Vatikanbank: Eckpunkte für eine professionelle Führung der IOR

Der Aufsichtsrat der Vatikanbank IOR hat über Eckpunkte für eine professionelle Führung und die Nachfolge des entlassenen Vorsitzenden Ettore Gotti Tedeschi beraten. Wie der Vatikan mitteilte, informierte das vierköpfige Gremium nach seinem Treffen am Mittwoch den übergeordneten Kardinalsrat in Person des Vorsitzenden Kardinal Tarcisio Bertone über die Ergebnisse. Papst Benedikt XVI. verfolge die aktuelle Situation des vatikanischen Geldinstitutes „aus der Nähe" und werde ständig durch den Kardinalstaatssekretär unterrichtet. Papst Benedikt XVI. verfolge die aktuelle Situation des vatikanischen Geldinstitutes „aus der Nähe" und werde ständig durch den Kardinalstaatssekretär unterrichtet, heißt es weiter. Wann genau ein neuer Chef der Vatikanbank dem abgesetzten Ettore Gotti Tedeschi im Amt nachfolgt, wurde nicht bekanntgegeben. Es handelte sich um die erste Zusammenkunft des IOR-Aufsichtsrates nach dem Misstrauensvotum gegen Gotti Tedeschi am 24. Mai und dessen anschließender Entlassung durch den Kardinalsrat. (rv)

Kardinal Tauran: „Lügen führen in der Diplomatie selten zum Ziel“

„Ein Diplomat, der lügt, kommt selten ans Ziel". Das hat der Präsident des päpstlichen Rates für Interreligiösen Dialog, Kardinal Jean-Louis Tauran, am Dienstagnachmittag im Rahmen einer Vatikanveranstaltung zum Thema „Diplomatie und Wahrheit" in Rom betont. Eine Diplomatie, bei der es um Dialog und Vertrauen geht, müsse dagegen im Dienste der Wahrheit stehen, unterstrich Tauran. Dann diene sie Frieden und gesellschaftlicher Harmonie und entwickle die Kraft, zwischen scheinbar unvereinbaren Positionen zu vermitteln und bis zu den Ursachen der Vorgänge vorzudringen, so der Vatikanvertreter, der selbst eine langjährige Erfahrung als Diplomat vorzuweisen hat.

Herausforderungen heutiger Diplomaten
In seinem Vortrag ging Tauran auch auf die neuen Herausforderungen ein, denen Diplomaten heute begegnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe sich mit dem Völkerbund und den Vereinten Nationen das Bewusstsein einer „globalen Ethik" herausgebildet. Für Menschen mit diplomatischer Verantwortung bedeute dies eine doppelte Verpflichtung: Sie seien ihren eigenen nationalen Regierungen verpflichtet, zugleich aber dem globalem Frieden und der Gerechtigkeit in der Welt. Das habe eine neue Autonomie beziehungsweise eine neue Verantwortung in das Berufsbild eingeführt, folgerte Tauran: ein Diplomat könne heute nicht mehr darauf verzichten, sich auch über „die Moralität der Politik seiner eigenen Regierung" ein Urteil zu bilden.

Sinn des Geheimnisses in der Diplomatie
Im Dunstkreis der Vatileaks-Affäre dürfte so mancher Besucher der Veranstaltung in Rom Anknüpfungspunkte zu den Vorgängen im Vatikan gesehen haben. Kardinal Gianfranco Ravasi, Präsident des päpstlichen Kulturrates, der den „Vorhof der Völker" ins Leben rief, nahm im Interview mit Radio Vatikan ein wichtiges Element der Diplomatie in Schutz: das Geheimnis.

„Das Geheimnis hat immer zwei Gesichter. Einerseits ist es sicher Synonym für Diskretion, das heißt also, es geht darum, in bestimmter Hinsicht Elemente zu hüten, die Provokationen und sogar eine Explosion auslösen können. Andererseits hat das Geheimnis eine negative Seite: es kann in einigen Fällen auch heißen, den Völkern eine Wahrheit zu vorzuenthalten, die aber notwendig ist, die zur Gewissensprüfung führt, zur Kritik und möglicherweise zur Veränderung einer Gesellschaft. Deshalb wandeln Diplomaten und Politiker immer auf einem extrem dünnen Grat." (rv)

Vatikan: Änderung bei der Übergabe der Pallien

Papst Benedikt XVI. hat Änderungen bei der Übergabe der Pallien an die neuen Erzbischöfe verfügt. Ab diesem Jahr sind die Segnung und Übergabe der Pallien am Hochfest Peter und Paul nicht mehr nach der Predigt angesetzt, sondern beim Einzug des Papstes in den Petersdom, also vor dem Beginn der Messe. Damit soll der Eindruck vermieden werden, bei der Pallienübergabe handle es sich um einen sakramentalen Ritus, teilte das liturgische Büro mit. Zum anderen unterbreche die Zeremonie auf diese Weise nicht mehr die Eucharistie, was der geistlichen Sammlung diene; und sie sei kürzer. Mit einer ähnlichen Begründung hatte Papst Benedikt beim letzten Konsistorium den Ritus zur Kardinalserhebung modifiziert. (rv)

Piusbruderschaft bleibt skeptisch

Die traditionalistische Piusbruderschaft hat sich skeptisch über eine Aussöhnung mit dem Vatikan geäußert. Der Generalobere könne die zuletzt vom Vatikan vorgelegte Version des Einigungsdokuments nicht unterzeichnen, heißt es in einem als „vertraulich" und „intern" gekennzeichneten Rundschreiben, das seit Dienstag im Internet zirkuliert. Das Dokument trägt die Unterschrift des Generalsekretärs der Bruderschaft, Christian Thouvenot. Anfang Juli werde das Generalkapitel der Bruderschaft tagen und dabei über das Dokument und den gesamten Vorgang beraten.

Thouvenot erklärt unter Berufung auf mehrere nicht genannte Quellen, die letzte vom Generaloberen Bernard Fellay korrigierte Version vom April habe Papst Benedikt XVI. zwar persönlich überzeugt. Mitte Juni habe aber der Präfekt der römischen Glaubenskongregation, Kardinal William Levada, Fellay eine Textfassung vorgelegt, die wieder um einige Monate „zurückgedreht" war. Diese Version des Einigungsdokumentes sei für die Bruderschaft „eindeutig inakzeptabel". Das habe Fellay Levada auch unmittelbar mitgeteilt. Die Korrekturvorschläge der Bruderschaft seien mithin vom Vatikan abgelehnt worden.

Ausgeschlossen von den Beratungen des Generalkapitels ist nach Angaben des Generalsekretärs der Holocaust-Leugner Richard Williamson. Grund für den von Fellay verhängten Ausschluss seien dessen wiederholte Äußerungen zu den Enigungsbemühungen. Williamson habe „zur Rebellion aufgerufen" und sei beständig ungehorsam gewesen. Mehrere für den 29. Juni vorgesehene Priesterweihen von traditionalistischen Dominikanern und Kapuzinern wurden laut der Mitteilung verschoben. – Das Rundschreiben Thouvenots an die Distriktoberen, Seminare und Häuser der Bruderschaft trägt das Datum vom Montag.

Der Brief ist die neueste Entwicklung eines monatelangen Tauziehens und Schriftwechsels um eine mögliche theologische Einigung. Vorangegangen waren eineinhalbjährige theologische Gespräche von Vertretern des Heiligen Stuhles und der Traditionalisten. Deren Ergebnis war eine sogenannte lehrmäßige Präambel, die der Vatikan im September 2011 als Grundlage einer möglichen Aussöhnung formulierte und den Piusbrüder zur Unterschrift vorlegte. Darin wird die Treue zum Lehramt der katholischen Kirche einschließlich der Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils festgehalten.

Die beiden ersten Antworten der Traditionalisten hatte der Vatikan als ungenügend bewertet. Ein drittes Schreiben Fellays Mitte April wurde von der Kardinalsversammlung der Glaubenskongregation Mitte Mai beraten und dem Papst zur Entscheidung vorgelegt. Der Heilige Stuhl hatte zu jedem Zeitpunkt ausschließlich mit dem Oberen der Bruderschaft, Fellay, verhandelt, nicht aber mit den drei übrigen Traditionalistenbischöfen, die ebenfalls 1988 illegal von Erzbischof Marcel Lefebvre geweiht wurden. Diese drei, unter ihnen Williamson, schlossen eine Rückkehr in die katholische Kirche für die nähere Zukunft grundsätzlich aus.

Für Irritationen hatten in Rom jüngste Äußerungen Fellays gesorgt, Rom verlange von den Piusbrüdern nicht mehr die Akzeptanz des gesamten Zweiten Vatikanums. Im Vatikan hieß es dazu, die Annahme des vollständigen Lehramtes der katholischen Kirche sei und bleibe Grundlage für eine Beendigung des Bruchs zwischen Rom und den Traditionalisten. (rv)

Neuer Vatikan-Ansprechpartner für Piusbrüder

Der Papst hat einen neuen Ansprechpartner für die Piusbrüder ernannt. Es handelt sich um den US-amerikanischen Kurienerzbischof Joseph Augustine Di Noia. Er ist am Dienstag zum Vizepräsidenten der Vatikankommission „Ecclesia Dei" ernannt worden. Der Dominikaner Di Noia war bislang Sekretär der Kongregation für die Sakramentordnung. Künftig soll er im Auftrag des Präsidenten von „Ecclesia Dei", des Präfekten der Glaubenskongregation, die Einigungsbemühungen mit der traditionalistischen Priesterbruderschaft St. Pius X. koordinieren und besonders auch die Bedenken jüdischer Gläubiger gegen eine Aussöhnung mit den Traditionalisten zerstreuen.

Die Neuerrichtung des Amtes eines Vizepräsidenten unterstreiche die besondere pastorale Sorge von Benedikt XVI. für die traditionalistischen Katholiken, die bereits in Gemeinschaft mit Rom stehen, heißt es in einer Erklärung der Glaubenskongregation vom Dienstag. Mit der Berufung eines hochrangigen Kurienleiters und erfahrenen Theologen in dieses Amt bekräftige der Vatikan zugleich den Wunsch nach einer Aussöhnung mit jenen traditionalistischen Gemeinschaften, die nicht in Gemeinschaft mit dem Stuhl Petri stünden, so die Note der Glaubenskongregation. Die Kommission war 1988 für die Betreuung jener traditionalistischen Gläubigen gegründet worden, die den Bruch des Gründers der Piusbrüder, Erzbischof Marcel Lefebvre, mit Rom nicht mitvollziehen wollten. Die Kommission „Ecclesia Dei" kümmert sich generell um die Belange von Gemeinschaften wie die traditionalistische, mit Rom verbundene Piusbruderschaft. Sekretär der Kommission ist Monsignore Guido Pozzo. (rv)

Neuer Vatikan-Archivar und Familien-Verantwortlicher

Papst Benedikt XVI. hat Erzbischof Jean-Louis Bruguès zum neuen vatikanischen Archivar und Bibliothekar ernannt. Der französische Dominikanerpater und ehemalige Bischof von Angers war bisher Sekretär der Bildungskongregation. Er folgt auf Kurienkardinal Raffaele Farina, der vor kurzem aus Altersgründen von seinem Amt zurückgetreten ist.

Des Weiteren hat Benedikt XVI. einen neuen Präsidenten des Päpstlichen Familienrates ernannt. Der bisherige Bischof von Terni, Vincenzo Paglia, folgt auf Kardinal Ennio Antonelli, dessen Rücktritt aus Altersgründen der Papst ebenfalls an diesem Dienstag annahm. Der Familienrat hat das kürzlich in Mailand durchgeführte Internationale Familientreffen organisiert.

Der US-amerikanische Erzbischof Joseph Augustine Di Noia wird Vize-Präsident der Päpstlichen Kommission „Ecclesia Dei", die sich um den Dialog mit den Piusbrüdern kümmert. Er soll gemäß einer Note der Glaubenskongregation vor allem auch die Beziehungen zum Judentum in dieser Kommission festigen. Di Noia war bisher Sekretär der Kongregation für die Sakramentenordnung. Sein Nachfolger wird der Bischof von Leeds, Arthur Roche. (rv)

Deutlichere Trennung zwischen Priestern und Laien

Der Vatikan hat eine deutlichere Trennung der Zuständigkeiten der Priester und Laien in der katholischen Kirche angemahnt. Es käme oft vor, dass die Grenzen zwischen Priesteramt und Laien verwischt werden. Gründe hierfür seien das Streben einiger Laien „nach priesterlichen Aufgaben". Umgekehrt gebe es Priester, die in wachsendem Umfang weltliche Verpflichtungen wahrnähmen. Dies sagte der Präfekt der vatikanischen Bildungskongregation, Kardinal Zenon Grocholewski, am Montag im Vatikan bei der Vorstellung des neuen Dokuments über die Berufungspastoral. Bei der Pressekonferenz sagte Grocholewski:

„Eine solche Vermengung der Aufgaben ist eine maßgebliche Ursache für die rückläufige Zahl von Priesteramtskandidaten in Europa. Sie hat eine „Krise der priesterlichen Identität" ausgelöst. Die säkularisierte Mentalität und die falschen Vorstellungen, die es sogar innerhalb der katholischen Kirche gibt, sind weitere Gründe für den Rückgang der Priesterberufungen. Auch stellen wir fest, dass oft Eltern gegen den Beschluss ihrer Söhne sind, die Priester werden wollen. Und ein weiterer Punkt ist auch der Missbrauchskandal, der viele junge Männer bei ihrer Berufung ein Hindernis stellte."

Bei dem neuen Dokument der Bildungskongregation geht es um Leitlinien zur Förderung von Berufungen zum Priesteramt. Darin werden angesichts des Priestermangels in Teilen der Weltkirche verstärkte Anstrengungen zur Gewinnung neuer Geistlicher gefordert. Das 30 Seiten starke Dokument spricht von einem „besorgniserregenden Rückgang" der Berufungen zum Priesteramt in Europa und den USA. Grocholewski betonte einen „wesensmäßigen" Unterschied zwischen Priestern und Laien.

„Die Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass alle Gläubigen eine Berufung hätten, bedeutet keineswegs, dass das Amtspriestertum nur eine Berufung unter anderen ist. Allerdings folgt daraus auch nicht, dass Priester höhergestellt oder heiliger sind als Laien. Priester und Laien haben jedoch eine jeweils eigene Mission innerhalb der Kirche." (rv)

Kardinal Scherer sieht Ergebnisse von Rio+20 „eher positiv“

Der Umweltgipfel Rio+20 ist vorüber, und im Gegensatz zu manch anderen Beobachtern ist der Delegationsleiter des Heiligen Stuhles mit den Ergebnissen einigermaßen zufrieden. „Rio+20 bringt sicher auch positive Resultate", sagt Kardinal Odilo Scherer, der Erzbischof von Sao Paolo, in unserem Radio Vatikan-Interview der Woche.

„Es kam Kritik von einigen, die gerne mehr Konkretes und mehr Entscheidungen gesehen hätten. Aber hinter der Schlussverhandlung steckten acht Monate harter Arbeit, die sich in den letzten Tagen noch intensivierten. So ist man immerhin zu einem Dokument gelangt. Man konnte sich zwar nicht zu bestimmten Entschlüssen durchringen wie einer Quote für die Industrienationen zur Finanzierung des nachhaltigen Wirtschaftens, oder Ziele beim Konsum von fossilen Energiequellen wie Kohle oder Erdöl – das wäre sicher ein weiterer Schritt gewesen. Dennoch halte ich das Ergebnis von Rio+20 für eher positiv, vor allem weil man ein gemeinsames Dokument verabschieden konnte."

Welche Punkte des Abschlusspapiers halten Sie für geglückt?

„Zum Beispiel die Bekräftigung, dass der Mensch das Zentrum des Wirtschaftens ist. Aber auch die Definition von ,nachhaltigem Wirtschaften‘ mit den drei Bezugspunkten, die da sind: wirtschaftliche Entwicklung, soziale Entwicklung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, also die Überwindung der Armut, Gesundheit und Bildung postuliert; und der dritte Punkt: dass die wirtschaftliche Entwicklung auch ökologisch nachhaltig sein muss. Dass sie also immer auch das Ökosystem bedenkt, und dass man der Umwelt nicht mehr entnimmt, als sie uns geben kann."

Und sonst?

„Das schätzenswerteste Ergebnis dieser Konferenz ist aus meiner Sicht die Anwesenheit so vieler Vertreter von Ländern, rund 190 Staats- oder Regierungschefs oder ihre Vertreter. Und da sehe ich das Entstehen eines neuen Bewusstseins um die Probleme, die man jetzt angehen muss in Sachen Klima, Nachhaltigkeit und Umwelt. Dieses neue Bewusstsein ist sehr wichtig, weil es an der Basis von Entscheidungen steht. Mir scheint, alle sind jetzt davon überzeugt, dass etwas zu tun ist und dass man die Entscheidungen nicht auf die lange Bank schieben darf. Diese Bewusstseinsbildung führt auch dazu, Kontrollinstanzen zu schaffen. Wenn ein Land fortfahren will, die Umwelt zu ruinieren, werden andere einschreiten und an die hier vereinbarten Ziele erinnern."

Allerdings sind natürlich auch wichtige Akteure nicht nach Rio gereist…

„Das war bedauerlich aus Sicht aller Teilnehmenden, das Fehlen der Staats- oder Regierungschefs einiger wichtiger Länder wie Italien, USA, Japan. Die Großen sind nicht persönlich gekommen, außer Frankreich, England und China. Aber die anderen Länder der G20 beispielsweise waren alle hier und sehr aktiv. Man sah überdies eine hohe Beteiligung von Entwicklungsländern, in denen ein neues Leadership entsteht. Das hat die Konferenz auch ausgezeichnet und auf gewisse Weise gelenkt."

Was konnte die Delegation des Heiligen Stuhles in der Konferenz Rio+20 einbringen?

„Unser Part als Delegation des Heiligen Stuhles war es, aufmerksam zu beobachten. Während der Verhandlungen war unser permanenter Beobachter beim Heiligen Stuhl in New York, Erzbischof Chullikat, sehr aktiv. Wir haben die Einwürfe und Anmerkungen der Kirche dargelegt in Anlehnung an die Punkte, die der Heilige Stuhl ja schon formuliert hatte." (rv)

Nachwuchs-Astronomen an der Vatikan-Sternwarte

Nachthimmel über der päpstlichen Sommerresidenz in Castelgandolfo – die Sterne spiegeln sich im Albaner See. Und tagsüber studieren und diskutieren gleich nebenan 25 junge Astronomen aus aller Welt das himmlische Spektakel, angeleitet von Astronomen, die gleichzeitig Priester sind. Die Vatikan-Sternwarte in den päpstlichen Gärten in Castelgandolfo veranstaltet in diesem Jahr wieder eine Sommerakademie für Nachwuchs-Astronomen. Diesmal ist auch eine Deutsche unter ihnen.

Draußen summen die Zikaden, drinnen wird studiert. Eine Astronomin doziert über Sternenhaufen, das Thema der Sommerakademie, und 25 Studierende hören zu. Es ist ein buntgemischtes Grüppchen in T-Shirts und Sandalen, rund die Hälfte Frauen, 23 Nationalitäten sind vertreten, von Taiwan über USA bis Madagaskar. Nora Lützgendorf ist auch dabei, sie ist 26 Jahre alt, kommt aus Leipzig und schreibt ihre Doktorarbeit an der Europäischen Südsternwarte in Garching bei München.

„Ich hab schon unglaublich viele Freunde gemacht, neue Kulturen kennen gelernt und wissenschaftlich viel Neues gelernt. Es ist für mich praktisch, weil ich direkt an dem Thema arbeite, über das die Summer School ist. Wir lernen neue Techniken und den ganzen Hitnergrund zu dem, was ich gelernt habe: Es ist super spannend!"

Sternenhaufen – das ist Noras Spezialgebiet. Bälle von Sternen sind das, die wegen der Gravitation zusammenbleiben und in ihrem Haufen herumschwirren.

„Sternenhaufen sind sehr schöne Gebilde, sphärische, wunderschöne Gebilde mit ganz ganz vielen Sternen drin. Und die sitzen in unserer Galaxie überall und wir können sie gut beobachten. Und was ich jetzt mache, ich schau mir das Zentrum von diesen Sternenhaufen an und versuche herauszufinden, ob dort ein schwarzes Loch sitzt oder nicht."

Keine leichte Aufgabe, erklärt Nora: Schwarze Löcher sind schwer zu finden, eben deshalb, weil sie schwarz sind. Sie verraten sich selbst normalerweise dadurch, dass sie andere Materie verschlucken, was nachzuweisen ist. In den Sternenhaufen hingegen gibt es gar keine freie Materie, etwa Gas, das verschluckt werden könnte.

„Was wir uns anschauen, ist die Bewegung der Sterne in der Nähe vom schwarzen Loch. Denn es hat eine ganz hohe Gravitation, und die Sterne werden schneller, wenn sie sich in der Nähe von einem schwarzen Loch befinden. Und so schaue ich mir Bewegungen von Sternen an, ich mache Dynamik, hauptsächlich, und beobachte, ob sie im Zentrum des Sternenhaufens schneller werden. Und wenn das so ist, kann man sagen, da muss irgendetwas Schwarzes, Dunkles sein, das wir nicht sehen können, und das könnte das schwarze Loch sein."

Auswirkungen aus das Leben des Menschen auf der Erde hat Noras Forschung keine – wie überhaupt die Astronomie. Eine Luxusdisziplin, wie die junge Wissenschaftlerin selbst findet.

„Ja! Wir werden dafür bezahlt, dass wir neugierig sein können!"

Die vatikanische Sternwarte pflegt diese Luxusdisziplin seit gut vier Jahrhunderten. Zwölf päpstliche Astronomen, alles Jesuitenpatres, betreiben hier und in der Außenstelle in Tucson, Arizona, eine Forschungsstation. Astronomie ist die einzige Naturwissenschsaft, die der Vatikan in Eigenregie betreibt. In der Fachwelt hat die Forschung an der Sternwarte des Papstes einen guten Ruf, und besonders auch unter den Studierenden. Die päpstlichen Astronomen stehen nicht unter demselben Publikationsdruck wie junge Wissenschaftler an staatlichen Forschungsstätten; wohl auch deshalb ist das Klima gut, was die Sommerakademien an der vatikanischen Sternwarte zu etwas Besonderem macht. Pater David Brown, einer der päpstlichen Astronomen:

„Wir sehen es als unseren Auftrag, die ganze Person zu bilden, und gerade unsere Sommerakademie war immer dafür bekannt, ehrliche Freundschaft zu pflegen und die Leute mit Respekt zu behandeln. Hierher kommt man nicht bloß fürs Business. Es gibt eine starke persönliche Komponente, unter den Studierenden, aber auch zu den Forschern. Als Lehrender bemüht man sich, immer den besten Weg zu finden, jedem und jeder Studierenden so gut wie möglich zu helfen."

Bis vor einigen Jahren saß die vatikanische Sternwarte im päpstlichen Palast Castelgandolfo unter einem Dach mit dem Papst auf Sommerfrische; dann musste sie einige Kilometer weiter wegziehen, ans andere Ende der ausgedehnten päpstlichen Gärten und Villen. Die Jesuitenpatres nahmen das bedauernd hin. Aber auch ihr neuer Sitz ist repräsentativ, findet Nora Lützgendorf:

„Das ist toll, hat so ein bisschen Harry Potter Atmosphäre. In diesen alten Gemäuern und diese Stille Wissen zu tanken, ist was sehr Schönes.

Vier Wochen dauert die Sommerakademie, ziemlich lang also. In ihrer Freizeit organisiert man sich und fährt mit dem Bus nach Rom zum Sightseeing – oder auch nicht…

„Es ist sehr relaxed, da wird viel Freiheit gegeben. Am Nachmittag zum Beispiel haben wir meistens Übungen, wir können aber auch an den See fahren und eigentlich machen, was wir wollen."

Kein Wunder, dass die Jesuiten der Sternwarte jedes Jahr aus vielen Bewerbungen zur Sommerakademie auswählen können. 150 waren es diesmal, für 25 Plätze. Großen Wert legt Sternwartenleiter Pater Jose Gabriel Funes darauf, dass Studierende aus Entwicklungsländern dabei sind, denen man den Aufenthalt an der Sommerakademie praktisch ganz bezahlt. „Horizonterweiternd", das ist das Wort, mit dem Nora ihre Erfahrungen an der päpstlichen Sternwarte zusammenfassen würde. Horizonterweiternd in vielerlei Hinsicht, wissenschaftlich, interkulturell und in Sachen Gruppendynamik.

„Wenn man mal einen Witz macht, muss man ein bisschen aufpassen, man könnte eine andere Kultur eventuell etwas ankratzen! Wir haben zB jemanden, der recht katholisch ist und Leute, die ganz in die andere Richtung gehen und sich gern mal einen Spaß draus machen. Oder wenn wir uns in Rom eine Kirche anschauen, gibt es ein paar Chaoten, die da ihre Späße draus machen, und das kann in den falschen Hals geraten…"

Religionszugehörigkeit ist übrigens kein Thema bei der Auswahl der Kandidaten für die Sommerakademie der Vatikan-Sternwarte. Die Jesuiten selbst präsentieren sich in zivil, nur Pater Funes hat heute ein Kollarhemd angezogen, weil der Botschafter Taiwans beim Heiligen Stuhl zu Besuch kommt. Die meisten Studierenden hier sind Nichtglaubende, sagt Nora. Vielleicht ist deshalb die Neugier bei den angehenden Astronomen so groß, etwas zu erfahren über die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Glaube.

„Wir haben keine religiösen Elemente in unseren Vorlesungen. Die sind reine Wissenschaft. Gestern haben wir Pater Funes überredet, mehr oder weniger, mit uns über dieses delikate Thema zu reden, weil er redet nicht gern darüber, und das verstehe ich auch, weil er wohl auch oft gefragt wird in seiner Position, gleichzeitig Direktor hier und Priester zu sein. Wir saßen alle zusammen und er hat mit uns über die Vereinbarkiet von Religion und Wissenschaft geredet, aber wir haben explizit danach gefragt, sonst wird uns das hier in keiner Weise aufgedrängt. Wir haben eine Messe, die wir besuchen können, wenn wir wollen, aber das wars schon."

Von sich selbst sagt Nora, sie sei nicht religiös. Dennoch sieht sie gar kein Problem, Wissenschaft und Glaube nebeneinander existieren zu lassen.

„Ich glaube nicht, dass wir das fassen können, was wir da erforschen, und das werden wir auch niemals fassen können. Deswegen ist es gar kein Problem, beides zu verbinden. Selbst wenn die Wissenschaft immer nach Antworten sucht, wir können niemals das Gesamtbild erfassen und den Grund dafür erfahren. Was Pater Funes auch gesagt hat, es ist nicht alles Wissenschaft im Leben, es geht auch um Entscheidungen, wie man sich verhält und so Sachen. Dafür gibt es nicht überall Wissenschaft. Ich weiß immer nicht, warum Leute da so extrem dagegen sind, dass man beides vereinen kann. Ich glaube schon, dass es möglich ist!" (rv)

Vatikan: Kardinal in Slowenien

Kardinaldekan Angelo Sodano hat in Slowenien die Stätten der verlustreichen Isonzo-Schlachten des Ersten Weltkriegs besucht. Das teilte das vatikanische Presseamt an diesem Mittwoch mit. Mit der katholischen Bevölkerung habe er der tragischen Ereignisse gedacht und für eine Aussöhnung der Völker gebetet, so die Vatikan-Note. Bei seinem Besuch vom 15. bis 18. Juni traf Sodano demnach auch mit Staatspräsident Danilo Türk und Ministerpräsident Janzez Jansa zusammen. Die zwölf nach dem Fluss Isonzo benannten Schlachten im Ostabschnitt der Front zwischen Italien und Österreich-Ungarn hatten rund eine Million Todesopfer gefordert, ohne große Frontverschiebungen zu erwirken. (rv)