Über den Wolken: Der Papst spricht über aktuelle Krisen

Rohingya, Atomwaffen, China – das waren nur einige der Themen, über die Papst Franziskus auf dem Rückflug von Bangladesch nach Rom am Samstagabend mit Journalisten gesprochen hat. Bei seiner „fliegenden Pressekonferenz“ über den Wolken verteidigte der Papst die Tatsache, dass er in Myanmar nicht öffentlich von „Rohingya“ gesprochen hat. Er erwähnte seinen Wunsch, China zu besuchen, und kündigte eine Reise nach Indien für das nächste Jahr an. Gegen zehn Uhr abends – eine Stunde eher als erwartet – ist das Flugzeug mit Franziskus an Bord wieder in Rom gelandet: Schlusspunkt einer knapp einwöchigen Südostasien-Reise.

Besitz von Atomwaffen irrational

Angesprochen auf die Nordkorea-Krise äußerte der Papst, eine Politik der nuklearen Abschreckung wie zu Zeiten des Kalten Krieges sei heute nicht mehr vertretbar. Schon den bloßen Besitz von Atomwaffen halte er für „irrational“.

„Atomwaffen zu haben und einzusetzen, ist heute an der Grenze des ethisch Erlaubten, davon bin ich überzeugt. Warum? Weil solche ausgeklügelten Atomarsenale heutzutage die Menschheit – oder zumindest einen großen Teil der Menschheit – zu vernichten drohen.“ Zwar sei das keine Frage des päpstlichen Lehramtes, aber dennoch eine Frage, die ein Papst stellen müsse: „Kann es denn heute wirklich legitim erscheinen, Atomarsenale beizubehalten? Oder ist es nicht vielmehr nötig, umzukehren, um die Schöpfung zu retten und um die Menschheit heute zu retten? Denken wir an Hiroshima und Nagasaki vor siebzig Jahren, und denken wir auch daran, was passiert, wenn es in einem Reaktor einen Atomunfall gibt… Wir sind an der Grenze des Erlaubten.“

Der Papst antwortete damit auf die Frage eines mitreisenden Journalisten, was sich seit den 80er Jahren in der Welt verändert habe. Papst Johannes Paul II. (1978-2005) habe noch 1982 in einem Brief an die UNO-Vollversammlung geschrieben, die Politik der nuklearen Abschreckung sei insofern „moralisch gerechtfertigt“, als sie damals einen Krieg verhindert habe und die beteiligten Partner daran arbeiteten, sie abzubauen. Bereits Mitte Oktober hatte Franziskus hingegen die Anwendung von und die Drohung mit Atomwaffen verurteilt – und darüber hinausgehend auch deren alleinigen Besitz. Das hatte, vor allem bei Katholiken in den USA, für Diskussionen gesorgt.

Tränen beim Treffen mit Rohingya

Sein zweites Besuchsland Bangladesch lobte der Papst bei der „fliegenden Pressekonferenz“ als ein „Vorbild für die Aufnahme“ von Flüchtlingen. Obwohl Bangladesch nicht groß sei, habe es doch für über 600.000 Rohingya-Flüchtlinge aus dem benachbarten Myanmar die Türen geöffnet. „Ich denke da an die Länder, die ihre Türen schließen. Da müssen wir dankbar sein für das Beispiel, das Bangladesch uns gegeben hat!“

Die Begegnung mit einigen Rohingya-Flüchtlingen am Freitagabend im Garten des Erzbischofs von Dhaka sei ein besonderer Moment gewesen, bei dem nur ein Teil geplant war, das meiste sich jedoch spontan ergab, erklärte der Papst. „Ich habe geweint. Ich versuchte es so hinzukriegen, dass man es nicht sah… Sie weinten auch. Ich habe mir gesagt: Ich kann die jetzt nicht wieder gehen lassen, ohne ihnen etwas zu sagen. Man wollte sie wieder vom Podium herunterschicken, ohne dass sie mit mir gesprochen hätten. Das habe ich nicht zugelassen… Und nachdem ich sie angehört habe, fühlte ich etwas in mir sich regen, und dann habe ich ihren Namen genannt.“ Franziskus hatte bei der Begegnung die Flüchtlinge spontan im Namen ihrer Verfolger, aber auch im Namen einer gleichgültigen Weltöffentlichkeit, um Vergebung gebeten. Dabei hatte er zum einzigen Mal auf der ganzen Reise ausdrücklich von „Rohingya“ gesprochen.

Der Papst machte deutlich, dass er gerne ein Flüchtlingslager von Rohingya besucht hätte: „Die Dinge wurden geprüft, und das war dann nicht möglich, aus verschiedenen Gründen, etwa aus Zeitgründen wegen der Distanz. Aber das Flüchtlingslager ist dann ja durch einige Vertreter zu mir gekommen…“

Nicht die Tür vor der Nase zuschlagen

Der Papst verteidigte ausdrücklich, dass er während seines Aufenthalts in Myanmar nie ausdrücklich von „Rohingya“ gesprochen hatte. „Schon auf dem Petersplatz habe ich sie durchaus beim Namen genannt… Aber hätte ich das in einer offiziellen Rede (in Myanmar) gesagt, hätte ich (den Burmesen) sozusagen die Tür vor der Nase zugeschlagen. Also habe ich die Lage beschrieben, habe vom Recht der Minderheiten gesprochen, um dann in den Privatgesprächen noch weiter zu gehen… Mir ist es am wichtigsten, dass die Botschaft angekommen ist. Sagen wir es so: Ich hatte nicht das Vergnügen, die Tür zuzuknallen, indem ich öffentlich etwas Anklagendes sagte – aber ich hatte die Genugtuung, einen Dialog aufzunehmen und auch die andere Seite zu hören. Und so ist die Botschaft angekommen.“

Diese Gesprächsdiplomatie hinter verschlossenen Türen nahm der Papst auch für seine Begegnung mit dem Armeechef in Anspruch, der nach allgemeiner Ansicht für die Vertreibung von Rohingya aus Myanmar verantwortlich ist. „Ich habe die Wahrheit nicht verhandelt… Ich habe so gesprochen, dass er verstanden hat, dass man heute die Dinge nicht mehr so machen darf, wie sie früher gemacht wurden… Es war ein gutes Treffen. Zivilisiert. Und auch bei dieser Gelegenheit ist die Botschaft angekommen.“

Nächstes Jahr eventuell eine Reise nach Indien

Franziskus ließ die mitreisenden Journalisten auch einmal in seine Karten sehen, was die nächsten Reisepläne betrifft. Er wolle 2018 gerne Indien besuchen – „wenn ich dann noch lebe“, scherzte er. Eine Reise nach China sei dagegen „nicht in Vorbereitung“, auch wenn ihm eine solche Reise „so sehr gefallen würde“. Auf die zähen Verhandlungen zwischen Peking und dem Vatikan über eine Aufnahme von diplomatischen Beziehungen angesprochen, versuchte sich der Papst an einem Hohenlied der Langsamkeit und Gründlichkeit: „Schritt für Schritt“ gelte es vorzugehen. (rv)

Franziskus warnt vor Gleichsetzung des Islam mit Terror, Vor-Verurteilung Kardinal Pells

cna_Rueckflug Polen 2016Fliegende Pressekonferenz auf dem Rückflug vom Weltjugendtag behandelt auch Lage in Venezuela und seinen Eindruck vom Weltjugendtag.

ROM – Papst Franziskus hat auf seiner Rückreise vom Weltjugendtag in Krakau nach Rom wieder Fragen der mitreisenden Journalisten beantwortet. Dabei ging es nicht nur um den islamistischen Terror, dem zuletzt auch ein Priester in Frankreich zum Opfer fiel, sondern auch die Verdachtsvorwürfe gegen Kardinal George Pell durch den australischen Rundfunksender ABC, sowie die dramatische Lage in Venezuela.

Im Fall Pell erst sprechen, wenn Justiz gesprochen hat

In Antwort auf die Frage nach Vorwürfen des Verdachtes sexuellen Missbrauchs gegen Kardinal George Pell sagte der Papst:

„Die ersten Informationen darüber, die ich erhielt, waren verwirrend: Dass es vor 40 Jahren geschehen sein soll und die Polizei zuerst nichts unternommen habe. Es war verwirrend. Dann gingen weitere Anschuldigungen an die Justiz. Und nun ist es ein Fall für die Justiz. Man sollte nicht vor deren Urteil selber urteilen, nicht wahr? Es wäre nicht gut, wenn ich ein Urteil für oder wider Kardinal Pell sprechen würde, dann wäre das nicht gut, denn ich würde dem Richter vorgreifen. Es stimmt, es gibt Zweifel, und es gibt das klare Rechtsprinzip: In dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten, nicht wahr? Aber nun müssen wir abwarten, was die Justiz entscheidet und keine Vorverurteilung selber tun, oder eine Art Medienjustiz verüben lassen…denn das bringt nichts“.

Weiter warnte Franziskus vor der Vorverurteilung aufgrund von Gerüchten. Er werde erst sprechen, wenn auch die Justiz gesprochen habe.

„Islam nicht mit Gewalt gleichsetzen“

Mit Blick auf den Fall des in Frankreich durch Anhänger des Islamischen Staates ermordeten Priesters Jacques Hamel wurde der Papst gefragt, warum er selber nie den Islam erwähne, wenn er über Terror spreche.

Der Pontifex antwortete, er spreche nicht gerne über islamische Gewalt, denn wenn er die Zeitung lese, dann sehe er Gewalt „hier in Italien: Einer tötet seine Freundin, einer seine Schwiegermutter…das sind getaufte Katholiken! Gewalttätige Katholiken!“ Der Papst sagte weiter:

Wenn ich über islamische Gewalt sprechen will, dann muss ich auch über katholische Gewalt sprechen. Nicht alle Muslime sind gewalttätig, und nicht alle Katholiken sind gewalttätig. Es ist wie bei einem Obst-Salat…es gibt alles, es gibt Gewalttäter in allen Religionen. Eines ist wahr. Ich denke, dass es in fast allen Religionsgruppen eine kleine fundamentalistische Gruppe gibt. Die haben wir auch.

Es sei auch nicht richtig, den Islam mit Gewalt gleichzusetzen, so Franziskus: „Das ist nicht recht und nicht wahr“. Er habe ein langes Gespräch mit dem Imam von Al Azhar in Ägypten geführt – und dabei sei es um das gemeinsame Anliegen des Friedens gegangen. Der Nuntius eines afrikanischen Landes habe ihm erzählt, dass in seiner Hauptstadt viele Menschen durch die Pforte der Barmherzigkeit kämen, und manche – Katholiken – gingen zum Beichtstuhl und die große Mehrheit ströme zum Altar Unserer lieben Frau“: Es seien Muslime. Dabei handle es sich „um Brüder, die am Jubiläumsjahr teihaben wollen“, so Franziskus gegenüber den Journalisten an Bord des Fliegers.

„Selbst ich frage mich, wie viele jungen Menschen wir Europäer ohne Ideale gelassen haben“, die dann, zudem arbeitslos, etwa in Drogen oder in fundamentalistische Gruppen abrutschten.

Man könne über den sogenannten Islamischen Staat (IS) reden, fuhr der Pontifex fort. Dies sei eine fundamentalistische Gruppe. Doch glaube er nicht, dass der Islam terroristisch sei.

„Terrorismus ist überall: Denken Sie an den Stammes-Terror mancher afrikanischer Länder“, sagte der Papst weiter. Terrorismus entstehe, wenn im Mittelpunkt der Wirtschaft der Geldgötze stehe und nicht der Mensch. Das sei der grundlegende Terror gegen die Menschheit, so Franziskus. „Denkt darüber nach“.

Polen, Türkei, Venezuela

Natürlich widmete sich der Papst der Frage polnischer Journalisten über Krakau und den Weltjugendtag. „Krakau ist so schön“, sagte Franziskus, und die Güte der Polen, die er schon als Kind gekannt habe, die habe er auch wieder hier vorgefunden. Er höre gerne den jungen Menschen zu, so der Papst weiter. Junge Menschen seien kreativ und unruhig; doch es gehe auch darum, einen Dialog mit der Generation der Großeltern zu pflegen, und voneinander zu lernen. Dumme Dinge sage schließlich jeder einmal.

Die Lage in der Türkei nach dem gescheiterten Coup war Thema der zweiten Antwort des Papstes. In Anspielung auf seine Verwendung des Begriffs „Völkermord“ mit Blick auf die Verbrechen gegen die Armenier und andere Christen durch Türken im Osmanischen Reich sagte der Papst, dass es zwar die Tugend der Klugheit gebe, er aber auch den Preis der Wahrheit kenne. Die aktuelle Situation beobachte er sehr genau und lasse sich beraten.

Kurz scherzte der Papst danach über einen Stolperer in Krakau, bei dem er – mitsamt dem Weihrauchfass – gestürzt war. Er habe den Blick auf die Muttergottes gerichtet gehabt, und sei gestolpert, doch sei ihm nichts zugestoßen, erklärte er, um sich dann zur Krise in Venezuela zu äußern: Er habe bereits vor zwei Jahren ein äußerst positives Treffen mit Präsident Maduro gehabt. Er hoffe auf die Arbeit der Vermittlungsgruppe. Möglicherweise könne der Heilige Stuhl dieser Beitreten, so Franziskus. (CNA Deutsch)

Fliegende Pressekonferenz: Vatileaks und Ausbeutung Afrikas

Vatileaks II.Korruption und die Rolle der freien Presse, AIDS und Kondome, religiöser Fundamentalismus auch in der katholischen Kirche und ein Rückblick auf die schönsten Momente der Afrikareise – auf eine breite Palette von Themen ging Papst Franziskus bei seiner Pressekonferenz während des Rückfluges von Bangui nach Rom ein, eine Stunde lang beantwortete er Fragen. Anders als bei den Besuchen in Asien und in Kuba und den USA hatte es keine Konferenzen bei den Flügen zwischen den Ländern gegeben. Eine Zusammenfassung der Themen:

Vatileaks und Korruption

In Uganda hatte Papst Franziskus davon gesprochen, dass es überall Korruption gebe, auch im Vatikan. Nun stünden dort aber Journalisten vor Gericht. Bei der Pressekonferenz wurde er nun gefragt, wie er die Rolle der freien Medien einschätze, Korruption zu bekämpfen.

„Die freie Presse – kirchlich oder nichtkirchlich, auf jeden Fall aber professionell – ist wichtig, denn die Anklage der Ungerechtigkeiten und der Korruption ist eine gute Aufgabe.“ Die Frage war mit einem Hinweis auf Vatileaks eingeleitet worden. „Die professionelle Presse muss das ihre tun, ohne in die üblichen Sünden zu verfallen,“ fuhr Papst Franziskus fort. „Die Desinformation, also nur die halbe Wahrheit zu sagen, die Verleumdung, die es in unprofessionellen Medien gibt, die nur andere beschmutzen wollen, und die Diffamierung, die den Ruf von Menschen schädigt. Das sind die drei Defekte, welche die Professionalität der Medien schädigen. Wir brauchen aber diese Professionalität.“

Noch einmal Vatileaks 2: Wie es denn sein könne, dass im Reformprozess für den Vatikan Menschen eingestellt wurden, die dann Dokumente weiter gegeben hätte. „Ich glaube, es wurde ein Fehler gemacht“, antwortete der Papst. Die Richter würden nun genau untersuchen, was geschehen sei. „Für mich war das keine Überraschung. Mir hat das nicht den Schlaf geraubt. Denn das hat letztlich gezeigt, was für Arbeit bereits von der Kardinalskommission K9 geleistet wurde.“

Das Thema sei aber nicht neu, fügte der Papst an. Bereits 2005 habe der damalige Kardinaldekan Joseph Ratzinger vor dem Tod von Johannes Paul II. vom Schmutz in der Kirche gesprochen, „wir haben ihn damals gewählt, weil er die Sachen angesprochen hat.“

„Ich danke Gott, dass Lucrezia Borgia nicht mehr lebt“, scherzte der Papst auf die Frage, was er denn jetzt genau tun wolle. Um dann hinzuzufügen „Wir werden mit den Kardinälen und der Kommission weitermachen mit dem Aufräumen.“

AIDS in Afrika

Es gebe bereits viel Hilfe für Menschen, die HIV infiziert seien, allein in Uganda habe es im vergangenen Jahr aber dennoch 135.000 neue Infektionen gegeben, Kenia sei noch schlimmer dran, AIDS sei die Todesursache Nr. 1 der Jugend Afrikas, so wurde eine weitere Frage eingeleitet. Nun habe der Papst selber Erkrankte getroffen, selber aber wenig dazu gesagt. Ob es nicht Zeit sei, die Haltung der Kirche zur Frage des Gebrauchs von Kondomen zu überdenken, auch wenn diese nicht die einzige Lösung seien, sie trügen aber auf jeden Fall zur Prävention bei.

„Die Frage ist zu klein“, antwortete der Papst. „Ja, das ist eine Methode, die Morallehre der Kirche steht in diesem Punkt vor einer Perplexität. .. Diese Frage lässt mich daran denken, was Jesus denen geantwortet hat, die ihn einmal gefragt haben ‚Meister, darf man am Sabbat heilen?’ Unterernährung, Unterernährung, Sklavenarbeit, Mangel an Trinkwasser, das sind die echten Probleme. .. Die große Ungerechtigkeit ist die soziale Ungerechtigkeit, die Gerechtigkeit auch der Umwelt und der Ausbeutung.“ Ihm gefalle es nicht, in kasuistische Fragen einzusteigen, wenn die Menschen sterben, weil sie kein Wasser haben oder Hunger. „Ich würde nicht fragen, ob es erlaubt ist, am Sabbat zu heilen, ich würde der Menschheit sagen ‚macht Gerechtigkeit’. Und wenn alle geheilt sind und es keine Ungerechtigkeit mehr gibt, dann können wir auch über den Sabbat sprechen.“

Religiöser Fundamentalismus

Von einer französischen Journalistin wurde der Papst auf den Fundamentalismus angesprochen, der eine Gefahr darstelle, wie zuletzt in Paris. Ob er denn der Meinung sei, dass die religiösen Würdenträger sich mehr in die Politik einmischen sollten.

„Politik machen, nein“, so der Papst, es folgte aber ein großes Aber. „Mit der Verkündung der Werte, der echten Werte, macht man auch Politik.“ Die Geschwisterlichkeit unter den Menschen sei ein sehr großer Wert. „Ich benutze mal ein Wort, dass mir eigentlich nicht gefällt: Toleranz. Es ist aber nicht nur Toleranz, sondern Freundschaft.“ Der Fundamentalismus sei eine Krankheit, die es in allen Religionen gäbe. Auch die katholische Kirche habe Fundamentalisten, und nicht wenige. Sie glaubten, die Wahrheit zu besitzen und schädigten andere. Das müsse man bekämpfen. „Der religiöse Fundamentalismus ist nicht religiös, denn Gott fehlt.“

Mit den Muslimen könne man einen Dialog führen, es gebe viele Werte, die sie mit Christen teilten. „Man kann eine Religion nicht abschaffen, weil es einige oder mehrere Gruppen von Fundamentalisten gibt“, so Papst Franziskus. Auch die Christen müssten für ihre eigenen Extremismen und Fundamentalismen um Entschuldigung bitten, der Papst sprach unter anderem die Gräuel des dreißigjährigen Krieges an. Nach seinem Moscheebesuch habe er im Papamobil gemeinsam mit Imam eine Runde zwischen den Menschen gedreht, Dialog sei möglich, so der Papst.

Paris und das Klima

„Jetzt oder nie“: ob die an diesem Montag beginnende Konferenz COP21 zu Klimafragen ein Erfolg sein werde, wisse er nicht, so der Papst auf eine weitere Frage, aber eine Alternative habe die Welt nicht mehr. „Wie sind am Rand zum Selbstmord, um ein hartes Wort zu gebrauchen. Ich bin sicher, das fast alle Teilnehmer an der Konferenz das wissen und etwas tun wollen.“ Er habe Vertrauen, dass COP21 ein Erfolg werde.

Afrikareise

Es gab aber auch einige rückblickende Fragen zur Reise. Aus Kenia kam eine Frage nach der Begegnung mit den Menschen, die über Ausschluss von Wirtschaft und Gesellschaft klagen. Was sei sein Eindruck und was seine Gefühle gewesen, lautete die Frage.

80 Prozent des Reichtums der Welt sei in den Händen von nur 17 Prozent der Bevölkerung, habe er gehört. Er wisse nicht, ob diese Statistik ganz präzise sei, aber sie spreche von einem ökonomischen System, das den Götzen Geld ins Zentrum gerückt habe. „Ich habe Schmerz gespürt, einen großen Schmerz.“ Er berichtet von seinem Besuch im einzigen Kinderkrankenhaus von Bangui, wenn nicht sogar der ganzen Zentralafrikanischen Republik. „Dort sterben die meisten Kinder, weil sie Malaria haben oder unterernährt sind. Ich will nicht predigten, aber der Herr hat das Volk immer dafür gescholten, dass es Götzen angebetet hat. Götzendienst bedeutet, seinen Personalausweis als Kind Gottes verloren zu haben und sich einen Götzen nach eigenem Maß geschaffen zu haben.“ Wenn sich die Menschheit nicht ändere, dann würden sich das Elend und die Armut fortsetzen.

„Was denkt sich der kleine Prozentsatz der Menschen, die 80 Prozent des Reichtums der Welt in Händen halten?“ fragte er rhetorisch. „Das ist kein Kommunismus, das ist die Wahrheit, und die ist nicht einfach einzusehen.“

Afrika sei immer ausgebeutet worden von anderen Mächten, Afrika sei ein Opfer. Aus Afrika seien die Sklaven nach Amerika verkauft worden. Es gebe großen Reichtum im Kontinent, aber man denke nicht daran, die Länder wachsen zu lassen. „Afrika ist ein Märtyrer der Ausbeutung“, so der Papst.

Eindrucksvolle Momente

Gefragt nach dem eindrucksvollsten Moment seiner Reise berichtete er von der großen Menge von Menschen, die gefeiert hätten, auch wenn die Mägen leer gewesen seien. „Afrika hat mich überrascht. Ich weiß ja, dass Gott überrascht, aber auch Afrika überrascht.“ Es habe so viele gute Momente gegeben, aber er habe sehen können, dass die Menschen den Besuch geschätzt hätten und einen Sinn für ein Willkommen hätten, „sie waren glücklich, besucht zu werden.“

Jedes Land habe seinen eigenen Charakter gezeigt, fuhr Papst Franziskus fort. Kenia habe seine Moderne gezeigt, Uganda sei das Land der Märtyrer, gleich welcher Konfession. In der Zentralafrikanischen Republik sei es der Wunsch nach Frieden, Versöhnung und Verzeihung gewesen.

Weitere Reisen

Die nächste Reise geht nach Mexiko, die genauen Daten stünden nicht fest, aber das sei der Plan. Auch über andere Länder, etwa eine Rückkehr nach Brasilien nach Aparecida, sprach er, da gebe es aber keine Pläne. Ob er irgendwann nach Afrika zurück kommen komme, wisse er nicht, er sei ja ein alter Mann. Er denke auch daran, zum 101. Gedenken an die Massaker an den Armeniern zu fahren. „Den Patriarchen habe ich es jedenfalls versprochen.“

(rv)

Fliegende Pressekonferenz: Terrorismus und Umwelt-Enzyklika

Papst FranziskusPapst Franziskus hat bestätigt, dass es derzeit erhöhte Sicherheitsmaßnahmen rund um seine Person gibt. Bei der „fliegenden Pressekonferenz“ zwischen Sri Lanka und den Philippinen erklärte er vor Journalisten, er sorge sich besonders wegen der Gläubigen und habe darüber mit der vatikanischen Sicherheit gesprochen. Was ihn selbst betreffe, sei die beste Art, mit terroristischen Bedrohungen umzugehen, „mit Demut und ohne Aggression“, auch wenn manche das nicht verstünden. Er habe jedoch „eine gute Dosis Leichtsinn“. Scherzend fuhr der Papst fort: „Manchmal habe ich gefragt: und wenn mir etwas zustößt? Herr, dann mach bitte wenigstens, dass es mir nicht weh tut! Ich bin nicht mutig im Umgang mit Schmerz.“

Mit Blick auf Selbstmord-Anschläge sagte der Papst, das Problem sei „noch nicht vorüber“, und es sei auch nicht örtlich auf nur wenige Regionen der Welt begrenzt. Eine solche Form von Terrorismus habe immer mit Totalitarismus zu tun. „Totalitarismus tötet – Möglichkeiten, Zukunft, auch Leben.“ Viele Menschen, etwa Missionare, gäben ihr Leben, um Gutes zu tun; ein Selbstmordattentäter aber gebe das Leben, um sich selbst und andere zu zerstören. Wie Papst Franziskus den mitreisenden Journalisten sagte, seien Überlegungen zu einem neuen Friedenstreffen der Weltreligionen im Gange. Er habe darüber bereits mit Kardinal Jean-Louis Tauran gesprochen, dem Präsidenten des vatikanischen Rates für den interreligiösen Dialog.

„Charlie Hebdo“: „Töten im Namen Gottes ist eine Abirrung“

Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit seien zwei Menschenrechte, beantwortete der Papst eine Frage danach, wie weit Meinungsfreiheit gehen dürfe. „Sprechen wir über Paris, sprechen wir klar und deutlich“, so der Papst mit Blick auf die islamistischen Attentate gegen die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“. Jeder habe das Recht, seine Religion auszuüben, ohne einen anderen zu beleidigen. Man dürfe auch im Namen der Religion keine Gewalt ausüben oder gar töten: „Töten im Namen Gottes ist eine Abirrung“, sagte Franziskus wörtlich.

Doch Satire darf nicht alles, sagt Franziskus

Zur Meinungsfreiheit sagte der Papst, dass jeder nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat, zu sagen was er denkt um damit dem Gemeinwohl zu helfen. Allerdings darf auch Satire nach den Worten von Papst Franziskus nicht alles: beleidigen, beschimpfen oder provozieren sei nicht in Ordnung. „Man darf sich nicht über den Glauben der anderen lustig machen.“ Viele Menschen betrachteten das Lächerlichmachen von Religion als ein Spiel, so der Papst, und fügte hinzu: „Es gibt Grenzen der Meinungsfreiheit.“ Jede Religion, die das menschliche Leben wertschätze, habe eine Würde und dürfe nicht lächerlich gemacht werden, das sei die Grenze.

Umwelt-Enzyklika im Frühsommer

Seine Umwelt-Enzyklika werde im Juni oder Juli erscheinen, sagte Papst Franziskus auf eine weitere Frage der Journalisten. Im März werde er sich eine Woche Zeit nehmen, um das Dokument fertigzustellen. Er habe zum Thema viel Hilfreiches „von meinem geliebten Bruder Bartholomaios“ gelesen, dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel. Die Enzyklika werde aber keine gemeinsame Erklärung verschiedener Religionen oder Konfessionen sein. Sie solle rechtzeitig vor der nächsten UNO-Klimakonferenz in Paris erscheinen. Die Klimakonferenz in Peru „hat mich enttäuscht“, bekannte Franziskus rundheraus: „Da fehlte der Mut.“

Bevorstehende Heiligsprechung: Junipero Serra

Auch eine neue Heiligsprechung gab der Papst bekannt: Im September möchte er bei seiner Reise in die USA den Spanier Junipero Serra heiligsprechen, teilte er den Journalisten mit. Der aus Mallorca gebürtige Serra, ein Franziskaner, wirkte als Missionar an der Westküste der USA und gilt als Gründer von San Francisco. Er starb 1784 im Alter von 70 Jahren. Johannes Paul II. sprach ihn 1988 selig. (rv)