Kardinalsrat, Tag 2: Das IOR

IORNoch keine Entscheidung zum vatikanischen Geldinstitut IOR – das ist laut Vatikansprecher Federico Lombardi die Zwischenbilanz zu den Kardinalsberatungen von diesem Dienstag. Am zweiten Tag der dritten Beratungsrunde habe das Gremium an diesem Dienstagmorgen wie vorgesehen die Kommission angehört, die sich mit dem „Istituto per le Opere di Religione“ beschäftigt, gab Lombardi auf einer Pressekonferenz an. Vor allem sei es um den Auftrag und den Dienst gegangen, den das IOR für die Kirche leisten solle, so der Sprecher.

Seit Montag tagt zum dritten Mal der Kardinalsrat, eine Institution, die Papst Franziskus bereits im April, kurz nach seiner Wahl, gegründet hatte und die er im September per Dekret formalisierte. Das Gremium soll bei der Regierung der Weltkirche helfen und sich ganz besonders um die Revision der Arbeitsweise der vatikanischen Kurie kümmern, so lautet der Auftrag.  (rv)

Italien: Renzi-kritische Töne von der Kirche

Avvenire„Eine Reform pro Monat“ verspricht der künftige italienische Ministerpräsident Matteo Renzi. Der Jungstar von der „Demokratischen Partei“ verdrängte seinen Parteifreund Enrico Letta aus dem Amt des Regierungschefs; an diesem Montag hat er vom Staatspräsidenten den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Doch von der italienischen Kirche kommen einige Renzi-kritische Töne.

Vor allem die entschlossene Art und Weise, mit der Parteichef Renzi nach der Macht gegriffen hat, missfällt den Machern des „Avvenire“, der katholischen Tageszeitung, die der Bischofskonferenz gehört. „Renzi sollte sich im Klaren sein, dass sein Bruch mit dem derzeitigen Rahmen der Politik, wie er sich aus der Parlamentswahl vor einem Jahr ergab, und mit dem Koalitionsgleichgewicht, das Letta 2013 geschickt hergestellt hatte, wie eine Fortsetzung der „politica di palazzo“ mit anderen Mitteln wirkt.“ Das schreibt „Avvenire“-Direktor Marco Tarquinio in einem Artikel. „Politica di palazzo“ meint ins Deutsche übertragen „Hinterzimmer-Politik“ oder „Kungelei“ – etwas, wogegen der selbsternannte „Verschrotter“ Renzi nach eigener Darstellung eigentlich angetreten war.

Das sei doch ein „auffallendes Paradox“, so die Bischofszeitung weiter: Was sich da als „Diskontinuität“ in der Regierungsführung bezeichne, wirke in Wirklichkeit auf viele als „hässliche und kleinliche Kontinuität mit den enttäuschenden politischen Riten und Mythen der Vergangenheit“. Immerhin geht „Avvenire“ nicht so weit, Renzi – wie viele das tun – den „jungen Silvio“ zu nennen, also eine frischere Ausgabe des früheren rechten Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Nur wenn „Italiens Tony Blair“ (so ein weiterer Vergleich, den man in diesen Tagen öfters hört) jetzt einen „fulminanten Start“ hinlege, die „Trümmer“ beiseite räume und namentlich „konkrete und effiziente Maßnahmen für die Familien“ ergreife, könne Renzi die unschönen Umstände seines Weges an die Macht vergessen machen.

Auch die Vatikanzeitung „L´Osservatore Romano“ kritisiert die Art und Weise, in der Renzi Letta beiseitegeschoben hat. Die Regierung Renzi sei, wenn sie denn zustandekomme, „mit einer Art Erbsünde behaftet“, so der „Osservatore“; sie werde „zeigen müssen, dass sie imstande sei, sich davon zu erholen“. Italien brauche keine Wiederbelebung „altbackener Rituale“ und Machtspiele, vielmehr müsse endlich „eine neue Seite aufgeschlagen“ werden. Der künftige Premier, bisher Bürgermeister von Florenz, spiele „mit hohem Einsatz“, und damit „steht und fällt zu einem guten Teil auch die nähere Zukunft Italiens“, so die Vatikanzeitung. Renzi solle Struktur- und institutionelle Reformen anpacken, sonst habe sich der Wechsel im Palazzo Chigi (dem römischen Amtssitz des Ministerpräsidenten) nicht gelohnt. Die Frage sei, ob Renzi „zu einem Programm mit so ehrgeizigen Zielen“ auch wirklich in der Lage sei.

Ausgesprochen positiv bewertet der „L´Osservatore Romano“ den scheidenden Ministerpräsidenten Letta: Dieser habe „dem Land wieder ein seriöses und halbwegs vertrauenswürdiges Image verschafft“. Ähnlich urteilt in Radio Vatikan auch Alberto Lo Presti, Leiter des katholischen Studienzentrums Igino Giordani. „Die Strenge, mit der man jetzt die Regierung Letta beurteilt, ist nicht immer gerechtfertigt.“  (rv)

Vatikan: Reden über die Reform

KardinalsratPapst Franziskus hat an diesem Montagvormittag die dritte Begegnungsrunde mit den Kardinälen eröffnet, die ihn bei seiner Kurienreform beraten. Bei dem dreitägigen Treffen stehen diesmal Fragen wirtschaftlich-administrativer Art im Vordergrund, informierte Vatikansprecher Federico Lombardi in der Mittagspause der Sitzungen. Der Papst und die Kardinäle des „K8“ genannten Beratungsgremiums hörten an Montagvormittag einen Zwischenbericht der so genannten „COSEA“, der Kommission für die Organisation der wirtschaftlich-administrativen Struktur des Heiligen Stuhles. Bei dem Treffen war auch der vatikanische Staatssekretär Erzbischof Pietro Parolin anwesend.

Franziskus hatte die „COSEA“ am 18. Juli gegründet. Nach Lombardis Angaben steckt die Kommission, die mehrere Prüfungsarbeiten an externe Fachfirmen vergab, noch mitten in ihrer Erhebungsarbeit. Neben dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten war am Montagvormittag auch der deutsche Versicherungsfachmann Jochen Messemer als Angehöriger der Kommission anwesend, um dem Papst und den acht Kardinälen über die laufenden Arbeiten der „COSEA“ zu berichten.

Dienstagvormittag hingegen erwarten die acht Kardinäle und der Papst den Zwischenbericht einer weiteren Kommission, nämlich jener, die sich mit dem vatikanischen Geldinstitut IOR beschäftigt. Franziskus werden bei den auf drei Tage anberaumten Sitzungen Vollzeit dabei sein, mit Ausnahme des Mittwochvormittags, an dem die Generalaudienz stattfindet, sagte Lombardi.

Der „K8“ setzt sich aus Kardinälen aus allen Erdteilen zusammen. Geleitet wird er von Kardinal Maradiaga aus Honduras. Der einzige Repräsentant aus Europa ist – abgesehen vom Vatikan-Kardinal Giuseppe Bertello – der Münchner Erzbischof Reinhard Marx.

Am Donnerstag tritt das gesamte Kardinalskollegium zu einer Vollversammlung zusammen. Dabei will Franziskus eine Art Bilanz des ersten Jahres seines Pontifikats ziehen und Vorschläge für Reformen und Änderungen an der Kurie und in der Weltkirche besprechen. Das Konsistorium ist Lombardis Angaben grundsätzlich dem Thema Familienpastoral gewidmet. Das Einführungsreferat hält der emeritierte deutsche Kurienkardinal Walter Kasper. Die genaue Zahl der teilnehmenden Kardinäle konnte Lombardi noch nicht angeben.

Am Samstag, 22. Februar, hält der Papst sein erstes Konsistorium zur Schaffung neuer Kardinäle. Dabei setzt er 19 Kirchenmännern, unter ihnen dem Deutschen Gerhard Ludwig Müller, den Roten Hut auf.

Am Sonntag schließlich feiert Franziskus mit seinen neuen Kardinälen eine feierliche Messe. Nächste Woche tagt im Vatikan der Rat für Bischofssynoden. Er wird sich mit den Ergebnissen einer weltweiten Umfrage zum Thema Ehe und Familie beschäftigen und zwei Bischofssynoden zu diesem Thema vorbereiten. Die erste dieser Synoden tritt im Herbst 2014 im Vatikan zusammen, die zweite im Herbst des nächsten Jahres. Auch die Kommissionen zur vatikanischen Finanzkontrolle treffen sich in der Woche ab dem 23. Februar im Vatikan zu neuen Beratungen.
(rv)

Vatikan nennt Sterbehilfe in Belgien „monströs“

Sgreccia„Ein Verbrechen, das den Weg freimacht für weitere Attentate auf das Leben“: So urteilen die belgischen Bischöfe über die aktive Sterbehilfe für Kinder. Das Parlament in Brüssel hat sie am Donnerstag für legal erklärt; das belgische Gesetz geht damit noch weiter als das niederländische, das aktive Sterbehilfe für Minderjährige erst ab 12 Jahren erlaubt. Kardinal Elio Sgreccia ist einer der namhaftesten Lebensschützer im Vatikan; er leitete lange die Päpstliche Akademie für das Leben. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte er:

„Kinder sind mittlerweile Opfer von Angriffen aus mehreren Richtungen geworden. Vor ein paar Monaten, Sie erinnern sich sicher, haben zwei Wissenschaftler sogar die Abtreibung nach der Geburt vorgeschlagen; nach ihrer Argumentation müssen die Gründe, aus denen in der Gesellschaft heute Abtreibungen gerechtfertigt werden, juristisch gesehen doch auch noch nach der Geburt gelten: bei Kindern, die krank sind oder Missbildungen haben. Es ist monströs, was mit Kindern geschieht, nicht nur vor, sondern auch nach der Geburt. In Belgien erleben wir, dass die Euthanasie für alte und kranke Menschen jetzt vorgezogen wird, für die Kinder, und zwar ohne Altersgrenze: Hier laufen also Abtreibung und Euthanasie im Bereich der Kinder zusammen. Das ist grausam! Schrecklich, wenn man nur daran denkt, was da geschieht! Wirklich, in der Welt fehlt es an Liebe, denn ein bißchen Mitleid und menschliches Mitgefühl würde doch schon genügen, um bestimmte Dinge auszuschließen.“

Doch trotz der katholischen Tradition Belgiens haben sich in den Umfragen mehr als siebzig Prozent für das neue Sterbehilfe-Gesetz ausgesprochen. Wie kann die Kirche diese Menschen erreichen?

„Ich glaube, es gibt schon erste Anzeichen für einen Umschwung. Das fängt damit an, dass diese Käseglocke über der westlichen Welt, die „Wohlstand, Lust, Nutzen“ hieß, zerbrochen ist. Sie hatte bislang dazu geführt, dass man das Glas des Glücks schnell hinunterkippt und dann, mit dem Leben selbst, hinter sich wirft.“ (rv)

Die nächste Woche wird anstrengend

Papst FranziskusIn der nächsten Woche stehen im Vatikan einige wichtige Termine an. Zunächst will sich Papst Franziskus ab Montag mit seinem Kardinalsrat treffen. Die acht Kardinäle, darunter der Münchner Erzbischof Reinhard Marx, beraten mit dem Papst bis Mittwoch einschließlich; es ist ihre dritte Sitzungsrunde bisher. Gesprochen wird voraussichtlich über die Päpstlichen Räte.

Am Donnerstag tritt dann das Kardinalskollegium zu einer Vollversammlung zusammen. Dabei will Franziskus eine Art Bilanz des ersten Jahres seines Pontifikats ziehen und Vorschläge für Reformen und Änderungen an der Kurie und in der Weltkirche besprechen. Am Samstag, 22. Februar, hält der Papst dann sein erstes Konsistorium zur Schaffung neuer Kardinäle. Dabei setzt er 19 Kirchenmännern, unter ihnen dem Deutschen Gerhard Ludwig Müller, den Roten Hut auf.

Am Sonntag schließlich feiert Franziskus mit seinen neuen Kardinälen eine feierliche Messe. Und in der darauffolgenden Woche tagt im Vatikan der Rat für Bischofssynoden. Er wird sich mit den Ergebnissen einer weltweiten Umfrage zum Thema Ehe und Familie beschäftigen und zwei Bischofssynoden zu diesem Thema vorbereiten. Die erste dieser Synoden tritt im Herbst 2014 im Vatikan zusammen, die zweite im Herbst des nächsten Jahres. Auch die Kommissionen zur vatikanischen Finanzkontrolle treffen sich in der Woche ab dem 23. Februar im Vatikan zu neuen Beratungen. (rv)

Rabbiner Rosen wünscht mehr theologischen Dialog

American Jewish CommitteeDer Dialog zwischen Juden und Katholiken soll sich künftig mehr auf die theologische Ebene verlagern. Das wünscht sich der Rabbiner David Rosen vom „American Jewish Committee“. Er traf am Donnerstag den Papst im Vatikan. Seine Haltung sei freilich auch innerhalb des Judentums umstritten, räumte Rosen bei der Pressekonferenz im vatikanischen Pressesaal ein.

„Kennen Sie diesen Witz über Juden? Zwei Juden, drei Meinungen. Doch dieser Punkt ist sehr wichtig. Es gibt viele Ansichten, wie ein Dialog geführt werden sollte, und das ist gut so. Ein weiterer wichtiger Punkt, den ich festhalten möchte, ist die Tatsache, dass das ,American Jewish Committee´ keine theologische Organisation ist. Wir vertreten die verschiedenen Seiten des Judentums. Wir vertreten beispielsweise auch atheistische Juden… Ja, das gibt es in der Tat. Als Rabbiner muss ich aber sagen, dass der theologische Dialog mit Katholiken zumindest für das orthodoxe Judentum sehr wichtig ist.“

Es gebe aber unter orthodoxen jüdischen Rabbinern auch die Haltung, dass man theologische Haltungen „ebenso wie „Ehefrauen“ nicht teilen könne, so Rabbi Rosen.

„Diese Haltung besagt, dass der Glaube etwas ganz Persönliches ist. Auch diese Haltung respektieren wir. Doch ich glaube, dass dies mehr ein Ausdruck von Unsicherheit ist. Sicherlich gibt es auch historische Gründe hierfür, misstrauisch zu sein. Ich danke Gott dafür, dass ich mich persönlich nie mit Antisemitismus auseinandersetzen musste. Erst als ich in Südafrika war, wurde ich mit antisemitischen Attacken angegriffen, aber dies nicht aus religiösen, sondern politischen Gründen, weil ich gegen die Apartheid war.“

Man dürfe auch nicht unterschlagen, dass es immer theologische Differenzen zwischen Judentum und Christentum geben werde, so Rosen weiter. Theologische Diskussionen seien kein Zeichen der Untreue gegenüber dem eigenen Glauben. Er stehe dazu, dass der Dialog „auch eine religiöse Aufgabe unseres Glaubens ist.“ (rv)

Papst: Juden und Christen sollen gemeinsam handeln

LeuchterJuden und Christen können sich gemeinsam ganz konkret für eine bessere Welt stark machen. Denn neben Dialog geht es auch um gemeinsames Tun. Das hat Papst Franziskus an diesem Donnerstag vor Vertretern des Amerikanisch-Jüdischen Komitees (AJC) im Vatikan unterstrichen. Die 1906 gegründete US-Organisation verschreibt sich „dem Wohl und der Sicherheit der Juden in den USA, in Israel und der ganzen Welt“. Begegnungen der Päpste mit Vertretern des Komitees haben Tradition. Franziskus hob vor der Delegation hervor:

„Neben dem Dialog ist auch wichtig festzuhalten, wie Juden und Christen zusammen für den Aufbau einer gerechteren und geschwisterlicheren Welt wirken können. Und diesbezüglich möchte ich nachdrücklich an den gemeinsamen Dienst zugunsten der Armen, der Ausgegrenzten, der Leidenden erinnern. Dieser unser Einsatz ist in dem verankert, was die Schriften bezüglich des Schutzes des Armen, der Witwe, des Waisen, des Ausländers offenbaren. Es ist eine Aufgabe, die uns von Gott anvertraut ist, die seinen Willen und seine Gerechtigkeit wiederspiegelt, eine authentische religiöse Pflicht.“

Im kommenden Jahr begehen Christen und Juden das 50-Jahr-Jubiläum des Konzilsdokumentes „Nostra Aetate“. Das Dokument sei seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil „unabdingbarer Bezugspunkt“ im Verhältnis zwischen Christen und Juden, so Franziskus:

„Ausgehend von diesem Dokument hat sich mit erneuertem Eifer eine Reflektion über das spirituelle Erbe entwickelt, das uns vereint und das das Fundament unseres Dialoges ist. Dieses Fundament ist theologisch und nicht einfach Ausdruck unseres Wunsches nach gegenseitigem Respekt und Wertschätzung. Deshalb ist es wichtig, dass unser Dialog immer tief durch das Bewusstsein um unsere Beziehung zu Gott gekennzeichnet ist.“

Das AJC habe seinen Beitrag zur Konsolidierung des Verhältnisses zwischen Christen und Juden geleistet, lobte der Papst. Und er ermutigte die Vertreter des Amerikanisch-Jüdischen Komitees dazu, dieses Erbe auch den jungen Generationen zu vermitteln. So sei etwa ein wachsendes Interesse für das interreligiöse Verhältnis sowohl auf christlicher wie auch auf jüdischer Seite wünschenswert. Unter diesem Stern steht für Franziskus auch die Papstreise ins Heilige Land Ende Mai:

„In wenigen Monaten habe ich die Freude, nach Jerusalem zu kommen, wo wir laut den Psalmen alle geboren sind und wo alle Völker eines Tages zusammenkommen. Begleitet mich, so bitte ich euch, mit eurem Gebet, damit diese Pilgerreise Früchte der Einheit, Hoffnung und des Friedens bringe. Schalom!“ (rv)

D/Syrien: Jesuiten unterrichten Flüchtlingskinder in einer Moschee

Jesuiten„Materiell“ werden die Flüchtlinge aus Syrien in der Regel „mit dem Notwendigsten versorgt“. Mit diesem Eindruck ist der Geschäftsführer des deutschen kirchlichen Hilfswerks Misereor, Martin Bröckelmann-Simon, von einer Reise durch die Nachbarländer Syriens zurückgekommen. Doch die „aussichtslose Perspektive“ bedeute für die Flüchtlinge eine „unglaubliche Belastung“ und lasse „den Eindruck von großer Hoffnungslosigkeit“ entstehen – vor allem, weil sie kaum mit einer baldigen Rückkehr in ihre Heimat rechnen könnten.

„Für manche sind ja jetzt fast drei Jahre ins Land gegangen; viele von ihnen sind zuerst innerhalb Syriens geflüchtet und dann über die Grenze. Man merkt eben vielen Menschen, vor allem den Kindern, an, welche Stress-Situationen sie hinter sich haben und welche Lasten auf ihren Seelen ruhen.“

Etwa 3.000 Flüchtlinge aus Syrien strömen täglich über die Grenze in den Libanon hinein; auf vier Millionen Libanesen kommen mittlerweile 1,3 Millionen Syrien-Flüchtlinge im kleinen Zedernland. Immer wieder ist davon die Rede, dass das die Stabilität bedrohe und dass der Krieg bei den Nachbarn auch auf den Libanon übergreifen könnte. Aber Bröckelmann-Simon hat nicht beobachtet, dass die Flüchtlinge im Libanon auf Ablehnung stoßen.

„Wir haben sehr beeindruckende Beispiele für gastfreundliche Aufnahmen, auch über die Grenzen von Religionen hinweg, erlebt. Die Dörfer bzw. Gemeinden, in denen sich die Flüchtlinge befinden, sind zu 87 Prozent die Armutsregion im Libanon, und trotzdem passiert dort viel Unterstützung, im Rahmen der Möglichkeiten. Aber natürlich ist die Nation insgesamt doch sehr – ja, eigentlich schon überlastet. Wenn man sich vorstellt, dass es eben einen Bevölkerungszuwachs um 33 Prozent in den letzten zwei, drei Jahren durch die Flüchtlingszahlen gegeben hat, dann muss man das mal auf Deutschland umgerechnet denken: Das wären 25 Millionen Zuwanderer, Flüchtlinge, in Deutschland innerhalb dieses Zeitraums!“

„Könnt ihr uns nicht mitnehmen?“

Man könne sich leicht vorstellen, was das für ein Land bedeute. „Noch dazu, wo der Libanon ja selber wirtschaftlich – und politisch sowieso – angeschlagen ist, ein sehr fragiles Gebilde. Und diese ganze Unsicherheit überträgt sich natürlich auch auf die Flüchtlinge. Sie wissen, dass sie in diesem Land dauerhaft keine Perspektive haben.“ Und eine Rückkehr nach Syrien ist auch nicht drin – darum schweift der Blick der Flüchtlinge gerne mal in Richtung Europa. „Die Frage, die uns ganz oft begegnet, ist: Könnt ihr uns nicht mitnehmen?“

In Gegenden, wo sich nicht nur der libanesische Staat und das UNO-Flüchtlingswerk, sondern auch NGOs um die Flüchtlinge kümmerten, sei schon mehr als das bloße Verteilen von Nahrungsmittelhilfe oder Medikamenten sichergestellt, so Bröckelmann-Simon. „Da geht es insbesondere um die schulische Versorgung der Kinder und um psychische Aufarbeitung der traumatisierenden Erlebnisse.“ Ein guter Teil der Syrien-Flüchtlinge habe anfänglich vom eigenen, mitgebrachten Geld gelebt, „weil sie sich nicht abhängig machen wollten“; mittlerweile seien sie „rapide verarmt“, denn das Unterkommen in oft vollgestopften „Armutsbehausungen“ sei teuer. „Das zehrt an den Ersparnissen, und man kann davon ausgehen, dass sich die Not in der Flüchtlingsbevölkerung in den nächsten Monaten weiter verschärft, unabhängig von den klimatischen Einflüssen. Der Winter scheint ja nun weniger streng gewesen zu sein, wenn er nicht noch mal wiederkommt, als befürchtet.“ Darum sei es Gott sei Dank auch nicht zu „gravierenden Zahlen“ von Todesfällen gekommen. „Aber es ist schon sehr erbärmlich, wenn man sieht, wie die Menschen in den Zelten hausen müssen – bei Temperaturen von nachts um oder unter null Grad!“

„Düstere, schwarze Bilder“

Besser als im Libanon gehe es Syrien-Flüchtlingen eindeutig im Nordirak, also im irakischen Kurdengebiet. Zum einen sind sie zahlenmäßig nicht „eine solche Last“ für ihre Gastgeber, denn gemessen an der einheimischen Bevölkerung bedeuten sie nur einen Zuwachs von fünf Prozent. „Sie sind natürlich auch ethnisch-sprachlich Brüder und Schwestern der in Kurdistan lebenden Menschen und werden als Gäste empfangen. Sie können sich frei bewegen und jede Art von Arbeit aufnehmen.“ Außerdem sind die Vielen, die immer noch in Lagern leben, leichter zu versorgen, so der Misereor-Experte. „Im Libanon sind die Menschen über das ganze Land verteilt, es gibt ja keine zentralen Flüchtlingslager dort, und man findet sie eben in Massen-Wohnquartieren in den Armenvierteln von Beirut oder versprengt über die Dörfer der Bekaa-Ebene in Zeltsiedlungen, bei denen dann immer so zwanzig Familien zusammenleben, und die nächste Gruppe lebt dann einen Kilometer weiter. Das macht die Dinge logistisch schwieriger.“

Die Flüchtlinge erzählten „schreckliche Dinge“, berichtet Bröckelmann-Simon: „Ereignisse, die sich ihnen in die Seele eingebrannt haben, von Bombardements, Erschießungen und Foltererlebnissen. Menschen, die entführt worden sind und das Trauma mit sich herumtragen.“ Oft sehe man es den Augen der Flüchtlinge an, was sie erlebt hätten. „Und die Kinder, denen wir begegnet sind – viele drücken das in Bildern aus, die düster und schwarz sind und in denen sie versuchen, das zu verarbeiten, was sie gesehen haben.“ Misereor und seine Partner achten darauf, nicht nur den Flüchtlingen zu helfen, sondern auch den Dorfgemeinschaften, die sie aufnehmen und die oft ja selbst bitterarm sind. „Und dann sitzen eben maronitisch-christliche Kinder neben sunnitischen syrischen Flüchtlingskindern auf der gleichen Schulbank und löffeln zusammen die Suppe aus der Schulspeisung.“

Es gebe viele Beispiele für Kooperation und Hilfe über alle Grenzen hinweg. In Byblos (Jbeil) bei Beirut zum Beispiel habe der sunnitische Imam Räumlichkeiten in seiner Moschee zur Verfügung gestellt. Dort unterrichte jetzt der Jesuiten-Flüchtlingsdienst syrische Kinder, damit sie Anschluss ans libanesische Schulsystem finden. „So dass jetzt Klassen morgens und nachmittags voll sind mit syrischen Flüchtlingskindern unterschiedlicher Konfession, die dort in der Moschee von Jesuiten und katholischen Flüchtlingslehrern aus Aleppo unterrichtet werden.“ (rv)

Vatikan: Ein Radio-Vatikan-Mitarbeiter wird Bischof

Radio VatikanPapst Franziskus hat Moses Hamungole zum Bischof von Monze im ostafrikanischen Sambia ernannt. Bisher leitet der 48-Jährige das Radio-Vatikan-Programm in Swahili und Englisch für Afrika. Erste Erfahrungen mit dem Radio hatte er als Leiter des Bistumssenders von Lusaka gemacht. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Mitarbeiter des Papstsenders zu Bischofswürden kommt. So ist zum Beispiel auch der derzeitige maronitische Patriarch des Libanon, Kardinal Béchara Raï, ein früherer Direktor eines RV-Sprachprogramms, in diesem Fall des Programms in arabischer Sprache. (rv)

Vatikansprecher zum Amtsverzicht Benedikts: „Ein herausragender Regierungsakt“

Bene_140110So abrupt ist die Stimmung wohl selten umgeschlagen an einem Rosenmontag: Am 11. Februar vor genau einem Jahr kündigte Benedikt XVI. seinen Verzicht auf das Papstamt an. Kaum jemand war weltweit auf einen solchen Epochenschnitt vorbereitet, die Reaktionen reichten von Verständnis bis Entsetzen. Der Jesuitenpater Federico Lombardi ist Sprecher des Papstes – damals Benedikts, heute der von Papst Franziskus. Im Interview mit Radio Vatikan urteilt er:

„Es war ja Jahrhunderte her, dass kein Papst mehr auf sein Amt verzichtet hatte, und darum war das für eine überwältigende Mehrheit der Menschen eine Überraschung. Wer Benedikt XVI. nahe war, der konnte allerdings spüren, dass er über dieses Thema nachgedacht hatte, dass er darüber betete und sich um geistliche Urteilskraft bemühte. Das alles ist dann eingegangen in seine Erklärung des Amtsverzichts: kurze, aber ausgesprochen dichte Worte, die absolut adäquat und klar die Kriterien erklärten, aufgrund derer er seine Entscheidung getroffen hatte.“

„Nachdem ich wiederholt mein Gewissen vor Gott geprüft habe, bin ich zur Gewissheit gelangt, dass meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben.“ Das sagte Benedikt an diesem 11. Februar 2013 vor Kardinälen, die ihm wie vom Donner gerührt lauschten. „Um das Schifflein Petri zu steuern und das Evangelium zu verkünden, ist sowohl die Kraft des Köpers als auch die Kraft des Geistes notwendig.“ Diese Kraft habe „in den vergangenen Monaten derart abgenommen“, dass er sein „Unvermögen“ zur weiteren Amtsführung erkenne. Lombardi:

„Das schien mir ein herausragender Regierungsakt – eine frei getroffene Entscheidung, die wirklich in dieser Lage und in der Kirchengeschichte eine Spur hinterlassen hat. Daraus spricht auch ein großer Mut, weil angesichts der mangelnden Präzedenzfälle Fragen zum Warum aufkommen mussten. Die Klarheit, mit der sich Benedikt XVI. auf diese Geste vorbereitet hatte, und der Glaube, mit dem er das tat, zeugen von Mut und innerer Ruhe.“

Er habe nie geglaubt, dass das „Zusammenleben“ zweier Päpste im Vatikan – eines zurückgetretenen und eines aktiven – irgendwelche Probleme schaffen würde, so Pater Lombardi. Das Petrusamt sei nun mal „ein Dienst und nicht eine Macht“. Er spüre eine „tiefe geistliche Solidarität der Diener Gottes“ Benedikt und Franziskus. Auch die jüngste Äußerung des emeritierten Papstes spricht für einen solchen Gleichklang: Nach Angaben der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“ hat Benedikt XVI. dem Tübinger Theologen und Kirchenkritiker Hans Küng Ende Januar einen Brief geschrieben. Darin stehe wörtlich: „Ich bin dankbar, mit Papst Franziskus durch eine große Übereinstimmung der Sichtweisen und eine herzliche Freundschaft verbunden zu sein.“ Das jetzige Leben Benedikts in der Verborgenheit gehört nach Darstellung von Pater Lombardi vor allem dem Gebet.

„Das erinnert mich an ein Erlebnis, das ich vor allem zu Beginn seines Pontifikates öfters mit ihm hatte. Jedes Mal vor einer Audienz, wenn ich den Papst kurz begrüßte, gab er mir einen Rosenkranz und sagte: Auch die Priester sollten nicht vergessen, zu beten! Das geht mir nicht aus dem Kopf, weil er so auf sehr einfache Weise seine Überzeugung ausdrückte, dass das Gebet einen wichtigen Platz in unserem Leben haben sollte.“

Benedikt lebe seinen letzten Lebensabschnitt in den Vatikanischen Gärten „wie ein weiser Mann“, so Pater Lombardi; er sei keineswegs eine Art Gefangener.

„Man sollte sehen, dass er zurückgezogen lebt, ohne öffentliche Auftritte, aber das heißt nicht, dass er isoliert wäre oder in strenger Klausur. Er führt das normale Leben eines älteren Menschen – sagen wir, eines älteren Ordensmannes. Gebet, Nachdenken, Lektüre, Antworten auf Briefe, Treffen mit Menschen, die ihm nahestehen, die seinen Rat suchen oder seine geistliche Nähe. Und zu den Menschen, die er trifft, gehört auch sein Nachfolger, Papst Franziskus; sie haben sich schon gegenseitig zuhause besucht, sie telefonieren oder tauschen Botschaften aus. Ich finde es sehr schön, diese seltenen Bilder von zwei Päpsten zu haben, die zusammen beten – ein sehr schönes und ermutigendes Zeichen für die Kontinuität des Petrusdienstes im Dienst der Kirche.“

Der Bruder von Benedikt XVI., Georg Ratzinger, betont, dass Benedikt seine Entscheidung zum Rücktritt vom letzten Jahr nicht bereue. Die Gründe von damals seien auch heute noch gültig, so Ratzinger in einem Zeitungsartikel. (rv)