Wie geht es weiter nach COP23?

Quo vadis? – Wohin bewegt sich die Menschheit global und wie groß ist der CO2-Fußabdruck, den sie dabei hinterlässt? Schon das Pariser Klimaabkommen 2013 hat deutlich gemacht, dass sich die Menschheit mit großen Schritten in eine falsche Richtung bewegt, was gravierende Auswirkungen auf das Ökosystem Erde hat.

Papst Franziskus wird nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Klimawandel und Armut im ländlichen Raum. Die gute Nachricht ist, dass dieser zum Guten gewendet werden kann: Gegen Klimawandel vorzugehen, schützt Menschen vor seinen Folgen; unterstützt man Menschen darin, ein nachhaltiges Ernährungssystem zu installieren, profitiert auch die Umwelt. Die entscheidende Frage lautet: Wie kann ein nachhaltiges Ernährungssystem geschaffen werden, das den Kleinbauern im ländlichen Raum nützt? Zu diesem Thema lud Hinrich Thölken, der Ständige Vertreter Deutschlands bei den UN-Organisationen in Rom, in dieser Woche zu einer Podiumsdiskussion in die Villa Drusiana ein.

Dabei wurde deutlich: Qualifizierung der Bauern ist ein wichtiges Stichwort. Wir haben bei der Tagung Stefan Schmitz, Referatsleiter für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Ernährungssicherung im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), nach Strategien für Bauern im ländlichen Raum gefragt:

„Wir müssen die Länder dahingehend beraten, dass sie die Möglichkeit haben, ihre eigenen Märkte zu schützen und gleichzeitig die eigene Landwirtschaftsentwicklung voranzutreiben. Das bedeutet, dass der Bauer besseres Wissen braucht und moderne Methoden zur Verfügung haben muss, um produktiver arbeiten zu können, d. h. mehr Ertrag pro Hektar Land zu produzieren. Aber dann geht es ja auch darum, die Lebensmittel trocken und kühl zu lagern. Straßen zu haben, auf denen die Lebensmittel zum Markt transportiert werden. Das ganze Handelswesen muss verbessert werden. Das betrifft die ganze Wertschöpfungskette vom Feld bis zum Teller des Konsumenten in der Stadt.“

Johannes Cullmann, Leiter der Abteilung Klima und Wasser bei der Weltorganisation für Meteorologie (WMO), hat in seinem Beitrag auf die Folgen des Klimawandels hingewiesen. Über kurz oder lang, so seine Mahnung, werden auch wir in Mitteleuropa von extremen Wettererscheinungen und dem Ansteigen des Meeresspiegels betroffen sein. Am stärksten sind ländliche und küstennahe Gebiete bedroht, insbesondere Inselstaaten im Pazifik und Regionen Afrikas südlich der Sahelzone. Doch in vielen Fällen leben gerade dort die Ärmsten der Weltbevölkerung; diejenigen also, die den kleinsten CO2-Fußabdruck hinterlassen.

Hilfsorganisationen wie der Internationale Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) haben es sich zur Aufgabe gemacht, Kleinbauern in ihrer Arbeit zu unterstützen, so dass sie selbst einen Weg aus der Armut finden. Die Jugend könnte ein Vorreiter darin sein, innovative Ideen in der Landwirtschaft zu etablieren. Wie kann die Jugend dafür gewonnen werden? Stefan Schmitz sagt dazu:

„Alleine in Afrika werden bis 2030 440 Millionen Menschen zusätzlich auf den Arbeitsmarkt drängen und eine Lebensperspektive suchen. Die Mehrheit von ihnen lebt auf dem Land, und nicht in den Städten. Insbesondere in Afrika ist das Bevölkerungswachstum auf dem Land extrem hoch. Sie suchen eine Perspektive, aber sie werden sie nicht immer bekommen; viele werden auch versuchen, in die Städte oder ins Ausland abzuwandern.“ Es sollte im Interesse aller sein, betont Schmitz auch mit Blick auf die massiven Migrationsbewegungen der letzten Jahre, dass die Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive erhalten könnten.

„Dazu ist notwendig, dass Landwirtschaft produktiver wird; dass jeder einzelne Landwirt, jeder einzelne Bauer mehr produziert, damit er darüber auch ein Einkommen erzielen kann. Das wäre eine Voraussetzung dafür, dass sie ein besseres Leben führen und sich auch z. B. einen Gesundheitsdienst leisten und den Schulbesuch der Kinder bezahlen können. Dafür ist es notwendig, dass Bauern eine Verbindung haben, dass sie sich Märkte erschließen können in den Städten. Wir beobachten zunehmend, wenn man in die Städte Afrikas geht und in die Regale der Supermärkte schaut, dass Produkte aus allen Teilen der Welt angeboten werden, die preiswert eingeführt werden können. Häufig ist die eigene Landwirtschaft dagegen nicht konkurrenzfähig. Da müssen wir nachhelfen.“

Die kürzlich zu Ende gegangene Bonner Klimakonferenz hat auch über einen Gender Action Plan diskutiert und damit die Frage aufgeworfen: Welche Rolle spielen Frauen in der internationalen Klimapolitik und in der nachhaltigen Entwicklung, beispielsweise in der Landwirtschaft? Wird da nicht viel Potenzial verschenkt? Stefan Schmitz mahnt Verbesserungsbedarf an:

„Die Rolle der Frauen ist hier ganz zentral. In Afrika leisten Frauen in der Landwirtschaft etwa 50 Prozent der Arbeit, teilweise sogar mehr, aber sie erwirtschaften nur ein Hauch, etwa 10 Prozent des Einkommens. Das ist ein riesiges Missverhältnis. Frauen haben eine ganz wichtige Schlüsselposition, weil sie auch gleichzeitig für die Ernährung der Familie zuständig sind. In ihren Händen liegt es, nicht nur mit darüber zu entscheiden, was auf dem Feld angebaut wird, sondern auch die Familie richtig und gesund zu ernähren. Diese Doppelrolle macht sie ganz besonders wichtig. Wir schätzen, wenn Frauen den gleichen Zugang zu Bildung oder zur Ausbildung im landwirtschaftlichen Bereich hätten wie Männer, wenn sie die gleichen Rechte hätten, Land zu besitzen und damit auch einen Kredit aufnehmen zu dürfen, dann wäre schon sehr vielen Menschen geholfen und die Produktivität der Landwirtschaft deutlich höher. Die Rechte der Frauen sind in sehr vielen Ländern sehr verbesserungsbedürftig.“

Quo vadis? Die Richtung scheint mehr oder weniger deutlich zu sein. Aber noch sind viele der Hauptakteure zu zögerlich. Vielleicht braucht es einfach jemanden, der mutig vorangeht. Klar ist, dass es in unser aller Sinne ist, uns gemeinsam auf Weg zu machen. (rv)

Über den Wolken: Der Papst spricht über aktuelle Krisen

Rohingya, Atomwaffen, China – das waren nur einige der Themen, über die Papst Franziskus auf dem Rückflug von Bangladesch nach Rom am Samstagabend mit Journalisten gesprochen hat. Bei seiner „fliegenden Pressekonferenz“ über den Wolken verteidigte der Papst die Tatsache, dass er in Myanmar nicht öffentlich von „Rohingya“ gesprochen hat. Er erwähnte seinen Wunsch, China zu besuchen, und kündigte eine Reise nach Indien für das nächste Jahr an. Gegen zehn Uhr abends – eine Stunde eher als erwartet – ist das Flugzeug mit Franziskus an Bord wieder in Rom gelandet: Schlusspunkt einer knapp einwöchigen Südostasien-Reise.

Besitz von Atomwaffen irrational

Angesprochen auf die Nordkorea-Krise äußerte der Papst, eine Politik der nuklearen Abschreckung wie zu Zeiten des Kalten Krieges sei heute nicht mehr vertretbar. Schon den bloßen Besitz von Atomwaffen halte er für „irrational“.

„Atomwaffen zu haben und einzusetzen, ist heute an der Grenze des ethisch Erlaubten, davon bin ich überzeugt. Warum? Weil solche ausgeklügelten Atomarsenale heutzutage die Menschheit – oder zumindest einen großen Teil der Menschheit – zu vernichten drohen.“ Zwar sei das keine Frage des päpstlichen Lehramtes, aber dennoch eine Frage, die ein Papst stellen müsse: „Kann es denn heute wirklich legitim erscheinen, Atomarsenale beizubehalten? Oder ist es nicht vielmehr nötig, umzukehren, um die Schöpfung zu retten und um die Menschheit heute zu retten? Denken wir an Hiroshima und Nagasaki vor siebzig Jahren, und denken wir auch daran, was passiert, wenn es in einem Reaktor einen Atomunfall gibt… Wir sind an der Grenze des Erlaubten.“

Der Papst antwortete damit auf die Frage eines mitreisenden Journalisten, was sich seit den 80er Jahren in der Welt verändert habe. Papst Johannes Paul II. (1978-2005) habe noch 1982 in einem Brief an die UNO-Vollversammlung geschrieben, die Politik der nuklearen Abschreckung sei insofern „moralisch gerechtfertigt“, als sie damals einen Krieg verhindert habe und die beteiligten Partner daran arbeiteten, sie abzubauen. Bereits Mitte Oktober hatte Franziskus hingegen die Anwendung von und die Drohung mit Atomwaffen verurteilt – und darüber hinausgehend auch deren alleinigen Besitz. Das hatte, vor allem bei Katholiken in den USA, für Diskussionen gesorgt.

Tränen beim Treffen mit Rohingya

Sein zweites Besuchsland Bangladesch lobte der Papst bei der „fliegenden Pressekonferenz“ als ein „Vorbild für die Aufnahme“ von Flüchtlingen. Obwohl Bangladesch nicht groß sei, habe es doch für über 600.000 Rohingya-Flüchtlinge aus dem benachbarten Myanmar die Türen geöffnet. „Ich denke da an die Länder, die ihre Türen schließen. Da müssen wir dankbar sein für das Beispiel, das Bangladesch uns gegeben hat!“

Die Begegnung mit einigen Rohingya-Flüchtlingen am Freitagabend im Garten des Erzbischofs von Dhaka sei ein besonderer Moment gewesen, bei dem nur ein Teil geplant war, das meiste sich jedoch spontan ergab, erklärte der Papst. „Ich habe geweint. Ich versuchte es so hinzukriegen, dass man es nicht sah… Sie weinten auch. Ich habe mir gesagt: Ich kann die jetzt nicht wieder gehen lassen, ohne ihnen etwas zu sagen. Man wollte sie wieder vom Podium herunterschicken, ohne dass sie mit mir gesprochen hätten. Das habe ich nicht zugelassen… Und nachdem ich sie angehört habe, fühlte ich etwas in mir sich regen, und dann habe ich ihren Namen genannt.“ Franziskus hatte bei der Begegnung die Flüchtlinge spontan im Namen ihrer Verfolger, aber auch im Namen einer gleichgültigen Weltöffentlichkeit, um Vergebung gebeten. Dabei hatte er zum einzigen Mal auf der ganzen Reise ausdrücklich von „Rohingya“ gesprochen.

Der Papst machte deutlich, dass er gerne ein Flüchtlingslager von Rohingya besucht hätte: „Die Dinge wurden geprüft, und das war dann nicht möglich, aus verschiedenen Gründen, etwa aus Zeitgründen wegen der Distanz. Aber das Flüchtlingslager ist dann ja durch einige Vertreter zu mir gekommen…“

Nicht die Tür vor der Nase zuschlagen

Der Papst verteidigte ausdrücklich, dass er während seines Aufenthalts in Myanmar nie ausdrücklich von „Rohingya“ gesprochen hatte. „Schon auf dem Petersplatz habe ich sie durchaus beim Namen genannt… Aber hätte ich das in einer offiziellen Rede (in Myanmar) gesagt, hätte ich (den Burmesen) sozusagen die Tür vor der Nase zugeschlagen. Also habe ich die Lage beschrieben, habe vom Recht der Minderheiten gesprochen, um dann in den Privatgesprächen noch weiter zu gehen… Mir ist es am wichtigsten, dass die Botschaft angekommen ist. Sagen wir es so: Ich hatte nicht das Vergnügen, die Tür zuzuknallen, indem ich öffentlich etwas Anklagendes sagte – aber ich hatte die Genugtuung, einen Dialog aufzunehmen und auch die andere Seite zu hören. Und so ist die Botschaft angekommen.“

Diese Gesprächsdiplomatie hinter verschlossenen Türen nahm der Papst auch für seine Begegnung mit dem Armeechef in Anspruch, der nach allgemeiner Ansicht für die Vertreibung von Rohingya aus Myanmar verantwortlich ist. „Ich habe die Wahrheit nicht verhandelt… Ich habe so gesprochen, dass er verstanden hat, dass man heute die Dinge nicht mehr so machen darf, wie sie früher gemacht wurden… Es war ein gutes Treffen. Zivilisiert. Und auch bei dieser Gelegenheit ist die Botschaft angekommen.“

Nächstes Jahr eventuell eine Reise nach Indien

Franziskus ließ die mitreisenden Journalisten auch einmal in seine Karten sehen, was die nächsten Reisepläne betrifft. Er wolle 2018 gerne Indien besuchen – „wenn ich dann noch lebe“, scherzte er. Eine Reise nach China sei dagegen „nicht in Vorbereitung“, auch wenn ihm eine solche Reise „so sehr gefallen würde“. Auf die zähen Verhandlungen zwischen Peking und dem Vatikan über eine Aufnahme von diplomatischen Beziehungen angesprochen, versuchte sich der Papst an einem Hohenlied der Langsamkeit und Gründlichkeit: „Schritt für Schritt“ gelte es vorzugehen. (rv)