Kardinal Sandri: „Sinnlose Gewalt“

Drei Dutzend Tote in Kairo bei Ausschreitungen zwischen Kopten und Muslimen: Kardinal Leonardo Sandri leitet die Ostkirchen-Kongregation des Vatikans. Wir fragten ihn an diesem Montag, wie der Vatikan auf die Unruhen in Kairo reagiert.

„Wir haben für die Opfer dieser Zusammenstöße gebetet. Unsere koptisch-orthodoxen Brüder, die das Attentat auf eine ihrer Kirchen erleben mussten, wollten wie alle Bürger für ihren Wunsch nach Religionsfreiheit und nach Respekt ihrer Rechte demonstrieren. Stattdessen mussten sie den bitteren Kelch des Todes und des Opfers trinken. Wir vereinen uns im Gebet mit der koptisch-orthodoxen Kirche, mit den Opfern dieser sinnlosen Gewalt, und wir beten auch für unsere katholischen Kopten, auf dass der Schatten dieser Gewalt gegen Kopten nicht auch auf sie fallen möge. Es ist eine kleine Gemeinschaft, aber sehr engagiert für den Frieden. Und wir beten auch darum, dass dieser so genannte Arabische Frühling wirklich ein Vorschuss auf den Frieden sein möge, den alle sich wünschen. Wir beten für Demokratie, für den Respekt der Religionsfreiheit und der Minderheiten, dafür, dass alle sich Hoffnung machen können auf eine sichere Zukunft." (rv)

Polen: Katholiken feiern den „Papsttag“

Die Katholiken in dem Land feiern heute den sogenannten „Papsttag". Jedes Jahr wird am Sonntag vor dem 16. Oktober der Wahl Karol Wojtylas zum Papst gedacht. Die Wahl hatte am 16. Oktober 1978 stattgefunden. Neben geistlichen und kulturellen Initiativen gibt es an diesem Tag eine besondere Kollekte, mit der bedürftigen Studenten ein Stipendium finanziert wird. Dank dieser Initiative konnte bereits 2000 Jugendlichen weiterführende Studien ermöglicht werden. (rv)

Italien: Piusbruderschaft berät in Albano bei Rom

Die Führung der schismatisch orientierten Piusbruderschaft hat in Albano bei Rom über einen Forderungskatalog der vatikanischen Glaubenskongregation beraten. Das Ergebnis ist noch nicht bekannt. Ein Statement erklärt, die Gemeinschaft wolle dem Vatikan „in einem verantwortlichen Zeitraum" die Antwort übermitteln. Von dieser Antwort wird es abhängen, ob sich die traditionalistische Gruppe wieder an die römisch-katholische Kirche annähert oder ob sie die Brücken abreisst. Der Leiter der Piusbrüder, Bernard Fellay, stellte in Albano hinter verschlossenen Türen die Doktrinelle Präambel vor, die ihm Kardinal William Levada von der Glaubenskongregation überreicht hatte. Auch dieser Text ist nicht öffentlich bekannt; der Vatikan hat nur mitgeteilt, dass er „Lehrprinzipien und Interpretationskriterien" auflistet, die die Piusbrüder akzeptieren müssen. Erst dann könnten sie 23 Jahre nach dem schismatischen Akt ihres verstorbenen Gründers Erzbischof Marcel Lefebvre wieder in die Kirche integriert werden. Das Statement der Piusbrüder erklärt, die Studie des vatikanischen Forderungskatalogs werde jetzt im Generalrat der Bruderschaft fortgesetzt. (rv)

Vatikan: 40 Jahre deutsche Wochenausgabe des Osservatore Romano

Der „Osservatore Romano" feiert: Vor genau vierzig Jahren, am 8. Oktober 1971, erschien seine erste Wochenausgabe in deutscher Sprache. Das entsprach damals einem persönlichen Wunsch von Papst Paul VI., der auch ein Grußwort auf der Titelseite beisteuerte. Als einzige der sechs Wochenausgaben erscheint die deutschsprachige seit einigen Jahren in Farbe – das haben Zuschüsse der deutschen Bischöfe möglich gemacht. Der deutsche „Osservatore" hat etwa 12.000 Abonnenten, die meisten davon in Deutschland. In der Redaktion im Innern des Vatikans arbeiten vier feste Mitarbeiter; Chefredakteurin ist die Österreicherin Astrid Haas. (rv)

Vatikan: Vatikan-Verlag bei der Frankfurter Buchmesse 2011

Auch in diesem Jahr beteiligt sich der Vatikan-Verlag „Libreria Editrice Vaticana" wieder an der Frankfurter Buchmesse. Das Haus wird rund 500 Titel aus seinem laufenden Programm vorstellen. Besonders sei man am Verkauf von Rechten an noch verfügbaren Büchern interessiert, erklärte der Vatikan-Verlag in einer Aussendung. Sichere Erfolge seien mehrere Werke über den neuen Seligen Johannes Paul II. sowie eine Sammlung von Predigten Papst Benedikts über das Priesteramt, die zum 60. Jahrestag seiner Priesterweihe veröffentlicht wurde. Auch ein eben vorgestelltes Buch über „80 Jahre Radio Vatikan" ist im Programm. Die Frankfurter Buchmesse ist mit über 7.000 internationalen Ausstellern die größte Fachmesse weltweit. Sie läuft von 12. bis zum 16. Oktober, diesjähriger Ehrengast ist Island. (rv)

Deutsche Bischofskonferenz: Bilanz des Vorsitzenden zur Vollversammlung

In Fulda ist an diesem Freitag die Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz zu Ende gegangen. Die Ergebnisse wurden an diesem Nachmittag der Presse vorgestellt.

Papstbesuch
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, zog vor Journalisten auf der Schluss-Pressekonferenz zunächst mal eine positive Bilanz des Papstbesuches: Er sei „wahrhaft historisch" gewesen.

„Ohne übertreiben zu wollen, möchte ich sagen: Die Tage mit Papst Benedikt XVI. waren ein Ereignis für ganz Deutschland und haben großes Interesse auf nationaler und internationaler Ebene ausgelöst. Der Besuch des Heiligen Vaters hat die Einheit der Kirche gezeigt und gestärkt. Der Papst fühlt sich getragen durch die deutschen Bischöfe."

Die Bischöfe hätten sich ausführlich mit den Ansprachen des Papstes in Deutschland beschäftigt; sie wollten die „wertvollen Impulse" aufnehmen.

„Es mutet allerdings teilweise grotesk und verwunderlich an, wenn jetzt bereits einige genau kontrollieren wollen, ob sich die deutschen Bischöfe an das halten, was der Heilige Vater gesagt hat; dabei wollen sie selber bestimmen, was er gesagt hat."

Beim Treffen mit der evangelischen Kirche in Erfurt habe sich Benedikt XVI. „auf den Reformator Martin Luther zu bewegt", aber vor einem „kurzschlüssigen Ökumeneverständnis" gewarnt.

„In aller Deutlichkeit: Das wirklich Große an der ökumenischen Begegnung war, dass sie stattgefunden hat und vor allem, dass sie an diesem Ort stattfand. Wer hätte vor 50 Jahren gedacht, dass jemals ein Papst die Schwelle des Klosters überschreiten würde, in dem Martin Luther Mönch gewesen ist?"

Die Rede Benedikts XVI. im Freiburger Konzerthaus habe „einen kräftigen Impuls für die Bestimmung des Weges der Kirche" gegeben, so Erzbischof Zollitsch. Sie bedeute aber keineswegs, dass der Papst „der Kirche in Deutschland einen Rückzug aus dem öffentlichen Engagement anraten wolle".

„Wortwahl und Gedankenführung weisen nicht darauf hin, dass er von der Kirche in Deutschland eine grundstürzend neue Verfassung erwartet. Ihm geht es um die richtige Verbindung von christlichem Weltdienst aus dem Glauben und christlicher Kritik und Distanz gegenüber der modernen Welt mit ihren vielen Defiziten und Fragen. In diesem Zusammenhang spricht er von der Abschaffung von „Privilegien", ohne damit die kurzschlüssige, antikirchliche Verwendung dieses Wortes als eines Kampfbegriffs fördern zu wollen."

Papst Benedikt XVI. habe alle Christen ermutigt, „die Gesellschaft im Geist Jesu Christi zu prägen und sich so mitten hinein in die Fragen und Sorgen der Menschen von heute zu begeben". Die Kirche solle dabei „zu mehr Einfachheit und Eindeutigkeit finden und sich nicht auf falsche Stützen verlassen".

„Im Klartext: Der Papst spricht nicht von der Abschaffung des Kirchensteuersystems. Es handelt sich dabei auch nicht – wie fälschlicherweise behauptet wird – um Privilegien der Kirche, sondern um die institutionelle Ausgestaltung der Religionsfreiheit."

Der Papst habe auch keineswegs „zur Ablösung der Staatsleistungen" an die deutsche Kirche aufgefordert. „Wir verstellen uns der Debatte aber nicht", so Zollitsch wörtlich: Schon heute träfen die Kirche und einzelne Bundesländer immer wieder Absprachen über Änderungen einzelner Staatsleistungen. Die Verfassung gehe von einer Ablösung der Staatsleistungen aus, doch seien damit „sehr erhebliche Kostenverpflichtungen" verbunden.

„Die Kirche wird sich Lösungen nicht verschließen, wenn diese ausgewogen sind. Die Entscheidung liegt bei den betroffenen Bistümern. Konkrete Überlegungen gibt es gegenwärtig nicht."

Gespächsprozess
Ein weiteres Thema der Beratungen der Bischofskonferenz war der Gesprächsprozess in der deutschen Kirche. Zollitsch kündigte an, dass dazu Mitte September 2012 eine weitere „Jahreszusammenkunft" stattfinden wird, diesmal mit dem Thema „Unsere Verantwortung in der freien Gesellschaft". Zwar habe Benedikt in seinen Redetexten in Deutschland den Gesprächsprozess nicht direkt angesprochen. Trotzdem gelte:

„Durch die Reise von Papst Benedikt fühlen wir uns zur Fortsetzung dieses Weges gestärkt. Zu Recht warnt der Papst vor zu vielen Strukturen, um gleichzeitig daran zu erinnern, dass wir bei allem Nachdenken und Handeln uns auf den Kern des Glaubens und der Glaubensverkündigung konzentrieren sollen."

Fragen der Seelsorge
Die Journalisten in Fulda sprachen den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz auch auf sein Interview in der Wochenzeitung „Die Zeit" in diesem Sommer an. Darin hatte er noch vor dem Kommen des Papstes mehr Barmherzigkeit in der Seelsorge gewünscht, vor allem mit Blick auf Katholiken, die geschieden und wiederverheiratet sind. Zollitsch stellte dazu klar:

„Ich habe nie die Unauflöslichkeit der Ehe in Frage gestellt. Wer das hineininterpretiert in meine Äußerungen, der interpretiert etwas Falsches hinein! Ich gehe selbstverständlich von der Unauflöslichkeit der Ehe aus, und ich sehe dann, wenn vierzig Prozent der Ehen in Deutschland leider scheitern, dass wir damit eine pastorale Aufgabe haben. Wir werden an der Frage dranbleiben und das auch beim nächsten Ständigen Rat miteinander besprechen." (rv)

D: Neuer stellvertretender Vorsitzender der DBK

Die Deutsche Bischofskonferenz hat einen neuen stellvertretenden Vorsitzenden: Der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle ist zum Nachfolger von Heinrich Mussinghoff gewählt worden, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren durfte. Im Rahmen der Neubesetzung der einzelnen Leitungsämter wurde außerdem Bischof Gebhard Fürst erneut zum Medienbischof und Bischof Gerhard Ludwig Müller wieder zum Ökumenebeauftragten der Bischofskonferenz gewählt. (rv)

Vatikan/D: Rücktritt von Weihbischof Grünwald angenommen

Papst Benedikt XVI. hat an diesem Dienstag den Rücktritt des Augsburger Weihbischofs Josef Grünwald aus Altersgründen angenommen. Der 1936 geborene Grünwald war von Juni 2004 bis Oktober 2005 Diözesanadministrator. Ein zweites Mal bekleidete er dieses Amt ab dem 8. Mai 2010, als Papst Benedikt das Rücktrittsangebot des Augsburger Diözesanbischofs Walter Mixa annahm. (rv)

Togo: „Caritas in Afrika, nicht immer nur Caritas für Afrika“

Die demütigendsten Formen von Armut in Afrika ausrotten – das ist das hochgesteckte Ziel der afrikanischen Caritas. Vergangene Woche trafen sich Caritas-Leute aus dem gesamten Kontinent in Togo, um über Strategien zur Bekämpfung der Armut nachzudenken. Schwester Leonie Dochamou ist Direktorin der Caritas Benin und koordiniert die Caritas in den französischsprachigen Ländern Westafrikas. Sie sagte uns, die Afrikaner sollten sich langsam an die Idee gewöhnen, selbst zu Gebern zu werden: Caritas in Afrika – und nicht immer nur Caritas für Afrika.

„Wir können nicht als afrikanische Caritas immer die Hilfe anderer erwarten. Sicher, die internationale Solidarität ist eine gute Sache. Aber auch andere haben ihre Probleme. Trotz unserer Armut müssen auch wir ein Minumum beitragen. Fundraising ist eine Herausforderung für uns, weil es etwas Vergleichbares bei uns noch nicht gibt. Aner Afrika ist ein Kontinent voller Ressourcen, und die Afrikaner müssen auch selbst zu ihrer Entwicklung beitragen."

Dabei hat die kirchlich organisierte Nächstenliebe viele Dimensionen; einerseits geht es um langfristige Strategien, andererseits um Nothilfe. Klar ist für Schwester Leonie Dochamou, dass die afrikanische Caritas aus ihrem klaren katholischen Profil heraus professionelle Arbeit leisten muss – das sei ihr Auftrag im Sinn der Armen.

„Wir müssen während der Notfälle wirksam und gut für die Menschen arbeiten. Das scheint mir ein wichtiges Zeugnin in einem Umfeld, wo es viel Korruption gibt. Wir sind Kirche, wir haben eine Identität. Deshalb müssen wir in Afrika, wo es viel Korruption gibt, als Kirche klar Zeugnis ablegen. Die katholische Lehre ist keine Lehre, die zum Mittelmaß auffordert! Sie erfordert Professionalität."  (rv)

D: Zollitsch zieht erste große Bilanz der Papstreise

Eine Woche nach dem Besuch von Papst Benedikt XVI. in seiner Heimat hat Erzbischof Robert Zollitsch zum ersten Mal ausführlich Bilanz gezogen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz sprach am Freitag Abend auf einem Medienempfang in Berlin von „vier prall gefüllten Tagen". Der Papstbesuch entziehe sich „einer vordergründigen politischen Deutung und
auch manchen Denkschablonen, die in den Medien da und dort angewandt werden", so Zollitsch.

„Papst Benedikt ging es ganz elementar um den christlichen Glauben. Ihm ging es um den Kern des Evangeliums: Der Mensch findet seine letzte Erfüllung bei Gott. Der Glaube an Jesus Christus befreit aus der Enge bloß innerweltlicher Bezüge. Er ist die Antwort auf die existenziellen Fragen nach dem Woher und Wohin des menschlichen Lebens. Die Menschen, die an den großen Liturgien in Berlin, im Eichsfeld, in Erfurt und bei uns in Freiburg teilnahmen, konnten spüren: Papst Benedikt warb unter Einsatz seiner ganzen Kraft und mit der Autorität nicht nur seines Amtes, sondern der Glaubenserfahrung seines eigenen langen Lebens für diese Botschaft; und er machte Mut, den persönlichen Glauben an Gott zu wagen."

In den Tagen nach der ökumenischen Begegnung im Erfurter Augustinerkloster sei er „oft nach der Bedeutung und dem Ertrag dieses Treffens gefragt worden", berichtet Erzbischof Zollitsch. Manche hätten „Enttäuschung darüber geäußert, dass Papst Benedikt keine konkreteren Schritte ökumenischer Verständigung vorgeschlagen hat".

„Vielleicht missversteht man die Geste, die ein solches Treffen darstellt, wenn man es – in der Logik politischer Prozesse – auf handhabbare Ergebnisse hin befragt. Auf jeden Fall ist die Aufdeckung der konkreten Impulse, die aus dem Erfurter ökumenischen Treffen erwachsen, nun dem Gespräch zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland aufgegeben. Dies gilt gerade auch im Hinblick auf das Reformationsgedenken des Jahres 2017. Den Schlüssel für diese weiteren Gespräche aber hat Papst Benedikt, dessen bin ich mir ganz sicher, uns gegeben durch sein beharrliches Bestehen darauf, dass für das gemeinsame Leben aller Christen der Glaube die erste Priorität haben muss."

Benedikt habe betont, dass es Martin Luther nicht um Spaltung der Christenheit gegangen sei, sondern um einen „Gott der Gnade". Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz ließ erkennen, dass er über ein mögliches Mea Culpa der christlichen Kirchen im Zug des Reformationsjubiläums nachdenkt. Ein solches Schuldeingeständnis hatte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, Präses Nikolaus Schneider, in Erfurt dem Papst vorgeschlagen.

„Wichtig ist jetzt die Frage: Wie können sich katholische und evangelische Christen in Deutschland noch stärker die gemeinsamen Glaubenswurzeln neu aneignen; wie die gemeinsame Verantwortung für die Geschichte des Christentums und die gemeinsame Zukunftshoffnung zu Eigen machen und dafür Zeugnis geben? Ob dazu eine kritische Relecture auch des Umgangs der Kirchen miteinander und ein wechselseitiges Eingeständnis schuldhafter Anteile und verpasster Chancen gehört, ist eine Fragestellung, die mich persönlich in diesen Tagen besonders beschäftigt."

Erzbischof Zollitsch ging auch ausführlich auf die Papstrede im Freiburger Konzerthaus ein; darin hatte Benedikt XVI. eine „Entweltlichung der Kirche" gefordert und damit „Nachfragen
provoziert".

„Es wurde vermutet, der Papst strebe eine Änderung des bewährten Gefüges der Beziehungen zwischen Kirche und Staat in Deutschland an. Es wurde gefragt, ob Papst Benedikt der Kirche in Deutschland einen Rückzug aus dem öffentlichen Engagement anraten wolle. All dies sind verständliche Fragen der Auslegung, die der Erörterung bedürfen und bei denen es auch streitige Diskussionen geben wird. Mir scheint es eher abwegig zu sein, den Papst für all das in Anspruch zu nehmen, hat er doch mehrfach die Kirche, ja alle Christen ermutigt, die Gesellschaft im Geist Jesu Christi zu prägen und sich so mitten hinein in die Fragen und Sorgen der Menschen von heute zu begeben."

Aus seiner Sicht, so Zollitsch, gehe es Benedikt mit der Konzerthausrede „um etwas ganz Entscheidendes: um die Mahnung nämlich, uns nicht in der Sorge um uns selbst zu verlieren, sondern uns auf das Zeugnis des Glaubens in der Welt von heute zu konzentrieren".

„Vielleicht wollte Papst Benedikt gerade uns Deutschen, die gerne organisieren, strukturieren und reformieren, nochmals einschärfen: Lasst euch vom Geist des Evangeliums leiten; Strukturen sind nur Mittel und niemals Zweck kirchlichen Handelns."

Die Reise habe offengelegt, dass es „eine starke emotionale Bindung der katholischen Gläubigen an den Papst und an die weltweite Kirche" gebe, so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Diese Verbundenheit sei „entscheidend":

„Sie zählt vor allem dann, wenn im Nachdenken auch über Themen und Weisungen des Lehramtes eine Vielfalt an Stimmen zu hören ist."

Die deutsche Kirche wolle den ökumenischen Weg entschlossen fortsetzen, kündigte Zollitsch an. Sie werde sich auch künftig vernehmlich in der deutschen Öffentlichkeit zu Wort melden. Sie werde künftig aber – auch das sei eine Lehre aus dieser Papstreise – mehr Gewicht legen auf die „zentrale Bedeutung des Glaubens".

„Die Kirche lebt aus dem Glauben an Jesus Christus, nicht aus der Nützlichkeit für die Gesellschaft. Sie ist nicht gegründet als Agentur der Sinnstiftung und Wertevermittlung, sondern als Ort der Begegnung von Gott und Mensch. Deshalb soll sie der Welt zugetan sein und in der Welt und unter deren Bedingungen wirken, aber so – der Papst sagt: entweltlicht –, wie es dem Glauben an den Sieg von Gottes Möglichkeiten entspricht, die das Vermögen des Menschen unendlich überschreiten." (rv)