Vatikan/D: Ein Botschafter zieht Bilanz

logo_DT_BotschaftDer deutsche Vatikan-Diplomat Reinhard Schweppe tritt in den Ruhestand. Seit Oktober 2011 war er außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl. Wenige, aber entscheidende Jahre: Immerhin erlebte Schweppe genau die Übergangszeit von Benedikt XVI. zu Franziskus. Was hat sich aus seiner Sicht geändert?

„Die päpstliche, vatikanische Diplomatie ist aktiver geworden. Nehmen Sie Syrien: Dazu gab es Elemente, wie man den syrischen Konflikt lösen kann. Nehmen Sie Venezuela, nehmen Sie in jüngster Zeit die Ukraine. Also, das hat es in dieser Form nicht gegeben. Die deutsche Außenpolitik hat sich inzwischen darauf eingestellt. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir das erste größere Land sind, das regelmäßige politische Konsultationen zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Staatssekretariat nicht nur vereinbart hat: Wir hatten die erste Runde in diesem Jahr, und die nächste Runde wird in Berlin stattfinden.“

Zur Zeit des deutschen Pontifikats gab es nach Schweppes Eindruck in Berlin besondere Aufmerksamkeit für seine Berichte vom Vatikan. Zum emeritierten Papst Benedikt hat die Botschaft, hat Schweppe immer noch Kontakt.

„Ich bin in der letzten Woche bei ihm gewesen und habe mich sehr lange mit ihm unterhalten. Er nimmt sehr aktiven Anteil an dem, was in Deutschland passiert, auch an der deutschen Politik.“

Eine spannende Zeit war für den deutschen Diplomaten der März 2013, als im Vatikan das Konklave zusammentrat. Die Wahl des argentinischen Kardinals Bergoglio zum Papst war für ihn, wie er freimütig einräumt, eine Überraschung.

„Nein, den hatten wir nicht auf der Liste. Ich habe eigentlich sehr gründlich recherchiert und auch im Vorkonklave, als man noch mit Kardinälen reden konnte, mit vielen gesprochen, immer unter Wahrung der Vertraulichkeit, und erst am Ende ist mir aufgegangen: Ich glaube, ein oder zwei Kardinäle haben von einer bemerkenswerten Intervention von Bergoglio gesprochen. Aber das war dann nicht so – ich glaube, das ist eine gewisse Fama -, dass daraus dann ein großer Zug hervorgegangen ist, um ihn zu wählen. Ich bin nicht so ganz sicher, ob das wirklich so war.“

Die Berichte aus dem Vatikan, die der deutsche Vatikanbotschafter und seine Mitarbeiter verfassen, werden in Berlin von vielen gelesen. Im Auswärtigen Amt natürlich, aber auch im Kanzleramt und in den Ministerien. Das meiste Interesse der Berliner richtet sich auf Außenpolitisches.

„Innerkirchliche Dinge sind weniger von Interesse, aber die bekomme ich natürlich voll mit, und die spielen wir auf anderen Wegen nach Deutschland – das muss ja nicht alles schriftlich sein…“

Seine Ansprechpartner im vatikanischen Staatssekretariat hat Schweppe als kundige, umsichtige Diplomaten erlebt. Durch sein gutentwickeltes Botschafter-, also Nuntiensystem sei die Abteilung des Heiligen Stuhls, die sich mit Außenpolitik beschäftigt, über Entwicklungen in aller Welt gut im Bilde.

„Trotzdem ist dieses natürlich, gemessen an einem Land wie Deutschland, sehr klein. Das wird teilweise ausgeglichen durch besonderen Arbeitseinsatz; ich habe hohen Respekt vor den vatikanischen Diplomaten-Kollegen. Der Apparat kann das; er hat es nur nach meiner Beobachtung früher weniger wahrgenommen. Das heißt, es war etwas statischer, es fehlte vielleicht auch manchmal etwas der Mut, sich öffentlich zu äußern in Konfliktfällen.“

Unter Papst Franziskus kommt das Gebet ganz nach oben zu liegen im diplomatischen Werkzeugkasten des Vatikans. Schweppe glaubt nicht, dass darüber in Staatskanzleien anderswo in der Welt gelächelt wird:

„Das sind Methoden, die den anderen Staaten nicht zu Gebote stehen! Das ist, wenn ich das so sagen darf, eine Meta-Ebene, die aber auch zum Erfolg führen kann. Ein gemeinsames Gebet führt auch dazu, dass die wichtigen Akteure zusammenkommen, und sie beten nicht nur, sondern sprechen auch miteinander.“

Wie es für ihn selbst jetzt weitergeht? Schweppe will mit seinen 65 Jahren auch im Ruhestand aktiv bleiben:

„Also, zunächst mal gehen wir jetzt nach Berlin, wir haben dort ein Haus, das wird im Moment umgebaut. Wenn wir Ende Juni oder Anfang Juli dort sind, wird das hoffentlich alles schön sein. Und dann gibt es einen neuen Lebensabschnitt, auf den ich mich auch freue – und vielleicht gibt es auch weitere Aktivitäten… Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ich zuhause Kartoffeln schäle.“

Schweppes Nachfolgerin in Rom wird die CDU-Politikerin Annette Schavan. (rv)

Vatikan schreibt schwarze Zahlen: Kardinal Scherer im Interview

Kardinal SchererDie finanzielle Situation des Vatikan hat sich geändert: während in der Vergangenheit die Zahlen immer rot waren, werden nun schwarze Zahlen geschrieben. So beschreibt Kardinal Odilo Pedro Scherer, Erzbischof von Sao Paolo, die Sitzung der Kardinalsgruppe, die jährlich den Haushalt des Vatikan kontrolliert. Scherer ist einer von 15 Kardinälen der Kommission.

„Wir haben uns versammelt, um von den verantwortlichen Leitern der Behörden und der Verwaltung ihre Rechenschaftsberichte zu hören, und auch um unsere Analyse zu erstellen und Vorschläge zu machen, wie die Dinge vielleicht in eine andere Richtung gehen könnten," so Scherer im Interview mit Radio Vatikan.

Trotz der „leicht positiven" Lage bedürfe es weiterhin einer Neustrukturierung der Verwaltung, die Ressourcen des Vatikan seien begrenzt.

„Wir müssen die Art und Weise der Verwendung der Mittel neu ausrichten, denn sie sollen dem Wohl der Kirche, der Verkündigung dienen. Der Heilige Stuhl hat keine Güter um sie zu sammeln, um sozusagen einen Schatz zu bilden, sondern es geht darum, den Auftrag zu erfüllen. Aber auch jetzt kann man bereits sagen, das vieles von dem, was wir gehört haben, schon sehr positiv ist."

Einer der größten Ausgabeposten sind die Medien des Vatikan, darunter Radio Vatikan – die Angestellten und die Technik sind eine finanzielle Belastung.

„Auf der anderen Seite steht Radio Vatikan im Dienst an der Sendung der Kirche, vor allem dort, wo ihre Stimme sonst nicht zu hören ist, in abgeschotteten Ländern. Der Sender hat eine ganz besonders wichtige Rolle. Man sollte Radio Vatikan vielleicht ein „multimediales Zentrum" nennen, denn auch heute schon arbeitet der Sender mit vielen verschiedenen Kommunikationswegen. Das sehen wir sehr positiv." (rv)

Heiliger Stuhl erwirtschaftet Gewinn

VatikanfahneDer Heilige Stuhl hat im letzten Jahr 2.185.622 Euro Gewinn erzielt. Das teilte der Kardinalsrat für Wirtschaftsangelegenheiten an diesem Donnerstag mit. Der Rat der Kardinäle trat am Dienstag und Mittwoch im Vatikan zusammen. Papst Franziskus traf die Kommission am Mittwoch. Insgesamt waren im Jahr 2012 2.823 Mitarbeiter für den Heiligen Stuhl tätig. Größter Ausgabeposten für den Haushalt des Heiligen Stuhls waren die vatikanischen Medien wie Radio Vatikan sowie die neue italienische Immobiliensteuer IMU. Alleine diese Posten erhöhten die Ausgaben um fünf Millionen Euro, wie ein Vatikanstatement vom Donnerstag bekanntgibt. Das vatikanische Governatorat, das eine vom Heiligen Stuhl unabhängige Verwaltung führt, hat im letzten Jahr einen Gewinn von 23.079.800 erzielt. Das Governatorat hat insgesamt 1.936 Mitarbeiter. Bei den Einnahmen sind die Spenden durch den sogenannten Peterpfennig von 69.711.722 US-Dollar im Jahr 2011 auf 65.922.637 US-Dollar im Jahr 2012 gesunken. Auch die Beiträge durch Bistümer sind auf unter 30 Millionen US-Dollar gesunken, was rund 12 Prozent weniger Einnahmen als 2011 beträgt. Die Ordensgemeinschaften haben ebenfalls weniger Spenden nach Rom geschickt. Insgesamt sind dies fünf Prozent weniger als im Vorjahr.

Vatikanbank IOR unterstützte Papst mit 50 Millionen Euro
Die Vatikanbank IOR hat den Papst – damals noch Benedikt XVI. – im vergangenen Jahr mit 50 Millionen Euro unterstützt. Weiter hat die Vatikanbank, die sich im Auftrag des Papstes für die Finanzierung guter Zwecke einsetzt, über eine Million Euro für einen Amazonas-Fonds ausgegeben sowie eineinhalb Millionen Euro für den Fond Pro orantibus, der sich um Klausurklöster kümmert. Weitere 1,5 Millionen Euro gingen an den Sankt-Georg-Fonds, der sich um die Kirchen in der ehemaligen Sowjetunion kümmert. Eine Million Euro übergab die Vatikanbank der Kommission für Lateinamerika. (rv)

D: Zollitsch zieht erste große Bilanz der Papstreise

Eine Woche nach dem Besuch von Papst Benedikt XVI. in seiner Heimat hat Erzbischof Robert Zollitsch zum ersten Mal ausführlich Bilanz gezogen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz sprach am Freitag Abend auf einem Medienempfang in Berlin von „vier prall gefüllten Tagen". Der Papstbesuch entziehe sich „einer vordergründigen politischen Deutung und
auch manchen Denkschablonen, die in den Medien da und dort angewandt werden", so Zollitsch.

„Papst Benedikt ging es ganz elementar um den christlichen Glauben. Ihm ging es um den Kern des Evangeliums: Der Mensch findet seine letzte Erfüllung bei Gott. Der Glaube an Jesus Christus befreit aus der Enge bloß innerweltlicher Bezüge. Er ist die Antwort auf die existenziellen Fragen nach dem Woher und Wohin des menschlichen Lebens. Die Menschen, die an den großen Liturgien in Berlin, im Eichsfeld, in Erfurt und bei uns in Freiburg teilnahmen, konnten spüren: Papst Benedikt warb unter Einsatz seiner ganzen Kraft und mit der Autorität nicht nur seines Amtes, sondern der Glaubenserfahrung seines eigenen langen Lebens für diese Botschaft; und er machte Mut, den persönlichen Glauben an Gott zu wagen."

In den Tagen nach der ökumenischen Begegnung im Erfurter Augustinerkloster sei er „oft nach der Bedeutung und dem Ertrag dieses Treffens gefragt worden", berichtet Erzbischof Zollitsch. Manche hätten „Enttäuschung darüber geäußert, dass Papst Benedikt keine konkreteren Schritte ökumenischer Verständigung vorgeschlagen hat".

„Vielleicht missversteht man die Geste, die ein solches Treffen darstellt, wenn man es – in der Logik politischer Prozesse – auf handhabbare Ergebnisse hin befragt. Auf jeden Fall ist die Aufdeckung der konkreten Impulse, die aus dem Erfurter ökumenischen Treffen erwachsen, nun dem Gespräch zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland aufgegeben. Dies gilt gerade auch im Hinblick auf das Reformationsgedenken des Jahres 2017. Den Schlüssel für diese weiteren Gespräche aber hat Papst Benedikt, dessen bin ich mir ganz sicher, uns gegeben durch sein beharrliches Bestehen darauf, dass für das gemeinsame Leben aller Christen der Glaube die erste Priorität haben muss."

Benedikt habe betont, dass es Martin Luther nicht um Spaltung der Christenheit gegangen sei, sondern um einen „Gott der Gnade". Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz ließ erkennen, dass er über ein mögliches Mea Culpa der christlichen Kirchen im Zug des Reformationsjubiläums nachdenkt. Ein solches Schuldeingeständnis hatte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, Präses Nikolaus Schneider, in Erfurt dem Papst vorgeschlagen.

„Wichtig ist jetzt die Frage: Wie können sich katholische und evangelische Christen in Deutschland noch stärker die gemeinsamen Glaubenswurzeln neu aneignen; wie die gemeinsame Verantwortung für die Geschichte des Christentums und die gemeinsame Zukunftshoffnung zu Eigen machen und dafür Zeugnis geben? Ob dazu eine kritische Relecture auch des Umgangs der Kirchen miteinander und ein wechselseitiges Eingeständnis schuldhafter Anteile und verpasster Chancen gehört, ist eine Fragestellung, die mich persönlich in diesen Tagen besonders beschäftigt."

Erzbischof Zollitsch ging auch ausführlich auf die Papstrede im Freiburger Konzerthaus ein; darin hatte Benedikt XVI. eine „Entweltlichung der Kirche" gefordert und damit „Nachfragen
provoziert".

„Es wurde vermutet, der Papst strebe eine Änderung des bewährten Gefüges der Beziehungen zwischen Kirche und Staat in Deutschland an. Es wurde gefragt, ob Papst Benedikt der Kirche in Deutschland einen Rückzug aus dem öffentlichen Engagement anraten wolle. All dies sind verständliche Fragen der Auslegung, die der Erörterung bedürfen und bei denen es auch streitige Diskussionen geben wird. Mir scheint es eher abwegig zu sein, den Papst für all das in Anspruch zu nehmen, hat er doch mehrfach die Kirche, ja alle Christen ermutigt, die Gesellschaft im Geist Jesu Christi zu prägen und sich so mitten hinein in die Fragen und Sorgen der Menschen von heute zu begeben."

Aus seiner Sicht, so Zollitsch, gehe es Benedikt mit der Konzerthausrede „um etwas ganz Entscheidendes: um die Mahnung nämlich, uns nicht in der Sorge um uns selbst zu verlieren, sondern uns auf das Zeugnis des Glaubens in der Welt von heute zu konzentrieren".

„Vielleicht wollte Papst Benedikt gerade uns Deutschen, die gerne organisieren, strukturieren und reformieren, nochmals einschärfen: Lasst euch vom Geist des Evangeliums leiten; Strukturen sind nur Mittel und niemals Zweck kirchlichen Handelns."

Die Reise habe offengelegt, dass es „eine starke emotionale Bindung der katholischen Gläubigen an den Papst und an die weltweite Kirche" gebe, so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Diese Verbundenheit sei „entscheidend":

„Sie zählt vor allem dann, wenn im Nachdenken auch über Themen und Weisungen des Lehramtes eine Vielfalt an Stimmen zu hören ist."

Die deutsche Kirche wolle den ökumenischen Weg entschlossen fortsetzen, kündigte Zollitsch an. Sie werde sich auch künftig vernehmlich in der deutschen Öffentlichkeit zu Wort melden. Sie werde künftig aber – auch das sei eine Lehre aus dieser Papstreise – mehr Gewicht legen auf die „zentrale Bedeutung des Glaubens".

„Die Kirche lebt aus dem Glauben an Jesus Christus, nicht aus der Nützlichkeit für die Gesellschaft. Sie ist nicht gegründet als Agentur der Sinnstiftung und Wertevermittlung, sondern als Ort der Begegnung von Gott und Mensch. Deshalb soll sie der Welt zugetan sein und in der Welt und unter deren Bedingungen wirken, aber so – der Papst sagt: entweltlicht –, wie es dem Glauben an den Sieg von Gottes Möglichkeiten entspricht, die das Vermögen des Menschen unendlich überschreiten." (rv)