15 Jahre Vatikan-Euros, heute ohne Papstbild: Wie ging das zu?

Seit genau 15 Jahren gibt der Vatikan Euromünzen heraus, am 1. März 2002 kamen die ersten auf den Markt. Doch 2017 gibt es eine Neuigkeit: Die vatikanischen Euromünzen tragen nicht mehr das Bild des Papstes. Franziskus wollte es so. Gudrun Sailer hat den Anlass zu einem Besuch im vatikanischen Büro für Numismatik und Filatelie – also für Münzen und Briefmarken – genutzt und festgestellt: Wenigstens auf den Briefmarken darf man sich hier noch mit dem Konterfei des Kirchenoberhauptes austoben.

Malerisch in den vatikanischen Gärten, genau hinter dem Petersdom und leicht erhöht, liegt das Governatorat, die Stadtverwaltung des Vatikanstaats, und darin das Büro für Numismatik und Filatelie. Direktor Mauro Olivieri empfängt uns in seinem geschmackvollen Büro im Parterre, gelber Damast spannt sich über die Wände, Münzkataloge liegen auf dem Schreibtisch, an die Tür hat Olivieri einen Zettel geklebt, „Interview, bitte nicht stören“. Die Abteilung, man erfasst es sofort, ist sehr gut organisiert. Rund 40 Angestellte arbeiten hier, nehmen Bestellungen aus aller Welt entgegen, sortieren Vatikaneuros in passende Kartons, richten die Päckchen zum Versand her. Das Geschäft läuft gut. Woher, Dottor Olivieri, das große Interesse an vatikanischen Münzen und Marken?

„Da gibt es viele Gründen: Der Vatikan, der Heilige Stuhl hat ein zusätzliches Element, das die anderen Länder nicht haben, nämlich den Heiligen Vater. Auch die Schönheit und Bekanntheit der Kunstwerke der Vatikanischen Museen hilft. Das ist eine unerschöpfliche Schatzkammer, nicht nur die Sixtinische Kapelle und Michelangelos Pieta, sondern auch die unzähligen künstlerischen Geheimnisse im Vatikan.“

13 bis 14 Ausgaben von Briefmarken pro Jahr realisiert das Büro, meist mit mehreren Marken im Set, darüber hinaus ein rundes Dutzend Münzen pro Jahr. Die Themen für die Abbildungen, die auf die Münzen und Marken kommen, stimmt Olivieri mit seinen Oberen im Governatorat ab, die wiederum über das Staatssekretariat das Einverständnis des Papstes einholen. Religiöse Themen sind naheliegenderweise die Norm: das Jubeljahr der Barmherzigkeit, der Weltkrankentag, 1950 Jahre Martyrium Petrus und Paulus, 100 Jahre Marienerscheinungen von Fatima, aber auch Weltliches kommt vor, „sogar eine Briefmarke vor einigen Jahren für Charlie Chaplin“, verdeutlicht Olivieri. Dieses Jahr schafft es ein für Vatikan-Verhältnisse wahrhaft ungewöhnliches Thema auf einen Satz päpstlicher Briefmarken: 500 Jahre Reformation.

Vatikan-Briefmarken zur Reformation: „Nur positive Kommentare“

„Kommentare gab es schon…! Aber alle positiv“, erklärt Olivieri. „Wir wissen, die Reformation hat im Lauf der Jahrhunderte für Spannungen gesorgt, aber im Moment sucht man diese Differenzen zu überwinden und ist auf gutem Weg. So haben wir dieses Thema vorgeschlagen, und es wurde genehmigt. Die protestantische Welt, besonders die deutsche, erwartet diese Briefmarkenausgabe mit Neugier und Interesse.“

Kein Wunder, denn Deutschland ist – nach Italien – der wichtigste Absatzmarkt für vatikanische Marken und Münzen. Was letztere anlangt, verzeichnete man im Papststaat vor genau 15 Jahren eine sehr erfreuliche Entwicklung, referiert Dottor Olivieri.

„Da gab es eine Explosion mit dem Eintritt des Vatikans in die Eurozone 2002, und der Markt, der vorher national war, also sehr italienisch, hat sich europäisiert und sogar globalisiert.“

Die Vatikan-Euros mit dem Papstbild – Johannes Paul II. war es damals – gingen weg wie die warmen Semmeln. In langen Schlangen standen die Leute, um einen Satz zu ergattern. Das hat sich inzwischen geändert, sagt der vatikanische Münz-Verantwortliche.

„In 15 Jahren ist das Interesse zurückgegangen, das Phänomen des Spekulierens war vor allem bis 2005 exzessiv, und jetzt ist das normal. Die Münzen des Vatikans laufen immer noch sehr, sehr gut und haben auch Rendite auf den Sekundär-Märkten, aber in einem Klima der Normalität, ohne Exzesse, die wir uns ohnehin nicht wünschen.“

Papstmünzen ohne Papst: Wie ging das zu?

Eine überraschende Neuigkeit bieten die vatikanischen Euros ab 2017: Papst Franziskus erscheint nicht mehr mit seinem Bild auf den Münzen, sondern nur noch mit seinem Wappen. Wie ging das zu, Dottor Olivieri?

„Nun, wir haben schon länger Signale erhalten, dass der Heilige Vater wünschte, nicht mehr mit seinem Bild auf den vatikanischen Münzen und Medaillen aufzutauchen. Vor zwei Jahren begann dieser Prozess, dass er nicht mehr auf den Medaillen abgebildet ist, etwa auf den Gedenkmedaillen, die zu seinen Auslandsreisen geprägt werden. Er wollte, dass sein Profil von da verschwindet. Und nun trifft es auch die Umlaufmünzen. Schon im April 2016 wurde uns dieser Wunsch des Papstes mitgeteilt, für 2016 ließ sich das aber nicht mehr stoppen, einige Münzen waren schon im fortgeschrittenen Stadium der Realisierung, und es hätte Geld und Aufwand gekostet, sie zu ändern. Die letzte vatikanische Euro-Münze mit dem Papst war also die goldene 200-Euro-Münze 2016, sie ist letzten Dezember erschienen.“

Die Münzen ab 2017 ziert also nicht mehr das Gesicht, sondern das Wappen des Papstes. Ist das nicht eine Enttäuschung für viele, gerade für treue Sammler? Ja und nein, erklärt der vatikanische Münz-Chef.

„Zwei Dinge: Zunächst gibt es sicherlich Interesse, denn eine neue Münzenausgabe ruft immer Interesse hervor. Der Vatikan hat ja schon andere auch gemacht in 15 Jahren: die erste mit Johannes Paul II., danach gab es eine mit dem Thema Sedisvakanz, dann Papst Benedikt, dann Papst Franziskus mit seinem Bild – und jetzt Papst Franziskus mit seinem Wappen. Fünf vatikanische Münzausgaben, das ist viel im Vergleich mit allen anderen Euro-Ländern, die höchstens eine oder gar keine neue Kursmünzenausgabe gemacht haben, wie beispielsweise Italien. Da gibt es also viel Interesse derzeit. Klarerweise, mit Blick auf die nachfolgenden Münzen, und bei allem Respekt für die Entscheidung des Heiligen Vaters, die für uns bindend ist und die wir ganz mittragen: die Leute haben lieber Münzen mit dem Bild des Papstes.“

Dennoch ist der Vatikan-Euro 2017 nicht die erste Münze aus dem Papststaat, die ohne Papstbild auskommt. Schon Paul VI. ließ im Heiligen Jahr 1975 eine Vatikan-Münze in Umlauf bringen, die nicht sein Porträt, sondern sein Wappen zierte, erinnert sich Olivieri, der das so einordnet:

„Das Wappen steht mindestens genauso sehr wie das Porträt für ein Pontifikat. Jeder Papst hat sein persönliches Wappen, das seine Person und sein Lehramt identifiziert, vielleicht sogar besser als ein Porträt es könnte. Ein Porträt kann dem Papst ähnlich sehen oder nicht, aber das Wappen ist das Wappen.“

In den Münzen wühlen

Für Radio Vatikan öffnet Mauro Olivieri auch die geheimen Kellerräume des Governatorats. Hier liegt das Magazin des Münz- und Markenamts. In einem hellen kleinen Raum mit vielen Schachteln verrichten drei Frauen in freier Mitarbeit mehrmals pro Jahr eine echte Vertrauensarbeit. Sie stellen die vatikanischen Münz-Sets zusammen, so, wie sie dann in den Handel kommen.

Gerade sind neuen Vatikan-Euros in Arbeit, erklärt Carla Battistoni. Acht verschiedene Münzen müssen einzeln in jedes Set gedrückt werden, „und alles muss schnell gehen“. Akkordarbeit: Rund 200 Sets schafft jede Arbeiterin pro Tag. Nein, Hornhaut hat sie trotzdem keine auf den Fingerkuppen, erklärt Carla Battistoni lachend, aber eine besondere Arbeit ist es natürlich schon – eine Vertrauensarbeit. „Das ist der sechste Papst, den ich mache…!“

Dreimal im Jahr: ein eskortierter Münztransport in den Vatikan

In den Schachteln, die mit rosa, grünen oder blauen Aufklebern geliefert werden, lagern die Münzen so, wie sie angeliefert werden, zu 100 Stück im durchsichtigen Plastiksäckchen. Dreimal im Jahr erfolgt eine Münzlieferung in den Vatikan, diskret und zugleich gut bewacht, wie uns Olivieri erklärt. Der Geldtransport kommt mit einer Eskorte der italienischen Finanzaufsicht, die den Lastwagen von der römischen Münzprägeanstalt an der Via Appia bis an die Vatikan-Mauern absichert, ab da übernimmt die Vatikan-Gendarmerie die Begleitung bis zum Magazin. „Der Transport von Bargeld ist normiert“, so Olivieri, „das sind sehr strenge europäische Regeln, und der Vatikan hält sich strikt daran.“

In der Grafikabteilung wird indessen am Design der nächsten vatikanischen Briefmarken gefeilt. Auch die Postwertzeichen haben eine lange Tradition hier. Die ersten päpstlichen Briefmarken kamen noch zur Zeit des alten Kirchenstaates heraus: 1852, vier Jahre nach der Erfindung der Briefmarke in England 1848. Gedruckt werden die Marken, ähnlich wie die Münzen, außerhalb des Vatikans, denn dazu braucht es spezielle Druckereien; Frankreich, Deutschland, Kanada oder Schweden, das sind die Herkunftsländer der päpstlichen Briefmarken heute. Das Design aber entsteht meist hier im Vatikan. Der Grafiker Roberto Cortesini:

„Bei der Gestaltung der Marken versuchen wir institutionelle Standards zu nutzen. Je nach Möglichkeit und Motiv versuchen wir dann aber auch, etwas Kreativeres und Modernes einzuführen. Die ersten Marken von Papst Franziskus zum Beispiel, die sind ein wenig frischer, weniger klassisch, aber trotzdem attraktiv.“

Nebenan werden aus aller Welt die Bestellungen und Bezahlungen – per Scheck oder Kreditkarte – entgegengenommen, in der Versandabteilung tüten vier Ordensfrauen aus Indien mit etlichen Kollegen, darunter eine junge Frau mit Down-Syndrom, die Münzen und Marken ein und etikettieren sie. Eine gutgeölte und funktionstüchtige Maschinerie, das vatikanische Münz- und Markenamt. Und eine wichtige. Der Verkauf vatikanischer Münzen und Marken ist ein bedeutender Haushaltsposten im Papststaat. Mauro Olivieri:

„Unsere Bilanzen sind öffentlich und einsehbar. In einem Jahr machen wir einen Umsatz von rund 20 Millionen Euro, davon ist gut die Hälfte reiner Erlös. Fast alles fließt ins Funktionieren des Vatikanstaates, des physischen Ortes also, an dem der Heilige Vater sein Amt ausüben kann.“ (rv)

Pater Lombardi mit französischem Verdienstorden geehrt

Der Jesuitenpater Federico Lombardi ist mit der höchsten Auszeichnung Frankreichs geehrt worden. An diesem Mittwoch nahm der ehemalige Pressesprecher des Heiligen Stuhls und Direktor von Radio Vatikan am Sitz der französischen Botschaft am Heiligen Stuhl den Verdienstorden Legion d´Honneur entgegen. Er wolle diese renommierte Auszeichnung seinen Mitarbeitern widmen, so Pater Lombardi in seiner Dankesrede. Denn nur dank dieser sei er während seiner langjährigen und wechselnden Tätigkeiten im Vatikan überhaupt in der Lage gewesen, sich um Frankreich, seine Kultur und seine Bevölkerung verdient zu machen.

Insbesondere erinnerte Lombardi an seine Zeit als Direktor von Radio Vatikan: Er und seine Redakteure, Techniker, Verwaltungsangestellte und freie Mitarbeiter hätten stets ihr Bestes getan, die Stimme des Papstes, seine Botschaften sowie relevante Informationen über die Weltlage in alle Regionen französischer Sprache zu übermitteln, darunter auch Gebiete wie die Antillen, Afrika, Kanada, Guyana, Länder im Indianischen Ozean und im Pazifik. „Seit dem Zweiten Weltkrieg und dem Widerstand gegen die Nazis”, so Lombardi wörtlich, „und bis heute haben wir versucht, die Zuhörer in französischer Sprache in Einklang mit dem Papst und der Weltkirche mit den Kurzwellen aus dem Vatikan selbst heraus zu bedienen.“ Dem technischen Fortschritt und der neuen Multimedialität geschuldet, seien dann Satellitenübertragungen und Internetübermittlung gefolgt. Er wünsche sich von Herzen, so Lombardi, dass dieser Dienst weiter bestehen, und sich in Zukunft in den bestmöglichen Formen weiter entwickeln könne. (rv)

Kardinal Parolin: Migration als Ressource

Migration kann die Wirtschaft ankurbeln und den sozialen Frieden fördern. Das hat der vatikanische Kardinalstaatssekretär an diesem Dienstag auf einer internationalen Migrationskonferenz in Rom unterstrichen. In einem langen Vortrag über „Migration und inklusive Wirtschaft“ sprach sich Pietro Parolin laut Redetext für eine wirtschaftliche Entwicklung im Einklang mit sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit aus. Auf Papst Franziskus wie auf die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen Bezug nehmend entwickelte er in diesem Kontext positive Perspektiven der Migration, die heute vorrangig als Problem dargestellt wird.

Migration stelle mit 244 Millionen Migranten im Jahr 2016 natürlich um eine „Herausforderung für die Menschheit“ dar, hielt der Kardinal fest. Es handele sich aber um „keinen vorübergehenden Notlage“, sondern um eine Realität, die alle Kontinente betreffe und die die Welt nur gemeinsam angehen könne. Ziel müsse hierbei sein, eine „sichere, geordnete und reguläre Migration“ zu erreichen, die zu einem „Entwicklungsfaktor eines inklusiven und nachhaltigen Wachstum“ werden könne.

Migranten trügen in vielen Ländern wesentlich zum Bruttoinlandsprodukt bei, zahlten Steuern und füllten mit ihrem Nachwuchs demografische Lücken auf, erinnerte der Vatikanmann. Zudem trügen sie zu kultureller Vielfalt und Dynamik bei und könnten das Zusammenleben positiv beeinflussen. Parolin deutete den Erfahrungskontext der Kriegsflüchtlinge hier positiv: „Migration ist auch Friedensfaktor, weil gerade Migranten glaubwürdigste Zeugen der Sinnlosigkeit von Krieg und Gewalt sind.“

Die globale Politik und Wirtschaft sei einer positiven Wertschöpfung im Kontext der Migration aktuell nicht förderlich: So ging der Kardinal in seinem Vortrag auch über lange Strecken auf Missstände und Probleme wie die Benachteiligung von Migranten, die immer weiter klaffende Schere zwischen Arm und Reich und den Menschenhandel ein. Kritik äußerte der Kardinal sowohl am globalen Wirtschafts- und Finanzsystem, das wesentlich auf Egoismus und Ausschluss beruhe, sowie an Tendenzen in der aktuellen Flüchtlingspolitik. Ohne einzelne Länder namentlich zu nennen, griff Parolin Tendenzen der gegenwärtigen Flüchtlings- und Immigrationspolitik auf. So warnte er etwa davor, beim Versuch, der illegalen Einwanderung Herr zu werden, Probleme einfach von sich weg und in andere Länder zu verschieben. Auch dürften sich Staaten trotz ihres Rechtes, die eigenen Grenzen und Bürger zu schützen, nicht abschotten und Schutzbedürftigen die Türen verschließen.

Parolin sprach laut Veranstaltungsprogramm am Dienstag im italienischen Abgeordnetenhaus bei der sechsten Ausgabe des Internationalen Forums zum Thema Migration und Frieden. Die Konferenz wurde vom vatikanischen Dikasterium für die Ganzheitliche Entwicklung des Menschen gemeinsam mit der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung und dem International Migration Network (SIMN) der Scalabrini-Missionare veranstaltet. (rv)

Irland: Desmond Kardinal Connell verstorben

Wie das Staatssekretariat des Vatikan heute berichtet, ist der irische Kardinal Connell am 21. Februar verstorben. Connell war von März 1988 bis April 2004 Erzbischof von Dublin (Irland). Papst Johannes Paul II. erhob ihn am 21. Februar 2001 in den Kardinalsstand und übertrug ihm die Titelkirche S. Silvestro in Capite. Mit seinem Tod zählt das Kardinalskollegium nunmehr 225 Mitglieder und 118 Kardinäle haben ein aktives Wahlrecht bei einem künftigen Konklave. (vh)

Griechenland: „Die werden uns erst helfen, wenn wir tot sind“

Die Griechenland-Krise geht in eine neue Etappe: mit neuen europäischen Sparforderungen an die Athener Regierung, weil sie sonst nicht an die nächste Tranche von Hilfen kommt. Die Finanzminister der Eurogruppe und der Internationale Währungsfonds geben noch kein grünes Licht für ein neues Hilfsprogramm, das Griechenland aber dringend braucht.

Zwar haben die Euro-Grüppler ihre „austerity“-Rhetorik deutlich heruntergedimmt, aber viele Griechen fühlen sich am Ende. „Der Staat hat kein Geld mehr, und wir werden jetzt alle Bettler“, sagt uns der katholische Erzbischof von Athen, Sevastianos Rossolatos, in einem Interview.

„Der Staat schuldet den Privaten und den Unternehmen viel Geld, das er gar nicht hat: Milliarden. So kommt die Wirtschaft nirgendwohin, und der Handel auch nicht. Die Geschäfte schließen, eines nach dem anderen. Unseren Staat erleben wir nur noch als Blutsauger; wir wissen nicht, was wir machen sollen. Natürlich wären Reformen nötig. Aber allmählich haben wir den Eindruck: Die machen beim Staat erst dann Reformen, wenn sie uns an Entkräftung haben sterben lassen.“

In den nächsten Tagen soll in Athen ein neues Reformprogramm geschnürt werden, das mehr auf strukturelle Reformen setzt. In den vergangenen Monaten hatten Reformen vor allem Rentenkürzungen bedeutet. Dabei leben von einer Rente in Griechenland mittlerweile ganze Familien, die kein anderes Einkommen mehr haben. „Viele Großeltern helfen ihren arbeitslosen Kindern mit ihrer Rente aus, aber die Renten schrumpfen und schrumpfen. Die Gehälter übrigens auch. Dabei sind die Versicherungsbeiträge, die ein Arbeiter leisten muss, gestiegen. Es ist eine Verrücktheit! Wenn ich aus dem Haus gehe, nehme ich immer Geld mit, denn mittlerweile sieht man überall Obdachlose, und ich kann da nicht einfach auf die andere Seite gucken.“

„Auch wir Bischöfe sind zu Bettlern geworden“

Das Land Homers ist ein Land der Armen und Verzweifelten geworden. „In den Jahren der Krise haben 450.000 junge Leute Griechenland verlassen. Wir bilden also hier Wissenschaftler aus und schicken die dann ins Ausland, damit sie dort die Wirtschaft anderer Länder in Gang halten…“

Die katholische Kirche versucht, den Ärmsten besonders beizustehen. „Wir sind ihnen nahe, weil viele uns dabei helfen. Denn die griechische Caritas hat kein eigenes Geld mehr, und auch die Bischöfe und die Bischofskonferenz können kaum noch Geld für pastorale Dinge oder für den Unterhalt des Klerus aufbringen. Die, die uns helfen, sind vor allem die Bischofskonferenzen aus ärmeren Ländern – das ist beeindruckend. Nur wer selbst in Schwierigkeiten ist, kann den anderen verstehen, der dasselbe durchmacht. Auch wir Bischöfe sind zu Bettlern geworden. Uns sind die Hände gebunden, wir können nichts machen.“

Innensicht, Außensicht: Es ist ein Unterschied, ob man einen Griechen von der Lage in seinem Land erzählen hört oder etwa Jeroen Dijsselbloem, den Präsidenten der Eurogruppe. Im Wirtschaftsteil der Zeitungen kann man lesen, die EU sei „nicht pessimistisch“ mit Blick auf Griechenland, man verzeichne zarte Keime der Hoffnung. Aber für den katholischen Erzbischof von Athen haben solche Worte mit der wirklichen Lage im Land nicht viel zu tun. „Darum sage ich ja: Erst töten sie uns, und dann kommen sie, um unserer Wirtschaft wieder auf die Füße zu helfen. Fragt sich nur, für wen eigentlich. Für die Toten? Sie sollten sich erst ganz auf die Wirtschaft konzentrieren und ihr Denken ändern. Wir haben hier Leute, die hatten ein Unternehmen oder gutgehende Geschäfte, und jetzt stehen sie auf der Straße, schlafen in irgendeinem Hauseingang – ohne dass sie irgendeine Schuld träfe. Sie sind zum Müll der Gesellschaft geworden, aber ganz ohne eigene Schuld! Die Wirtschaft hat sich verändert, und niemand ist schuld daran.“

Welche Reformen schlagen Sie denn vor, Herr Erzbischof? Da muss Sevastianos Rossolatos passen – er sei kein Wirtschaftsexperte, sagt er. Wenn man nur, so findet er, irgendwie die Produktion und den Handel wieder in Gang bekäme! „Wir (Kirchenleute) versuchen zu hoffen, dass die Lage sich wieder ändern kann. Die Leute kommen nicht zu uns, weil sie von uns eine Lösung erwarten, sondern weil sie um Hilfe bitten. Was die Wirtschaft betrifft, dazu können wir nichts sagen.“

Die Aufgabe seiner kleinen Minderheitskirche besteht nach Ansicht des Erzbischofs darin, bei den Menschen zu sein und ihr Los zu teilen. „Wir stehen ja alle vor derselben Situation.“ Dann hat er aber doch noch einen Satz für die Wirtschaftspolitiker: „Die versuchen, die Währung zu stützen, die sogenannte Währungspolitik. Aber sie denken nicht an die Menschen. Dabei sind es doch die Menschen, die eine Wirtschaft zum Wachsen bringen!“ (rv)

Vatikanische Museen: Neuer Sanitätsdienst ab 1. März

Die Besucher der vatikanischen Museen können sich über ein verstärktes Erste-Hilfe-Netz freuen: Ab dem kommenden 1. März wird die italienische Misericordie-Vereinigung den Dienst in den Museen einrichten und eine Erstversorgungsstation anbieten. Das gab der Vatikan an diesem Dienstag bekannt. Demnach sollen die „Barmherzigkeitssanitäter“ sowohl Erste Hilfe vor Ort leisten als auch den Transport von Notfällen in die nahe gelegenen Krankenhäuser vornehmen. Bislang hatte der vatikaneigene Sanitätsdienst die Erste-Hilfe-Einsätze in den Museen gewährleistet, musste dazu aber jeweils aus der Zentrale ausrücken, die sich außerhalb der Museen befindet. Die Misericordie-Sanitäter hätten bereits während des Heiligen Jahres äußerst erfolgreich die verschiedenen Notfälle rund um den Petersplatz betreut, hieß es in der Aussendung von diesem Dienstag. Dies habe zu der Entscheidung geführt, ihnen auch den Dienst in den Museen zu übertragen. Dort werden die Rettungssanitäter während der Öffnungszeiten der Museen nun allen Besuchern in einer eventuellen Notlage zur Verfügung stehen. (rv)

Kardinal Müller: Dem Papst ist nicht mit Personenkult gedient

Befreiungstheologie, Wahrheit Gottes und Freiheit des Menschen, Ökumene, Kapitalismuskritik, ewiges Leben: Würden Sie vermuten, dass ein Buch, das diese Inhalte vereint, den Titel „Der Papst“ trägt? An diesem Montag ist ein solches Buch erschienen, der Autor ist kein Geringerer als der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller.

Gleich zu Beginn betont der deutsche Kurienkardinal, er wolle nicht über „das Papsttum“ schreiben, also eine anonyme Institution. Papst, das sei eine Abfolge von Menschen, die personale Beziehung hat Vorrang, so Kardinal Müller im Interview gegenüber Radio Vatikan. „Es gibt viele Bücher über ‚das Papsttum’, oder über die Päpste, aber es ist wichtig, dass man diese Sendung als eine Sendung von Personen auffasst und nicht von einer Institution redet. Jesus hat selber zu Simon gesagt ‚du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen’. Es ist eine personale Relation, welche dieses besondere Amt ausmacht.“ Das Buch ist insgesamt ein theologisch-spiritueller Gang durch das Papstamt, „von mir als alteingesessenem Theologieprofessor, da erwartet man halt so ein Buch“, sagt Müller lachend.

„Eine Gefahr heute, in den Medien: dass nur noch die Stimme des Papstes erklingt“

Kardinal Müller beginnt aber zunächst biographisch, mit seiner persönlichen Geschichte der Päpste, von der Jugend an. Er wolle nicht nur eine theologische Abhandlung vorlegen, sondern bewusst auch als reflektierter Gläubiger schreiben, so Müller, „dass wir also nicht etwas errichten, was seine lebendigen Wurzeln verloren hat und dann wie ein toter Baum vielleicht schön anzusehen ist, aber ohne Leben in der Landschaft herum steht.“

Die katholische Kirche sei keine „Papstkirche“, das Zentrum ist Christus selber, betont Kardinal Müller. „Es muss auch nicht alles auf Rom hin konzentriert sein“, verweist er auf das Zweite Vatikanische Konzil. Dementsprechend ausführlich zitiert der Autor in seinem Buch immer wieder vor allem das Dokument Gaudium et Spes. „Man muss einerseits betonen, wie wichtig der Papst für die Einheit der gesamten Kirche im Glauben ist, aber andererseits darf man das nicht zentralistisch auffassen. Man kann nicht dem Papst dienen, wenn man einen Personenkult um ihn herum betreibt. Das ist sicherlich eine Gefahr heute, in den Medien, dass nur noch die Stimme des Papstes erklingt, während die Sichtweise von der natürlichen Verfassung der Kirche her eigentlich andersherum ist.“ Die konkrete Versammlung – ob nun die biblischen „zwei oder drei“ oder auch fünfzig – sei das Ursprüngliche, zunächst in der Familie, dann in der Gemeinde und von da aus weite sich das. Das Konkrete vor Ort dürfe nicht als nachgeordnet erscheinen.

Christus hat einfache Menschen gewählt

Papstverherrlichung schade dem Amt mehr, als sie ihm nutze. „Wir kennen das ja schon von Paulus her, dass er Petrus als den Ersten anerkannt hat, aber doch in einer wichtigen Frage der praktischen Umsetzung kritisch etwas zu ihm gesagt hat. Das äußere Verhalten muss mit der inneren Haltung überein stimmen, das begleitet die Geschichte der Päpste. Es war die Wahl Christi selber, dass er nicht die Schönsten und Mächtigsten zu seinen Aposteln gemacht hat, sondern einfache Menschen, die sich auch bewusst sind, dass sie keine Übermenschen sind, sondern die immer der Gnade Gottes bedürfen.“

Kardinal Müller warnt deswegen auch vor überzogenen Erwartungen, weil diese bei – voraussehbarer – Nichterfüllung ins Gegenteil umschlagen. Die Schwächen gehörten aber zum Menschen, „ein erwachsener Christ muss umgehen können mit den Schwächen und Grenzen der offiziellen Repräsentanten der Kirche.“ Verehrung und Anerkennung sei für einen Katholiken dem Papst gegenüber selbstverständlich, auch dem konkreten Papst, nicht nur dem Amt – aber bitte nicht übertreiben.

Reform: wieder Fahrt gewinnen

Kardinal Müller zitiert an dieser Stelle in seinem Buch einen Theologen des 16. Jahrhunderts, Melchior Cano, also aus einer Zeit der nötigen Kirchenreform. Um Reform geht es auch ihm, Müller, wenn sie auch anders gelagert ist als vor 500 Jahren. Damals sei es um tiefgreifende Schwächen, auch strukturelle, der Kirche gegangen, „während ich heute unter Kurienreform eher verstehen würde, dass wir alle neu motiviert werden und nicht in die bürgerliche Bequemlichkeit zurück fallen. Was wir heute unter Reform verstehen ist die Frage, wie wir wieder Fahrt gewinnen, wenn es um die großen Herausforderungen der Säkularisierungen geht. Es geht darum, dass wir positiv die Fülle des Glaubens und der Hoffnung, die uns geschenkt worden ist, werbend, einladend, ermöglichend in den großen gesellschaftlichen Diskurs einbringen.“

Aber auch die äußeren Zeichen des Papsttums verändern sich, sagt Kardinal Müller, das Papsttum nehme natürlich immer auch die Züge seiner Zeit an, weil es auf konkrete Umstände Antwort geben müsse. „Das hat aber nichts mit einer von einigen befürchteten De-Sakralisierung des Bischofsamtes oder des Papstamtes zu tun. Es wäre ja auch nicht möglich, einen reinen Funktionalismus aufzubauen. Die Kirche ist Leib Christi und Volk Gottes und nicht eine von uns gemachte soziale Organisation mit ihren einzelnen Abteilungen, die innerweltliche Verbesserungsvorschläge einbringt.“

Ausrichtung auf Seelsorge und die Würde des Menschen

Konkret wird gerade der aktuelle Papst gegenüber den sozialen und ökologischen Herausforderungen heute, was Kardinal Müller in seinem Buch mit einer ausführlichen Betrachtung der Enzyklika Laudato Si’ beantwortet. „Die Ausrichtung auf die Seelsorge, eine konstruktive und aufbauende Gesellschaftskritik, die Soziallehre, die Befreiungstheologie nicht nur als fünftes Rad am Wagen eines politischen Programms sondern als echte Theologie, die von Gott her Entscheidendes beiträgt zur Unterstreichung oder Wiederherstellung der Menschenwürde in vielen Teilen der Welt: Das alles gehört innerlich zusammen und ist nicht nur eine äußerliche Kombination. Es gehört so untrennbar zusammen wie Gottes- und Nächstenliebe.“

Gerhard Ludwig Müller: Der Papst. Sendung und Auftrag. Das Buch ist im Verlag Herder erschienen und kostet etwa 30 Euro. (rv)

Frankreich: „Ein dunkler Tag für das Recht auf Leben“

Informationen auf Webseiten zu veröffentlichen, die Frauen von einer Abtreibung abhalten sollen, ist in Frankreich nun strafbar. Das Parlament hat am Donnerstag einem entsprechenden Gesetzentwurf zugestimmt. Das neue Gesetz wird von verschiedenen Seiten als ein Angriff auf die Meinungsfreiheit bewertet. Wer dennoch eine Webseite gegen Abtreibung betreibt, kann mit bis zu zwei Jahren Haft oder einer Geldstrafe von bis zu 30.000 Euro bestraft werden. Von einem „dunklen Tag für das Recht auf Leben“ und einem „schwarzen Tag für die Meinungsfreiheit“ sprachen die Vereinigung katholischer Familien in Frankreich. Die als linksliberal geltende Tageszeitung „Le Monde“ schrieb, das Gesetz schränke die Freiheit ein und sei eine Maulkorb-Maßnahme.

Schon seit 1993 gilt dieser Straftatbestand für nicht-digitale Veröffentlichungen. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg hat in einem Urteil klargestellt, dass Betreiber von Internetseiten gegen Abtreibung nur dann bestraft werden können, wenn sie zu Gewalt aufrufen oder Pflegepersonal beleidigen. Die französischen Bischöfe hatten sich in einem Brief an Staatspräsident Hollande gegen den Gesetzentwurf gewandt. Auch Papst Franziskus unterstütze den „Marsch für das Leben in Frankreich. Jährlich werden in Frankreich 200.000 Abtreibungen durchgeführt. (rv)

Vatikan im Dritten Reich: Archivar legt Zahlen vor

Der Heilige Stuhl hat während des Dritten Reichs systematisch Juden und Flüchtlingen geholfen und ihnen Schutz geboten. Das belegt der Vortrag des Archivars des vatikanischen Staatssekretariats Johan Ickx bei der Tagung „Refugee Policies from 1933 until Today: Challenges and Responsibilities“ am Freitag in Rom. Fast 5.000 Juden haben in 280 Klöstern Unterkunft gefunden, 3.000 in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo, 1.460 in katholischen Privathäusern, 60 in Gebäuden auf extraterritorialem Grund und 40 im Vatikan. Die Zahlen gingen aus den Akten des vatikanischen Archivs hervor, so der Vortragende. Ein Abkommen von Oktober 1943 mit den Nationalsozialisten sicherte Ickx zufolge den vatikanischen Gebäuden einen neutralen Status zu. Der Archivar wies auch darauf hin, dass der Vatikan schon im spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 1939 drei Millionen Flüchtlingen half.

Die zweitägige Tagung wurde von der „International Holocaust Remembrance Alliance“ (IHRA) organisiert und begann am Donnerstag. (rv)