Vatikan/Irland: Krisengespräche über Missbrauch

Krisensitzungen im Vatikan – fast alle der sechsundzwanzig irischen Bischöfe sind an diesem Wochenende nach Rom gereist, um sich mit Papst Benedikt XVI. zu treffen. Es geht wieder einmal um Missbrauch, und zwar in kirchlichen Einrichtungen in Irland im Zeitraum 1975 bis 2004. Missbrauchsfälle sollen dort systematisch vertuscht worden sein, was aus dem Bericht der so genannten Murphy-Kommission hervor geht; er erschien Ende letzten Jahres und stürzte die irische Kirche in eine der größten Krisen ihrer Geschichte. Jetzt geht es um Aufarbeitung: Das zeigt Papst Benedikts Einladung der irischen Oberhirten nach Rom. Am Sonntagabend, also vor dem Treffen mit dem Papst, äußerte sich die irische Delegation in einer ersten Pressekonferenz im päpstlichen irischen Studienkolleg in Rom. Der Bischof von Clogher, Joseph Duffy, der auch Vorsitzender der Bischofskommission für Kommunikation ist, nahm die Stimmung unter den Oberhirten als ernst und nüchtern wahr. Im Interview mit Radio Vatikan sagte er: „Der Veröffentlichung des Murphy-Reports folgend hat der heilige Vater einzelne Bischöfe zu sich gerufen, um über die ernste Situation der Kirche in Irland zu sprechen. Das Treffen wird Montag und Dienstag bis 13:00 Uhr dauern. Wir werden gemeinsam die entstandenen Probleme untersuchen und ein gemeinsames Vorgehen verabreden, das für die Familien Sicherheit, Gelassenheit und das Vertrauen zwischen Gläubigen und Klerus wieder herstellen soll.“ Vor dem Beginn der Gespräche haben sich die Bischöfe an diesem Montagmorgen im Vatikan zur Messfeiser getroffen. In seiner Predigt betonte Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, dass die Aufklärung der Missbrauchsfälle auch eine geistliche Dimension haben müsse. Neben aller Notwendigkeit, die Herausforderungen entschieden anzupacken, gehe es auch darum, demütig um den Beistand Gottes in diesem schwierigen Prozess zu bitten. Nach der Messe begannen die Unterredungen der Bischöfe mit dem Papst. Die Bischöfe träfen sich dabei nicht mit der ganzen Gruppe, sondern einzeln mit dem Papst, so Bischof Duffy: „Jeder von uns wird persönlich mit dem Heiligen Vater sprechen. Wir wurden dazu ermutigt, offen und klar mit ihm zu sprechen. Jeder Bischof wird etwa sieben Minuten Zeit dafür bekommen.“ Das erste Gespräch mit dem Papst soll der Primas von Irland und Bischof von Armagh, Sean Brady, führen. Er sagte uns: „Ich bin schon oft in Rom gewesen, aber noch nie kam ich begleitet von so vielen Gebeten wie dieses Mal. Ich denke, dass das ein sehr wichtiges Treffen ist, ein weiterer Schritt in einem Prozess, der uns hoffentlich Antrieb sein wird, wenn wir nach Irland zurückkehren. Dieser Prozess wird uns hoffentlich auf einen Weg der Reue und Versöhnung führen.“ Bei den Einzeltreffen werden ebenfalls der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal William Levada, der Präfekt der Kongregation für den Klerus, Kardinal Giovanni Battista Re, der Präfekt der Kongregation für die Ordensleute, Kardinal Franc Rode, und der Vorsitzende des päpstlichen Rates für die Gesetzestexte, Erzbischof Francesco Coccopalmiero anwesend sein. (rv)

D: Berlin nimmt Stellung zu Vorwürfen

Das Erzbistum Berlin hat in einer Erklärung ausführlich Stellung genommen zu seinem Umgang mit einem Geistlichen, dem sexueller Mißbrauch vorgeworfen wird. In dem Statement von diesem Sonntag widerspricht das Erzbistum detailliert einer Darstellung des Priesters, die dieser vor vier Tagen in seiner Pfarrei veröffentlicht hatte. Wir dokumentieren hier das Berliner Statement in vollem Wortlaut.

Vorwürfe gegen Pfarrer W.: Erzbistum nimmt Stellung

Zu dem "Statement" von Pfarrer W., das am 10.02.2010 in der Pfarrei Heilig Kreuz (Hohenschönhausen) verlesen wurde, erklärt das Erzbistum Berlin wie folgt. Der Text wurde am Sonntag, dem 14. Februar 2010, der Pfarrgemeinde bekannt gemacht.
"1. Angesichts der eingestanden Verfehlungen, welche sich auch auf Mitglieder seiner Gemeinde bezogen, wurde Pfarrer W. von Seiten des Erzbistums empfohlen, auf die Pfarrei zu verzichten. Die Gründe für den Verzicht wurden von Pfarrer W. selbst gewählt. Darüber hinaus sprach er bereits in der Vernehmung am 24.07.2009 von selbst davon, die Pfarrei verlassen zu wollen.
2. Nach der Vernehmung am 10.07.2009 und nach einer Bedenkzeit von ca. 30 Minuten hat Pfr. W. das Protokoll gelesen und als richtig und vollständig bestätigt. Anzeichen für eine gesundheitliche Einschränkung seinerseits lag laut Eindruckszeugnis nicht vor. Von seinem Recht auf Rechtsbeistand hat er bis jetzt keinen Gebrauch gemacht. Üblicherweise verbleibt das Protokoll im Vorverfahren kopielos in den Akten. Dies wurde Pfarrer W. auch im Verlauf der Vernehmung mitgeteilt. Auch in seinem zweiten Gespräch am 24. Juli 2009 hat er bezüglich seiner früheren Aussagen sowie dem ersten Protokoll keinerlei Widersprüche oder Einsprüche geltend gemacht.
3. Die Personen, die die Vorwürfe erhoben haben, sind keine anonymen Personen, hatten aber zunächst Diskretion für sich selber erbeten. Solange als möglich haben wir diese Diskretion im Vorverfahren gewahrt. In diesem Sinne kann der Name der beschuldigenden Person dem Beschuldigten erst im Zuge des eigentlichen Verfahrens genannt werden.
4. Die Aussage von Pfarrer W., dass er bis heute nicht weiß, um was und wen es geht, ist falsch. Die vorliegenden Vernehmungsprotokolle weisen aus, dass er nicht nur vorgeworfene Verfehlungen einräumt, sondern dem Bistum unbekannte Tatbestände und Namen benannte. In diesem Zusammenhang bat Pfarrer W. in der Vernehmung diejenigen, die es betrifft, um Entschuldigung.
5. Auch die Aussage von Pfarrer W., er habe die Stadt Berlin zu verlassen, entspricht nicht der vollen Wahrheit. Angesichts einer geplanten Jugendfahrt wurde Pfarrer W. vielmehr aufgefordert, diese Fahrt zu unterlassen und sich für eine bestimmte Zeit zur Selbstklärung in ein Kloster außerhalb Berlins zu begeben, wobei er auch einen anderen Ort in entsprechender Entfernung zur Gemeinde hätte vorschlagen können.
6. Den Opfern wurde mitgeteilt, dass sie das Recht haben, jeder Zeit eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft einzureichen.
Nach Prüfung der Unterlagen aus dem Vorverfahren hat Rom die Durchführung des kirchlichen Strafrechtsverfahrens dem Erzbischof von Berlin übertragen. Dies ist ein durchaus üblicher Vorgang, der in keiner Weise als Ablehnung eines Verfahrens verstanden werden kann."

Berlin, den 14. Februar 2010

Stefan Förner

Erzbischöfliches Ordinariat Berlin (rv)

Olympia-Seelsorger: „Spiele verbinden die Menschen“

Die Olympiade trägt dazu bei, dass die Menschheitsgemeinschaft weltweit mehr und mehr zusammenwächst. Das findet „Olympia-Kaplan“ Bernhard Maier, der mit dem österreichischen Team zu den Winterspielen nach Vancouver gereist ist. Zum 15. Mal nimmt der Salesianerpater an dem Großereignis teil – damit hat er einen neuen Rekord in der Olympia-Seelsorge aufgestellt. Im Gespräch mit Radio Vatikan erläutert er seine Aufgaben:
„Man darf unter keinen Umständen aufdringlich sein oder jemanden in diesen Tagen massiv bearbeiten wollen. Für Österreich, Deutschland und Italien ist es üblich, dass ein eigener Seelsorger dabei ist. Und nachdem das institutionalisiert ist, rechnet auch jeder damit. Inzwischen kommen die Betreuer auf mich zu und fragen, wann wir wieder mal eine Messe machen können. Nach fast dreißig Jahren in der Sportlerseelsorge ist es selbstverständlich, dass ich Gesprächspartner bin. Ich sitze mit im Aufenthaltsraum, werde wie ein Mannschaftsmitglied angesehen und man kommt ins Reden. Zwischen den Wettbewerben, dass sagen auch die Sportler, brauchen sie einfach mal so eine Stunde, um abschalten zu können.“
In der Sportlerseelsorge ist Maier, der hauptberuflich Schulleiter des Don Bosco Gymnasiums Unterwaltersdorf bei Wien ist, nicht zufällig gelandet:
„Natürlich bin ich sehr sportinteressiert. Das ist sogar meine zweite Profession: Ich habe Sport an der Universität studiert und kann damit auch mein ganzes Interesse in den Sport legen und mich daran unheimlich erfreuen. Und von daher sind Sport und Seelsorge so richtig ineinander verwoben in diesem Fall.“
Der immense Druck, unter dem die Sportler im Leistungskampf stehen, ist auch für den Seelsorger spürbar. Sein Einsatz richtet sich flexibel nach den Erlebnissen und Belastungsproben, denen die Sportler ausgesetzt sind:
„Natürlich bekomme ich das mit. Ich lebe ja unter den Sportlern, bin den ganzen Tag im olympischen Dorf unterwegs und habe freien Zutritt zu den Wohnungen und Aufenthaltsräumen. Und da versuche ich, einen ganz ruhigen Pol darzustellen. Man darf sich das nicht so vorstellen, dass die Sportler anklopfen und um ein Gespräch bitten. Alles, was in diesen Tagen seelsorgerisch notwendig ist, ergibt sich ganz automatisch in den Räumen, die zur Verfügung stehen. Wenn ein Wettkampf mal schief läuft, oder jemand krank im Bett liegt, dann hat man natürlich intensiver zu tun.“
Den olympischen Gedanken sieht Maier vor seinem Erfahrungshintergrund eher nüchtern:
„Das ist eben das Besondere an Olympia, diese weltumspannende Idee. Aber es geht ja immer auch weiter im Weltcupzirkus. Man muss da realistisch bleiben. Sport hat einen bestimmten, bescheidenen Einfluss. Es wird zwar alles dafür getan, dass eine Gemeinschaft unter den Sportlern entsteht. Allerdings wohnen zum Beispiel nicht alle Sportler im olympischen Dorf. Einige sind außerhalb untergebracht. Also so ganz durchgängig ist die olympische Idee sicher nicht verwirklicht. Jeder hat ja auch das Interesse, gut abzuschneiden und eine Medaille zu bekommen, das ist das Allerwichtigste für jeden.“
Und dennoch kommt der Seelsorger zu folgendem Fazit:
„Dass die olympischen Spiele ein kleiner Beitrag dazu sind, dass die Menschheitsfamilie weltweit besser zusammenwächst, das hat auch der Heilige Vater in seiner Botschaft zum Ausdruck gebracht. Wunderbar ist sicherlich, dass alle weltweit nach denselben Regeln kämpfen. Damit sind auch Ethik, Fairness und Moral hier universell vertreten. Dahingehend, dass für alle die gleichen Rechte und Pflichten gelten und auch Gott in gleicher Weise für alle Menschen da ist, sind die Spiele vielleicht ein kleiner, aber feiner Schritt in Richtung Menschenrechte und Religion.“ (rv)