Bosnien: 30 Jahre Medjugorje

Seit 30 Jahren pilgern Menschen nach Medjugorje in Bosnien, wo ununterbrochen seit 24. Juni 1981 die Jungfrau Maria erscheinen soll. Viele sprechen von einer starken spirituellen Erfahrung. Die katholische Kirche hat Medjugorje bisher nicht anerkannt.

Im März vergangenen Jahres setzte die vatikanische Glaubenskongregation, die für derartige Fälle zuständig ist, eine internationale Untersuchungskommission für Medjugorje ein. Geleitet wird sie von Kardinal Camillo Ruini. Dieser sagte vor wenigen Tagen, man sei noch weit von einer Anerkennung von Medjugorje entfernt. Ruini wollte sich aber aufgrund seiner Verschwiegenheitspflicht nicht näher äußern. Der Kommission gehören 13 Kardinäle, Bischöfe und Sachverständige an. Nicht unter ihnen ist der Bischof von Mostar, Ratko Peric, in dessen Diözese Medjugorje liegt. Peric steht den Erscheinungen seit jeher skeptisch gegenüber.

In Medjugorje soll seit dem 24. Juni 1981 Maria erscheinen. Sechs Kinder berichteten damals, die Gottesmutter habe sich ihnen gezeigt, während sie Schafe hüteten. Die Erscheinungen dauern nach Angaben der inzwischen erwachsenen Seherinnen und Seher weiter an. Jedes Jahr pilgern Hunderttausende Menschen nach Medjugorje, unter ihnen viele Kranke und Heilsuchende. Um die Pilgerseelsorge gibt es gelegentlich einen Kompetenzstreit zwischen Franziskanern, ehemaligen Franziskanern, charismatischen Gruppen und dem Ortsbischof.

1991 verbot das Episkopat von Bosnien-Herzegowina offizielle Pilgerfahrten nach Medjugorje, tolerierte aber private. Sieben Jahre später erlaubte auch die Glaubenskongregation, damals geleitet von Kardinal Joseph Ratzinger, private Pilgerreisen an den bosnischen Wallfahrtsort. Allerdings fügte sie einschränkend hinzu, dies sie nicht gleichsam als Anerkennung unter der Hand zu verstehen. Die Vorkommnisse in Medjugorje bedürften noch der Untersuchung.

Im Juli 2009 unterzeichnete Papst Benedikt ein Dekret, mit dem er den früheren spirituellen Begleiter der Seher von Medjugorje, Tomislav Vlasic, in den Laienstand versetzte. Die Glaubenskongregation warf dem Franziskanerpater unter anderem „Verbreitung zweifelhafter Lehren, Manipulation der Gewissen, verdächtigen Mystizismus, Ungehorsam gegenüber Weisungen, die ihm zu Recht auferlegt wurden" und Beschuldigungen gegen das sechste Gebot vor.

Wie die französische katholische Tageszeitung „La Croix" berichtet, kam der Fall Medjugorje durch den Erzbischof von Wien seit 2009 wieder in Schwung. Kardinal Christoph Schönborn lud am 23. September 2009 in den Wiener Stephansdom zwei der „Seher" von Medjugorje ein. Nachdem sie vor hunderten Gläubigen gesprochen hatten, bedankte sich Schönborn für ihre in all diesen Jahren geleisteten Dienste. Ende Dezember 2009 pilgerte der Kardinal selbst an den bosnischen Wallfahrtsort, „privat", wie es hieß. Beim Diözesanbischof Peric löste der Besuch des Kardinals Unverständnis aus. Wenige Wochen später, nach einem Besuch bei Papst Benedikt, wie „la Croix" schreibt, entschuldigte sich Kardinal Schönborn schriftlich bei Bischof Peric.

Marienerscheinungen werden seit dem 18. Jahrhundert zu den „Privatoffenbarungen" gezählt. Diese gehören laut Katechismus nicht zum Glaubensgut. Sie werfen große theologische Probleme auf, da Gottes Offenbarung nach klassischer Lehre mit dem Tod des letzten Apostels an ihr Ende gekommen ist. Das kirchliche Lehramt trennt daher scharf zwischen Offenbarung und Privatoffenbarungen. Letztere können nach katholischer Lehre die ursprüngliche Offenbarung nur in Erinnerung rufen, erklären oder aktualisieren. (rv)