Kardinal Kasper ermutigt zu weltkirchlichem Blick auf Kirche

Kardinal Walter KasperKurienkardinal Walter Kasper hat dazu aufgerufen, Krisen in der Kirche nicht überzubewerten. „Die gab es immer schon", sagte Kasper am Freitag in seiner Katechese auf dem Eucharistischen Kongress in Köln. Im Interview mit Radio Vatikan nahm der Kardinal vom Standpunkt der Weltkirche aus zu der vielbeschworenen Krisenstimmung innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland Stellung:

„Viele Priester sind verunsichert, es sind weniger Priester. Die Gemeinden sind verunsichert, weil sie keinen Pfarrer mehr bekommen oder zusammengelegt werden. Das wird wahrgenommen, aber ich habe den Eindruck, dass sich die Stimmung momentan weltweit sehr verändert. Seit der Papstwahlt haben wir auch in Rom eine völlig andere Stimmung. Und Deutschland ist ein wichtiges Land in Europa, auf der anderen Seite dürfen wir uns in Deutschland auch nicht überschätzen und davon ausgehen, Deutschland sei 'der Nabel der Welt'. Das sind wir einfach nicht mehr."

Vielmehr rät der Kurienkardinal, der tagtäglich die kirchliche Lebendigkeit in Rom erfährt und seinen Lebensalltag an der Kurie für einen Besuch auf dem Eucharistischen Kongress in Köln unterbrochen hat, zu einem weltkirchlichen Blick:

„Wir sind ja nur ein kleiner Prozentsatz der Weltkirche, die ja mehrheitlich, zu Dreiviertel, in der südlichen Hemisphäre, lebt. Deshalb haben wir jetzt auch einen Papst aus dieser Hemisphäre, wo es eine andere Agenda mit ganz anderen Fragen und zum Teil auch anderen, begeisternden Impulsen gibt, die tiefer gehen. Das ist nicht nur ein oberflächliches Interesse an einem neuen Papst, sondern das Gefühl: 'Wir wagen einen neuen Schritt in die Zukunft hinein.' Das ist eine positive Stimmung und trägt dann auch weiter."

Und von dieser positive Stimmung innerhalb der Kirche, die für Walter Kasper in Rom selbstverständlich geworden ist, spürt der Kardinal dann aber doch auch etwas bei seinem Deutschlandbesuch in Köln. Für sein deutsches Heimatland hält der Kardinal den Eucharistischen Kongress und mit ihm die Besinnung auf das Wesentliche im Glauben für…

„sehr notwendig. Man erlebt, dass man nicht isoliert ist, sondern gehört einer großen Gemeinschaft an, erlebt eine positive Stimmung. Das trägt einen weiter, hinaus in die Pfarreien und die Gesellschaft hinein, um dort sagen zu können: Wo stehen wir gegenwärtig als Kirche? Wir gehen also nicht zurück, sondern wollen eine Vertiefung – aber um auf das Wesentliche, auf das Zentrum zurückzukommen: Wohin sollen wir gehen? Wo ist die Alternative? Und ich denke, in unserer Gesellschaft gibt es keine wirkliche Alternative zum christlichen Glauben. Wir respektieren jeden, der nicht dieser Überzeugung ist, aber wir sagen mit einem gewissen Zutrauen: Wir haben Worte des Lebens – nicht unsere Worte, sondern die Worte Christi!" (rv)

Vatikan/Frankreich: Was Kardinal Ravasi mit Camus verbindet

RavasiAn diesem Samstag endet der „Vorhof der Völker" in Marseille: Drei Tage lang ging es in der französischen Stadt um den Dialog zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen, mit einem Schwerpunkt auf der Begegnung von Humanismus und Religion. Im Zentrum standen die Schriftsteller Albert Camus und Paul Ricœur. Am Donnerstag ging es in einer Konferenz um Camus' Werk „Die Pest". Der Präsident des Päpstlichen Kulturrates, Gianfranco Ravasi, war vor Ort mit dabei. Im Gespräch mit Radio Vatikan berichtet er, was er mit Albert Camus verbindet:

„Ich muss sagen, dass ich eine persönliche Beziehung zu Camus habe, denn in einem meiner aufwändigsten Werke zur Exegese, meinem Kommentar zu Hiob, gibt es ein Kapitel, das sich gerade der ,Pest' von Camus widmet. In diesem Roman des französischen Agnostikers gibt es eine schwierige Debatte über das Verhältnis von Gott und dem Bösen. Es scheint, als würde sich mit dem ,Vorhof der Völker' hier etwas wiederholen, was in Camus' Roman geschildert wird: Nämlich der dialektische Schlagabtausch zwischen der Romanfigur Dr. Rieux, der ein atheistischer Arzt ist, und dem Jesuitenpater Paleoux. Der Arzt ist schockiert und verwirrt, weil ein Kind an der Pest stirbt. Der Jesuitenpater versucht hingegen, die transzendenten Gründe zu sehen, die dieses Ereignis rechtfertigen können."

Es ist übrigens kein Zufall, dass es gerade beim „Vorhof der Völker" in Marseille in diesen Tagen um Camus und um die Pest ging, erklärt Kardinal Ravasi, der am Freitag das Hochfest des Heiligsten Herzen Jesu in der Basilika Sacré Cœur feierte:

„Die Feier zum Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu verbindet sich mit einem historischen Ereignis, dass den Marseillern sehr am Herzen liegt: Es geht um die große Pestepidemie, die sich im Jahr 1720 wie ein Leichentuch über der Stadt ausbreitete. Die sogenannten ,échevins’, die Schreiber kümmerten sich damals darum und sie waren genau hier, wo man später die Sacré Cœur-Basilika errichtete. Aus diesem Grund wird der ,Vorhof der Völker' den wir jetzt hier in Marseille veranstalten aus einem Aspekt der bürgerlichen Religiosität vor Ort auch ,parvis du coeur’ genannt, also ,Vorhof der Herzen'."

Am Freitag wurde aber nicht nur das Hochfest gefeiert, der „Vorhof der Völker" widmete sich an diesem Tag auch dem zweiten Schriftsteller, dem christlichen Philosophen Paul Ricœur. Am letzten Tag des Dialogs zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen in Marseille, also an diesem Samstag, steht hingegen die Jugend im Zentrum – mit einer neuen Ausgabe des „Vorhofes der Kinder".

Hintergrund:
Die Idee zum „Vorhof der Völker" hatte Papst Benedikt XVI.: Im Jahr 2009 machte er sich in seiner Weihnachtsansprache vor der Römischen Kurie für einen vertieften Dialog mit dem Atheismus stark. Zuständig für die Organisation des „Vorhof der Völker", der an jeweils unterschiedlichen Orten veranstaltet wird, ist der Päpstliche Kulturrat. (rv)