Italien: Übertriebene Therapie nicht besser als Euthanasie

Wie es so ist, manchmal lösen Papstworte durchaus hitzige Diskussionen aus. Doch oftmals werden die Worte des Papstes – mehr oder weniger bewusst – falsch und aus dem Kontext gerissen wiedergegeben. So titelten vor nicht allzu langer Zeit vor allem italienische Medien, der Papst habe in Bezug auf die kirchliche Haltung zum Umgang mit sterbenden Menschen „eine Kehrtwende“ eingeläutet und stünde sogar für Suizidbeihilfe ein. Das stimmt nicht, betont der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Gualtiero Bassetti, Erzbischof von Perugia, gegenüber Radio Vatikan an diesem Dienstag.

Hintergrund des Missverständnisses ist eine Botschaft des Papstes an die Teilnehmer einer Tagung, die sich Mitte November im Vatikan mit Fragen rund um das Lebensende beschäftigte. Da ging Franziskus auf den Umgang mit schwerstkranken Menschen ein und rief dazu auf, bei aussichtslosen Fällen nicht um jeden Preis medizinisch weiter zu behandeln. Am Montag hatte nun der Vatikan die Papst-Botschaft zum Welttag der Kranken, der jeweils am 18. Februar 2018 begannen wird, veröffentlicht. Diese Botschaft zeige konkret auf, wie es der Papst „und die katholische Kirche“ konkret beim Umgang mit Patienten meinen, so Kardinal Bassetti. In der Botschaft zum Weltkrankentag warnt der Papst katholische Krankenhäuser vor dem „Risiko einer Betriebsmentalität“, die nur den Profit und nicht den Patienten vor Augen hätte.

„Was der Papst der Akademie für das Leben sagte, fügt sich in das ein, was die Kirche für die Menschen wünscht und zwar, dass die Bedingungen für Sterbende so menschlich wie möglich sind. Es ist aber nicht immer leicht, von vornherein die klare Grenze zwischen übertriebenen lebensverlängernde Therapien und Euthanasie zu unterscheiden. Deshalb ist es wichtig, dass jene, die zu einem bestimmten Zeitpunkt entscheiden müssen, wie sie medizinisch handeln sollen, sowohl den Willen des Patienten als auch die Kompetenzen des Arztes in Betracht ziehen. Diese Unterscheidungskraft muss also den richtigen Ausgleich zwischen der Pflege und dem Patientenwillen beachten. Das darf aber niemals zu einer ,Wegwerfkultur´ verkommen, wie Papst Franziskus es mehrmals angeprangert hat.“

Sterben sei ein Moment im menschlichen Leben, „in der man an der Grenze der eigenen Existenz“ angelange, fügt Kardinal Bassetti an. Da kämen all die Schwächen zum Vorschein, aber auch die Tatsache, dass man von anderen Menschen abhänge.

„Dazu gehört auch die Abhängigkeit von Gott. Eine solche Situation ruft jene Nähe der Pflege und Gefühle in den Vordergrund, die man vor allem in der palliativen Pflege kennt. … Da geht es darum, auf jene Therapien zu verzichten, die nicht gerechtfertigt sind, weil sie die Bedingungen des Patienten nicht sonderlich verbessern. Damit meine ich aber sicherlich nicht, dass der Patient keine Nahrung und Trinken oder hygienische Pflege mehr bekommen soll.“ (rv)

Kardinal Burke nimmt am Marsch für das Leben in Italien teil

Kardinal BurkeUngefähr 40.000 Menschen haben am Sonntag im historischen Zentrum von Rom am „Marsch für das Leben“ teilgenommen. An der Kundgebung gegen Abtreibung und Euthanasie nahm auch der amerikanische Kardinal Raymond Burke teil. Es sei bereits das fünfte Mal, dass er zusammen mit Lebensschützern durch die römische Innenstadt marschiere, erzählte der ehemalige Kardinalpräfekt der Apostolischen Signatur und heutige Kardinalpatron des Souveränen Malteserordens gegenüber Radio Vatikan:

„Papst Johannes Paul II. hat uns in seiner wundervollen Enzyklika ,Evangelium vitae‘ daran erinnert, die unvergleichliche Schönheit und Unverletzlichkeit des schutzlosen und unschuldigen Lebens öffentlich zu bezeugen. Deswegen ist dieser Marsch in Italien sehr wichtig; er ist ein Zeichen der Menschen, die sich für den Respekt vor dem Leben vom Moment der Empfängnis an bis zum Moment des natürlichen Todes einsetzen. Ich habe jetzt jedes Jahr an dem Marsch teilgenommen; er wird jedes Jahr größer, immer mehr Menschen nehmen teil! Und es ist auch wunderbar, die internationale Beteiligung zu sehen: So viele Leute kommen aus anderen Ländern her, um sich den Italienern und ihrem Zeugnis für die Würde des menschlichen Lebens, das nach dem Abbild Gottes geschaffen wurde, anzuschließen.“

Papst Franziskus hatte die Lebensschützer am Sonntag nach dem Regina Coeli-Gebet auf dem Petersplatz zu weiteren Initiativen ermuntert. Auch Vertreter anderer Religionen und Konfessionen sind bei der Kundgebung laut Angaben der Veranstalter regelmäßig mit dabei: Orthodoxe, Protestanten, Buddhisten, Muslime und auch Atheisten. Sie wenden sich gemeinsam gegen eine Kultur, in der das ungeborene Leben und der Mensch am Lebensende oftmals als „Abfallprodukte“ herabgewürdigt würden, so Virginia Coda Nunziante, die Sprecherin des „Marsch für das Leben“, im Interview mit Radio Vatikan:

„Diese Sicht rührt von einer Sicht des Relativismus her, der sich in unserer Gesellschaft breit macht. Individualismus wird ins Zentrum gestellt anstatt Menschen in schwierigen Momenten zu helfen: Frauen in der Schwangerschaft oder schwerkranken Menschen am Lebensende. Stattdessen schlägt man ein Euthanasie-Gesetz vor – ein Gesetz, das zur Selbstzerstörung einlädt – statt eine Kultur zu schaffen, die hilft und unterstützt.“

Coda Nunziante spricht hier das in Italien diskutiertes Sterbehilfe-Gesetz an, das Euthanasie an schwerkranken Menschen legalisieren würde. Zuletzt war für eine solche Legalisierung der Euthanasie erneut die italienische Spitzenpolitikerin Emma Bonino eingetreten, die selbst an einem Lungentumor erkrankt ist: „Ich fürchte nicht den Tod, ich empfinde ihn als weit weg von mir“, sagte die ehemalige italienische Außenministerin laut Medienberichten: „Ich habe vor dem Schmerz, dem Leid Angst. Ich bin der Ansicht, dass man mit Würde sterben sollte“, so Bonino. Franziskus hatte die Spitzenpolitikerin der „Radikalen Partei“ (Partito Radicale) vor wenigen Tagen angerufen und ihr Mut bei ihrem Kampf gegen die Krankheit gemacht. Die „Radikale Partei“ setzt sich u.a. für ein „Recht auf Abtreibung und Sterbehilfe“ ein. (rv)