Jahr des geweihten Lebens: Nicht nur etwas für Rom

Kardinal Braz de AvizDas Jahr des geweihten Lebens soll nicht eine „römische Sache" bleiben, die nur an wenige Gläubige gerichtet ist. Sie soll außerdem ökumenisch werden und über katholisches Ordensleben hinaus gehen. Das sagt der Präfekt der Ordenskongregation, der brasilianische Kurienkardinal João Braz de Aviz, im Interview mit Radio Vatikan. An diesem Montagabend wird Papst Franziskus in St. Peter eine Messe zum „Tag des Geweihten Lebens" feiern. Im Gespräch mit unserem Kollegen Mario Galgano geht Kardinal Braz de Aviz auf das Engagement des Papstes für das geweihte Leben ein.

„Wir sind sehr glücklich darüber, dass Papst Franziskus die mittlerweile zur Tradition gewordene Messe für das geweihte Leben feiert. Dieser Gottesdienst will eine Verbindung zu allen Gläubigen des geweihten Lebens, also vor allem des Ordenslebens, auf der Welt sein. Die diesjährige Feier ist natürlich ganz besonders, weil wir ja das Jahr des geweihten Lebens feiern."

Papst Franziskus ist selber auch Ordensmann. Inwieweit spüren Sie das?

„Allein seine Präsenz zeigt vieles: er wird uns sicher auch bei dem Gottesdienst wieder an die Grundzügen dieses Gedenkjahres erinnern. Wir sind sehr froh darüber, denn durch Papst Franziskus haben Ordensleute frische Kraft und Freude erhalten. Das ist sehr wichtig, denn wir leben ja in einer Übergangszeit, in der es so viele Schwierigkeiten und Neuheiten auf der Welt gibt."

Ökumenische Perspektive

Es gibt ja weltweit ganz viele Initiativen zum Jahr des geweihten Lebens. Gibt es aus Ihrer Sicht ein Projekt, das Sie besonders hervorheben wollen?

„Ja, und zwar handelt es sich um eine Initiative, die kurz nach der Eröffnung des Gedenkjahres entstanden ist. Bei einem ökumenischen Treffen in Rom haben wir festgestellt, dass es ein großes Interesse gibt, geweihte Christen aus verschiedenen Konfessionen zusammenzubringen. Das gab es bisher in dieser Form nicht. Beim Treffen wurde festgestellt, dass die großen Schulen der Spiritualität innerhalb der verschiedenen Kirchen im Grunde denselben Weg gehen. Ich fand den Austausch mit Benediktinern und Franziskanern der anglikanischen Kirche sehr interessant, aber auch mit den Mönchen der orthodoxen Kirchen. Insgesamt nahmen sieben verschiedene spirituelle Traditionen teil. Dieser Austausch wird meiner Meinung nach künftig viele Früchte bringen."

Gibt es denn noch weitere Projekte, die Sie uns vorstellen können?

„Wir bereiten derzeit eine Begegnung für Ausbilder im Ordensleben vor. Es gibt bereits über 1.200 Anmeldungen aus der ganzen Welt zu diesem Treffen. Für uns ist es ein Anliegen, dass die Konferenz sehr repräsentativ wird und die verschiedenen Formen des geweihten Lebens und des Ordenslebens präsent sind. Wir wollen damit auch einen Wandel hervorrufen. Bisher war es so, dass man zum Ordensleben eine Einführungsausbildung unternahm, und dann konnte man die Gelübde ablegen und das war es dann. Nein, wir wollen, dass sich Männer oder Frauen, die sich Gott geweiht haben, ständig weiterbilden. Das gilt ja für uns alle: von der Zeugung bis zum Tod gibt es immer eine Bildung, das heißt Gott prägt sich in uns. Wir alle sind deshalb gerufen, diese Prägung zu suchen."

Sie haben vor allem von bereits Geweihten gesprochen. Wird es auch für sozusagen Neulinge – also Novizen – Projekte geben?

„In der zweiten Hälfte des Jahres – also im September 2015 – wollen wir Novizen treffen. Wir wollen vor allem zuhören, welche Erwartungen sie haben. Also, es geht uns darum, von ihnen zu lernen, und nicht unbedingt darum, ihnen etwas beizubringen. Denn auch wir können viel von jungen Menschen lernen. Wir wollen dieses Treffen mit einer großen Messe mit dem Heiligen Vater abschließen."

Es gibt viele Ordensleute und gottgeweihte Katholiken, die nicht im stillen Kämmerlein sitzen, sondern in der Welt tätig sind. Am 8. Februar wird sich Ihre Kongregation an dem Gebetstag gegen Menschenhandel beteiligen. Wie sehen Sie das Engagement von Ordensleuten in der Gesellschaft?

„Ich bin sehr froh darüber, dass wir uns an diesem Gebetstag beteiligen. Es geht um ein großes Anliegen, ein Thema anzusprechen, das ein großes Problem ist. Der Menschenhandel ist ein Skandal und schrecklich. Ordensleute, die unter den Armen und Hilfsbedürftigen sind, leben oft an der Peripherie – wie es der Papst nennt – unserer Gesellschaft und der Kirche selbst. Mit diesem Gebetstag wollen wir auch das Bewusstsein bei den Ordensleuten stärken, dass ein solcher Einsatz zu unserer Missio gehört."

Den Gottesdienst mit Papst Franziskus an diesem Montag überträgt Radio Vatikan live und mit deutschem Kommentar ab 17.25 Uhr. (rv)