Bosnien: 30 Jahre Medjugorje

Seit 30 Jahren pilgern Menschen nach Medjugorje in Bosnien, wo ununterbrochen seit 24. Juni 1981 die Jungfrau Maria erscheinen soll. Viele sprechen von einer starken spirituellen Erfahrung. Die katholische Kirche hat Medjugorje bisher nicht anerkannt.

Im März vergangenen Jahres setzte die vatikanische Glaubenskongregation, die für derartige Fälle zuständig ist, eine internationale Untersuchungskommission für Medjugorje ein. Geleitet wird sie von Kardinal Camillo Ruini. Dieser sagte vor wenigen Tagen, man sei noch weit von einer Anerkennung von Medjugorje entfernt. Ruini wollte sich aber aufgrund seiner Verschwiegenheitspflicht nicht näher äußern. Der Kommission gehören 13 Kardinäle, Bischöfe und Sachverständige an. Nicht unter ihnen ist der Bischof von Mostar, Ratko Peric, in dessen Diözese Medjugorje liegt. Peric steht den Erscheinungen seit jeher skeptisch gegenüber.

In Medjugorje soll seit dem 24. Juni 1981 Maria erscheinen. Sechs Kinder berichteten damals, die Gottesmutter habe sich ihnen gezeigt, während sie Schafe hüteten. Die Erscheinungen dauern nach Angaben der inzwischen erwachsenen Seherinnen und Seher weiter an. Jedes Jahr pilgern Hunderttausende Menschen nach Medjugorje, unter ihnen viele Kranke und Heilsuchende. Um die Pilgerseelsorge gibt es gelegentlich einen Kompetenzstreit zwischen Franziskanern, ehemaligen Franziskanern, charismatischen Gruppen und dem Ortsbischof.

1991 verbot das Episkopat von Bosnien-Herzegowina offizielle Pilgerfahrten nach Medjugorje, tolerierte aber private. Sieben Jahre später erlaubte auch die Glaubenskongregation, damals geleitet von Kardinal Joseph Ratzinger, private Pilgerreisen an den bosnischen Wallfahrtsort. Allerdings fügte sie einschränkend hinzu, dies sie nicht gleichsam als Anerkennung unter der Hand zu verstehen. Die Vorkommnisse in Medjugorje bedürften noch der Untersuchung.

Im Juli 2009 unterzeichnete Papst Benedikt ein Dekret, mit dem er den früheren spirituellen Begleiter der Seher von Medjugorje, Tomislav Vlasic, in den Laienstand versetzte. Die Glaubenskongregation warf dem Franziskanerpater unter anderem „Verbreitung zweifelhafter Lehren, Manipulation der Gewissen, verdächtigen Mystizismus, Ungehorsam gegenüber Weisungen, die ihm zu Recht auferlegt wurden" und Beschuldigungen gegen das sechste Gebot vor.

Wie die französische katholische Tageszeitung „La Croix" berichtet, kam der Fall Medjugorje durch den Erzbischof von Wien seit 2009 wieder in Schwung. Kardinal Christoph Schönborn lud am 23. September 2009 in den Wiener Stephansdom zwei der „Seher" von Medjugorje ein. Nachdem sie vor hunderten Gläubigen gesprochen hatten, bedankte sich Schönborn für ihre in all diesen Jahren geleisteten Dienste. Ende Dezember 2009 pilgerte der Kardinal selbst an den bosnischen Wallfahrtsort, „privat", wie es hieß. Beim Diözesanbischof Peric löste der Besuch des Kardinals Unverständnis aus. Wenige Wochen später, nach einem Besuch bei Papst Benedikt, wie „la Croix" schreibt, entschuldigte sich Kardinal Schönborn schriftlich bei Bischof Peric.

Marienerscheinungen werden seit dem 18. Jahrhundert zu den „Privatoffenbarungen" gezählt. Diese gehören laut Katechismus nicht zum Glaubensgut. Sie werfen große theologische Probleme auf, da Gottes Offenbarung nach klassischer Lehre mit dem Tod des letzten Apostels an ihr Ende gekommen ist. Das kirchliche Lehramt trennt daher scharf zwischen Offenbarung und Privatoffenbarungen. Letztere können nach katholischer Lehre die ursprüngliche Offenbarung nur in Erinnerung rufen, erklären oder aktualisieren. (rv)

Alte Messe, Piusbruderschaft und Tradition: Ein Gespräch in der Glaubenskongregation

Wo steht die Alte Messe heute? Gut drei Jahre sind vergangen seit dem Inkrafttreten des Motu proprio Summorum Pontificum, mit dem Papst Benedikt XVI. die Liturgie nach den alten Büchern wieder zuließ. Über die Umsetzung des Motu proprio wacht die Glaubenskongregation, genauer gesagt die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei. Diese ist auch zuständig für die Gespräche mit den Traditionalisten der Piusbruderschaft. Über beide Themen – die Alte Messe und die Piusbruderschaft – haben wir dem Sekretär der Kommission, Mons. Guido Pozzo, gesprochen. Ecclesia Dei hat im vergangenen Sommer in den Diözesen der Weltkirche nachgehakt, ob es jetzt überall möglich ist, an einer Messe in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus teilzunehmen. Wie es damit steht, wollten wir zunächst von Mons. Pozzo wissen.
„Drei Jahre nach der Veröffentlichung des Motu proprio Summorum Pontificum hat die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei – in Befolgung dessen, was der Heilige Vater damals in seinem Begleitbrief schrieb – über die Nuntiaturen alle Bischöfe gebeten, über ihre Erfahrungen in diesen drei Jahren zu berichten. Gut ein Drittel des Weltepiskopates hat uns eine solche Einschätzung geschickt. Dazu muss man sagen, dass die Antworten zum Großteil aus jenen Diözesen kamen, in denen eine Nachfrage nach der Messe in der außerordentlichen Form besteht. Deshalb ist dieser Rücklauf sehr zufriedenstellend."
Konkret: In welchen Ländern besteht das größte Interesse an der sogenannten Alten Messe?
„Im Moment besteht das größte Interesse und die meiste Nachfrage in Europa, in den Vereinigten Staaten von Amerika und auch in Australien. Viel weniger in Lateinamerika, Afrika und Asien."
Papst Benedikt bat um „Nächstenliebe und pastorale Behutsamkeit" für die traditionalistischen Gläubigen. Die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei ist ja nun eine Art Feuerwache für jene Fälle, in denen das nicht zutrifft. Wo stoßen Sie auf Widerstände? Und mit welcher Begründung?
„Der Ausdruck "wachen" übersetzt das altgriechische „episcopein". Die erste Aufgabe eines Bischofs ist es zu wachen. In diesem Sinn übt die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei das Amt der Beobachtung und des Wachens über die Anwendung des Motu Proprio aus. Sicher bestehen noch Vorurteile und Widerstände gegen die Messe im alten Ritus, sei es aus ideologischen Gründen, sei es, weil die Nachfrage nach der Messe in der alten Form teilweise als Ausdruck einer Antithese, ja einer Opposition zur Liturgiereform gesehen wird, wie das II. Vatikanische Konzil sie wollte. Klarerweise sind diese immer noch verbreiteten Vorurteile zu überwinden und anzufechten. Wir müssen vor allem die Einheit der Liturgiegeschichte wiederherstellen, die Einheit der lex orandi als Ausdruck der Einheit der lex credendi, wenngleich in der Eigenart der liturgischen Formen des einen Römischen Ritus."
Eine Präzisierung: Welche Einwände erheben Pfarrer oder Bischöfe, die die alte Messe nicht schätzen, um die Nachfrage abzublocken?
„Es gibt Bischöfe und Priester, die in der Nachfrage nach dem alten Ritus vor allem das Risiko einer Sehnsucht nach dem Ästhetischen, rein Ornamentalen, Formalistischen sehen. Ich will nicht ausschließen, dass das in manchen Fällen stimmt, aber generell zeigt das doch eine Art Vorurteil. Denn der alte Messritus hat einen tiefen Reichtum, der nicht nur respektiert, sondern auch wiederentdeckt werden muss, zum Vorteil der Liturgie, wie man sie auch heute feiert. Diese Vorurteile und Widerstände müssen durch eine Änderung der forma mentis, der Gesinnung, überwunden werden. Es braucht eine angemessenere liturgische Bildung."
Wie sehen Sie das Interesse für die außerordentliche Form des Römischen Ritus: wachsend, abnehmend, konstant?
„Ich würde sagen: wachsend. Auch weil wir beobachten, dass besonders in den jungen Generationen Interesse an und Zulauf zur alten Form der Messe besteht. Und das ist eine überraschende Neuigkeit."
Können Sie eine Schätzung geben, wie viele Gläubige es beispielsweise in Europa gibt, die konstant an der alten Messe interessiert sind?
„Wirklich zuverlässige Zahlen sind der Kommission nicht bekannt, auch weil sich die Situation sehr vielfältig und weitverzweigt darstellt. Man kann aber etwa sagen, dass in Frankreich die Zahl der Gläubigen, die der alten Form des Römischen Ritus verbunden sind, erheblich größer ist als in Deutschland, Italien oder Spanien. Es ist freilich auch klar, dass ein Werturteil über die außerordentliche Form des Ritus nichts mit Zahlen zu tun hat. Beide Formen sind gleich an Wert und Würde. Die ordentliche Form ist die normale, übliche, verbreitete; die außerordentliche Form ist die spezielle und besondere."
Das Motu proprio spricht nicht über die Ausbildung von Priestern, die das Zelebrieren der Messe nach den alten Büchern erlernen möchten. Viele empfinden das als Lücke, zumal das Feiern der alten Liturgie einer gründlichen Vorbereitung bedarf. Was raten Sie interessierten Priestern?
„Sicherlich ist das Problem des geeigneten Priesters für die Feier des alten Ritus wichtig und dringend. Ich muss sagen: Der Grund, weshalb die Bischöfe oft Schwierigkeiten haben, dem Wunsch nach einer Messe in der alten Form nachzukommen, ist eben der Mangel an geeigneten Priestern, die diese Messe wirklich feiern können. Hier müssen also die betreffenden Gläubigen Verständnis und viel Geduld haben. Ich bin der Ansicht, dass man den Seminaristen in den Priesterseminaren die Möglichkeit bieten sollte, das Zelebrieren auch in der außerordentlichen Form angemessen zu erlernen – nicht als Verpflichtung, sondern als Möglichkeit. Wo es möglich ist, könnte man für die Ausbildung auf die Priester jener Institute zurückgreifen, die unter der Jurisdiktion der Kommission Ecclesia Dei stehen und die traditionelle liturgische Disziplin befolgen. Essentiell ist jedenfalls die liturgische und theologische Ausbildung, weshalb man entschieden die Idee zurückweisen muss, dass es eine vorkonziliare Liturgie in Opposition zu einer postkonziliaren gäbe, oder eine vorkonziliare Ekklesiologie in Opposition zu einer postkonziliaren. Vielmehr gibt es ein Wachstum und eine Vertiefung in der Geschichte des Glaubens und der Liturgie der Kirche, aber immer in Kontinuität und in der wesentlichen Einheit, die niemals verloren gehen oder geschmälert werden kann und darf."
Papst Benedikt wünscht, dass sich die beiden Formen des Römischen Ritus gegenseitig bereichern, allerdings ohne sich zu vermischen. Was kann die alte Liturgie von der neuen „lernen"?
„Zunächst: Im Begleitbrief zum Motu proprio an die Bischöfe erwähnt Papst Benedikt zum einen die Notwendigkeit, den Heiligenkalender zu aktualisieren, also die nach 1962 proklamierten Heiligen einzufügen, und zum anderen einige Präfationen aus dem Messbuch von Paul VI. aufzunehmen, um die Sammlung der Präfationen des Messbuchs von 1962 anzureichern. Die Kommission Ecclesia Dei hat ein Studienverfahren eingesetzt, um dem Willen des Heiligen Vaters nachzukommen. Hier wird man bald, so denke ich, zu einem Vorschlag gelangen, der dem Heiligen Vater in Kürze zur Approbierung vorgelegt wird. Ich glaube man muss auch anerkennen, dass die ordentliche Form des Römischen Ritus eine ausführlichere Lesung der Heiligen Schrift bietet als das Messbuch von 1962. Dennoch ist eine diesbezügliche Änderung des Messbuchs von 1962 nicht einfach, weil man die Beziehung zwischen den einzelnen Schriftlesungen und den Antiphonen oder Responsorien des Römischen Breviers für den betreffenden Tag im Blick haben muss. Es darf aber auch daran erinnert werden, dass unter Papst Pius XII. eine Reihe von ergänzenden Lesungen zur Gemeinschaft der Heiligen hinzugefügt wurde. Daher kann man eine eventuelle Erweiterung auch für die Lesungen der Messe nicht ausschließen. Das heißt aber nicht, dass man als zelebrierender Priester oder als Bischof subjektiv und willkürlich die Abfolge des Lektionars ändern darf oder die beiden Formen mischen kann, sodass die Eigenart beider verloren geht."
Die Alte Messe im Petersdom: Kann man sie heute ohne wenn und aber feiern?
„Mit dem Inkrafttreten des Motu proprio Summorum Pontificum steht die außerordentliche Form der Messe nicht mehr unter Indult, so wie davor, sondern sie ist von den Normen des Motu proprio geregelt. Also werden im Petersdom, so wie in allen anderen Kirchen, die Normen des Motu proprio angewendet."
Das heißt, auch in der Sakristei von Sankt Peter steht alles bereit, um nach dem alten Ritus feiern zu können?
„Ja, soweit mir bekannt ist. In der Tat feiern dort viele Priester morgens die Messe im alten Ritus, auch mit Messdiener."
Wird Papst Benedikt eines Tages eine große Messe in der außerordentlichen Form feiern?
„Ich glaube, die Frage ist dem falschen Adressaten gestellt!"
Zu den Gesprächen des Heiligen Stuhles mit den Lefebvrianern, also der Priesterbruderschaft des Heiligen Pius X. (FSSPX): Können Sie sagen, ob es bisher Fortschritte gab?
„Die Vertraulichkeit ist die Grundvoraussetzung für den Erfolg der Gespräche, die zwischen den Fachleuten der Glaubenskongregation und der FSSPX im Gang sind. Und ich will von diesem Prinzip nicht abweichen. Aber ich kann sagen, dass das Klima der Gespräche positiv ist, konstruktiv und von gegenseitiger Wertschätzung getragen. Bisher zielten die Gespräche darauf ab, die Gründe und Argumente der einen und der anderen Seite bekannt zu machen, um die Basis oder die Wurzel der bestehenden lehramtlichen Schwierigkeiten freizulegen. Diese Wurzel und die letzten Gründe der Schwierigkeiten mit Klarheit zu ergründen, ist aus meiner Sicht ein Fortschritt."
Der Gebrauch der Alten Messe ist seit dem Motu proprio kein Streitpunkt mehr zwischen Heiligem Stuhl und der Priesterbruderschaft. Es bleiben aber viele lehramtliche Differenzen, etwa Religionsfreiheit, Ökumene, der Begriff der Tradition. Welches ist der wirklich harte Punkt?
„Die umstrittenen Punkte sind genau jene, die in der Frage angesprochen sind. Es handelt sich nicht um eine Ablehnung der Autorität des II. Vatikanischen Konzils als solchem oder des nachfolgenden päpstlichen Lehramtes. Vielmehr geht es um einige Feststellungen oder Lehren in den Konzilsdokumenten über Religionsfreiheit, Ökumene, die Beziehungen zu nichtchristlichen Religionen, die Auffassung der Liturgiereform, die Einheit des Lehramts hinsichtlich der Tradition. Allgemein betreffen die Schwierigkeiten der FSSPX die Kontinuität oder gleichmäßige Entwicklung einiger Lehren des Konzils und des nachfolgenden päpstlichen Lehramts im Hinblick auf das gleichbleibende Lehramt der Kirche und der Tradition. Mir scheint nicht, dass die FSSPX prinzipiell die Möglichkeit oder die Legitimität ablehnt, dass es eine Entwicklung oder eine gleichmäßige, kohärente Vertiefung der katholischen Doktrin geben könnte. Was die FSSPX von der Position des Heiligen Stuhles unterscheidet, ist das Urteil in Bezug auf die Kontinuität oder Kohärenz zwischen bestimmten Lehren des II. Vatikanischen Konzils und früheren Aussagen des Lehramtes. Ich denke, die jüngste Äußerung Papst Benedikts über die Hermeneutik der Erneuerung in Kontinuität mit der Tradition und dem gleichbleibenden Lehramt der Kirche stellt ein Basisprinzip für die Lösung des Konflikts dar. Es dreht sich darum, dieses Prinzip auf die einzelnen Fälle und in seiner ganzen Tragweite anzuwenden – mehr als man das bisher getan hat."
Auch die Priester der Gemeinschaften, die der alten Form der Römischen Ritus anhängen, können die Feier nach den neuen Büchern nicht prinzipiell ausschließen, schrieb Papst Benedikt. Wie sieht das die Priesterbruderschaft St. Pius X.?
„Das müsste man die FSSPX fragen. Ich denke, wie ich vorhin sagte, dass auch die Frage der liturgischen Bücher der Reform durch Paul VI. einzuordnen ist in das rechte Verständnis der Liturgiereform und der folgenden korrekten Anwendung. Die Grundfrage, die die FSSPX beantworten muss, ist, ob die ordentliche Form des Römischen Ritus, die Paul VI. promulgiert hat, in sich gültig und legitim ist. Zu diesem Punkt darf es keine Zweifel und kein Zögern geben. Die Antwort muss unzweifelhaft „ja" sein. Auf einem anderen Blatt stehen die Zweideutigkeiten, Mängel und auch doktrinären Fehler, die sich in der Zeit nach dem Konzil verbreitet haben, sei es beim theologische Verständnis, sei es bei der Anwendung der Liturgiereform. Der damalige Kardinal Ratzinger, heute Papst Benedikt, sprach von einem „Zerfall" der Liturgie. Aus diesem Blickwinkel kann man nicht sagen, dass viele vorgebrachte Kritiken im Unrecht wären."
Wenn wir die Frage nach dem Missbrauch der Liturgie im ordentlichen Ritus einmal ausblenden: Die ordentliche Form der Messe, so wie sie beispielsweise Papst Benedikt selbst feiert, muss von allen akzeptiert werden, die der Katholischen Kirche angehören wollen. Also auch von den Lefebvrianern. Ist das der Fall?
„Ich glaube nicht, dass es schon soweit ist. Auch wenn, wie gesagt, das Verständnis der liturgischen Form, wie sie sich in vielen Darstellungen der Liturgiereform findet, in liturgischer Theologie und dann in sehr vielen Anwendungen, die sich als Missbrauch oder als mangelhaft erwiesen, ein objektives Problem darstellt. Wir müssen heute den wahren Sinn und die wahre Bedeutung der Liturgiereform wieder entdecken. Der Papst zelebriert nach dem Messbuch von Paul VI., das ist ein absolut normativer Bezugspunkt. Wir wissen aber, dass es viele Messfeiern gibt, die nicht der wahren Lehre und dem wahren Geist der Liturgiereform und des Messbuchs von Paul VI. entsprechen. Warum ist das geschehen? Warum hat es diese missbräuchliche Verwendung gegeben, diese Mängel, dieses Falschverstehen? Auf diese Frage müssen wir antworten."
Vor kurzem hat Bernard Fellay, der Obere der Piusbruderschaft, Richard Williamson den Ausschluss aus der Bruderschaft angedroht, sollte er sich in seinem Gerichtsprozess in Deutschland weiterhin von einem Anwalt aus der Rechtsextremen-Szene vertreten lassen. Steht die Piusbruderschaft vor der Spaltung?
„Der Fall von Mons. Williamson ist ein Einzelfall, und es obliegt dem Oberen der FSSPX, ihn innerhalb der Bruderschaft zu behandeln, auch mit disziplinären Maßnahmen, wenn es die Umstände erfordern. Über die Positionen von Mons. Williamson hat sich der Heilige Stuhl schon vor Zeiten mit absoluter Klarheit geäußert. Der Heilige Vater hat im Buch „Licht der Welt", das dieser Tage veröffentlich wurde, auch bestätigt, dass der Fall Williamson, soweit er die irrigen Erklärungen bezüglich des Holocaust betrifft, ein Fall für sich ist und vollkommen abgetrennt werden muss von der Frage der Beziehungen zwischen FSSPX und Heiligem Stuhl, die doktrinäre und kirchenrechtliche Probleme betreffen."
Wo sehen Sie das echte Handicap der Lefebvrianer: in der Doktrin oder in der Politik?
„Ich bin überzeugt, dass die Fragen, die die volle Aussöhnung der FSSPX mit dem Heiligen Stuhl verhindern, die Doktrin betreffen. Reflexe oder mögliche ideologisch-politische Implikationen können sich daraus ergeben, aber sie sind kein vorrangiges oder bestimmendes Element der Diskussionen."
Kann die Kommission Ecclesia Dei den Gläubigen dazu raten, bei Priestern der Piusbruderschaft zur Messe zu gehen oder dort die Sakramente zu empfangen, oder rät sie davon ab?
„In seinem Brief an die Bischöfe nach der Aufhebung der Exkommunikation für die vier illegal von Mons. Lefebvre geweihten Bischöfe klärt der Papst, dass die Aufhebung der Exkommunikation, also der schweren disziplinären Strafe, nicht bedeutet, dass die FSSPX bereits kirchenrechtlich anerkannt ist und dass folglich auch die Priester der FSSPX ihr Priesteramt legitim ausüben. Im Licht dieser Ausführungen ist es klar, dass die katholischen Gläubigen dazu angehalten sind, die Teilnahme an der Messe oder am Empfang der Sakramente von einem Priester der Piusbruderschaft zu vermeiden, da sie kirchenrechtlich irregulär sind. Dasselbe gilt für jeden anderen Priester, der sich in einer irregulären kirchenrechtlichen Situation befindet oder ohne Bischof ist."
Können Sie abschätzen, wie lange die Rückkehr der Lefebvrianer zur Katholischen Kirche dauern könnte?
„Wir haben uns kein Datum gesetzt. Wir beten, arbeiten und wirken darauf hin, dass die Wiedereingliederung der FSSPX in die volle kirchliche Gemeinschaft nicht mehr lange Zeit dauert." (rv)

Lombardi: Einige Erläuterungen zu den neuen Normen

Die Erklärung des Pressesprechers des Vatikan, P Federico Lombardi, im Wortlaut:
2001 hatte der Heilige Vater Johannes Paul II. ein Dokument großer Wichtigkeit promulgiert, das Motu Proprio „Sacramentorum Sanctitatis Tutela“, das der Glaubenskongregation die Zuständigkeit gab, im Bereich des Kirchenrechtes über einige besonders schwere Vergehen zu verhandeln und zu richten. Diese Zuständigkeiten waren zuvor anderen Dikasterien zugeordnet oder sie waren nicht vollständig geklärt.
Das Motu Proprio (das „Gesetz“ im strengen Sinn) war begleitet von einer Reihe von Anwendungs- und Verfahrensnormen wie den „Normae de gravioribus delictis.“ Im Verlauf der folgenden neun Jahre hat die Erfahrung natürlich eine Ergänzung und Aktualisierung dieser Normen nahegelegt, so dass sie die Verfahren beschleunigen oder vereinfachen können, um sie wirkungsvoller zu machen, oder um neue Fragen aufzugreifen. Dies wurde vor allem durch die vom Papst vorgenommene Zuteilung der Zuständigkeit an die Glaubenskongregation erreicht, aber sie waren nicht in die ursprünglichen Regeln eingeordnet. Dadurch ist jetzt eine systematische Überprüfung dieser Normen erfolgt.
Die schwerwiegenden Vergehen, auf die sich diese Vorschriften beziehen, sind zentrale Anliegen für das Leben der Kirche, die Sakramente der Eucharistie und der Buße, außerdem auch der sexuelle Missbrauch inderjähriger unter 18 Jahren durch einen Kleriker.
Die große öffentliche Resonanz in den letzten Jahren besonders zu der letzten Art des Vergehens hat große Aufmerksamkeit gefunden und es hat sich eine intensive Debatte über jene Normen und Verfahren entwickelt, die die Kirche für ihre Beurteilung und die Bestrafung anwendet.
Es ist richtig, dass sich hier vollständige Klarheit über die nun geltenden Vorschriften in diesem Bereich findet, und dass eine solche Regelung auf geordnete Weise vorgestellt wird, um so jedem Orientierung zu geben, der mit dieser Materie befasst ist.
Ein erster Beitrag zur Klärung – vor allem für den Gebrauch für die Medien – wurde vor kurzem durch eine Veröffentlichung des ,Leitfadens zum Verständnis der grundlegenden Verfahren der Glaubenskongregation bei Vorwürfen sexuellen Missbrauchs‘ auf der Website des Heiligen Stuhles geleistet. Bei der Veröffentlichung der neuen Normen handelt es sich aber doch um eine ganz neue Angelegenheit, die einen offiziellen und aktualisierten Rechtstext, der für die gesamte Kirche gilt, anbietet.
Um ein Verständnis für die weitere Öffentlichkeit herzustellen, die sich vor allem für die Fragen um den sexuellen Missbrauch interessiert, möchten wir einige relevante Aspekte beleuchten.
Unter den Neuerungen im Vergleich zu früheren Normen sollten vor allem jene unterstrichen werden, die das Verfahren zügiger machen: Zum Beispiel nicht den Verfahrensweg einzuschlagen, sondern per außergerichtlichem Dekret zu handeln, oder dem Heiligen Vater unter bestimmten Umständen besonders
schwerwiegende Fälle mit Blick auf die Entlassung aus dem Klerikerstand direkt vorzulegen.
Eine weitere Vorschrift sieht vor, nicht nur Priester, sondern auch Laien als gerichtliche Mitarbeiter, als Anwälte oder als Staatsanwälte einzubeziehen, um die Fragen zu vereinfachen und die Entwicklungen der
Kirche zu berücksichtigen. Analog dazu ist zur Erfüllung dieser Funktion nicht unbedingt ein Doktorgrad in Kirchenrecht notwendig, sondern die notwendige Kompetenz kann auch in anderer Weise erlangt werden, zum Beispiel mit dem akademischen Titel der Lizenz.
Zu beachten ist auch die Passage über die Verlängerung der Verjährungsfrist von zehn auf zwanzig Jahren, immer mit der Möglichkeit der weiteren Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus.
Bedeutsam ist auch die Gleichstellung von Minderjährigen und Menschen mit geistiger Behinderung, und die Einführung eines neuen Straftatbestandes: der Kinderpornografie. Diese ist wie folgt definiert: „Der Erwerb, der Besitz oder die Weitergabe“ durch einen Kleriker „in irgend einer Weise oder durch irgendwelche Mittel, von pornografischen Bildern von Kindern unter 14 Jahren.“ Es werden außerdem die Vorschriften über die Vertraulichkeit des Verfahrens wiederholt, zum Schutz der Würde aller Beteiligten.
Ein Punkt, der nicht berührt wird, aber zur Zeit viel diskutiert wird, ist die Zusammenarbeit mit den zivilen Behörden. Es muss daran erinnert werden, dass diese heute veröffentlichten Regeln Teil des kirchlichen Strafrechts sind, in sich abgeschlossen und vollständig vom zivilen getrennt. In diesem
Zusammenhang kann jedoch darauf hingewiesen werden, was in dem bereits erwähnten “ Leitfaden zum Verständnis der Verfahren …“steht, der auf der Website des Heiligen Stuhls veröffentlich ist. In diesem Leitfaden findet sich die Aussage: „Es sind immer die Vorschriften des bürgerlichen Rechts
über die Verweisung von Straftaten an die Behörden einzuhalten“. Er findet sich im Abschnitt über die „vorbereitenden Maßnahmen“.
Dies bedeutet, dass es in dem von der Glaubenskongregation vorgeschlagenen Verfahren nötig ist, den Anordnungen der gültigen Gesetze in den verschiedenen Ländern zu folgen, und nicht dem Ablauf des kanonischen Verfahrens oder diesem erst im Nachhinein.
Die heutige Veröffentlichung der Normen leistet einen großen Beitrag zur Klarheit und zur Rechtssicherheit in einem Feld, in dem die Kirche sich stark verpflichtet sieht, mit Strenge und Transparenz vorzugehen, um damit
völlig den gerechten Erwartungen des Schutzes der moralischen Kohärenz und der biblischen Heiligkeit zu entsprechen, die die Gläubigen und die öffentliche Meinung auf sie richtet, und die der Heilige Vater immer wieder bekräftigt hat.
Selbstverständlich gibt es noch viele weitere Maßnahmen und Initiativen von Seiten verschiedener kirchlicher Stellen.
Was die Glaubenskongregation angeht, untersucht sie im Augenblick, wie allen Bischöfen dabei zu helfen ist, wie sie in den Situationen und in den Fragestellungen, in denen sie tätig sind, kohärente und wirkungsvolle
Vorschriften und Maßnahmen zu formulieren und entwickeln, um dem Problem des Missbrauchs Minderjähriger durch Kleriker oder im Umfeld der Aktivitäten oder Institutionen der Kirche zu begegnen.
Dies wird ein weiter entscheidender Schritt auf dem Weg sein, dass die Kirche die Früchte der Lehren und der reifen Reflexion aus der schmerzhaften Geschichte dieser dem sexuellen Missbrauch durch Kleriker geschuldeten Krise in dauerhafte Praxis und ständiges Bewusstsein umsetzt.
Um diesen kurzen Überblick über die wichtigsten Neuerungen der Normen abzuschließen, ist es hilfreich, auch auf diejenigen Vorschriften kurz einzugehen, die Vergehen anderer Natur behandeln. Auch diese sind der
Substanz nach nicht wirklich neu, da es sich um die Einbeziehungen bereits in Kraft stehender Rechtsvorschriften handelt, um so eine geordnete und strukturierte Rechtsordnung über die „schwersten Vergehen“ zu erhalten, die der Glaubenskongregation vorbehalten sind.
Genauer gesagt wurden einbezogen: die Verbrechen gegen den Glauben (Häresie, Schisma und Apostasie), für die normalerweise die Ordinarien zuständig sind, für die die Kongregation aber als Berufungsinstanz zuständig ist; die Aufnahme und Veröffentlichung der sakramentalen Beichte aus böser Absicht, über das bereits 1988 ein Dekret der Verurteilung ausgestellt wurde, und über die versuchte Weihe. (rv)

Vatikan: Für einen Abend an seine frühere Wirkungsstätte zurückgekehrt

Papst Benedikt XVI. hat am Freitagabend die Glaubenskongregation besucht. Anlass war die Segnung der jüngst restaurierten Kapelle in dem Dienstgebäude auf der anderen Seite des Petersplatzes. Außerdem ließ sich Benedikt XVI. die Büroräume der Kommission „Ecclesia Die" zeigen, die für die Belange von Traditionalisten und Gespräche mit der Piusbruderschaft zuständig ist. Der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal William Joseph Levada, führte den Papst auch durch das neu gestaltete Archiv. Zum Abschluss traf das Kirchenoberhaupt mit den Mitarbeitern der Behörde zusammen. (rv)

Vatikan: Neue Apologetik

Die katholische Kirche benötigt eine neue Apologetik. Das sagt am Donnerstag der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal William Levada, an einem Kongress in Rom. Die Apologetik ist die Verteidigung und Begründung des Katholischen Glaubens. Diese neue Einstellung müsse im 21. Jahrhundert vor allem einen Schwerpunkt auf die Schönheit der Schöpfung legen, so Levada. Es gehe nun darum, dass sich die katholische Kirche noch stärker als bisher der Bewahrung der Schöpfung ausrichte. Damit verbunden sei auch die Förderung von Frieden und Gerechtigkeit unter den Menschen. (rv)

Vatikan: Beratungen über Legionäre Christi

Fünf Bischöfe stellen am Freitag im Vatikan ihre Überlegungen zur Zukunft der „Legionäre Christi" vor. Das bestätigte der Vatikan an diesem Mittwoch. Die Bischöfe waren vom Papst mit einer Apostolischen Visitation der Gemeinschaft beauftragt worden. Grund waren schwere Vorwürfe gegen den inzwischen verstorbenen Gründer der „Legionäre", den Mexikaner Macial Maciel Delgado; dieser soll ein Doppelleben geführt sowie Kinder und Seminaristen sexuell missbraucht haben. Nach den Beratungen vom Freitag will der Vatikan ein Statement veröffentlichen; mit einer schnellen Entscheidung über die Zukunft der Gemeinschaft ist aber nicht zu rechnen. Erst wird der Papst über die Berichte der fünf Bischöfe nachdenken. – Derweil ist ein Dokument der vatikanischen Glaubenskongregation von 2007 bekannt geworden. In dem Schreiben teilt die Behörde der Kongregation für Heiligsprechungen mit, dass Papst Johannes Paul II. offenbar nicht umfassend über die Vorwürfe gegen Macial Maciel informiert gewesen sei. Es habe jedoch einige an den Papst gerichtete Briefe mit Anschuldigungen gegen den mexikanischen Ordensgründer gegeben. Ob diese das Kirchenoberhaupt erreichten, geht aus dem Schreiben der Glaubenskongregation nicht hervor. (rv)

Kardinal Levada: „Höheren Maßstab an uns selbst anlegen“

Der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation verteidigt den Umgang der Kirche mit Missbrauchsfällen. In einem Interview mit dem US-Fernsehen meinte Kardinal William Joseph Levada, es würde ihn nicht überraschen, wenn noch mehr Bischöfe weltweit wegen dieses Themas um ihren Rücktritt bäten. Bei der Auswahl von Bischöfen gebe es jetzt angesichts der Krise zwar „keinen neuen Standard, aber der bisherige wird vielleicht noch rigoroser angewandt als in der Vergangenheit."
„Es ist eine große Krise: Niemand sollte versuchen, sie herunterzureden. Sie ist meiner Ansicht nach besonders schwer, weil Priester eigentlich gute Hirten sein sollten – und sie werden zum genauen Gegenteil, wenn sie Kinder missbrauchen und ihre Unschuld verletzen. Der Ausbruch dieser Krise hat die meisten von uns wohl überrascht; ein Bischof sagte mir: Das ist eigentlich nicht der Verein, dem ich beigetreten bin… Doch der Papst scheint mir der richtige Mann, um die Kirche in diesem Moment zu führen."
Der Amerikaner Levada kann sich noch gut an die Missbrauchsskandale in der US-Kirche zu Beginn des Jahrhunderts erinnern. Trotzdem ist die jetzige Krise für ihn kein déja-vu.
„Bei der derzeitigen medialen Spannung spielen zwei Elemente eine Rolle: Zum einen die Lage in Irland, wo der Bericht über das Erzbistum Dublin über Irland hinaus viel Entsetzen ausgelöst hat. Und zweitens will ich doch offen sagen: Es gibt zwar keine Verschwörung der Medien oder etwas in der Art, aber ich denke doch, dass die US-Medien sich zu sehr auf den Versuch eingelassen haben, den Papst irgendwie in die Sache hineinzuziehen, sogar in Gerichtsprozesse… Das ist zwar zum Scheitern verurteilt, aber es hat doch einen Teil der Medienberichterstattung bestimmt… Die Medien wollen natürlich eine gute Story – aber ich glaube, nach vernünftigen Maßstäben haben sie nicht unbedingt ein ausgeglichenes Bild gezeichnet, ein Bild mit Kontext."
Der Kardinal, der nur sehr selten Interviews gibt, nennt auch ein Beispiel, was für ihn zu einem „Bild mit Kontext" gehört:
„Ich habe in den Berichten nicht viel davon wiedergefunden, was die US-Kirche getan hat. Die Bischöfe haben 2002 – durchaus unter Druck der Medien, das ist richtig – sehr konkret gehandelt. Wenn Sie die Erziehungsprogramme für Eltern, für Kinder sehen, die ausgearbeitet wurden – auch für alle Kirchenmitarbeiter, für Priester und Lehrer –, das ist eine wirkliche Erfolgsstory! Das kann ein Modell sein für öffentliche Schulen oder Pfadfinder, auch wenn die in Sachen Missbrauch bei weitem nicht so unter Medienbeobachtung stehen wie die Kirche – das ist sicher ein Aspekt."
Dass die Medien die Kirche so genau beobachten, kann Levada aber irgendwie auch verstehen.
„Wir sollten einen höheren Maßstab an uns selbst anlegen. Ich glaube, die Gründe für die Missbrauchsfälle gehen zurück auf Änderungen in der Gesellschaft, auf die die Kirche und Priester nicht vorbereitet waren. Etwa: Wie kann man in Zeiten der sexuellen Revolution zölibatär leben? Das ist einer der Gründe, würde ich sagen."
Frage an Kardinal Levada: Hat die Kirche in der Vergangenheit Missbrauchsfälle vertuscht?
„Ich glaube, da darf man einen Aspekt nicht vergessen, der die Kirche betrifft, aber auch die ganze Gesellschaft: dass das nämlich ein Lernprozess war. Und dieser Prozess ist auch noch nicht zu Ende! Ich wurde 1993 zum Bischof ernannt; in dieser Zeit hatte ich noch nie auch nur von einem Fall gehört, in dem ein Priester ein Kind missbraucht hätte. Dabei fand das hinter verschlossenen Türen längst statt, wie wir heute wissen – keiner meldete das. Wir haben viel Zeit gebraucht, zu verstehen, wie man damit umzugehen hat. Und Zeit, zu verstehen, wieviel Schaden durch diese Taten den Opfern, den Kindern, angetan wird… Wenn man zum ersten Mal von so einem Fall hört, dann denkt man: Das ist ein Einzelfall, dann realisiert man nicht, dass da alle sechs Monate neue Fälle gemeldet werden. Das mussten wir erst lernen, und auch, wie man damit effektiver umgeht."
Zu den Angriffen auf Papst Benedikt für den Umgang mit Missbrauchsfällen hat sich Levada vor einem Monat schon ausführlich geäußert – schließlich war der jetzige Papst an der Spitze der Glaubenskongregation sein Vorgänger.
„Diese Kritik war im wesentlichen unfair; die Fälle lagen alle Jahrzehnte zurück, es ging nicht um aktuelle Fälle… ich glaube nicht, dass der Papst in diesen Fällen zu Recht kritisiert werden kann."
Italienische Medien spekulieren in den letzten Tagen über ein öffentliches Mea Culpa des Papstes – etwa zum Abschluss des Priesterjahres im Juni. Levada dazu:
„Ich bin kein guter Prophet – er ist der Papst, ich leite diese Behörde. Ich sage ihm, was ich mache, aber er sagt mir nicht, was er plant. Wir müssen abwarten, was er tun wird… aber ich wäre nicht überrascht." (rv)

Der Vatikan hat Stellung bezogen zu einem auf Medienresonanz gestoßenen Brief von Kardinal Dario Castrillon Hoyos

Das Dokument bestätige, wie sehr es notwenig sei, die Behandlung von Missbrauchsfällen zu bündeln. Das betonte Vatikan-Sprecher, Federico Lombardi, am Donnerstagabend. Kindesmisshandlungen innerhalb der Kirche sollten unter die Kompetenz der Glaubenskongregation fallen. Das sei eine rigorose und folgerichtige Maßnahme, so Lombardi weiter. Zudem habe Papst Johannes Paul II. mit seinen 2001 vorgelegten Dokumenten die entsprechenden Voraussetzungen dafür geschaffen. – Die kirchenkritische Zeitung „Golias“ hatte auf ihrer Internetseite das Faksimile eines Briefs des früheren Kurienkardinals Castrillon Hoyos an den damaligen Bischof von Bayeux, Pierre Pican, wiedergegeben. In dem Schreiben vom 8. September 2001 heißt es demnach wörtlich: „Ich beglückwünsche Sie dazu, einen Priester nicht bei der zivilen Verwaltung denunziert zu haben“ Pican hatte Fälle von Kindesmisshandlung durch einen Priester seiner Diözese nicht der Polizei gemeldet und wurde deswegen von einem Gericht in Caen zu drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. (rv)

Vatikan/USA: „Kardinal Ratzinger hatte richtig gehandelt“

Der Anwalt des Heiligen Stuhls in den USA hat einen Bericht der Agentur associated press zurückgewiesen. Am Freitag behauptete ap, Papst Benedikt XVI. habe in seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation in den 80er Jahren viel Zeit verstreichen lassen, als ihm die Entlassung eines katholischen Priesters wegen mehrerer Missbrauchsfälle an Kindern angetragen wurde. Dabei verwies die Nachrichtenagentur auf Dokumenten aus dem Vatikan hin. Darin ersuchte der Bischof von Oakland, John Cummins, den Vatikan im Juni 1981 erstmals, den Priester Stephen Kiesle aus dem Kirchendienst zu entlassen.

Der US-Anwalt des Heiligen Stuhls, Jeffrey Lena, konnte nicht feststellen, ob es sich bei den veröffentlichten Dokumenten um echte Vatikanpapiere handelt. Der Anwalt verweist aber darauf, dass auch in den von ap veröffentlichten Schreiben kein Hinweis nachzulesen sei, dass der damalige Präfekt der Glaubenskongregation dem Wunsch des Bischofs von Oakland nicht stattgegeben habe. Cummins kam in dem Schreiben vom Februar 1982, das an Kardinal Joseph Ratzinger gerichtet war, auf den Fall Kiesle zurück und beharrte darauf, dass der Geistliche entlassen werden müsse. Kiesle wurde dann zwei weitere Jahre später aus dem Kirchendienst entlassen.

Der Vatikan wies diese neuen Vorwürfe gegen den Papst zurück. Kardinal Ratzinger hat den Fall Stephen Kiesle aus Kalifornien nicht gedeckt. Vielmehr habe der heutige Papst, wie auch aus dem Briefwechsel klar ersichtlich sei, „einzig darum gebeten, die Sache gründlicher zu untersuchen zum Wohl aller Beteiligten.“ Das sagte der Vizepressesprecher des Vatikans, P. Ciro Benedettini. (rv)

Lombardi: Aufarbeitung im Fall Teta sauber und eindeutig

Vatikansprecher Federico Lombardi hat die Berichterstattung zum so genannten „Fall Teta“ als irreführend und abwegig bezeichnet. In einem an diesem Samstag veröffentlichten Statement widerspricht der Papstsprecher Behauptungen, die Kongregation für die Glaubenslehre habe die schwerwiegenden Sexualvergehen des US-amerikanischen Priesters während der 70er Jahre in der Diözese Tuscon zurückliegend nicht ausreichend aufgearbeitet und geahndet. Im Umgang mit den Vergehen, die 1990 bekannt geworden waren, habe man sich von Beginn an entschlossen um Klarheit bemüht, so Lombardi. 1990 sei Teta umgehend von seinem priesterlichen Dienst suspendiert worden. Zu diesem Zeitpunkt habe die Zuständigkeit bei der Diözese gelegen, stellt der Vatikansprecher klar. Nach einer Änderung des kanonischen Rechts sei die Glaubenskongregation von 2001 an mit dem Fall betraut gewesen und habe ihn aufgearbeitet. Die Protokolle der zuständigen Mitarbeiter der Kongregation belegten dies ebenso wie die jüngste Stellungnahme des Bischofs von Tuscon, die auch entsprechende Schreiben der Glaubenskongregation dokumentiere. (rv)