Missbrauchsprävention: Päpstliche Uni stellt weiteres Projekt vor

 Universität Gregoriana„Missbrauchsprävention“ – was seit dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche in unseren Breiten in den vergangenen Jahren zum geflügelten Wort wurde, ist in vielen Staaten Asiens und Afrikas leider immer noch ein Fremdwort. Das will das Zentrum für Kinderschutz der Päpstlichen Universität Gregoriana ändern. Diese Woche Mittwoch stellt die akademische Institution ein weiteres Ausbildungsprojekt zur Vorbeugung von sexuellem Kindesmissbrauch innerhalb der Kirche vor.

Pater Hans Zollner, Leiter des päpstlichen Kinderschutzzentrums an der Gregoriana, erzählt im Interview mit Radio Vatikan, worum es sich handelt: „Was wir jetzt tun und was ab morgen online sein wird, ist das Programm für einen Diplomkurs, einen einsemestrigen Diplomkurs auf Englisch, den wir ab 2016 hier an der Gregoriana durchführen werden für künftige Präventionsbeauftragte in Diözesen, Ordensgemeinschaften oder katholischen Institutionen weltweit.“

15 bis 18 Ausbildungsplätze sollen pro Sommersemester jeweils vergeben werden, so Zollner. Dabei seien Teilnehmer aus solchen Teilen der Welt vorgesehen, in denen es bisher kaum oder gar keine Maßnahmen zur Missbrauchsprävention im kirchlichen Bereich gebe: „Wir haben jetzt schon die Zusicherung, dass eine bestimmte Anzahl, vielleicht ein Drittel aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer, aus Afrika kommen werden, weil die auch eine spezielle Förderung erhalten werden.“

„Was ja gerade auch unser Ziel ist: Dass wir in jenen Ländern, in denen solche Worte wie ,Präventionsbeauftragter einer Diözese‘ praktisch unbekannt sind, hineinwirken und nicht nur Bewusstsein schaffen können, sondern auch Leute ausbilden, die dann dort in diesem Bereich Verantwortung übernehmen.“ Nachholbedarf gebe es etwa in mehreren Staaten Westafrikas, berichtet Zollner. So hätten fünf frankophone Bischofskonferenzen dieser Region die vom Heiligen Stuhl angeforderten Leitlinien zur Prävention gegen Kindesmissbrauch immer noch nicht eingereicht.

Pater Zollner ist über den Stand der einzelnen Ortskirchen in der Frage gut informiert. Laut dem Psychologen hat die Aufmerksamkeit von Papst Benedikt XVI. für das Thema und die Einrichtung der internationalen Kinderschutzkommission durch Papst Franziskus die Diskussion über Kindesmissbrauch „weltweit enorm beschleunigt“ und „die Aufmerksamkeit kirchlicher Verantwortungsträger geschärft“. So sehe man heute insgesamt in einigen Ländern, „wo es bisher noch gar nichts gab“, klare Fortschritte im Kampf gegen Missbrauch:

„Zum einen in der Art und Weise, wie innerhalb der Kirche und über die Kirche hinaus über das Thema in der Öffentlichkeit gesprochen wird, andererseits auch wie einige Präventionsmaßnahmen schon durchgeführt werden. Ich denke an Länder wie Polen oder Indien, wo dieses Thema bis vor kurzem praktisch nicht präsent war, weder in der Gesellschaft als Ganzer noch innerhalb der Kirche, und wo mindestens erste Schritte geschehen sind. Schritte, die auch nicht mehr rückgängig gemacht werden können von Leuten, die sich mit dem Thema eigentlich nicht auseinandersetzen wollen.“

Insgesamt sei klar geworden, dass „bei den höheren Kirchenoberen in großer Mehrzahl eine Sensibilität für das Thema gewachsen“ sei und der Wille bestehe, entsprechend zu handeln, resümiert Pater Zollner, der auch der Päpstlichen Kinderschutzkommission angehört und innerhalb dieses Gremiums die Arbeitsgruppe Ausbildung leitet.

Weiteres Projekt des Kinderschutzzentrums ist eine internetbasierte Lernplattform, die kirchlichen Mitarbeitern weltweit Wissen zur Prävention vermitteln und sie für den Umgang mit Fällen sexuellen Kindermissbrauchs qualifizieren soll. Nach einer Testphase soll die Plattform mehrsprachig online verfügbar sein. Auf der Blog http://ccpblog.unigre.it hingegen können alle Infos rund um die Projekte des Kinderschutzzentrums eingesehen werden.

Vertuschung von Missbrauchsfällen: Kinderschutzkommission fordert Sanktionen

Pater Zollner gehört auch der Päpstlichen Kinderschutzkommission an, in der er die Arbeitsgruppe Ausbildung leitet. Die Statuten der vor gut einem Jahr eingerichteten Kommission hatte der Heilige Stuhl in der vergangenen Woche veröffentlicht. Einer der aktuellen Vorschläge des Beratergremiums sei die Verschärfung der kirchlichen Normen hinsichtlich der Rechenschaftspflicht kirchlicher Verantwortungsträger, berichtet Zollner im Interview mit Radio Vatikan.

Die Rechtsnormen der katholischen Kirche sehen vor, dass ein Bischof Rom informiert, wenn sich in seinem Zuständigkeitsbereich ein Missbrauchsverdacht erhärtet. Wenn er seiner Pflicht nicht nachkommt, sind bisher – abgesehen von einem möglichen Durchgreifen des Papstes – keine Sanktionen vorgesehen. In Zollners Augen ist das ein großes Manko: „Es kann nicht angehen, dass ein Bischof vertuscht, verschweigt oder zum Beispiel auch den Priester von einer Diözese in die andere schickt oder von einer Pfarrei in die andere, um das Verbrechen nicht zu ahnden. (…) Wir wollen konkrete Sanktionen haben, so dass ein Bischof auch weiß, was ihm droht, wenn er sich nicht an das Kirchenrecht hält!“ Hier müssten Verfehlungen klarer benannt, Strafmöglichkeiten ermöglicht und der Rechtsweg definiert werden, so P. Zollner.

Die Frage der „bishops accountability“, der bischöflichen Mitverantwortung, hatte der Präsident der Kinderschutzkommission, Kardinal Sean Patrick O’Malley , zuletzt in die Diskussion der Kardinäle über die Kurienreform eingebracht. Eine Prognose, ob und wann es dazu konkrete Entscheidungen geben wird, kann Zollner im Gespräch mit Radio Vatikan nicht machen. Er ortet unter den Kardinälen jedoch „Offenheit“ gegenüber dem Thema.

Nach der Zusammenarbeit der Kinderschutzkommission mit der römischen Kurie befragt, unterstreicht der Jesuit, dass die Kommission zwar mit der Glaubenskongregation zusammenarbeiten, aber keine Kompetenzen der Kongregation übernehmen werde. Die Glaubenskongregation ist im Vatikan mit der juristische Aufarbeitung von Missbrauchsfällen entsprechend dem Kirchenrecht betraut. „Wir arbeiten im gewissen Sinne nicht enger mit der Glaubenskongregation als mit den anderen Dikasterien oder dem Staatssekretariat zusammen. Unsere Aufgabe ist es ja, dass wir dem Papst selbst direkt Vorschläge unterbreiten und ihm selber Ratschläge geben – ihn sozusagen auch auffordern, dass er aktiv wird über die verschiedenen Dikasterien des Heiligen Stuhls.“

Darunter seien neben der Glaubenskongregation auch die Bischofskongregation, die Kleruskongregation und die Kongregation für die Evangelisierung der Völker: „Weil dort darauf geachtet werden muss: Wie wird geschaut, welche Kandidaten fürs Bischofsamt ausgewählt werden? Und zweitens: Wie werden die Kandidaten für Priester- und Ordensberufe ausgebildet, sowohl in der anfänglichen Ausbildung als auch in der Fortbildung nach der Priesterweihe oder den letzten Gelübden.“

Zollner berichtet im Interview weiter, dass der Papst in der Glaubenskongregation eine eigene „Appellkommission“ eingerichtet habe. Sie behandelt die Fälle von Priestern, die in einer ersten Instanz aus dem Priesterstand entlassen wurden, den Entscheid aber anzweifeln und sich mit einem Appell an die Kongregation wenden können: „Und um diese Verfahren zu beschleunigen, hat der Papst eine Kommission eingerichtet, die diese Fälle schneller behandeln soll und so zu mehr Rechtssicherheit führen kann“, so Zollner. (rv)

Kardinal Burke nimmt am Marsch für das Leben in Italien teil

Kardinal BurkeUngefähr 40.000 Menschen haben am Sonntag im historischen Zentrum von Rom am „Marsch für das Leben“ teilgenommen. An der Kundgebung gegen Abtreibung und Euthanasie nahm auch der amerikanische Kardinal Raymond Burke teil. Es sei bereits das fünfte Mal, dass er zusammen mit Lebensschützern durch die römische Innenstadt marschiere, erzählte der ehemalige Kardinalpräfekt der Apostolischen Signatur und heutige Kardinalpatron des Souveränen Malteserordens gegenüber Radio Vatikan:

„Papst Johannes Paul II. hat uns in seiner wundervollen Enzyklika ,Evangelium vitae‘ daran erinnert, die unvergleichliche Schönheit und Unverletzlichkeit des schutzlosen und unschuldigen Lebens öffentlich zu bezeugen. Deswegen ist dieser Marsch in Italien sehr wichtig; er ist ein Zeichen der Menschen, die sich für den Respekt vor dem Leben vom Moment der Empfängnis an bis zum Moment des natürlichen Todes einsetzen. Ich habe jetzt jedes Jahr an dem Marsch teilgenommen; er wird jedes Jahr größer, immer mehr Menschen nehmen teil! Und es ist auch wunderbar, die internationale Beteiligung zu sehen: So viele Leute kommen aus anderen Ländern her, um sich den Italienern und ihrem Zeugnis für die Würde des menschlichen Lebens, das nach dem Abbild Gottes geschaffen wurde, anzuschließen.“

Papst Franziskus hatte die Lebensschützer am Sonntag nach dem Regina Coeli-Gebet auf dem Petersplatz zu weiteren Initiativen ermuntert. Auch Vertreter anderer Religionen und Konfessionen sind bei der Kundgebung laut Angaben der Veranstalter regelmäßig mit dabei: Orthodoxe, Protestanten, Buddhisten, Muslime und auch Atheisten. Sie wenden sich gemeinsam gegen eine Kultur, in der das ungeborene Leben und der Mensch am Lebensende oftmals als „Abfallprodukte“ herabgewürdigt würden, so Virginia Coda Nunziante, die Sprecherin des „Marsch für das Leben“, im Interview mit Radio Vatikan:

„Diese Sicht rührt von einer Sicht des Relativismus her, der sich in unserer Gesellschaft breit macht. Individualismus wird ins Zentrum gestellt anstatt Menschen in schwierigen Momenten zu helfen: Frauen in der Schwangerschaft oder schwerkranken Menschen am Lebensende. Stattdessen schlägt man ein Euthanasie-Gesetz vor – ein Gesetz, das zur Selbstzerstörung einlädt – statt eine Kultur zu schaffen, die hilft und unterstützt.“

Coda Nunziante spricht hier das in Italien diskutiertes Sterbehilfe-Gesetz an, das Euthanasie an schwerkranken Menschen legalisieren würde. Zuletzt war für eine solche Legalisierung der Euthanasie erneut die italienische Spitzenpolitikerin Emma Bonino eingetreten, die selbst an einem Lungentumor erkrankt ist: „Ich fürchte nicht den Tod, ich empfinde ihn als weit weg von mir“, sagte die ehemalige italienische Außenministerin laut Medienberichten: „Ich habe vor dem Schmerz, dem Leid Angst. Ich bin der Ansicht, dass man mit Würde sterben sollte“, so Bonino. Franziskus hatte die Spitzenpolitikerin der „Radikalen Partei“ (Partito Radicale) vor wenigen Tagen angerufen und ihr Mut bei ihrem Kampf gegen die Krankheit gemacht. Die „Radikale Partei“ setzt sich u.a. für ein „Recht auf Abtreibung und Sterbehilfe“ ein. (rv)

Italien: Roberto Kardinal Tucci verstorben

Kardinal TucciTucci ist am Dienstag in Rom im Alter von 93 Jahren verstorben. In wenigen Tagen, am 19. April, hätte er seinen 94 Geburtstag begangen. Tucci war von 1973 bis 1985 Generaldirektor von Radio Vatikan. Papst Johannes Paul II. hatte ihn 2001 in den Kardinalsstand erhoben und ihm die Diakonie “S. Ignazio di Loyola a Campo Marzio” zugeteilt. Bis 2001 war er noch Präsident im Verwaltungsrat von Radio Vatikan.

Das Kardinalskollegium umfasst somit noch 224 Kardinäle und von diesen sind derzeit 122 wahlberechtigt in einem künftigen Konklave. (vh)

Jahr des geweihten Lebens: Nicht nur etwas für Rom

Kardinal Braz de AvizDas Jahr des geweihten Lebens soll nicht eine „römische Sache" bleiben, die nur an wenige Gläubige gerichtet ist. Sie soll außerdem ökumenisch werden und über katholisches Ordensleben hinaus gehen. Das sagt der Präfekt der Ordenskongregation, der brasilianische Kurienkardinal João Braz de Aviz, im Interview mit Radio Vatikan. An diesem Montagabend wird Papst Franziskus in St. Peter eine Messe zum „Tag des Geweihten Lebens" feiern. Im Gespräch mit unserem Kollegen Mario Galgano geht Kardinal Braz de Aviz auf das Engagement des Papstes für das geweihte Leben ein.

„Wir sind sehr glücklich darüber, dass Papst Franziskus die mittlerweile zur Tradition gewordene Messe für das geweihte Leben feiert. Dieser Gottesdienst will eine Verbindung zu allen Gläubigen des geweihten Lebens, also vor allem des Ordenslebens, auf der Welt sein. Die diesjährige Feier ist natürlich ganz besonders, weil wir ja das Jahr des geweihten Lebens feiern."

Papst Franziskus ist selber auch Ordensmann. Inwieweit spüren Sie das?

„Allein seine Präsenz zeigt vieles: er wird uns sicher auch bei dem Gottesdienst wieder an die Grundzügen dieses Gedenkjahres erinnern. Wir sind sehr froh darüber, denn durch Papst Franziskus haben Ordensleute frische Kraft und Freude erhalten. Das ist sehr wichtig, denn wir leben ja in einer Übergangszeit, in der es so viele Schwierigkeiten und Neuheiten auf der Welt gibt."

Ökumenische Perspektive

Es gibt ja weltweit ganz viele Initiativen zum Jahr des geweihten Lebens. Gibt es aus Ihrer Sicht ein Projekt, das Sie besonders hervorheben wollen?

„Ja, und zwar handelt es sich um eine Initiative, die kurz nach der Eröffnung des Gedenkjahres entstanden ist. Bei einem ökumenischen Treffen in Rom haben wir festgestellt, dass es ein großes Interesse gibt, geweihte Christen aus verschiedenen Konfessionen zusammenzubringen. Das gab es bisher in dieser Form nicht. Beim Treffen wurde festgestellt, dass die großen Schulen der Spiritualität innerhalb der verschiedenen Kirchen im Grunde denselben Weg gehen. Ich fand den Austausch mit Benediktinern und Franziskanern der anglikanischen Kirche sehr interessant, aber auch mit den Mönchen der orthodoxen Kirchen. Insgesamt nahmen sieben verschiedene spirituelle Traditionen teil. Dieser Austausch wird meiner Meinung nach künftig viele Früchte bringen."

Gibt es denn noch weitere Projekte, die Sie uns vorstellen können?

„Wir bereiten derzeit eine Begegnung für Ausbilder im Ordensleben vor. Es gibt bereits über 1.200 Anmeldungen aus der ganzen Welt zu diesem Treffen. Für uns ist es ein Anliegen, dass die Konferenz sehr repräsentativ wird und die verschiedenen Formen des geweihten Lebens und des Ordenslebens präsent sind. Wir wollen damit auch einen Wandel hervorrufen. Bisher war es so, dass man zum Ordensleben eine Einführungsausbildung unternahm, und dann konnte man die Gelübde ablegen und das war es dann. Nein, wir wollen, dass sich Männer oder Frauen, die sich Gott geweiht haben, ständig weiterbilden. Das gilt ja für uns alle: von der Zeugung bis zum Tod gibt es immer eine Bildung, das heißt Gott prägt sich in uns. Wir alle sind deshalb gerufen, diese Prägung zu suchen."

Sie haben vor allem von bereits Geweihten gesprochen. Wird es auch für sozusagen Neulinge – also Novizen – Projekte geben?

„In der zweiten Hälfte des Jahres – also im September 2015 – wollen wir Novizen treffen. Wir wollen vor allem zuhören, welche Erwartungen sie haben. Also, es geht uns darum, von ihnen zu lernen, und nicht unbedingt darum, ihnen etwas beizubringen. Denn auch wir können viel von jungen Menschen lernen. Wir wollen dieses Treffen mit einer großen Messe mit dem Heiligen Vater abschließen."

Es gibt viele Ordensleute und gottgeweihte Katholiken, die nicht im stillen Kämmerlein sitzen, sondern in der Welt tätig sind. Am 8. Februar wird sich Ihre Kongregation an dem Gebetstag gegen Menschenhandel beteiligen. Wie sehen Sie das Engagement von Ordensleuten in der Gesellschaft?

„Ich bin sehr froh darüber, dass wir uns an diesem Gebetstag beteiligen. Es geht um ein großes Anliegen, ein Thema anzusprechen, das ein großes Problem ist. Der Menschenhandel ist ein Skandal und schrecklich. Ordensleute, die unter den Armen und Hilfsbedürftigen sind, leben oft an der Peripherie – wie es der Papst nennt – unserer Gesellschaft und der Kirche selbst. Mit diesem Gebetstag wollen wir auch das Bewusstsein bei den Ordensleuten stärken, dass ein solcher Einsatz zu unserer Missio gehört."

Den Gottesdienst mit Papst Franziskus an diesem Montag überträgt Radio Vatikan live und mit deutschem Kommentar ab 17.25 Uhr. (rv)

Italien: Kardinal Marchisano verstorben

marchisano Der italienische Kardinal Marchisano ist am heutigen Morgen im Alter von 85 Jahren in Rom verstorben. Marchisano war von 1991 bis 2004 Präsident der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter und sakraler Archäologie sowie von 2002 bis 2006 Erzpriester der Vatikanbasilika St. Peter und Mitglied in mehreren Dikasterien der römischen Kurie. Papst Johannes Paul II. erhob ihn am 21.10.2003 in den Kardinalsstand mit Zuweisung der Diakonie „S. Lucia del Gonfalone“. Papst Franziskus ernannte ihn erst vor knapp einem Monat zum Kardinalpriester (pro hac vice). Mit seinem Tod zählt das Kardinalskollegium insgesamt 212 Kardinäle und von diesen sind 118 wahlberechtigt in einem künftigen Konklave. (vh)

Vatikan/Niederlande: Bischöfe zu Besuch

EijkPapst Franziskus hat die katholische Kirche in den stark säkularisierten Niederlanden dazu ermutigt, präsenter in der öffentlichen Debatte zu sein. Das solle aber auf eine positive Weise geschehen, sagte der Papst an diesem Montag den Angehörigen der niederländischen Bischofskonferenz, die dieser Tage zum Ad Limina-Besuch in Rom sind.

„Die Kirche bietet nicht nur unwandelbare moralische Wahrheiten und Haltungen, die gegen den Strom der Welt laufen, sondern sie bietet sie als Schlüssel des menschlich Guten und der gesellschaftlichen Entwicklung. Die Christen haben eine eigene Sendung, um diese Herausforderung anzunehmen. Daher wird die Erziehung des Gewissens vorrangig, besonders durch die Herausbildung eines kritischen Urteils, wobei aber ein positiver Zugang zu den sozialen Wirklichkeiten zu wahren ist: So werden oberflächliche Urteile und Resignation vermieden. In diesem Zusammenhang haben das Zeugnis und das Engagement der Laien in der Kirche und in der Gesellschaft eine wichtige Rolle und müssen stark unterstützt werden!"

In allen Räumen der Öffentlichkeit, „in denen es um den Menschen geht", solle auch die Kirche anwesend sein, um „die Barmherzigkeit Gottes sichtbar zu machen". Das sei wohl nicht immer in der richtigen Tonart geschehen, so der Papst.

„Fragen wir uns: wer uns trifft, wer einen Christen trifft – nimmt er etwas wahr von der Güte Gottes, von der Freude, Christus begegnet zu sein? Die Kirche breitet sich nicht durch Proselytismus aus, sondern durch Anziehungskraft. Sie ist überallhin geschickt, um die Hoffnung zu wecken und zu wahren! Von daher besteht die Notwendigkeit, eure Gläubigen an jene Orte zu schicken, an denen die Zukunft entschieden wird; so können sie ihren Beitrag in die Debatten über die großen sozialen Fragen einbringen, etwa zu Familie, Ehe, Ende des Lebens."

Franziskus bat die niederländischen Bischöfe, Opfern von Missbrauch durch Kleriker sein Mitgefühl auszudrücken; er bete für diese Menschen und ihre Familien. Weiters bestärkte er die Bischöfe auf dem Weg der Aufarbeitung solcher Fälle. Er bat sie, sich besonders um die Priester zu kümmern, auch um jene, die sich von ihrer Berufung entfernt hätten. Franziskus empfing die sieben Diözesanleiter der Niederlande samt ihren Weihbischöfen unter Leitung von Kardinal Willem Jacobus Eijk aus Utrecht. (rv)

125 Jahre Deutsches Historisches Institut Rom

DHIDas Deutsche Historische Institut in Rom feiert in diesem Jahr sein 125-jähriges Bestehen. Begonnen hat alles 1888, damals noch unter dem Namen „Preußische Historische Station". Preußen, damals der größte deutsche Staat, hatte beschlossen, selbstständig ein Institut zur Geschichtsforschung zu gründen, da sich das Deutsche Reich nicht hatte einigen können.

„Unmittelbarer Anlass und Energiequelle sozusagen war die Öffnung des Vatikanischen Geheimarchivs durch Papst Leo XIII."

Bereits 1881 hatte Papst Leo das Geheimarchiv öffnen lassen. Martin Baumeister, den wir gerade hörten, ist der aktuelle Leiter des Deutschen Historischen Instituts in Rom. Die Aufgaben der Einrichtung haben sich seit 1881 natürlich enorm ausgeweitet; sie gehen heute über die intensive Erforschung und Zugänglichmachung der Reichtümer des Vatikanischen Archivs weit hinaus. Aber, sagt Baumeister:

„Die Arbeiten, die damals initiiert wurden, bestimmen zum Teil heute noch unser Alltagsgeschäft, das ist die sogenannte Grundlagenforschung in der Erstellung von Findmitteln und großen Editionen. Traditionell stand im Mittelpunkt die Forschung im Bereich der mittelalterlichen Geschichte, zum Teil auch in der Frühneuzeit, seit den 60er vor allen Dingen 70er Jahren hat man den Schwerpunkt auf die Faschismusforschung verlagert, auf die Zeit des Zweiten Weltkrieges. Und damit verbunden war auch eine starke Öffnung im Bereich der Neuesten Geschichte hin zur europäischen Geschichte."

Natürlich wird zu einem solch großen Jubiläum auch gefeiert. Mit dabei war beim 125-Jahre-Festakt des Deutschen Historischen Instituts an diesem Montag der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf, einer der renommiertesten Geschichtswissenschaftler Deutschlands. Wolf, ein katholischer Priester, erforscht seit vielen Jahren die Quellen des Vatikanischen Archivs. An ihn die Frage: Was darf man sich unter diesen so geheimen Quellen überhaupt vorstellen?

„100 laufende Kilometer Akten mit ganz unterschiedlichen Quellentypen. Sie können eine mittelalterliche Urkunde haben, Sie können aber auch einen Brief haben. Ein Beispiel: Wenn Edith Stein, inzwischen heilig gesprochen, 1933 noch eine kleine Dozentin in Münster, Edith Stein ist ja eine zum Katholizismus konvertierte Jüdin, wenn die dem Papst schreibt und ihn bittet, er soll reden für die verfolgten Juden, dann haben Sie so einen schreibmaschinengetippten Brief, den Sie dort erstmals in die Hand nehmen können, erstmals lesen, was hat die eigentlich geschrieben."

Zu den Quellen zählen auch die vielen Nuntiaturberichte der Botschafter des Heiligen Stuhls in den Ländern der Welt. Für Deutschland besonders interessant: Die Berichte von Eugenio Pacelli, dem späteren Papst Pius XII. Er war zwölf Jahre lang, von 1917 bis 1929, Nuntius in Deutschland.

„Und in diesen zwölf Jahren hat er etwa sechseinhalbtausend Briefe, Berichte an den Kardinal Staatssekretär aus Deutschland geschrieben. Das heißt Sie haben einen ungeheuer dichten Blick aus einer Perspektive, nämlich des apostolischen Nuntius in Deutschland auf Deutschland. Und zwar nicht nur auf die Situation der Kirche, auf Bischöfe, auf Priester, auf Gottesdienstbesuch und so weiter. Sondern auf die Kultur. Was ist Berlin der Goldenen Zwanziger, wie sieht er eigentlich die Sozialdemokratie, was passiert in Deutschland in der Räterepublik, Hitlerputsch?"

Urkunden, Akten, Korrespondenzen, Nuntiaturberichte, aber auch Nachlässe berühmter Personen finden sich also unter den Quellen des Vatikanischen Archivs. Hubert Wolf forscht mit vielen weiteren Wissenschaftlern zur Zeit an zwei großen Projekten:

„Einerseits eben die Edition dieser Nuntiaturberichte von Pacelli im Internet: -da hat jeder einen Zugriff zu diesen Quellen, das ist ganz wichtig, auch für das Vatikanische Archiv wichtig, dass diese Quellen allgemein zugänglich werden, um sich selber ein Urteil zu bilden. Und das andere ist eben eine Erschließung des Archivs der Inquisition und der Indexkongregation zur Buchzensur. Wir machen also eine Buchzensurgeschichte von 1542 bis 1966. Alle Bücher, die jemals in Rom angezeigt, verhandelt, verboten, freigesprochen worden sind, können Sie in unserer Arbeit finden. Das Projekt ist bald zu Ende in zwei Jahren."

Der Kirchenhistoriker Wolf möchte vor allen Dingen auch betont haben, dass das Vatikanische Geheimarchiv so geheim gar nicht ist. Auch der Zugang zu den Quellen nicht so schwer, wie die gängigen Vorurteile immer glauben machen wollen.

„Wenn die Quellen zugänglich sind, findet Zensur nicht statt. Allen anderen Unkenrufen zum Trotz. Und das ist auch nur die Berechtigung für so ein Institut. Wenn wir jetzt immer damit rechnen müssten, der Vatikan würde bestimmte Quellen vorenthalten, wäre wissenschaftliches Arbeiten nicht möglich. Und das ist definitiv nicht der Fall. Das ist ein ganz offenes Archiv." (rv)

Vatikan: Mit nichtglaubenden Journalisten ins Gespräch kommen

RavasiIn der Reihe „Vorhof der Völker", die dem Gespräch mit Nichtglaubenden gilt, findet in Kürze erstmals ein „Vorhof der Journalisten" statt. Das hat an diesem Freitag der Päpstliche Kulturrat bekannt gegeben. Höhepunkt ist eine Debatte zwischen Kardinal Gianfranco Ravasi, dem Präsidenten des Rates und Initiator des „Vorhofs der Völker", und Eugenio Scalfari. Der Gründer der linksliberalen römischen Tageszeitung „La Repubblica" hatte jüngst einen Brief des Papstes erhalten, in dem dieser Fragen zur Glaube und Kirche beantwortete, die Scalfari öffentlich gestellt hatte. „Ich fühle mich wohl dabei, Ihre Fragen anzuhören und mit Ihnen gemeinsam die Wege zu suchen, auf denen wir vielleicht beginnen können, gemeinsam unterwegs zu sein", hatte Franziskus dem ehemaligen sozialistischen Senator geantwortet. Der „Vorhof der Journalisten" am 25. September verstehe sich als Etappe in diesem Sinn, heißt es aus dem Kulturrat. (rv)

Weltjugendtag in Rio: Gebet, Protest, Begegnung

S_Maria_MaggiorePapst Franziskus bricht am Montag zu seiner ersten internationalen Apostolischen Reise auf. Groß sind die Erwartungen nicht nur in Brasilien, ist Franziskus doch der erste lateinamerikanische Papst überhaupt und auf einem Weltjugendtag. Worauf können wir uns bei dieser Reise gefasst machen? Dies fragten wir unsere Kollegin Anne Preckel, die den Weltjugendtag in Rio de Janeiro für das deutschsprachige Programm von Radio Vatikan begleitet.

„Die Erwartungen sind in der Tat riesig, mancher Beobachter hält es für möglich, dass dieser 28. Weltjugendtag alle vorangehenden in den Schatten stellen wird, was Teilnehmerzahlen und Strahlkraft betrifft. Franziskus‘ hat in den ersten Monaten seines Amtes positiv überrascht, er hat Akzente gesetzt sowohl als Hirte – denken wir etwa an die Fußwaschung im römischen Gefängnis oder den Besuch auf Lampedusa und die markante Rede dort – als auch als Papst, der Missstände in der römischen Kurie angeht. Auch scheint er einen guten Draht zur Jugend zu haben, wie er mehrfach bewiesen hat, etwa bei dem Treffen mit Jesuitenschülern im Vatikan, wo Franziskus spontan vom Protokoll abwich und Fragen beantwortete: ,Seid großherzig, seid frei für das Gute und Meister im Dienst für den Nächsten‘ gab er den jungen Leuten dabei mit auf den Weg, und das klang schon so ein wenig wie ein Leitfaden auch für den Weltjugendtag in Rio."

Brasilien erlebt derzeit die größte Protestwelle der letzten Jahrzehnte – ein heißes Pflaster für den Weltjugendtag, oder?

„Ja, dieser Weltjugendtag fällt in einer Umbruchsphase vor allem für die Jugend in Brasilien, die sich die eigene Zukunft nicht mehr stehlen lassen will – um es mal salopp zu formulieren. So wird dieser Weltjugendtag auch ganz klar eine Mischung aus Gebet und Protest, Glaube und Politik sein – das ist hochspannend und man wird sehen, welche Worte Franziskus für diese aktuelle Lage finden wird. In Lateinamerika dürfte vor allem der Wunsch des ersten lateinamerikanischen Papstes nach einer ,armen Kirche für die Armen' auf offene Ohren stoßen. Die ungerechte Verteilung der Ressourcen, Armut und soziale Benachteiligung sind alles Probleme, die auch auf der Agenda der brasilianischen Kirche weit oben stehen, und sie sind Jorge Mario Bergoglio aus seinem Heimatland Argentinien wohl bekannt. Wir dürfen nicht vergessen, dass der BRIC-Staat Brasilien in seinen ,Peripherien' zugleich auch einem Entwicklungsland ähnelt."

Was erhofft sich die brasilianische Kirche von dem Großereignis?
„Den brasilianischen Bischöfen ist es auch ein Anliegen, mit dem Weltjugendtag die Jugend wieder mehr für die katholische Kirche zu gewinnen. Die hat in Brasilien, obwohl das Land insgesamt stark religiös durchdrungen ist, mit sinkenden Katholikenzahlen und Abwanderung zu anderen Konfessionen, vor allem den Pfingstkirchen, zu kämpfen. Und darüber hinaus hofft Brasiliens katholische Kirche auch, dass der Glaube irgendwie doch zur ethischen Grundlage der politischen Reformen wird, die das Volk jetzt will. Einzelne Forderungen hat Dilma Rousseff ja schon erfüllt, etwa in Richtung Strafermittlung, das Volk wird in Brasilien wohl einen langen Atem – ja und auch irgendwie eine ethische Orientierung – brauchen: Viele Forderungen der Demonstranten betreffen strukturelle Probleme wie Mängel in Justiz, Bildungs- und Gesundheitswesen – die lassen sich nicht übers Knie brechen."

Das ursprünglich für Benedikt vorgesehene Reiseprogramm wurde auf Wunsch von Franziskus aufgestockt. Was sind die Highlights?
„Als Glaubensfest mit dem Motto ,Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker' sind natürlich die großen Begegnungen der Jugendlichen mit dem Papst die Höhepunkte – Franziskus plädiert ja für eine ,Kultur der Begegnung', die sozialen Zusammenhalt gerade auch in Krisenzeiten schaffen kann. Bis zu 2,5 Millionen Jugendliche werden in Rio erwartet; Highlight sind die Begrüßungszeremonie auf der Copacabana am Donnerstagabend, zu der über eine Million Pilger erwartet werden, die Gebetsvigil am Samstagabend und die große Abschlussmesse am Sonntag in Guaratiba, ganz in der Nähe von Rio. Auf Wunsch des Papstes ins Reiseprogramm eingefügt wurde der Besuch in Aparecida, der Bergoglios Marienverehrung entgegenkommt, ein Zwischenstopp in einer Favela und dann noch in einem Drogentherapiezentrum in Rio. Doch auch das Rahmenprogramm des Weltjugendtages bietet interessante Programmpunkte für die internationalen Pilger: es gibt zahlreiche Messen und Katechesen in 20 Sprachen, allein acht Katechese-Orte für deutsche Pilger, zwei Kreuzwege und ein reiches Kulturprogramm. Und wenn’s einem zu viel wird unten in der Stadt, kann man den ,Christo Redentor' auf dem Corcovado bewundern, der soll während des Weltjugendtages rund um die Uhr geöffnet bleiben." (rv)

D/Italien: Priester mit Weltkircheerfahrung für die Heimat

Germanicum et Hungaricum726 – so viele Seminaristen gab es im vergangenen Jahr in Deutschlands Priesterkollegs. Um aber ein tatsächliches Bild vom Priesternachwuchs für das eigene Land erhalten zu können, darf man eines nicht vergessen: Nicht wenige junge Männer zieht es für die Priesterausbildung ins Ausland, wo die katholische Kirche ihnen die Möglichkeit gibt, sich zum Priester für das Heimatland ausbilden zu lassen. Nicht nur eine Kirche vor Ort also, sondern eine Weltkirche im Sinne des Wortes. Und wo wäre diese deutlicher zu erleben als in Rom?

„Rom ist aus der Perspektive der Kirche eine besonders spannende Stadt, weil sich hier Weltkirche auf eine Art und Weise erleben lässt, die unvergleichbar ist. Das Theologiestudium ist spannend, und das überall auf der Welt – aber man lernt in Rom durch den Zugang: Was bedeutet Kirche in Afrika, in Lateinamerika, in Ungarn, in Osteuropa? Beziehungsweise was heißt das für uns?"

Das sagt Mathias Bitsche, der seine Wiener Priesterausbildung im Priesterkolleg „Germanicum et Hungaricum" in Rom fortgesetzt hat. Schon der Name dieses Kollegs, das auf deutschsprachige und ungarische Seminaristen ausgerichtet ist, zeigt, dass Kirche über Ländergrenzen hinweg gedacht werden muss. Mihály Czapkó kam aus Ungarn hierher und erinnert an die geschichtsträchtige Vergangenheit des Kollegs:

„Das Germanicum, das Kolleg für das Römische Reich Deutscher Nation, wurde eigentlich schon 1552 gegründet. Der Grund war, nach der Reformation Priester auszubilden, die der Kirche, der katholischen Lehre treu sind und diese vertreten. Das Hungaricum, das ungarische Kolleg, kam 1580 dazu. Ein sehr großer Teil in Ungarn wurde vom Osmanischen Reich besetzt, in Siebenbürgen kam es auch zur Reformation. Nach der Befreiung von den Türken begann man, die Kirche wieder aufzubauen. Immer wenn ich an diese Situation denke, dann könnte ich sagen: Für die heutige kirchliche Situation ist es nicht so schlimm, wie es früher war."

Und das, obwohl es die Kirche in Ungarn immer noch schwer hat nach einem atheistischen System von fast fünfzig Jahren. Mihály Czapkó erzählt, dass sein Heimatland vor dem Kommunismus der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts ein sehr religiöses Land war. Heute sei das anders. Nach Rom ist er gekommen, um von den verschiedenen kirchlichen Situationen der Seminaristen, die aus aller Welt hierher kommen, zu lernen:

„Was vielleicht bei uns ein großes Problem ist, könnte aus Sicht von anderen Ländern ein viel kleineres Problem sein."

Voneinander lernen, sich austauschen über die jeweilige kirchliche Realität im eigenen Land, sehen, was woanders vielleicht besser läuft: Das wird den Seminaristen durch das besondere Ausbildungskonzept leichter gemacht, so der Seminarist Martin Reichert aus der Erzdiözese München-Freising:

„Das ,Germanicum et Hungaricum´ wird von den Jesuiten geleitet. Das Charakteristische an der Ausbildung durch Jesuiten ist, dass sehr viel Wert auf Eigenverantwortung und Eigeninitiative gelegt wird. Unsere Oberen sagen, es hat wenig Sinn, den Leuten einfach irgendetwas überzustülpen. Wir sollen da selbst hinein finden."

Und das geschieht besonders durch den lebendigen und internationalen Austausch, für den die Seminaristen deshalb so ausgiebig Zeit haben, weil ihre Ausbildung dem genügend Raum lässt. Aus derzeit elf verschiedenen Ländern kommen die jungen Priesteramtskandidaten, die hier studieren. Aber alle werden für den Dienst in ihrer Heimatdiözese ausgebildet. Wie die Seminaristen auf ihre Rückkehr vorbereitet werden, erklärt der Mathias Bitsche:

„Da ist einer der großen Vorteile bei uns im Haus, dass wir in Eigenverantwortung vorbereitet werden. Eine Priesterausbildung nach einem Schema kann heute nicht mehr funktionieren, weil die kirchliche Situation, die gesellschaftliche Lage im Wandel sind. Genau da ist es die Chance, hier an diesem Ort zu überlegen: Wie kann meine kirchliche Situation zu Hause von dem profitieren, was ich hier kennenlerne und natürlich auch faktisch lerne? Und da miteinander im Gespräch zu sein und mal zu hören: Wie geht’s denn der Kirche in Ungarn? Was kommt bei denen gut an? Was davon kann eine Chance für unsere kirchliche Situation sein?"

Wenn der gemeinsame Blick der beiden deutschsprachigen Seminaristen, Mathias Bitsche und Martin Reichert, von Rom aus auf die kirchliche Situation in ihren Heimatländern Österreich und Deutschland fällt, spricht der Österreicher Mathias Bitsche auch für seinen Mitseminaristen, wenn er über die Heimatsituation seiner Kirche sagt:

„Da entsteht eine gedrückte Stimmung, weil man fragt: Wie kann das weitergehen? Priestermangel? Der sonntägliche Kirchenbesuch? Diese Situation ist auch unseren Ausbildern, unseren Hausvorstehern bewusst. Das sind deutsche Jesuiten beziehungsweise ein österreichischer und ein ungarischer Jesuit, die mit uns gemeinsam diesen Weg in dieser Zeit hier in Rom gehen. Natürlich wird sich die Frage gestellt, wie die kirchliche Situation in den unterschiedlichen Ländern ist und was man daraus machen kann."

Für die gedrückte Stimmung, von der Mathias Bitsche spricht, macht Martin Reichert mit Blick auf Deutschland immer wieder laut werdende Forderungen mitverantwortlich. Seiner Einschätzung nach helfe es aber kaum, diesen Forderungen einfach nachzukommen.

„Abschaffung des Zölibats, Einführung des Frauenpriestertums – die Forderungen sind natürlich auch von außen, von der Gesellschaft in den Glauben hineingekommen. Es gibt da ein großes Unverständnis, und wir können den Leuten auch kaum vermitteln, dass es Menschen gibt, die ihre Sexualität in ihre Persönlichkeit integrieren, ohne sie auszuleben, oder dass wir keine Frauen an unseren „Spitzenpositionen" haben. Ich denke, was wir machen können, ist, die Leute auf das Wesentliche in unserem Glauben aufmerksam zu machen: Das ist die Botschaft des Glaubens selbst, das ist die Botschaft der Liebe, der Solidarität, der Gerechtigkeit. Und genau das soll die Kirche auch für die Welt, für die anderen Menschen offen machen. Wir glauben an einen Gott, der ein Gott für uns ist, der mit den Menschen sein will – und das müssen wir heute der Welt zeigen."

Und das ist nicht nur der priesterliche Auftrag, wie ihn Martin Reichert für seinen eigenen Beruf in Zukunft versteht. Für Mathias Bitsche ist das gleichzeitig auch ein möglicher Ansatzpunkt für einen innerkirchlichen Bewusstseinswandel, der zu einer veränderten – nämlich positiveren Wahrnehmung von Kirche in der Öffentlichkeit führen könne:

„Ich glaube, dass die Kirche im Moment sehr viel das Bild vermittelt: Entweder Du gehörst voll und ganz dazu – oder gar nicht. Ein problematisches Bild, aber lösen werden wir das nicht mit Äußerlichkeiten, lösen werden wir das mit einer einladenden Haltung: Zu uns darf man kommen, bei uns ist jeder Mensch willkommen, auch dann, wenn er vielleicht nicht zu hundert Prozent unserem Bild entspricht. (rv)