer um Entschuldigung gebeten. Das wiederhole ich nochmals hier in Rom.“
Ausdrücklich bekräftigte Zollitsch den Willen der Bischöfe zur Zusammenarbeit mit staatlichen Ermittlern. Allen Geistlichen, Kirchenmitarbeitern und Ehrenamtlichen, die sich sexueller Übergriffe schuldig gemacht hätten, werde zur Selbstanzeige geraten.
„Dem Heiligen Vater habe ich über die Maßnahmen informiert. Ich bin dankbar, dass er mich ermutigt hat, die Umsetzung dieses Maßnahmenkatalogs unbeirrt und mutig fortzusetzen. Wir wollen die Wahrheit aufdecken und eine ehrliche Aufklärung, frei von falscher Rücksichtsnahme, auch wenn es um Fälle handelt, die schon lange passiert sind. Die Opfer haben ein Recht darauf. Wir fordern die Gemeinden und besonders die Verantwortlichen in unseren Schulen und in der Jugendarbeit auf, eine Kultur des aufmerksamen Hinschauens zu pflegen.“
Bei Missbrauchsfällen informiere die Kirchenleitung von sich aus die Strafverfolgungsbehörden, außer wenn dies von den Opfern erklärtermaßen aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht gewünscht werde. Ein eigenes kirchliches Untersuchungsverfahren habe weder Einfluss auf die staatliche Untersuchung noch auf die Unterstützung der staatlichen Strafverfolgung. Das Problem des Missbrauchs reiche über die Kirche hinaus, betonte Zollitsch.
„Ich bin dankbar, dass die Bundesfamilienministerin und die Bundesbildungsministerin zu einem großen Runden Tisch aller gesellschaftlich relevanten Gruppen für den 23. April 2010 nach Berlin eingeladen haben, um das Problem sexuellen Missbrauchs und nicht zuletzt auch im Blick auf die möglichen Präventivmaßnahmen, diese Fragen anzugehen. Selbstverständlich sind die Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz dabei. Diesen großen Runden Tisch hatte ich in einem Zeitungsinterview bereits vor zwei Wochen angeregt. Ich bin Papst Benedikt XVI. dankbar, dass er das entschiedene Handeln der Deutschen Bischofskonferenz nachdrücklich unterstützt“. (rv)

Papst/Zollitsch: Das Statement in vollem Wortlaut

Papst Benedikt hat sich am Freitag über die Mißbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen in Deutschland informiert. Er sprach darüber mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Dieser erklärte nach der Audienz, Benedikt habe sich sehr interessiert und gut informiert gezeigt; der Papst stärke der deutschen Kirche im Umgang mit den Fällen den Rücken. Er kenne in Deutschland keine andere Gruppe, die derart klare Richtlinien zum Umgang mit Missbrauch habe wie die katholische Kirche, so Zollitsch. Hier finden Sie das Statement, das Erzbischof Zollitsch vor Journalisten verlas, in vollem Wortlaut.
Statement des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, anlässlich einer Pressekonferenz im Vatikan am Freitag, den 12. März 2010.
Wie jedes Jahr nach der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz habe ich heute Papst Benedikt XVI. zum Gespräch aufgesucht, um ihn über die wichtigsten Themen zu informieren. Dabei habe ich den Heiligen Vater über die in den vergangenen Wochen bekannt gewordenen Fälle pädagogisch übergriffigen Handelns und sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen in der katholischen Kirche Deutschlands informiert. Mit großer Betroffenheit und tiefer Erschütterung hat der Heilige Vater meinen Bericht zur Kenntnis genommen. Mir war es wichtig, deutlich zu machen, dass die deutschen Bischöfe zutiefst bestürzt sind über das, was im kirchlichen Raum an Übergriffen möglich war. Bereits vor einigen Wochen habe ich die Opfer um Entschuldigung gebeten, was ich heute noch einmal hier in Rom wiederhole. Den Heiligen Vater habe ich über unsere Maßnahmen informiert. Ich bin dankbar, dass er mich ermutigt hat, die Umsetzung dieses Maßnahmenkatalogs unbeirrt und mutig fortzusetzen:

Wir wollen die Wahrheit aufdecken und eine ehrliche Aufklärung, frei von falscher Rücksichtnahme, auch wenn uns Vorfälle gemeldet werden, die schon lange zurückliegen Die Opfer haben ein Recht darauf.

Wir werten die von uns 2002 verabschiedeten „Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ aus. Kein Land hat solche Leitlinien. Sie sagen den Opfern und ihren Angehörigen eine menschliche, therapeutische und seelsorgliche Hilfe zu, die individuell angepasst ist. In jedem Bistum gibt es Ansprechpartner, an die man sich wenden kann. Wir überprüfen derzeit, wie ihre Auswahl noch verbessert werden kann.

Außerdem stärken wir die Prävention. Wir fordern die Gemeinden und besonders die Verantwortlichen in unseren Schulen und der Jugendarbeit auf, eine Kultur des aufmerksamen Hinschauens zu pflegen. Ich bin dankbar, dass die Bundesfamilienministerin und die Bundesbildungsministerin zu einem großen Runden Tisch aller gesellschaftlich relevanten Gruppen für den 23. April 2010 nach Berlin eingeladen haben, um das Problem sexuellen Missbrauchs – nicht zuletzt auch im Blick auf mögliche Präventionsmaßnahmen – anzugehen. Die Bischofskonferenz ist selbstverständlich dabei. Diesen großen Runden Tisch hatte ich in einem Zeitungsinterview vor zwei Wochen angeregt.

In einem vierten Punkt unserer Maßnahmen geht es um die Verantwortung, die wir wahrnehmen. Dazu haben wir den Bischof von Trier, Bischof Dr. Stephan Ackermann, als besonderen Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für alle Fragen im Zusammenhang des sexuellen Missbrauchs berufen. Der Heilige Vater hat diese Entscheidung ebenfalls sehr begrüßt.

Lassen Sie mich noch einmal deutlich unterstreichen: Wir stellen uns unserer Verantwortung und können keinen der geschehenen Fälle entschuldigen. Wohl aber erfahren wir in Deutschland derzeit von einer Vielzahl von pädagogisch übergriffigen Handlungen und Missbrauchsfällen aus der Vergangenheit weit über den Raum der katholischen Kirche hinaus. Das bestärkt uns Bischöfe, das Gespräch zu Aufklärung und Prävention mit möglichst vielen Akteuren des gesellschaftlichen Handelns zu suchen.
Dazu gehört auch die Unterstützung der Kirche bei der Verfolgung sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch die staatlichen Strafverfolgungsbehörden. Wir fordern Geistliche und Angestellte unserer Kirche sowie Ehrenamtliche zu einer Selbstanzeige auf, wenn Anhaltspunkte für eine Tat vorliegen. Wir informieren von uns aus die Strafverfolgungsbehörden. Darauf wird nur unter außerordentlichen Umständen verzichtet, etwa wenn es dem ausdrücklichen Wunsch des Opfers entspricht. Da die Zuordnung von staatlichem und kirchlichem Strafverfahren immer wieder falsch dargestellt wird, stelle ich nochmals klar: Im Fall des Verdachts sexuellen Missbrauchs gibt es ein staatliches und ein kirchliches Strafverfahren. Sie betreffen verschiedene Rechtskreise und sind voneinander völlig getrennt und unabhängig. Das kirchliche Verfahren ist selbstverständlich dem staatlichen Verfahren nicht vorgeordnet. Der Ausgang des kirchlichen Verfahrens hat weder Einfluss auf das staatliche Verfahren noch auf die kirchliche Unterstützung der staatlichen Strafverfolgungsbehörden.
Ich bin Papst Benedikt XVI. dankbar, dass er das entschiedene Handeln der Deutschen Bischofskonferenz nachdrücklich positiv unterstützt. Er ermutigt uns, den eingeschlagenen Weg der lückenlosen und zügigen Aufklärung konsequent fortzusetzen. Insbesondere bittet er darum, dass wir die Leitlinien kontinuierlich anwenden und da – wo notwendig – verbessern. Papst Benedikt XVI. hat ausdrücklich unseren Maßnahmenplan gewürdigt. Aus dem heutigen Gespräch gehe ich gestärkt hervor und bin zuversichtlich, dass wir auf dem Weg vorankommen, die Wunden der Vergangenheit zu heilen. (rv)

Frankreich: Marie-Simon-Pierre ist kerngesund

Nach Gerüchten um eine Erkrankung der Ordensschwester Marie-Simon-Pierre sorgt die katholische Kirche des Landes nun für Aufklärung. Marie-Simon-Pierre sei kerngesund, heißt es in einer Erklärung der Erzdiözese Aix-en-Provence, die im Namen von Marie-Simon-Pierres Orden und der Erzdiözese Aix-en-Provence veröffentlicht wurde. Die französische Nonne soll nach Gebeten zu Papst Johannes Paul II. von Parkinson geheilt worden sein. Ihre Heilung spielt als mögliches Wunder für das Seligsprechungsverfahren von Benedikts Vorgänger eine wichtige Rolle. Das Seligsprechungsverfahren und die dafür erforderlichen Prüfungen verliefen nach normalen Bedingungen, gab die französische Erzdiözese weiter mit Bezug auf Aussagen des Heiligen Stuhls an. Verschiedene Medien hatten in den letzten Tagen über eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Ordensschwester spekuliert. Das Seligsprechungsverfahren für den im April 2005 verstorbenen polnischen Papst wurde im Juni desselben Jahres in Rom eröffnet. Nach der Zuerkennung des „Heroischen Tugendgrades" durch Benedikt XVI. im Dezember 2009 ist nur noch der Nachweis eines Heilungswunders auf Fürsprache des „Dieners Gottes" notwendig. (rv)