Amazonasbischof Kräutler: Amazonassynode und zölibatäres Priestertum

Erwin Kräutler, von 1981 bis 2015 Bischof und Prälat von Xingu (Brasilien) und Angehöriger der Kongregation der Missionare vom Kostbaren Blut (C.C.P.S.) hat sich in einem Telefoninterview mit Christine Seuss von vatican.news erneut zur geplanten Amazonassynode 2019 geäußert.

Kräutler war Co-Autor der zweiter Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus aus dem Jahr 2015 die sich im ersten Kapitel mit dem Umweltschutz beschäftigte. Seither ist er zusammen mit Kardinal Hummes, ein Verfechter das Zölibat für das Amazonasgebiet außer Kraft zu setzen. Bei diesem Vorgehen stehen beide nicht alleine, bereits Anfang 2017 hatte der Papst eine mögliche Öffnung bei der Vorschrift der Ehelosigkeit für Priester angedeutet:

“Wir müssen darüber nachdenken, ob “viri probati” (bewährte verheiratete Männer) eine Möglichkeit sind. Dann müssen wir auch bestimmen, welche Aufgaben sie übernehmen können, zum Beispiel in weit entlegenen Gemeinden.”

Neben dem Interpretationschaos von „Amoris laetitia“ bei dem sogar ein Schisma nicht ausgeschlossen scheint, beabsichtigt Franziskus offenbar beim Zölibat einen Jahrhunderte alten Grundsatz der katholischen Kirche in seinem Sinne zu eliminieren. Bischof (Emeritus) Kräutler handelt genau in diesem Sinne. Im Interview mit Christine Seuss mit dem Titel „Amazonasbischof Kräutler: Indios verdanken ihr Überleben auch der Kirche“ äußerte er:

„Wir müssen endlich Abschied nehmen von einer „Evangelisierung der Kulturen“ und stattdessen eine Evangelisierung intensivieren, die von den Kulturen der Indigenen Völkern ausgeht und sie berücksichtigt, so wie wir uns das schon in der Kommission 26 der 4. lateinamerikanischen Bischofskonferenz (CELAM) in Santo Domingo 1992 gewünscht haben. Ich war damals Delegierter der Brasilianischen Bischofskonferenz und als Präsident des CIMI zusammen mit Dom José Maria Pires (für die Afroamerikaner) Mitglied dieser Kommission. Leider wurde damals unser Vorschlag brutal abgewürgt. Ich denke, die Synode wird nun diese Angelegenheit wieder aufs Tapet bringen. Ein weiteres Thema werden wohl sicher die Zulassungsbedingungen zum Weihepriestertum sein. Insbesondere bei den Indigenen Völkern ist größtenteils ein zölibatäres Priestertum sehr problematisch und praktisch unverständlich“.

Bisher gibt es drei Ausnahmemöglichkeiten als verheirateter Kleriker eingesetzt werden zu können.

  • Übergetretene Pfarrer aus einer evangelischen oder anglikanischen Kirche.
  • Priester einer katholischen Ostkirche.
  • Verheiratete Diakone, welche aber keine Priester werden können.

Kardinal Marx

 

Was Franziskus und Kräutler hier versuchen voranzutreiben, wird sicherlich nicht auf das Amazonasgebiet beschränkt bleiben. Schon kurz nach der päpstlichen Verlautbarung zu „viri probati meldete sich der deutsche Kardinal Marx mit den Worten:

„Das Thema “viri probati” muss einmal gründlich durchdacht und in der ganzen Bandbreite der Problematik besprochen werden„.

Weltweit haben Theologen begründete Argumente, dass eine Veränderung des zölibatären Priestertums die Probleme im Amazonasgebiet und der Weltkirche nicht lösen werden. Man kann davon ausgehen, dass das Pontifikat von Papst Franziskus hier sein nächstes Desaster erleben wird. (vh)

Amazonasbischof Kräutler: Indios verdanken ihr Überleben auch der Kirche

Ein schreckliches Jahr liegt hinter den Indigenen des Amazonasgebietes – Kardinal Claudio Hummes und Amazonasbischof Erwin Kräutler, ihres Zeichens Präsident des kirchlichen Amazonas-Netzwerkes REPAM und Präsident von REPAM-Brasilien, schlugen zu Neujahr mit einem Brandbrief Alarm. Christine Seuss hat im Vorfeld der Begegnung des Papstes mit Indios in Peru Bischof Kräutler telefonisch erreicht.

VN:

Sie haben in ihrer Funktion als Repam-Brasilien-Präsident gemeinsam mit Kardinal Hummes, Präsident von Repam, einen Brief geschrieben, in dem sie von 2017 als einem ,annus horribilis´ für die Indigenen sprechen. Was macht das zurück liegende Jahr so besonders schlimm für die Ureinwohner des Amazonas-Gebietes?

Bischof Kräutler:

In der Brasilianischen Verfassung von 1988 sind die Rechte der Indigenen Völker auf Ihr angestammtes Land, ihre kulturellen Ausdrucksformen und ihr soziales Gefüge festgeschrieben. Wir haben bei der Verfassungsgebenden Versammlung 1987/88 aktiv mitgewirkt und damals die Abgeordneten überzeugen können, dass die Rechte der Indigenen Völker in die Verfassung gehören. Die Promulgation der Verfassung am 5. Oktober 1988 bedeutete deshalb eine kopernikanische Wende für die Indios und für Brasilien. Damit sollte die brasilianische Apartheid Geschichte sein. Leider ist aber bis heute der qualitative Sprung vom Papier in die Realität der Indigenen Völker nicht gelungen und verantwortlich dafür ist der mangelnde politische Willen der folgenden Regierungen, die Verfassungsbestimmungen zu respektieren.

Inzwischen hat die „Bancada Ruralista“, also die Vertretung des Agrobusiness, das Sagen im Nationalkongress und für diese Abgeordneten sind die Indios ein Hemmschuh für den Fortschritt. So wird alles und jedes unternommen, um die längst fälligen Demarkierungen indigener Gebiete zu unterbinden. Mehr noch, es wird an einer Verfassungsänderung gebastelt, die die entsprechenden Artikel der Carta Magna (231 und 232) abändern soll. Also ein Zurück zu den Verfassungen von 1934, 1946 und 1967 (Militärdiktatur), in denen es hieß: „Die Waldbewohner sollen in die Nationale Gesellschaft eingegliedert werden“. Im Klartext: „Die Indios haben ihre indigene Identität aufzugeben“.

Eine brasilienweite anti-indigene Kampagne hat sich in letzter Zeit immer mehr zugespitzt. Mord und Todschlag und unmissverständliche Verfolgung der Indigenen in allen Breitengraden Brasiliens sind die Folge.

VN:

Was sind die Faktoren, die die bereits prekäre Situation nochmals verschlimmert haben?

Bischof Kräutler:

An allererster Stelle steht die Nichtbeachtung der in der Verfassung grundgelegten indigenen Rechte auf ihr angestammtes Gebiet. Alle indigenen Gebiete hätten innerhalb von fünf Jahren nach der Promulgation der Verfassung (also bis 1993) identifiziert, abgegrenzt und als Indigenes Gebiet ins Grundbuch eingetragen gehört. Nur bei etwa der Hälfte der Indiogebiete ist dieser Prozess bis zum Ende durchgeführt worden. Bei anderen Gebieten wird das wohl kaum mehr geschehen und damit stehen Tür und Tor für alle möglichen Invasionen in indigene Gebiete offen. Dazu kommen bundesstaatliche Entscheide, die Großgrundbesitzern Indioland zugestanden haben. Die Indios wollen ihr Land zurück und damit sind Konflikte an der Tagesordnung, bei denen die Indios immer die Verlierer sind. Im südlichen Bundesstaat Mato Grosso do Sul sind die Indios in winzige Reservate eingepfercht. Es ist ihnen so unmöglich, kulturell und teils sogar physisch zu überleben. Die Selbstmordrate ist alarmierend hoch, insbesondere bei Jugendlichen, die plötzlich absolut keine Perspektive mehr für ihre Zukunft erblicken und den Suizid wählen, weil sie glauben, im Jenseits als Guarani-Kaiowá in Frieden und glücklich leben zu können.

VN:

Wie kann die katholische Kirche den Indios helfen?

Bischof Kräutler:

Die Katholische Kirche hat sich immer wieder für die Rechte der Indios eingesetzt. Im Jahre 1972 wurde der Rat für Indigene Völker CIMI gegründet. Er ist der Bischofskonferenz CNBB angegliedert und widmet sich seither mit viel Engagement diesen Völkern. Die Missionarinnen und Missionare des CIMI sind vor Ort, kennen die indigenen Gemeinschaften und leben zum großen Teil in ihren Dörfern. Die andere Aufgabe dieses Rates ist die Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung der Gesellschaft für die Indios. Ich wage zu behaupten, dass die indigenen Völker Brasiliens ihr kulturelles und auch physisches Überleben zu einem Gutteil dem mutigen Einsatz der Katholischen Kirche verdanken. Unsere Kirche hat nicht geschwiegen, sondern sich dezidiert auf die Seite der Indios gestellt und sich nie gescheut, Verbrechen an den Indigenen Völkern zu denunzieren. Viele Missionarinnen und Missionare haben ihren Einsatz sogar mit dem Leben bezahlt. Es sind die Märtyrer der Causa Indígena.

VN:

Auch Papst Franziskus persönlich liegt das Schicksal der Ureinwohner besonders am Herzen, bei seiner Reise nach Peru wird er auch mit Völkern aus dem Amazonas-Gebiet zusammen treffen. Was erhoffen Sie sich von dieser Begegnung?

Bischof Kräutler:

Seit Anfang seines Pontifikats hat Papst Franziskus mit einer ganz besonderen Liebe und Aufmerksamkeit die Indigenen Völker Lateinamerikas in sein Herz geschlossen. Ich habe das selbst bei der Privataudienz erfahren, die er mir im April 2014 gewährte. In der Enzyklika Laudato Sì erwähnt er diese Völker und ihre Rechte wörtlich: „Denn für sie ist das Land nicht ein Wirtschaftsgut, sondern eine Gabe Gottes und der Vorfahren, die in ihm ruhen; ein heiliger Raum, mit dem sie in Wechselbeziehung stehen müssen, um ihre Identität und ihre Werte zu erhalten. Wenn sie in ihren Territorien bleiben, sind es gerade sie, die am besten für sie sorgen“ (LS 146). Ich bin der Überzeugung, dass die Begegnung mit den Indios in Porto Maldonado genau diese Dimension unterstreichen wird und ihnen noch einmal beweist, dass der Papst aus Lateinamerika die Ureinwohner dieses Kontinents besonders schätzt und für ihre Rechte (auch gegen Bergwerksgesellschaften) eintritt.

VN:

Im Oktober 2019 werden die Bischöfe in Rom auf Einladung von Papst Franziskus in einer außerordentlichen Synode über das Amazonas-Gebiet beraten. Was sind Ihrer Ansicht nach die Punkte, die in einer solchen Synode bevorzugt behandelt werden sollten?

Bischof Kräutler:

Papst Franziskus hat nach der Heiligsprechung der Protomärtyrer Brasiliens am 15. Oktober 2017 die Synode für Panamazonien mit einer ganz klaren Zielsetzung einberufen: Neue Wege und Formen der Evangelisierung sollen gesucht werden, besonders in Hinsicht auf die Indigenen Völker. Außerdem ist die Rettung Amazoniens für die ganze Menschheit von Bedeutung und somit auch eine besondere Aufgabe für die Kirche nicht nur vor Ort, sondern für die gesamte katholische Kirche. Darum eine Synode mit weltweitem Charakter.

Unsere bisherige pastorale Praxis in Amazonien mit allen Höhen und Tiefen, Sorgen und Nöten, Leiden und Freuden wird sicher die Hintergrundszenerie der Synode bilden, von der aus sich der Blick in die Zukunft für die Völker Amazoniens und ihre Mitwelt richten wird.

Wir müssen endlich Abschied nehmen von einer „Evangelisierung der Kulturen“ und stattdessen eine Evangelisierung intensivieren, die von den Kulturen der Indigenen Völkern ausgeht und sie berücksichtigt, so wie wir uns das schon in der Kommission 26 der 4. lateinamerikanischen Bischofskonferenz (CELAM) in Santo Domingo 1992 gewünscht haben. Ich war damals Delegierter der Brasilianischen Bischofskonferenz und als Präsident des CIMI zusammen mit Dom José Maria Pires (für die Afroamerikaner) Mitglied dieser Kommission. Leider wurde damals unser Vorschlag brutal abgewürgt. Ich denke, die Synode wird nun diese Angelegenheit wieder aufs Tapet bringen. Ein weiteres Thema werden wohl sicher die Zulassungsbedingungen zum Weihepriestertum sein. Insbesondere bei den Indigenen Völkern ist größtenteils ein zölibatäres Priestertum sehr problematisch und praktisch unverständlich.

Und im Zusammenhang mit der Bewahrung der Schöpfung in Amazonien wird es sich sicher um die Weiterführung und Applikation der Aussagen des Papstes in Laudato Sì (insbesondre N. (37/38 und 145/146) gehen. (vatican news)

Die prophetische Mission der Universität ist erneuerter Humanismus und Dialog: Franziskus

SANTIAGO DE CHILE – Vordergründig über zwei vermeintlich sperrige Themen hat Papst Franziskus beim Besuch der Päpstlichen Katholischen Universität von Chile in Santiago heute gesprochen: Das „Nationale Zusammenleben“ und die Herausforderung, „in Gemeinschaft voranzukommen“.

Bei genauerem Betrachten leistet diese Rede von einer „prophetischen Mission“ der Universität jedoch viel mehr, mit ihrem Appell an einen „erneuerten Humanismus“ und der Betonung des Dialogs, der Verteidigung von Familie, Gemeinschaft und, ja, Nation: Sie ist eine bündige Darstellung der Weltsicht von Papst Franziskus, worauf sich diese aufbaut – und was der Pontifex auch mit seinem eigenen Programm für die Kirche anstrebt.

Franziskus zitierte unter anderem die Philosophen Zygmunt Bauman und Gershom Sholem. Prominent gleich zum Anfang sprach Franziskus jedoch über einen anderen: Der ständige Begleiter von Papst Franziskus in Chile ist der Heilige Alberto Hurtado (1901-1952).

„Sein Leben wird zu einem klaren Zeugnis dafür, wie die Intelligenz, die akademische Exzellenz und die Professionalität im Berufsalltag mit dem Glauben, der Gerechtigkeit und der Nächstenliebe in Einklang gebracht – weit davon entfernt, geringer zu werden – eine prophetische Kraft erlangen, die fähig ist, Horizonte zu eröffnen und den Pfad zu erleuchten, vor allem für die aus der Gesellschaft Ausgeschlossenen“.

Die Figur des beliebtesten Heiligen des Landes verkörperte also auch in dieser Rede Franziskus‘ jene Friedens- und Dienstbotschaft, die der Pontifex für ein zerrissenes Chile und eine von Kontroversen und Bedeutungsverlust geplagte Kirche in Chile vermitteln will, aber auch als Hoffnungsschimmer und Abentuer für die Jugend des Landes bezeichnet.

„Nationales Zusammenleben“

In der heutigen „flüchtigen“ – im Sinne Zygmunt Baumans, wie das Redemanuskript zeigt – Gesellschaft schwinden die Bezugspunkte, von denen aus Menschen ihr Leben aufbauen können, warnte der Papst.

„Es scheint, dass heute die »Wolke« [die digitale ‚Cloud‘, Anm.d.Red.] der neue Ort der Begegnung ist, der vom Mangel an Stabilität geprägt ist, da ja alles sich verflüchtigt und deshalb an Konsistenz verliert“.

Nicht einfach als Vermittler von Werten ist das Bildungswesen daher wichtig, so Franziskus; seine Wichtigkeit bestehe auch in einer „Bildung (Alphabetisierung), die den Intellekt (den Kopf), die Affekte (das Herz) und die Aktion (die Hände) einbezieht und in Einklang bringt“.

Die klassische Forma Mentis sei das, sagte der Papst weiter – eine Geisteshaltung also.

„Und um dies zu erreichen, ist es notwendig, eine – wie ich es nennen würde – integrierende Alphabetisierung zu entwickeln, die es versteht, die Transformationsprozesse, die im Schoß unser Gesellschaften erzeugt werden, aufeinander abzustimmen.“

So könne das Individuum von der Beschränkung auf sich selbst bewahrt werden, argumentierte der Papst, und ein öffentlicher Raum gepflegt werden, der als „Bewusstsein“ notwendig ist, um eine Nation abzubilden, und Frieden zu sichern:

„Ohne das »Wir« eines Volkes, einer Familie, einer Nation und zugleich ohne das »Wir« der Zukunft, der Kinder und des Morgens; ohne das »Wir« einer Stadt, die »Mich« übersteigt und reicher ist als die individuellen Interessen, wird das Leben nicht nur immer mehr zerstückelt, sondern reicher an Konflikt und Gewalt.“

Die Universität stehe in diesem Sinn vor der Herausforderung, die „neuen Dynamiken  innerhalb ihres eigenen Lehrkörpers zu erzeugen, die jegliche Fragmentierung des Wissens
überwinden und zu einer wahrhaftigen universitas anregen sollen“, so der Papst.

„In Gemeinschaft vorankommen“

Von daher sei das zweite für dieses Haus des Studiums so wichtige Element: die Fähigkeit,  in Gemeinschaft voranzukommen, fuhr der Pontifex fort.

Er habe mit Freude von der Evangelisierungsbemühung der Universitätspastoral erfahren. Diese sei Zeichen einer jungen, lebendigen Kirche »im Aufbruch«, so der Pontifex. Mit Blick auf diese Aktivitäten sagte er weiter:

„Der »Missionar« kehrt nie als der Gleiche aus der Mission zurück; er erfährt den Vorübergang Gottes in der Begegnung mit so vielen Gesichtern.“

Solche Erfahrungen könnten dabei nicht vom universitären Geschehen getrennt bleiben: „Die klassischen Forschungsmethoden erfahren gewisse Grenzen, umso mehr, wenn es sich um eine Kultur wie die unsere handelt, die die direkte und unmittelbare Partizipation der Subjekte anregt“, so Franziskus wörtlich.

Die aktuelle Kultur erfordere jedoch „neue Formen, die geeignet sind, alle einzubeziehen, die das soziale Geschehen und daher das Bildungsgeschehen mitgestalten“.

Deshalb gelte es, „das Konzept der Bildungsgemeinschaft zu erweitern“, fuhr der Papst fort:

„Diese Gemeinschaft ist herausgefordert, nicht isoliert zu bleiben von den Erkenntnisweisen. (…) Es ist notwendig, dass der Erkenntniserwerb dazu befähigt, eine Interaktion zwischen dem Hörsaal und der Weisheit der Völker hervorzubringen, die diese gesegnete Erde mitgestalten. Eine Weisheit reich an Intuitionen, an »Geruchs-/Spürsinn«, den man nicht ignorieren kann (…) Auf diese Weise wird diese so bereichernde Synergie zwischen wissenschaftlicher Strenge und der Intuition des Volkes hergestellt werden.“

Das „Erkennen muss sich immer zum Dienst am Leben berufen fühlen und sich mit dem Leben konfrontieren, um weiter Fortschritte machen zu können“, so Franziskus. Von daher könne sich die Bildungsgemeinschaft nicht auf Hörsäle und Bibliotheken reduzieren.

„Der universitäre Dienst muss immer darauf abzielen, von Qualität und Exzellenz zu sein, die in den Dienst des nationalen Zusammenlebens gestellt werden. In diesem Sinn könnten wir sagen, dass die Universität zu einem Labor für die Zukunft des Landes wird, da es ihr gelingt, in ihrem Schoß das Leben und das Unterwegssein des Volkes aufzunehmen, indem sie jede antagonistische und elitäre Logik des Wissens überwindet.“

Eine alte Tradition der Kabbala erzähle, fuhr Franziskus an dieser Stelle fort, dass der Ursprung des Bösen in der Spaltung liege, die der Mensch verursache, „indem er vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse isst“. Auf diese Weise erlangte die Erkenntnis eine Vorherrschaft über die Schöpfung und unterwarf sie ihren Schemata und Wünschen, so der Papst im Redemanuskript unter Verweis auf Gershom Sholems Mystique Juive.

„Die latente Versuchung in jedem akademischen Umfeld ist wohl, die Schöpfung auf einige interpretative Schemata zu reduzieren und sie so des eigentlichen Mysteriums zu berauben, das ganze Generationen dazu bewegt hat, das unbedingt Notwendige, Gute, Schöne und Wahre zu suchen.“

Die Mission der Universität erweise sich daher „als eine prophetische“, so der Papst abschließend. Sie sei „aufgefordert, Prozesse zu schaffen, die die aktuelle Kultur erleuchten, indem sie einen erneuerten Humanismus vorstellen“ – es gehe darum, „Räume zu suchen, die mehr auf Dialog als auf Konfrontation zurückgreifen; Räume mehr der Begegnung als der Trennung; Wege der freundschaftlichen Auseinandersetzung“. (CNA Deutsch)