Vatikan plant auch vor nächster Synode eine Umfrage

bischofssynode-2018Auch diesmal will der Vatikan vor der nächsten Bischofssynode wieder eine Umfrage durchführen. Was mit dem Fragebogen beim synodalen Prozess zu Ehe und Familie vor zwei Jahren begonnen hat, wird damit zu einem Teil des Vorgehens bei Bischofssynoden. Das Synodensekretariat kündigte am Mittwoch an, ein Fragebogen zum nächsten Synodenthema, der Jugendpastoral, werde bald zusammen mit einem gerade erstellten Vorbereitungsdokument an Bischofskonferenzen und kirchliche Einrichtungen verschickt. (rv)

Papstschreiben zum Ende des Hl. Jahres – der volle Wortlaut

cna_franziskus2Papst Franziskus: Apostolisches Schreiben Misericordia et misera zum Abschluss des Außerordentlichen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit

FRANZISKUS

erbittet allen Lesern dieses Apostolischen Schreibens Barmherzigkeit und Frieden

Misericordia et misera – die Barmherzigkeit und die Erbärmliche, das sind die beiden Worte, die der heilige Augustinus gebraucht, um die Begegnung zwischen Jesus und der Ehebrecherin zu beschreiben (vgl. Joh 8,1-11). Eine schönere und schlüssigere Formulierung als diese konnte er nicht finden, um das Geheimnis der Liebe Gottes verständlich zu machen, wenn diese dem Sünder begegnet: » Es blieben nur zwei: die Erbärmliche und die Barmherzigkeit. «[1] Wie viel Erbarmen und göttliche Gerechtigkeit liegt in dieser Erzählung! Ihre Lehre wirft ein Licht auf den Abschluss des Außerordentlichen Jubiläums der Barmherzigkeit und zeigt zugleich den Weg auf, den wir in Zukunft gehen sollen.

1. Dieser Abschnitt aus dem Evangelium kann zu Recht als Bild dessen übernommen werden, was wir im Heiligen Jahr, einer Zeit reich an Erbarmen, gefeiert haben. Und dieses Erbarmen verlangt, weiter in unseren Gemeinschaften gefeiert und gelebt zu werden. Die Barmherzigkeit kann nämlich im Leben der Kirche nicht ein bloßer Einschub sein, sondern sie ist ihr eigentliches Leben, das die tiefe Wahrheit des Evangeliums deutlich und greifbar werden lässt. Alles wird in der Barmherzigkeit offenbart; alles wird in der barmherzigen Liebe des Vaters gelöst.

Eine Frau und Jesus begegnen einander. Sie, eine Ehebrecherin und nach dem Gesetz zur Steinigung verurteilt; er, der mit seiner Verkündigung und seiner Ganzhingabe, die ihn ans Kreuz bringen sollte, das Gesetz des Mose auf seine echte ursprüngliche Absicht zurückgeführt hat. Im Mittelpunkt stehen nicht das Gesetz und die legale Gerechtigkeit, sondern die Liebe Gottes. Sie versteht, im Herzen eines jeden Menschen zu lesen, um seine verborgenste Sehnsucht zu erfassen, und muss vor allem den Vorrang haben. In dieser Erzählung des Evangeliums begegnen sich jedoch nicht abstrakt Sünde und Urteil, sondern eine Sünderin und der Heiland. Jesus hat dieser Frau in die Augen geschaut und in ihrem Herzen gelesen: Dort hat er die Sehnsucht entdeckt, Verständnis, Vergebung und Befreiung zu erlangen. Die Erbärmlichkeit der Sünde ist von der Erbarmung der Liebe überkleidet worden. Kein Urteil von Seiten Jesu, das nicht von Erbarmen und Mitleid mit der Lage der Sünderin geprägt wäre. Denen, die sie richten und zum Tode verurteilen wollten, antwortet Jesus mit einem langen Schweigen, das die Stimme Gottes in den Herzen sowohl der Frau als auch ihrer Ankläger durchklingen lassen will. Letztere lassen die Steine fallen, die sie in Händen halten, und gehen einer nach dem anderen weg (vgl. Joh 8,9). Und nach jenem Schweigen sagt Jesus: » Frau, wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt? […] Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr! « (V.10-11). Auf diese Weise hilft er ihr, voll Hoffnung in die Zukunft zu schauen und bereit zu sein, ihr Leben neu zu beginnen; von jetzt an kann sie, wenn sie will, „in der Liebe wandeln“ (vgl. Eph 5,2). Wenn man erst einmal von der Barmherzigkeit überkleidet worden ist, dann ist der Zustand der Schwachheit aufgrund der Sünde, auch wenn er fortbesteht, übertroffen von der Liebe, die erlaubt, darüber hinauszusehen und anders zu leben.

2. Jesus hatte das im Übrigen in aller Deutlichkeit gelehrt, als er von einem Pharisäer zum Essen eingeladen war und eine Frau an ihn herantrat, die allen als Sünderin bekannt war (vgl. Lk 7,36-50). Sie hatte Jesu Füße mit wohlriechendem Öl gesalbt, sie mit ihren Tränen benetzt und mit ihrem Haar getrocknet (vgl. V. 37-38). Als der Pharisäer schockiert reagierte, antwortete Jesus: » Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie (mir) so viel Liebe gezeigt hat. Wem aber nur wenig vergeben wird, der zeigt auch nur wenig Liebe « (V. 47).

Die Vergebung ist das sichtbarste Zeichen der Liebe des Vaters, die Jesus in seinem ganzen Leben offenbaren wollte. Es gibt keine Stelle im Evangelium, die aus diesem Imperativ der Liebe, die bis zur Vergebung reicht, ausgeklammert werden könnte. Sogar im letzten Moment seines Erdenlebens, als er ans Kreuz geschlagen wird, hat Jesus noch Worte der Vergebung: » Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun « (Lk 23,34).

Nichts, was ein reumütiger Sünder vor die Barmherzigkeit Gottes trägt, kann ohne die Umarmung seiner Vergebung bleiben. Das ist der Grund, warum niemand von uns der Barmherzigkeit Bedingungen stellen kann; sie bleibt immer ein Akt der Unentgeltlichkeit des himmlischen Vaters, eine bedingungslose und unverdiente Liebe. Wir dürfen daher nicht Gefahr laufen, uns der völligen Freiheit der Liebe entgegenzustellen, mit der Gott in das Leben jedes Menschen eintritt.

Die Erbarmung ist diese konkrete Handlung der Liebe, die das Leben verwandelt und ändert, indem sie verzeiht. Das ist die Weise, wie sich ihr göttliches Geheimnis zeigt. Gott ist barmherzig (vgl. Ex 34,6), sein Erbarmen währt ewig (vgl. Ps 136), von Generation zu Generation umarmt er jede Person, die auf ihn vertraut, und verwandelt sie, indem er ihr sein eigenes Leben schenkt.

3. Wie viel Freude ist im Herzen dieser beiden Frauen, der Ehebrecherin und der Sünderin, erweckt worden! Die Vergebung hat ihnen endlich das Gefühl vermittelt, frei und glücklich zu sein wie nie zuvor. Die Tränen der Scham und des Schmerzes haben sich in das Lächeln derer verwandelt, die wissen, dass sie geliebt werden. Die Barmherzigkeit erweckt Freude, weil sich das Herz der Hoffnung auf ein neues Leben öffnet. Die Freude über die Vergebung ist unbeschreiblich, leuchtet in uns aber jedes Mal auf, wenn wir Vergebung erfahren. Ihr Ursprung ist die Liebe, mit der Gott auf uns zukommt und den Kreis des Egoismus durchbricht, der uns umgibt, um uns unsererseits zu Werkzeugen der Barmherzigkeit zu machen.

Wie bedeutsam sind auch für uns die alten Worte, die die ersten Christen leiteten: » Ergib dich also der Fröhlichkeit, die allezeit Gnade findet bei Gott und ihm wohlgefällig ist, und lass dir’s in ihr wohl sein! Denn jeder fröhliche Mann tut Gutes, sinnt auf Gutes und verachtet die Traurigkeit […] Alle werden Leben haben bei Gott, die der Traurigkeit absagen und sich allein der Fröhlichkeit ergeben. « [2] Erbarmen zu erfahren, schenkt Freude. Lassen wir sie uns nicht nehmen durch die verschiedenen Betrübnisse und Sorgen. Möge sie fest in unserem Herzen verwurzelt bleiben und uns immer mit frohem Gleichmut auf das Alltagsleben blicken lassen.

In einer oft von der Technik beherrschten Kultur scheinen sich die Formen von Traurigkeit und Einsamkeit zu vervielfältigen, in die die Menschen – und sogar viele Jugendliche – fallen. Tatsächlich scheint die Zukunft eine Geisel der Unsicherheit zu sein, die keine Beständigkeit gewährt. Auf diese Weise kommen oft Gefühle von Schwermut, Traurigkeit und Verdruss auf, die allmählich in die Verzweiflung führen können. Es braucht Zeugen der Hoffnung und der echten Freude, um die Trugbilder zu verscheuchen, die ein müheloses Glück mit künstlichen Paradiesen versprechen. Die tiefe Leere so vieler kann durch die Hoffnung, die wir im Herzen tragen, und durch die Freude, die daraus hervorgeht, aufgefüllt werden. Es ist so notwendig, die Freude kennenzulernen, die sich in dem vom Erbarmen berührten Herzen offenbart. Beherzigen wir also die Worte des Apostels: » Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! « (Phil 4,4; vgl. 1 Thess 5,16).

4. Wir haben ein intensives Jahr begangen, in dem uns die Gnade der Barmherzigkeit reichlich geschenkt worden ist. Wie ein heftiger und heilsamer Wind wehten die Güte und das Erbarmen des Herrn über die ganze Erde hin. Und angesichts dieses liebevollen Blickes Gottes, der so anhaltend lange auf jeden von uns gerichtet war, kann man nicht gleichgültig bleiben, denn er verändert das Leben.

Wir haben vor allem das Bedürfnis, dem Herrn zu danken und ihm zu sagen: » Du hast, o Herr, dein Land begnadet […] hast deinem Volk die Schuld vergeben « (Ps 85,2-3). Genau das ist geschehen: Gott hat unsere Schuld zertreten und unsere Sünden in die Tiefe des Meeres hinabgeworfen (vgl. Mi 7,19); er erinnert sich nicht mehr an sie, er hat sie hinter seinen Rücken geworfen (vgl. Jes 38,17); so weit der Aufgang entfernt ist vom Untergang, so weit sind unsere Sünden von ihm entfernt (vgl. Ps 103,12).

In diesem Heiligen Jahr hat die Kirche verstanden zuzuhören, und sie hat ganz intensiv die Gegenwart und Nähe des Vaters erfahren, der ihr durch das Wirken des Heiligen Geistes das Geschenk und den Auftrag Jesu Christi in Bezug auf die Vergebung verdeutlicht hat. Es ist wirklich ein neuer Besuch des Herrn in unserer Mitte gewesen. Wir haben gespürt, wie sein Lebensatem die Kirche anhauchte und seine Worte noch einmal auf die Sendung hinwiesen: » Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert « (Joh 20,22-23).

5. Jetzt, da dieses Jubiläum abgeschlossen ist, wird es Zeit, nach vorne zu schauen und zu begreifen, wie auch weiterhin in Treue, Freude und Begeisterung der Reichtum der göttlichen Barmherzigkeit zu erfahren ist. Unsere Gemeinschaften werden im Werk der Neuevangelisierung in dem Maß lebendig und dynamisch bleiben können, wie die „pastorale Umkehr“, die zu leben wir aufgerufen sind,[3] täglich von der erneuernden Kraft der Barmherzigkeit geprägt sein wird. Schränken wir ihr Handeln nicht ein; betrüben wir nicht den Heiligen Geist, der immer neue Wege aufzeigt, die zu beschreiten sind, um allen das heilbringende Evangelium zu vermitteln.

An erster Stelle sind wir aufgerufen, die Barmherzigkeit zu feiern. Wie viel Reichtum ist im Gebet der Kirche enthalten, wenn sie Gott als barmherzigen Vater anruft! In der Liturgie wird das Erbarmen nicht nur wiederholt ins Gedächtnis gerufen, sondern wirklich empfangen und erlebt. Vom Anfang bis zum Ende der Eucharistiefeier kommt die Barmherzigkeit immer wieder vor im Dialog zwischen der betenden Gemeinde und dem Herzen des Vaters, der sich freut, wenn er seine erbarmungsvolle Liebe ausgießen kann. Nach der anfänglichen Vergebungsbitte mit dem Ruf » Herr, erbarme dich! « werden wir umgehend beruhigt: » Der allmächtige Gott erbarme sich unser, er lasse uns die Sünden nach und führe uns zum ewigen Leben. « Das ist die Zuversicht, in der sich die Gemeinde in der Gegenwart des Herrn versammelt, besonders am heiligen Tag der Auferstehung. Viele Tagesgebete haben den Sinn, an das große Geschenk der Barmherzigkeit zu erinnern. So beten wir zum Beispiel in der Fastenzeit: » Gott, unser Vater, du bist der Quell des Erbarmens und der Güte, wir stehen als Sünder vor dir und unser Gewissen klagt uns an. Sieh auf unsere Not und lass uns Vergebung finden durch Fasten, Gebet und Werke der Liebe. «[4] Dann vertiefen wir uns in das große Eucharistische Hochgebet mit der Präfation, die sagt: » So sehr hast du [in deinem Erbarmen] die Welt geliebt, dass du deinen Sohn als Erlöser gesandt hast. Er ist uns Menschen gleich geworden in allem, außer der Sünde…«[5] Das vierte Hochgebet ist zudem ein Hymnus auf die Barmherzigkeit Gottes: » Voll Erbarmen [hast du] allen geholfen, dich zu suchen und zu finden. « » Erbarme dich über uns alle «[6], ist die dringliche Bitte, die der Priester im Hochgebet vorbringt, um die Teilhabe am ewigen Leben zu erflehen. Nach dem Vaterunser setzt er das Gebet mit der Bitte um Frieden und um Bewahrung vor der Sünde fort und fügt hinzu: » Komm uns zu Hilfe mit deinem Erbarmen. « Und vor dem Friedensgruß, der als Ausdruck der Geschwisterlichkeit und der gegenseitigen Liebe im Licht der empfangenen Vergebung ausgetauscht wird, betet der Priester von neuem: » Schau nicht auf unsere Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche. «[7] Mit diesen Worten erbitten wir in demütigem Vertrauen die Gabe der Einheit und des Friedens für die heilige Mutter Kirche. Die Feier der göttlichen Barmherzigkeit findet ihren Höhepunkt im eucharistischen Opfer, dem Gedächtnis des Ostergeheimnisses Christi, aus dem das Heil für jeden Menschen, für die Geschichte und für die ganze Welt hervorgeht. So nimmt also jeder Moment der Eucharistiefeier auf das Erbarmen Gottes Bezug.

Im gesamten sakramentalen Leben wird uns die Barmherzigkeit reichlich geschenkt. Es ist durchaus nicht bedeutungslos, dass die Kirche in der Formulierung der beiden Sakramente der „Heilung“, also der Versöhnung und der Krankensalbung, einen ausdrücklichen Verweis auf die Barmherzigkeit machen wollte. In der Absolutionsformel heißt es: » Gott, der barmherzige Vater, hat durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes die Welt mit sich versöhnt und den Heiligen Geist gesandt zur Vergebung der Sünden. Durch den Dienst der Kirche schenke er dir Verzeihung und Frieden «,[8] und bei der Krankensalbung: » Durch diese heilige Salbung helfe dir der Herr in seinem reichen Erbarmen; er stehe dir bei mit der Kraft des Heiligen Geistes «.[9] So ist also die Bezugnahme auf die Barmherzigkeit im Gebet der Kirche alles andere als nur paränetisch, sie ist höchst wirkungsvoll, das heißt, während wir sie im Glauben erflehen, wird sie uns gewährt; während wir sie als lebendig und real bekennen, verwandelt sie uns wirklich. Das ist ein grundlegender Inhalt unseres Glaubens, den wir in seiner ganzen Ursprünglichkeit bewahren müssen: Vor der Offenbarung der Sünde haben wir die Offenbarung der Liebe, mit der Gott die Welt und die Menschen erschaffen hat. Die Liebe ist der erste Akt, mit dem Gott sich zu erkennen gibt und uns entgegenkommt. Halten wir also unser Herz offen für das Vertrauen, von Gott geliebt zu sein. Seine Liebe kommt uns immer zuvor, begleitet uns und bleibt an unserer Seite trotz unserer Sünde.

6. In diesem Zusammenhang bekommt auch das Hören des Wortes Gottes eine besondere Bedeutung. An jedem Sonntag wird das Wort Gottes in der christlichen Gemeinde verkündet, damit der Tag des Herrn von dem Licht erhellt wird, das aus dem Ostergeheimnis hervorgeht.[10] In der Eucharistiefeier scheint es, als erlebe man einen wirklichen Dialog zwischen Gott und seinem Volk. Bei der Verkündigung der biblischen Lesungen geht man nämlich noch einmal die Geschichte unseres Heiles nach auf dem Weg über das unablässige Wirken der Barmherzigkeit, von dem berichtet wird. Gott spricht heute immer noch zu uns wie zu Freunden, er » verkehrt « mit uns,[11] um uns mit seiner Gesellschaft zu beschenken und uns den Weg zum Leben zu zeigen. Sein Wort bringt unsere Bitten und Sorgen zum Ausdruck und bietet zugleich eine fruchtbare Antwort, damit wir ganz konkret seine Nähe erfahren können. Welch eine Bedeutung kommt der Homilie zu, wo » die Wahrheit mit der Schönheit und dem Guten einher[geht] «,[12] um das Herz der Gläubigen angesichts der Größe des Erbarmens ins Schwingen zu bringen! So ermahne ich dringend, die Homilie entsprechend vorzubereiten und die Verkündigung zu pflegen. Sie wird umso fruchtbarer sein, je mehr der Priester an sich selbst die barmherzige Güte des Herrn erfahren hat. Die Gewissheit zu vermitteln, dass Gott uns liebt, ist keine rhetorische Übung, sondern eine Bedingung für die Glaubhaftigkeit des eigenen Priestertums. Die Barmherzigkeit zu leben, ist daher der beste Weg, um sie im pastoralen Leben zu einer echten Verkündigung des Trostes und der Umkehr werden zu lassen. Die Homilie wie auch die Katechese müssen immer von diesem pulsierenden Herzen des christlichen Lebens unterstützt werden.

7. Die Bibel ist die große Erzählung, die von den Wundern der Barmherzigkeit Gottes berichtet. Jede Seite ist durchtränkt von der Liebe des Vaters, der seit der Schöpfung dem Universum die Zeichen seiner Liebe eingeprägt hat. Der Heilige Geist hat durch die Worte der Propheten und die Weisheitsbücher die Geschichte Israels in der Erkenntnis der Zärtlichkeit und Nähe Gottes geformt, trotz der Untreue des Volkes. Das Leben Jesu und seine Verkündigung prägen die Geschichte der christlichen Gemeinde auf entscheidende Weise; sie hat auf der Grundlage des Auftrags Christi ihre Sendung, ein ständiges Werkzeug seiner Barmherzigkeit und seiner Vergebung zu sein (vgl. Joh 20,23) verstanden. Auf dem Weg über die Heilige Schrift, die durch den Glauben der Kirche lebendig erhalten wird, spricht der Herr weiter zu seiner Braut und zeigt ihr die Wege, die sie gehen soll, damit das Evangelium des Heils zu allen gelangt. Es ist mein herzlicher Wunsch, dass das Wort Gottes immer mehr gefeiert, gekannt und verbreitet wird, damit dadurch das Geheimnis der Liebe, die aus jener Quelle des Erbarmens hervorströmt, besser verstanden werden kann. Daran erinnert uns der Apostel ganz deutlich: » Jede von Gott eingegebene Schrift ist auch nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit « (2 Tim 3,16).

Es wäre gut, wenn jede Gemeinschaft an einem Sonntag des Kirchenjahres ihr Engagement für die Verbreitung, die Kenntnis und die Vertiefung der Heiligen Schrift erneuern könnte: an einem Sonntag, der ganz und gar dem Wort Gottes gewidmet ist, um den unerschöpflichen Reichtum zu verstehen, der aus diesem ständigen Dialog Gottes mit seinem Volk hervorgeht. Es soll nicht an Kreativität fehlen, um diesen Moment durch Initiativen zu bereichern, die die Gläubigen anregen, lebendige Werkzeuge für die Vermittlung des Wortes Gottes zu sein. Selbstverständlich gehört zu diesen Initiativen die weitere Verbreitung der Lectio divina, damit das geistliche Leben durch das betende Lesen der Heiligen Schrift Unterstützung und Wachstum erfährt. Die Lectio divina über die Themen der Barmherzigkeit wird ermöglichen, gleichsam mit Händen zu greifen, wie viel Fruchtbarkeit aus der Heiligen Schrift entspringt, wenn sie im Licht der gesamten geistlichen Überlieferung der Kirche gelesen wird, was unweigerlich in Gesten und konkrete Werke der Liebe mündet.[13]

8. Die Feier der Barmherzigkeit geschieht in ganz besonderer Weise mit dem Sakrament der Versöhnung. Das ist der Moment, in dem wir die Umarmung des Vaters spüren, der uns entgegenkommt, um uns die Gnade zurückzugeben, wieder seine Kinder zu sein. Wir sind Sünder und tragen in uns die Last des Widerspruchs zwischen dem, was wir tun möchten, und dem, was wir konkret tun (vgl. Röm 7,14-21). Doch die Gnade kommt uns immer zuvor und nimmt das Gesicht der Barmherzigkeit an, die in der Versöhnung und in der Vergebung wirksam wird. Gott macht seine unermessliche Liebe gerade angesichts unserer Verfasstheit als Sünder verständlich. Die Gnade ist stärker und übertrifft jeden möglichen Widerstand, denn die Liebe überwindet alles (vgl. 1 Kor 13,7).

Im Sakrament der Vergebung zeigt Gott den Weg der Umkehr zu ihm und lädt dazu ein, wieder seine Nähe zu erfahren. Es ist eine Vergebung, die dadurch empfangen werden kann, dass man vor allem die Liebe lebt. Daran erinnert auch der Apostel Petrus, wenn er schreibt: » die Liebe deckt viele Sünden zu « (1 Petr 4,8). Allein Gott vergibt die Sünden, aber er verlangt auch von uns die Bereitschaft, den anderen zu verzeihen so, wie er uns vergibt: » Erlass uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben « (Mt 6,12). Wie viel Traurigkeit, wenn wir in uns selbst verschlossen bleiben und unfähig sind, zu verzeihen! Dann gewinnen Groll, Wut und Rache die Oberhand; sie machen das Leben unglücklich und vereiteln den frohen Einsatz für die Barmherzigkeit.

9. Eine Erfahrung der Gnade, die die Kirche im Jubiläumsjahr mit großer Wirksamkeit gemacht hat, ist sicherlich der Dienst der Missionare der Barmherzigkeit. Ihre pastorale Tätigkeit hat deutlich machen wollen, dass Gott keinerlei Grenze setzt für diejenigen, die ihn mit reuevollem Herzen suchen, denn allen kommt er entgegen wie ein Vater. Ich habe viele Zeugnisse der Freude über die erneuerte Begegnung mit dem Herrn im Sakrament der Beichte erhalten. Verpassen wir nicht die Gelegenheit, den Glauben auch als eine Erfahrung von Versöhnung zu erleben. » Lasst euch mit Gott versöhnen! « (2 Kor 5,20) ist die Einladung, die der Apostel noch in unseren Tagen macht, um jeden Gläubigen die Macht der Liebe entdecken zu lassen, die ihn eine » neue Schöpfung « (2 Kor 5,17) werden lässt.

Ich spreche jedem Missionar der Barmherzigkeit meinen Dank aus für diesen wertvollen Dienst, den er geleistet hat, um die Gnade der Vergebung wirksam werden zu lassen. Dieses außerordentliche Amt endet jedoch nicht mit der Schließung der Heiligen Pforte. Ich möchte nämlich, dass es bis auf weiteres noch fortdauert als konkretes Zeichen dafür, dass die Gnade des Jubiläums in den verschiedenen Teilen der Erde weiter lebendig und wirksam ist. Es wird Aufgabe des Päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung sein, die Missionare der Barmherzigkeit als einen unmittelbaren Ausdruck meiner Fürsorge und Nähe zu betreuen und die schlüssigsten Formen für die Ausübung dieses wertvollen Amtes zu finden.

10. Die Priester fordere ich erneut auf, sich mit großer Sorgfalt auf den Dienst der Beichte vorzubereiten, der eine wirklich priesterliche Aufgabe ist. Ich danke euch herzlich für euren Einsatz und bitte euch, für alle offen und aufnahmebereit zu sein; Zeugen der väterlichen Zärtlichkeit zu sein trotz der Schwere der Sünde; fürsorglich zu helfen, über das getane Böse nachzudenken; unmissverständlich die moralischen Prinzipien darzulegen; verfügbar zu sein, um die Gläubigen auf ihrem Weg der Buße zu begleiten und dabei geduldig ihr Tempo zu berücksichtigen; weitsichtig zu sein in der Unterscheidung jedes einzelnen Falles und großherzig in der Gewährung der Vergebung Gottes. Wie Jesus vor der Ehebrecherin die Wahl traf, im Schweigen zu verharren, um sie vor dem Todesurteil zu bewahren, so möge auch der Priester im Beichtstuhl weitherzig sein, in dem Bewusstsein, dass jeder Beichtende ihn an seine eigene persönliche Lage erinnert: Sünder, aber Diener der Barmherzigkeit.

11. Ich möchte, dass wir alle die Worte des Apostels meditieren, die er am Ende seines Lebens geschrieben hat, als er dem Timotheus gesteht, dass er der Erste der Sünder war, und hinzufügt: » Aber ich habe Erbarmen gefunden « (1 Tim 1,16). Seine Worte haben eine durchschlagende Kraft, um auch uns herauszufordern, über unser Leben nachzudenken und zu sehen, wie das Erbarmen Gottes am Werk ist, um unser Herz zu verändern, zu bekehren und zu verwandeln: » Ich danke dem, der mir Kraft gegeben hat: Christus Jesus, unserem Herrn. Er hat mich für treu gehalten und in seinen Dienst genommen, obwohl ich ihn früher lästerte, verfolgte und verhöhnte. Aber ich habe Erbarmen gefunden « (1 Tim 1,12-13).

Erinnern wir uns daher mit immer neuer pastoraler Leidenschaft an die Worte des Apostels: » Gott [hat] uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen « (2 Kor 5,18). Wir haben als Erste Vergebung empfangen, im Hinblick auf diesen Dienst, und sind zu persönlichen Zeugen der Universalität der Vergebung gemacht worden. Es gibt weder ein Gesetz, noch eine Vorschrift, die Gott verbieten könnte, den Sohn wieder in die Arme zu schließen, der zu ihm zurückkehrt und gesteht, einen Fehler begangen zu haben, aber entschlossen ist, wieder von vorne anzufangen. Nur bei dem Gesetz stehen zu bleiben bedeutet, den Glauben und das göttliche Erbarmen zu vereiteln. Es gibt einen propädeutischen Wert im Gesetz (vgl. Gal 3,24), dessen Ziel die Liebe ist (vgl. 1 Tim 1,5). Der Christ ist jedoch berufen, die Neuheit des Evangeliums zu leben, » das Gesetz des Geistes und des Lebens in Christus Jesus « (Röm 8,2). Selbst in den kompliziertesten Fällen, in denen man versucht ist, einer Gerechtigkeit den Vorrang zu geben, die allein aus den Normen hervorgeht, muss man an die Kraft glauben, die aus der göttlichen Gnade entspringt.

Wir Beichtväter besitzen die Erfahrung vieler Bekehrungen, die sich vor unseren Augen abspielen. Spüren wir also die Verantwortung von Gesten und Worten, die tief ins Herz des Büßers eindringen sollen, damit er die Nähe und die Zärtlichkeit des verzeihenden Vaters entdeckt. Vereiteln wir diese Momente nicht mit Verhaltensweisen, die im Widerspruch stehen können zu der Erfahrung der Barmherzigkeit, nach der gesucht wird. Helfen wir vielmehr, den Raum des persönlichen Gewissens mit der unendlichen Liebe Gottes zu erleuchten (vgl. 1 Joh 3,20).

Das Sakrament der Versöhnung muss seinen zentralen Platz im christlichen Leben wiederfinden; darum verlangt es Priester, die ihr Leben in den » Dienst der Versöhnung « (2 Kor 5,18) stellen. Auf diese Weise soll niemandem, der ernsthaft bereut, der Zugang zur Liebe des Vaters, der auf seine Rückkehr wartet, verwehrt werden und allen die Möglichkeit offen stehen, die befreiende Kraft der Vergebung zu erfahren.

Eine günstige Gelegenheit kann die Feier der Initiative „24 Stunden für den Herrn“ unmittelbar vor dem 4. Fastensonntag sein. Sie findet bereits eine breite Zustimmung in den Diözesen und bleibt ein starker pastoraler Aufruf, um das Sakrament der Beichte intensiv zu erleben.

12. Aufgrund dieser Notwendigkeit und damit dem Wunsch nach Versöhnung und der Vergebung Gottes nichts im Wege stehe, gewähre ich von nun an allen Priestern die Vollmacht, kraft ihres Amtes jene loszusprechen, welche die Sünde der Abtreibung begangen haben. Was ich auf den Zeitraum des Jubeljahres begrenzt gewährt habe[14], wird nun zeitlich ausgedehnt, unbeachtet gegenteiliger Bestimmungen. Ich möchte nochmals mit all meiner Kraft betonen, dass Abtreibung eine schwere Sünde ist, da sie einem unschuldigen Leben ein Ende setzt. Mit gleicher Kraft kann und muss ich jedoch sagen, dass es keine Sünde gibt, die durch die Barmherzigkeit Gottes nicht erreicht und vernichtet werden kann, wenn diese ein reuevolles Herz findet, das um Versöhnung mit dem Vater bittet. Jeder Priester möge daher den Pönitenten bei der Begleitung auf diesem Weg der besonderen Versöhnung Führer, Halt und Trost sein.

Im Jubiläumsjahr hatte ich den Gläubigen, die aus verschiedenen Gründen die von den Priestern der Bruderschaft St. Pius X. betreuten Kirchen besuchen, gewährt, gültig und erlaubt die sakramentale Lossprechung ihrer Sünden zu empfangen.[15] Für das pastorale Wohl dieser Gläubigen und im Vertrauen auf den guten Willen ihrer Priester, dass mit der Hilfe Gottes die volle Gemeinschaft in der Katholischen Kirche wiedererlangt werden kann, setze ich aus eigenem Entschluss fest, diese Vollmacht über den Zeitraum des Jubeljahres hinaus auszudehnen, bis diesbezüglich neue Verfügungen ergehen. So möge keinem das sakramentale Zeichen der Versöhnung durch die Vergebung der Kirche je fehlen.

13. Die Barmherzigkeit hat auch das Gesicht des Trostes. » Tröstet, Tröstet mein Volk « (Jes 40,1), sind die eindringlichen Worte, die der Prophet auch heute hören lässt, damit zu allen, die Leid und Schmerz tragen, ein Wort der Hoffnung gelange. Lassen wir uns nie die Hoffnung nehmen, die aus dem Glauben an den auferstandenen Herrn kommt. Es stimmt, oft werden wir auf eine harte Probe gestellt, doch nie dürfen wir die Gewissheit verlieren, dass der Herr uns liebt. Sein Erbarmen zeigt sich auch in der Nähe, Zuneigung und Hilfe vieler Brüder und Schwestern, wenn Tage der Traurigkeit und des Leids hereinbrechen. Tränen zu trocknen ist eine konkrete Handlung, die den Kreis der Einsamkeit, in dem wir oft eingeschlossen sind, durchbricht.

Wir alle brauchen Trost, denn niemand ist frei von Leid, Schmerz und Unverständnis. Wie viel Schmerz kann ein grollendes Wort, das eine Frucht von Neid, Eifersucht und Wut ist, hervorrufen! Wie viel Leid verursacht die Erfahrung der Untreue, der Gewalt und des Verlassenwerdens! Wie viel Bitterkeit entsteht angesichts des Todes geliebter Menschen! Und doch ist Gott nie fern, wenn man diese Dramen durchlebt. Ein aufmunterndes Wort, eine Umarmung, durch die du dich verstanden fühlst, eine Liebkosung, welche die Liebe spüren lässt, ein Gebet, das es möglich macht, stärker zu sein … dies alles sind Zeichen der Nähe Gottes durch den Trost seitens der Brüder und Schwestern.

Mitunter kann auch das Schweigen von großer Hilfe sein, denn manchmal gibt es keine Worte, um auf die Fragen eines leidenden Menschen Antwort zu geben. Das Fehlen von Worten kann jedoch durch das Mitleid dessen, der da und nahe ist, der liebt und die Hand hält, ausgeglichen werden. Es stimmt nicht, dass das Schweigen ein Akt der Kapitulation ist, vielmehr ist es ein Moment der Kraft und der Liebe. Auch das Schweigen gehört zu unserer Sprache des Trostes, da es zu einem konkreten Werk wird, das Leid des Mitmenschen zu teilen und daran Anteil zu nehmen.

14. In einer besonderen Zeit wie der unseren, die unter vielen Krisen auch die der Familie kennt, ist es wichtig, dass ein Wort tröstlicher Kraft an unsere Familien ergeht. Das Geschenk der Ehe ist eine große Berufung, auf die mit der Gnade Christi in großherziger, treuer und geduldiger Liebe zu antworten ist. Die Schönheit der Familie bleibt unverändert, trotz vieler Dunkelheit und alternativer Vorschläge: » Die Freude der Liebe, die in den Familien gelebt wird, ist auch die Freude der Kirche. «[16] Der Weg des Lebens, der einen Mann und eine Frau sich begegnen, sich lieben und sich für immer die Treue vor Gott versprechen lässt, ist oft von Leid, Untreue und Einsamkeit unterbrochen. Die Freude über das Geschenk von Kindern ist nicht frei von den Sorgen der Eltern hinsichtlich ihres Heranwachsens und ihrer Bildung, hinsichtlich einer wirklich lebenswerten Zukunft.

Die Gnade des Ehesakraments stärkt nicht nur die Familie, damit sie ein bevorzugter Ort sei, wo Barmherzigkeit gelebt wird, sondern sie verpflichtet auch die christliche Gemeinde und die ganze Pastoral, den großen Wert der Familie als Lebensmodell hervortreten zu lassen. Dieses Jubiläumsjahr darf jedoch nicht dazu führen, dass man die Vielschichtigkeit der aktuellen familiären Realität aus den Augen verliert. Die Erfahrung der Barmherzigkeit macht uns fähig, auf alle menschlichen Schwierigkeiten mit der Haltung der Liebe Gottes zu schauen, der nicht müde wird, sie aufzunehmen und zu begleiten.[17]

Wir dürfen nicht vergessen, dass jeder den Reichtum und die Bürde der eigenen Geschichte mit sich trägt, die ihn von jeder anderen Person unterscheidet. Unser Leben mit seinen Freuden und Leiden ist etwas Einmaliges und Unwiederholbares, das unter dem barmherzigen Blick Gottes verläuft. Dies erfordert, vor allem seitens des Priesters, eine aufmerksame, tiefe und weitsichtige geistliche Unterscheidung, damit niemand ausgeschlossen wird, in welcher Situation er auch lebt, und jeder sich von Gott konkret angenommen fühlen, aktiv am Leben der Gemeinde teilhaben und in jenes Volk Gottes eingegliedert werden kann, das unermüdlich auf die Fülle des Reiches Gottes, des Reichs der Gerechtigkeit und Liebe, der Vergebung und Barmherzigkeit, hin unterwegs ist.

15. Von besonderer Bedeutung ist der Moment des Todes. Die Kirche hat diesen dramatischen Übergang stets im Licht der Auferstehung Jesu Christi gelebt, der den Weg für die Gewissheit des künftigen Lebens aufgetan hat. Wir haben hier eine große Herausforderung anzunehmen, vor allem in der zeitgenössischen Kultur, die häufig zu einer Banalisierung des Todes neigt und zwar so weit, dass sie ihn eine reine Fiktion werden lässt oder ihn verdrängt. Der Tod muss hingegen als schmerzlicher und unausweichlicher Übergang angegangen und vorbereitet werden, der dennoch voll Sinn ist: es ist der Sinn des äußersten Aktes der Liebe gegenüber den Menschen, die man zurücklässt, und gegenüber Gott, dem man entgegengeht. In allen Religionen wird der Moment des Todes wie jener der Geburt religiös begleitet. Wir erfahren die Exequien als hoffnungsvolles Gebet für die Seele des Verstorben und als Spendung von Trost für jene, die unter dem Abschied eines geliebten Menschen leiden.

Ich bin überzeugt, dass wir in der von lebendigem Glauben beseelten Pastoral mit Händen greifbar machen müssen, wie sehr die liturgischen Zeichen und unsere Gebete Ausdruck der Barmherzigkeit Gottes sind. Er selbst bietet uns Worte der Hoffnung, denn nichts und niemand kann uns je von seiner Liebe scheiden (vgl. Röm 8,35). Die Anteilnahme eines Priesters an diesem Moment ist eine wichtige Form der Begleitung, denn sie lässt im Augenblick der Schwäche, der Einsamkeit, der Unsicherheit und der Trauer die Nähe der christlichen Gemeinde erfahren.

16. Das Jubiläumsjahr endet und die Heilige Pforte wird geschlossen. Aber die Pforte der Barmherzigkeit unseres Herzens bleibt immer weit geöffnet. Wir haben gelernt, dass Gott sich uns zuneigt (vgl. Hos 11,4), damit auch wir ihn nachahmen können, wenn wir uns unseren Brüdern und Schwestern zuneigen. Die Sehnsucht vieler, zum Haus des Vaters zurückzukehren, der schon auf ihr Kommen wartet, wird auch durch aufrichtige und großherzige Zeugen der göttlichen Zärtlichkeit erweckt. Die Heilige Pforte, die wir in diesem Jubiläumsjahr durchschritten haben, hat uns auf den Weg der Nächstenliebe geführt, den wir jeden Tag in Treue und Freude beschreiten sollen. Die Straße der Barmherzigkeit nämlich macht es möglich, vielen Brüdern und Schwestern zu begegnen, die die Hand ausstrecken, damit sie jemand ergreifen kann, um miteinander zu gehen.

Wenn man Christus nahe sein möchte, muss man den Mitmenschen ein Nächster sein, denn nichts ist dem Vater wohlgefälliger, als ein konkretes Zeichen der Barmherzigkeit. Von ihrer Natur her macht sich die Barmherzigkeit in einer konkreten dynamischen Handlung sichtbar und greifbar. Wenn man sie einmal in ihrer Wahrheit erfahren hat, kehrt man nicht mehr hinter sie zurück: Sie wächst ständig und verändert das Leben. Sie ist eine echte neue Schöpfung, die ein neues Herz schafft, das fähig ist, vollkommen zu lieben, und die Augen reinigt, so dass sie die ganz verborgenen Nöte erkennen. Wie wahr sind die Worte, mit denen die Kirche in der Osternacht nach der Lesung des Schöpfungsberichts betet: Gott, du hast den Menschen nach deinem Bild wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erneuert und erlöst. [18]

Die Barmherzigkeit erneuert und erlöst, da sie die Begegnung zweier Herzen ist: des Herzens Gottes, das dem Herzen des Menschen entgegenkommt. Dieses erwärmt sich und ersteres heilt es: Das Herz von Stein wird in ein Herz von Fleisch verwandelt (vgl. Ez 36,26), das trotz seiner Sünde fähig ist zu lieben. Hier nimmt man wahr, wirklich „neue Schöpfung“ (vgl. Gal 6,15) zu sein: Ich bin geliebt, daher lebe ich; mir wird vergeben, daher werde ich zu neuem Leben geboren; mir wurde Barmherzigkeit zuteil, daher werde ich zum Werkzeug der Barmherzigkeit.

17. Während des Heiligen Jahres, besonders jeweils am „Freitag der Barmherzigkeit“, konnte ich mit Händen greifen, wie viel Gutes es in der Welt gibt. Oft wird es nicht erkannt, weil es sich täglich auf diskrete und stille Weise verwirklicht. Auch wenn sie kein Aufsehen erregen, gibt es doch viele konkrete Zeichen der Güte und der Zärtlichkeit gegenüber den Geringsten und Wehrlosesten, gegenüber den ganz Einsamen und Verlassenen. Es gibt wirklich Protagonisten der Nächstenliebe, die es den Ärmsten und Unglücklichsten nicht an Solidarität fehlen lassen. Danken wir dem Herrn für diese wertvollen Gaben, die dazu einladen, die Freude zu entdecken, angesichts der Schwachheit der verwundeten Menschheit ein Nächster zu werden. Dankbar denke ich an die vielen Freiwilligen, die jeden Tag ihre Zeit dafür aufwenden, die Gegenwart und Nähe Gottes mit ihrer Hingabe zu bezeugen. Ihr Dienst ist ein echtes Werk der Barmherzigkeit, das vielen Menschen hilft, sich der Kirche zu nähern.

18. Es ist die Zeit, dem Erfindungsreichtum der Barmherzigkeit Raum zu geben, um viele neue Werke, die Frucht der Gnade sind, ins Leben zu rufen. Die Kirche muss heute jene »viele[n] andere[n] Zeichen«, die Jesus getan hat und die »nicht aufgeschrieben sind« (Joh 20,30), erzählen, auf dass sie beredter Ausdruck der Fruchtbarkeit der Liebe Christi und der Gemeinschaft sind, die in ihm lebt. Mehr als zweitausend Jahre sind vergangen, und doch machen die Werke der Barmherzigkeit die Güte Gottes weiter sichtbar.

Noch heute leiden ganze Völker unter Hunger und Durst, und wieviel Sorge erregen die Bilder von Kindern, die nichts zu essen haben. Massen von Menschen wandern weiterhin von einem Land ins andere auf der Suche nach Nahrung, Arbeit, einem Zuhause und Frieden. Krankheiten in ihren verschiedenen Formen sind ein ständiger Grund für Leiden, die Hilfe, Trost und Unterstützung erfordern. Die Gefängnisse sind Orte, in denen oft zur Freiheitsstrafe mitunter schwere Entbehrungen aufgrund unmenschlicher Lebensbedingungen hinzukommen. Der Analphabetismus ist immer noch sehr verbreitet; er hindert Kinder an ihrer Bildung und setzt sie neuen Formen von Sklaverei aus. Die Kultur des extremen Individualismus, vor allem im Westen, führt dazu, den Sinn für Solidarität und Verantwortung gegenüber den anderen zu verlieren. Gott selbst bleibt heute für viele ein Unbekannter; dies stellt die größte Armut dar und das größte Hindernis, um die unveräußerliche Würde des menschlichen Lebens anzuerkennen.

Somit lässt sich bis heute an den Werken der leiblichen und der geistlichen Barmherzigkeit die große positive Auswirkung der Barmherzigkeit als sozialer Wert feststellen. In der Tat führt sie dazu, die Ärmel hochzukrempeln, um Millionen von Menschen, unseren Brüdern und Schwestern, die Würde zurückzugeben. Sie sind mit uns gerufen, eine » verlässliche Stadt « aufzubauen.[19]

19. Im Laufe dieses Heiligen Jahres wurden viele konkrete Zeichen von Barmherzigkeit verwirklicht. Gemeinschaften, Familien und einzelne Gläubige haben die Freude am Teilen und die Schönheit der Solidarität wieder entdeckt. Und doch ist es nicht genug. Die Welt bringt weiter neue Formen geistlicher und materieller Armut hervor, die die Würde der Menschen gefährden. Deswegen muss die Kirche immer wachsam und bereit sein, neue Werke der Barmherzigkeit auszumachen und sie großzügig und begeistert in die Tat umsetzen.

Unternehmen wir daher alle Anstrengungen, um der Nächstenliebe konkrete Gestalt zu verleihen und zugleich die Werke der Barmherzigkeit verständig zu verwirklichen. Letztere besitzt eine einschließende Wirkung, und deshalb weitet sie sich zusehends aus und kennt keine Grenzen. Und in diesem Sinn sind wir gerufen, den Werken der Barmherzigkeit, die wir seit jeher kennen, ein neues Gesicht zu verleihen. Denn die Barmherzigkeit kennt kein Maß; immer überbordet sie und ist fruchtbar. Sie ist wie der Sauerteig, der den Teig durchsäuert (vgl. Mt 13,33), und wie das Senfkorn, das zu einem Baum wird (vgl. Lk 13,19).

Denken wir zum Beispiel nur an das Werk der leiblichen Barmherzigkeit, Nackte zu bekleiden (vgl. Mt 25,36.38.43.44). Es führt uns an die Anfänge zurück, an den Garten Eden: Adam und Eva entdeckten, dass sie nackt waren, und als sie den Herrn kommen hörten, schämten und versteckten sie sich (vgl. Gen 3,7-8). Wir wissen, dass der Herr sie bestrafte; doch er »machte Adam und seiner Frau Röcke aus Fellen und bekleidete sie damit« (Gen 3,21). Die Scham wird überwunden und die Würde wiederhergestellt.

Richten wir unsern Blick auch auf Jesus auf Golgota. Der Sohn Gottes am Kreuz ist nackt; die Soldaten hatten sein Untergewand genommen und darum gelost (vgl. Joh 19,23-24); er hat nichts mehr. Am Kreuz offenbart sich bis zum Äußersten, dass Jesus das Los derer teilt, die ihre Würde verloren haben, weil ihnen das Nötigste genommen wurde. Wie die Kirche berufen ist, das „Gewand Christi“[20] zu sein, um ihren Herrn zu bekleiden, so ist sie zur Solidarität mit den Nackten der Erde verpflichtet, damit sie die Würde, der sie beraubt wurden, wiedererlangen. Sein Wort » Ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben « (Mt 25,36) verpflichtet uns daher, nicht den Blick von den neuen Formen von Armut und Ausgrenzung abzuwenden, die den Menschen ein Leben in Würde verwehren.

Keine Arbeit zu haben und nicht den gerechten Lohn zu erhalten; kein Zuhause zu haben oder kein Land zum Wohnen; wegen des Glaubens, der ethnischen Herkunft, des sozialen Status diskriminiert zu werden… dies und vieles andere sind Umstände, welche die Würde des Menschen gefährden und auf die das barmherzige Handeln der Christen vor allem mit Aufmerksamkeit und Solidarität antwortet. In wie vielen Situationen können wir heute den Menschen Würde zurückgeben und ihnen ein menschliches Leben ermöglichen! Denken wir nur an die vielen Kinder, die Gewalt verschiedener Art erleiden, durch die ihnen die Lebensfreude genommen wird. Ihre traurigen und orientierungslosen Gesichter haben sich in mein Gedächtnis eingeprägt; sie bitten um unsere Hilfe, um von den Formen der Sklaverei in der heutigen Welt befreit zu werden. Diese Kinder sind die Jugendlichen von morgen; wie bereiten wir sie darauf vor, in Würde und Verantwortung zu leben? Mit welcher Hoffnung können sie sich der Gegenwart und der Zukunft stellen?

Der soziale Charakter der Barmherzigkeit verlangt, nicht untätig zu bleiben und die Gleichgültigkeit und Heuchelei zu vertreiben, damit die Pläne und Projekte nicht toter Buchstabe bleiben. Der Heilige Geist helfe uns, stets bereit zu sein, tatkräftig und selbstlos unseren Beitrag zu leisten, damit Gerechtigkeit und ein menschenwürdiges Leben nicht Höflichkeitsfloskeln bleiben, sondern konkretes Engagement dessen sind, der die Gegenwart des Reiches Gottes bezeugen möchte.

20. Wir sind aufgerufen, eine Kultur der Barmherzigkeit wachsen zu lassen, die darauf gründet, die Begegnung mit den anderen wiederzuentdecken: eine Kultur, in der niemand mit Gleichgültigkeit auf den anderen schaut, noch den Blick abwendet, wenn er das Leid der Mitmenschen sieht. Die Werke der Barmherzigkeit sind „Handwerk“: Keines von ihnen gleicht dem anderen. Unsere Hände können sie auf tausenderlei Weise formen. Und auch wenn Gott, der sie anregt, einer ist und ebenso die „Materie“, aus der sie bestehen – nämlich die Barmherzigkeit –, eine ist, so nimmt doch jedes einzelne eine andere Form an.

Die Werke der Barmherzigkeit gehen tatsächlich das ganze Leben eines Menschen an. Deswegen können wir gerade von der Einfachheit der Gesten her, die Körper und Geist, das heißt das Leben der Menschen zu erreichen vermögen, eine wahre kulturelle Revolution ins Leben rufen. Dies ist eine Aufgabe, die sich die christliche Gemeinde zu Eigen machen kann in dem Bewusstsein, dass das Wort des Herrn sie stets ruft, aus der Gleichgültigkeit und dem Individualismus hinauszugehen. Man ist ja versucht, sich darin einzuschließen, um ein bequemes und problemloses Leben zu führen. » Die Armen habt ihr immer bei euch « (Joh 12,8), sagt Jesus zu seinen Jüngern. Es gibt keine Alibis, die mangelndes Engagement rechtfertigen können, wenn wir wissen, dass der Herr sich mit jedem von ihnen identifiziert hat.

Die Kultur der Barmherzigkeit bildet sich im beharrlichen Gebet, in der bereitwilligen Offenheit für das Wirken des Heiligen Geistes, in der Vertrautheit mit dem Leben der Heiligen und in der konkreten Nähe zu den Armen. Es ist eine eindringliche Aufforderung, recht zu verstehen, wo ein Einsatz von entscheidender Bedeutung ist. Die Versuchung, eine „Theorie der Barmherzigkeit“ zu betreiben, wird in dem Maß überwunden, wie man Barmherzigkeit im Alltag lebt und teilt. Im Übrigen dürfen wir nie die Worte vergessen, mit denen der Apostel Paulus im Bericht über sein Treffen mit Petrus, Johannes und Jakobus nach seiner Bekehrung einen wesentlichen Aspekt seiner Sendung und seines ganzen christlichen Lebens hervorhebt: » Nur sollten wir an ihre Armen denken; und das zu tun, habe ich mich eifrig bemüht « (Gal 2,10). Wir dürfen die Armen nicht vergessen: Es ist eine Aufforderung, die mehr denn je aktuell ist und sich ganz offenkundig aus dem Evangelium ergibt.

21. Die Erfahrung des Jubiläumsjahres möge uns die Worte des Apostels Petrus einprägen: » Einst gab es für euch kein Erbarmen, jetzt aber habt ihr Erbarmen gefunden « (1 Petr 2,10). Behalten wir nicht eifersüchtig nur für uns, was wir empfangen haben; mögen wir fähig sein, es mit den leidenden Brüdern und Schwestern zu teilen, damit sie von der Kraft der Barmherzigkeit des Vaters unterstützt werden. Unsere Gemeinden mögen sich öffnen, um die zu erreichen, die auf ihrem Gebiet wohnen, damit durch das Zeugnis der Gläubigen die Zärtlichkeit Gottes zu allen gelange.

Dies ist die Zeit der Barmherzigkeit. Jeder Tag unseres Weges ist von der Gegenwart Gottes geprägt, der unsere Schritte mit der Kraft der Gnade führt, die der Heilige Geist in unser Herz eingießt, um es zu bilden und fähig zu machen zu lieben. Es ist die Zeit der Barmherzigkeit für alle und jeden, damit niemand denkt, der Nähe Gottes und der Macht seiner Zärtlichkeit fern zu sein. Es ist die Zeit der Barmherzigkeit, damit alle Schwachen und Wehrlosen, Fernen und Einsamen die Anwesenheit der Brüder und Schwestern wahrnehmen können, die sie in ihren Nöten unterstützen. Es ist die Zeit der Barmherzigkeit, damit die Armen den respektvollen und doch aufmerksamen Blick jener auf sich spüren, die nach Überwindung der Gleichgültigkeit das Wesentliche des Lebens entdecken. Es ist die Zeit der Barmherzigkeit, damit jeder Sünder nicht müde wird, um Vergebung zu bitten und die Hand des Vaters zu spüren, der uns immer aufnimmt und an sich drückt.

Vor dem Hintergrund des „Jubiläums für die von der Gesellschaft Ausgeschlossenen“ – während in allen Kathedralkirchen und Heiligtümern der Welt die Pforten der Barmherzigkeit geschlossen wurden – kam mir der Gedanke, dass als weiteres konkretes Zeichen dieses Außerordentlichen Heiligen Jahres am 33. Sonntag im Jahreskreis in der ganzen Kirche der Welttag der Armen begangen werden soll. Das wird die würdigste Vorbereitung für die Feier des Christkönigssonntags sein, denn Jesus Christus hat sich mit den Geringen und den Armen identifiziert und wird uns nach den Werken der Barmherzigkeit richten (vgl. Mt 25,31-46). Es wird ein Tag sein, der den Gemeinden und jedem Getauften hilft, darüber nachzudenken, wie die Armut ein Herzensanliegen des Evangeliums ist und dass es keine Gerechtigkeit noch sozialen Frieden geben kann, solange Lazarus vor der Tür unseres Hauses liegt (vgl. Lk 16,19-21). Dieser Tag wird auch eine echte Form der Neuevangelisierung darstellen (vgl. Mt 11,5), durch die das Antlitz der Kirche in ihrer ständigen pastoralen Umkehr erneuert wird, um Zeugin der Barmherzigkeit zu sein.

22. Stets bleiben die barmherzigen Augen der heiligen Mutter Gottes auf uns gerichtet. Sie ist die erste, die den Weg für das Zeugnis der Liebe eröffnet und uns dabei begleitet. Die Mutter der Barmherzigkeit sammelt alle unter dem Schutz ihres Mantels, wie es in der Kunst oft dargestellt wurde. Vertrauen wir auf ihre mütterliche Hilfe und folgen wir ihrem ständigen Hinweis, auf Jesus zu schauen, das leuchtende Antlitz der Barmherzigkeit Gottes.

Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 20. November, Christkönigssonntag,

im Jahr des Herrn 2016, dem vierten Jahr meines Pontifikats.

FRANZISKUS

[1] In Ioh 33,5.

[2] Hirt des Hermas, Mand. X, 42, 1-4.

[3] Vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 27.

[4] Römisches Messbuch, 3. Fastensonntag.

[5] Ebd., Präfation VII für die Sonntage im Jahreskreis.

[6] Ebd., Zweites Hochgebet.

[7] Ebd., Riten zur Kommunion.

[8] Ritus der Beichte.

[9] Ritus der Krankensalbung.

[10] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Konst. Sacrosanctum Concilium, 106.

[11] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogm. Konst. Dei Verbum, 2.

[12] Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 142.

[13] Vgl. Benedikt XVI., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Verbum Domini, 86-87.

[14] Vgl. Schreiben mit dem zum Außerordentlichen Jubiläum der Barmherzigkeit der Ablass gewährt wird, 1. September 2015.

[15] Vgl. ebd.

[16] Apostolisches Schreiben Amoris laetitia, 1.

[17] Vgl. ebd., 291-300.

[18] Vgl. Römisches Messbuch, Osternacht, Gebet nach der ersten Lesung.

[19] Enzyklika Lumen fidei, 50.

[20] Vgl. Cyprian, De catholicae ecclesiae unitate, 7.

(rv)

Papstschreiben zum Abschluss des Heiligen Jahres

Dokumente„Misericordia et misera“: Die Barmherzigkeit und die Erbärmliche. Mit diesen Worten hat der heilige Augustinus die Begegnung Jesu mit der Ehebrecherin (vgl. Joh 8,1-11) beschrieben, und sie sind der Ausgangspunkt eines Papstschreibens zum Abschluss des Heiligen Jahres. Es wurde an diesem Montagmittag vom Vatikan veröffentlicht.

Die Barmherzigkeit Jesu gegenüber der Ehebrecherin steht aus Franziskus’ Sicht emblematisch für das, „was wir im Heiligen Jahr gefeiert haben“. „Und dieses Erbarmen verlangt, weiter in unseren Gemeinschaften gefeiert und gelebt zu werden.“

Barmherzigkeit dürfe „im Leben der Kirche nicht ein bloßer Einschub sein“, sondern sie sei „ihr eigentliches Leben“: „Alles wird in der Barmherzigkeit offenbart; alles wird in der barmherzigen Liebe des Vaters gelöst.“ Gottes Barmherzigkeit zu erfahren, mache die Menschen froh. „Die Freude über die Vergebung ist unbeschreiblich…“ Das erinnert an das erste, programmatische Schreiben von Franziskus aus dem Herbst 2013: Evangelii Gaudium, die Freude des Evangeliums.

Papst-Plädoyer für Bibelsonntag

Der Papst dankt Gott für das Heilige Jahr, das „intensiv“ gewesen sei: „Wie ein heftiger und heilsamer Wind wehten die Güte und das Erbarmen des Herrn über die ganze Erde hin“, formuliert er. „Es ist wirklich ein neuer Besuch des Herrn in unserer Mitte gewesen.“ Jetzt gelte es, die Erfahrung der Barmherzigkeit zu verstetigen. Zunächst, indem wir sie bewusster in der Liturgie und den Sakramenten „feiern“, vor allem im Beichtsakrament. Und zweitens, indem wir sie immer besser in der Heiligen Schrift aufspüren, dieser „großen Erzählung, die von den Wundern der Barmherzigkeit Gottes berichtet“.

„Es wäre gut, wenn jede Gemeinschaft an einem Sonntag des Kirchenjahres ihr Engagement für die Verbreitung, die Kenntnis und die Vertiefung der Heiligen Schrift erneuern könnte: an einem Sonntag, der ganz und gar dem Wort Gottes gewidmet ist“. Das ist ein Papst-Plädoyer für den Bibelsonntag, wie ihn die Kirchen in Deutschland ökumenisch am letzten Sonntag im Januar begehen.

„Alle Priester können von der Sünde der Abtreibung lossprechen“

Dem Thema Beichte widmet Franziskus in seinem Schreiben mehrere Abschnitte. Eindringlich wirbt er für eine Neuentdeckung dieses „Sakraments der Versöhnung“. Und er führt in diesem Zusammenhang drei Neuerungen ein: Zum einen kündigt er an, dass der im Heiligen Jahr eingeführte Dienst der „Missionare der Barmherzigkeit“ auch nach der Schließung der Heiligen Pforte fortdauern soll – „bis auf weiteres“. Verantwortlich dafür: der Päpstliche Rat für Neuevangelisierung, der auch das Jubeljahr gemanagt hat.

Zum zweiten erlaubt Franziskus katholischen Gläubigen auch künftig, bei Priestern der schismatisch orientierten Piusbruderschaft zu beichten – „im Vertrauen auf den guten Willen ihrer Priester, dass mit der Hilfe Gottes die volle Gemeinschaft in der katholischen Kirche wiedererlangt werden kann“.

Und drittens gewährt der Papst „von nun an allen Priestern die Vollmacht, kraft ihres Amtes jene loszusprechen, welche die Sünde der Abtreibung begangen haben“. Auch damit wird ein spezielles Kennzeichen des Heiligen Jahres auch nach seinem Ende fortgeschrieben. Dabei betont Franziskus, dass Abtreibung „eine schwere Sünde“ sei. Allerdings gebe es „keine Sünde, „die durch die Barmherzigkeit Gottes nicht erreicht und vernichtet werden kann“.

„Die Ärmel hochkrempeln“: Barmherzigkeit macht erfinderisch

Einmal mehr bittet Papst Franziskus die Priester um „geistliche Unterscheidung“, damit aus dem kirchlichen Leben „niemand ausgeschlossen wird, in welcher Situation er auch lebt“. Auch wenn die Heilige Pforte jetzt geschlossen sei, solle doch „die Pforte der Barmherzigkeit unseres Herzens immer weit geöffnet“ bleiben. „Es ist die Zeit, dem Erfindungsreichtum der Barmherzigkeit Raum zu geben“, schreibt der Papst und lädt dazu ein, „die Ärmel hochzukrempeln“ und Werke der Barmherzigkeit zu tun, an Hungernden, an Häftlingen, an Flüchtlingen, an Arbeitslosen. Oder, „um Millionen von Menschen, unseren Brüdern und Schwestern, die Würde zurückzugeben“.

Neuer „Welttag der Armen“

Unsere Epoche sei „die Zeit der Barmherzigkeit“, urteilt Franziskus schließlich. „Wir sind aufgerufen, eine Kultur der Barmherzigkeit wachsen zu lassen, die darauf gründet, die Begegnung mit den anderen wiederzuentdecken: eine Kultur, in der niemand mit Gleichgültigkeit auf den anderen schaut, noch den Blick abwendet, wenn er das Leid der Mitmenschen sieht.“ Vor allem die Armen sollten „den respektvollen und doch aufmerksamen Blick“ ihrer Mitmenschen auf sich spüren.

Und auch in dieser Hinsicht hinterlässt das Heilige Jahr der Barmherzigkeit etwas Konkretes: diesmal einen neuen Gedenktag im liturgischen Kalender. Der Papst bestimmt den 33. Sonntag im Jahreskreis zum „Welttag der Armen“ für die ganze Kirche. „Das wird die würdigste Vorbereitung für die Feier des Christkönigssonntags sein, denn Jesus Christus hat sich mit den Geringen und den Armen identifiziert“, so der Papst. (rv)

Messe zum Abschluss des Heiligen Jahres: „Jesus liebt weiter“

Heiliges Jahr 2015/16Es ist soweit: An diesem Sonntag um 9.58 Uhr hat Papst Franziskus die Heilige Pforte des Petersdoms geschlossen und somit das außerordentliche Jahr der Barmherzigkeit offiziell beendet. Nach einem letzten Erklingen der Hymne des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit und nach einem stillen Gebet hat der Papst selbst die Pforte geschlossen. Ein nächstes Mal wird die Tür für das Jubeljahr 2025 geöffnet werden – sofern nicht in der Zwischenzeit ein weiteres außerordentliches Heiliges Jahr ausgerufen wird. Im Beisein zahlreicher Würdenträger und etwa 70.000 Gläubiger und bei mildem Wetter feierte er anschließend den Abschlussgottesdienst des Heiligen Jahres auf dem Petersplatz. In einer Ansprache dankte er vor dem Angelusgebet ausdrücklich allen, die zum Gelingen des Heiligen Jahres beigetragen hatten.

Das „paradoxe“ Königtum Christi stellte der Papst in den Mittelpunkt seiner Predigt, die Kirche feiert am letzten Sonntag des Kirchenjahres das Hochfest Christkönig. Das Königtum ohne Macht und Ruhm, das am Kreuz hängt, der König der für dreißig Silberstücke verkauft ist. „Die Größe seines Reiches besteht nicht in der Macht nach Maßstäben der Welt, sondern gemäß der Liebe Gottes, einer Liebe, die alles erreichen und heilen kann“, so der Papst. Es sei eine Liebe, die „alles Leben umarmt und rettet“. „Er hat uns nicht verdammt, er hat uns auch nicht bezwungen, er hat nie unsere Freiheit verletzt, sondern er hat sich den Weg durch die demütige Liebe gebahnt, die alles entschuldigt, die alles hofft, die allem standhält“.

Diese paradoxe Herrschaft verwandle „Sünde in Gnade, Tod in Auferstehung, Angst in Vertrauen“, fuhr der Papst fort. Das alles wäre aber „umsonst, wenn wir ihn nicht persönlich aufnehmen und wenn wir nicht auch seine Art zu herrschen aufnehmen.“

Verwandelnde Herrschaft Christi

Drei Figuren aus dem Evangelium des Tages – die Kreuzigung Jesu – nahm der Papst zur Verständnishilfe dazu. Zunächst sei da das schaulustige Volk. „Es sind die gleichen Leute, die sich für die eigenen Bedürfnisse um Jesus gedrängt haben und jetzt Distanz halten“, so Franziskus. Es seien Menschen, die sein Königtum nicht annähmen und nicht zum Mitmenschen würden. Das wahre Volk hingegen sei gerufen, täglich Jesus mit dem eigenen Leben zu antworten.

„Es gibt eine zweite Gruppe, die sich aus verschiedenen Personen zusammensetzt: die führenden Männer des Volkes, die Soldaten und ein Verbrecher. Sie alle verspotten Jesus. Sie richten an ihn die gleiche Provokation: ‚Hilf dir selbst!’“ Diese zweite Gruppe ist in noch schlimmerer Versuchung als die erste, urteilt der Papst, es ist ein direkter Angriff auf die Liebe, ‚Hilf dir selbst!’, nicht den anderen, sondern dir selbst. Das Ich möge siegen mit seiner Kraft, mit seinem Ruhm, mit seinem Erfolg. Das ist die furchtbarste Versuchung, die erste und die letzte des Evangeliums.“ Jesus reagiere nicht und rechtfertige sein Königtum nicht, „Er liebt vielmehr weiter“.

Er liebt weiter

Gegen diese Versuchung gelte es anzukämpfen, gegen die Versuchung, vom Kreuz hinab zu steigen. „Die Anziehungskraft der Macht und des Erfolgs wird als ein leichter und schneller Weg für die Verbreitung des Evangeliums dargestellt und rasch wird dabei vergessen, wie das Reich Gottes wirkt. Dieses Jahr der Barmherzigkeit hat uns eingeladen, die Mitte wiederzuentdecken, zum Wesentlichen zurückzukehren“. Das Wesentliche, das sei für ihn eine gastfreundliche, freie, treue und missionarische Kirche, arm an Gütern und Reich an Liebe.

Die dritte Gestalt im Evangelium sei die des Verbrechers, vervollständigte der Papst seine Aufzählung. „Dieser Mensch hat einfach auf Jesus geschaut und dadurch an sein Reich geglaubt“, ohne sich zu verschließen. Dieser Mensch habe Barmherzigkeit erfahren. „Sobald wir ihm die Möglichkeit dazu geben, denkt Gott an uns. Er ist bereit, die Sünde vollständig und für immer zu tilgen, denn sein Gedächtnis zeichnet nicht das getane Böse auf und stellt nicht immer das erlittene Unrecht in Rechnung, wie es das unsere tut. Gott denkt nicht an die Sünde, er denkt an uns, an einen jeden von uns, seine geliebten Kinder. Und er glaubt, dass es immer möglich ist, neu zu beginnen und wieder aufzustehen.“

Barmherzigkeit geht weiter

Auch wenn die Heilige Pforte geschlossen werde, stehe die wahre Pforte der Barmherzigkeit immer offen, schloss der Papst seine Gedanken. „Viele Pilger haben die Heiligen Pforten durchschritten und jenseits lauter Berichterstattungen die große Güte des Herrn erfahren. Wir wollen dafür danken und uns daran erinnern, dass uns Barmherzigkeit zuteilwurde, damit wir die Gesinnung der Barmherzigkeit anlegen und auch wir zu Werkzeugen der Barmherzigkeit werden. Gehen wir diesen Weg weiter – gemeinsam.“ (rv)

Franziskus warnt Kardinäle vor „Virus der Polarisierung“ (Bericht, Wortlaut & Video)

cna_konsistorium19_11_2016VATIKANSTADT – Papst Franziskus hat am heutigen Samstag 17 neue Kardinäle der katholischen Kirche kreiert – und die anwesenden Purpurträger vor dem „Virus der Polarisierung“ gewarnt.

Im Rahmen einer heiligen Messe des Konsistoriums im Dom von St. Peter setzte der Pontifex den neuen Kardinälen ihr Birett auf. Als einziger nicht anwesend war – aus Gesundheitsgründen – der 87 Jahre alte Bischof emeritus Sebastian Koto Khoarai aus Lesotho im südlichen Afrika.

In seiner Predigt betonte Franziskus, in Anlehnung an die Worte Jesus im Tagesevangelium nach Lukas (Lk 6,27-36), dass es wichtig sei, vier Dinge zu tun: „Liebt, tut Gutes, segnet und betet“.

Dies sei jedoch nicht leicht, wenn man es auf seine Feinde anwende, so der Papst. Dabei sie genau dies eine der „ureigensten“ Merkmale der Lehre Jesu. Franziskus warnte, statt dieser Lehre der Logik der Gegnerschaft zu folgen, welche eine „Zunahme der Feindschaft unter den Völkern, unter uns, ausgesät [hat]! Ja, unter uns, in unseren Gemeinschaften, unseren Priesterkollegien, unseren Versammlungen“. Der Papst weiter:

Das Virus der Polarisierung und der Feindschaft dringt in unsere Art zu denken, zu fühlen und zu handeln ein. Dagegen sind wir nicht immun, und wir müssen aufpassen, dass eine solche Haltung nicht unser Herz in Beschlag nimmt, denn das würde sich gegen den Reichtum der Universalität der Kirche wenden, den wir in diesem Kardinalskollegium mit Händen greifen können.

Nach der Feier besuchte Franziskus mit den 17 neuen Kardinälen seinen Vorgänger, Benedikt XVI.

Benedikt wird auch morgen bei der Schließung der Heiligen Pforte im Petersdom nicht dabeisein, teilte der Vatikan mit. Bei der Öffnung war Benedikt noch als erster durch die Pforte gegangen.

Elise Harris trug zur Berichterstattung bei; ergänzt um 16:06 Uhr durch weitere Informationen.

CNA dokumentiert den vollen Wortlaut der Predigt von Franziskus, wie sie der Heilige Stuhl zur Verfügung gestellt hat.

Der Abschnitt aus dem Evangelium, den wir eben gehört haben (vgl. Lk 6,27-36), ist von vielen die „Feldpredigt“ genannt worden. Nach der Einsetzung der Zwölf stieg Jesus mit seinen Jüngern hinunter in die Ebene, wo eine Menschenmenge auf ihn wartete, um ihn zu hören und sich heilen zu lassen. Die Berufung der Apostel geht einher mit diesem „Sich-auf-den-Weg-Machen“ in die Ebene, zur Begegnung mit einer großen Anzahl von Menschen, die – wie der Evangelientext sagt – „geplagt“ waren (vgl. V. 18). Anstatt die Jünger oben auf dem Berg, auf dem Gipfel zu lassen, führt die Wahl sie ins Herz der Menge, stellt sie mitten in ihre Qualen hinein, auf die Ebene ihres Lebens. Auf diese Weise offenbart der Herr ihnen und uns, dass man den wahren Gipfel in der Ebene erreicht, und die Ebene erinnert uns daran, dass der Gipfel in einem Blick liegt und besonders in einem Aufruf: »Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!« (V. 36).

Es ist eine Einladung, die von vier Imperativen, wir könnten sagen von vier Ermahnungen begleitet ist, die der Herr an sie richtet, um ihre Berufung in der Konkretheit, im Alltag des Lebens zu formen. Es sind vier Tätigkeiten, die dem Weg des Jüngers Form geben, Leibhaftigkeit verleihen und ihn greifbar machen sollten. Wir könnten sagen, dass es vier Abschnitte der Mystagogie der Barmherzigkeit sind: Liebt, tut Gutes, segnet und betet. Ich denke, dass wir über diese Aspekte alle einer Meinung sein können und dass sie uns auch als vernünftig erscheinen. Es sind vier Handlungen, die wir leicht verwirklichen mit unseren Freunden, mit den Menschen, die uns mehr oder weniger nahe stehen, nahe im Hinblick auf Zuneigung, Geschmack und Gewohnheiten.

Das Problem kommt auf, wenn Jesus uns die Zielgruppe dieser Handlungen vorstellt, und darin ist er ganz unmissverständlich, gebraucht er weder Umschweife, noch Beschönigungen. Liebt eure Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen, segnet die, die euch verfluchen, betet für die, die euch misshandeln (vgl. V. 27-28).

Und das sind keine Handlungen, die gegenüber einem, der als Gegner, als Feind vor uns steht, selbstverständlich sind. Solchen gegenüber ist unsere erste, instinktive Haltung die, sie zu disqualifizieren, sie zu diskreditieren, sie zu verfluchen; in vielen Fällen versuchen wir, sie zu „verteufeln“, mit dem Ziel, eine „heilige“ Rechtfertigung zu haben, um sie uns vom Halse zu schaffen. Im Gegensatz dazu sagt uns Jesus in Bezug auf den Feind, auf den, der dich hasst, dich verflucht oder dich diffamiert: Liebe ihn, tu ihm Gutes, segne ihn und bete für ihn.

Wir stehen vor einer der ureigensten Charakteristiken der Botschaft Jesu, dort, wo sich seine Kraft und sein Geheimnis verbergen. Dort entspringt die Quelle unserer Freude, von dort kommen die Macht unserer Sendung und die Verkündigung der Frohen Botschaft. Der Feind ist einer, den ich lieben muss. Im Herzen Gottes gibt es keine Feinde, Gott hat nur Söhne und Töchter. Wir richten Mauern auf, bauen Barrieren und stufen die Menschen ein. Gott hat Söhne und Töchter, und zwar nicht, um sie sich vom Leibe zu halten. Die Liebe Gottes hat das Merkmal der Treue zu den Menschen, denn es ist eine leidenschaftliche Liebe, eine Mutter- und Vaterliebe zugleich, die sie nicht im Stich lässt, selbst wenn sie Fehler begangen haben.

Unser Vater wartet nicht darauf, die Welt erst dann zu lieben, wenn wir gut sein werden, er wartet nicht darauf, uns erst dann zu lieben, wenn wir weniger ungerecht oder wenn wir vollkommen sein werden. Er liebt uns, weil er die Wahl getroffen hat, uns zu lieben; er liebt uns, weil er uns die Gotteskindschaft verliehen hat. Er hat uns sogar geliebt, als wir noch Feinde waren (vgl. Röm 5,10). Die bedingungslose Liebe des Vaters zu allen war und ist ein echtes Erfordernis der Umkehr für unser armseliges Herz, das dazu neigt, zu richten, zu trennen, Gegensätze zu schaffen und zu verurteilen. Das Wissen, dass Gott auch den, der ihn ablehnt, weiter liebt, ist eine unerschöpfliche Quelle der Zuversicht und ein Ansporn für die Mission. Keine schmutzige Hand kann verhindern, dass Gott in diese Hand das Leben legt, das er uns schenken möchte.

Unsere Epoche ist gekennzeichnet durch gewaltige Problemkomplexe und Fragen auf Weltebene. Wir erleben eine Zeit, in der in unseren Gesellschaften die Polarisierung und die Ausschließung als einzige Möglichkeit zur Lösung von Konflikten seuchenartig wieder aufleben. So sehen wir zum Beispiel, wie jemand neben uns rasch nicht nur als Unbekannter oder Immigrant oder Flüchtling eingestuft, sondern als Bedrohung wahrgenommen und als Feind eingestuft wird. Feind, weil er aus einem fernen Land kommt oder weil er andere Bräuche hat. Feind wegen seiner Hautfarbe, wegen seiner Sprache oder seiner gesellschaftlichen Stellung, Feind, weil er anders denkt und auch weil er einen anderen Glauben hat. Feind weil… Und ohne dass wir es merken, macht sich diese Logik in unserer Lebens-, Handlungs- und Vorgehensweise breit. Dann beginnen alle und alles den Beigeschmack der Feindschaft zu haben.

Nach und nach verwandeln sich die Verschiedenheiten in Symptome von Feindseligkeit, Bedrohung und Gewalt. Wie viele Wunden vergrößern sich aufgrund dieser Seuche der Feindschaft und Gewalt, die im Fleisch vieler ihre Spuren hinterlässt, die keine Stimme haben, weil ihr Aufschrei schwächer geworden und schließlich verstummt ist aufgrund dieser Pathologie der Gleichgültigkeit! Wie viele Situationen der Unsicherheit und des Leidens werden durch diese Zunahme der Feindschaft unter den Völkern, unter uns, ausgesät! Ja, unter uns, in unseren Gemeinschaften, unseren Priesterkollegien, unseren Versammlungen.

Das Virus der Polarisierung und der Feindschaft dringt in unsere Art zu denken, zu fühlen und zu handeln ein. Dagegen sind wir nicht immun, und wir müssen aufpassen, dass eine solche Haltung nicht unser Herz in Beschlag nimmt, denn das würde sich gegen den Reichtum der Universalität der Kirche wenden, den wir in diesem Kardinalskollegium mit Händen greifen können.

Wir kommen aus fernen Ländern, haben unterschiedliche Bräuche, Hautfarben, Sprachen und gesellschaftliche Stellungen; wir haben unterschiedliche Denkweisen und feiern sogar den Glauben in verschiedenen Riten. Und nichts von alledem macht uns zu Feinden, im Gegenteil, es ist einer unserer größten Reichtümer.

Liebe Brüder, Jesus hört nicht auf, „vom Berg hinabzusteigen“, unaufhörlich möchte er uns in den Kreuzweg unserer Geschichte einfügen, um das Evangelium der Barmherzigkeit zu verkünden. Immer wieder ruft Jesus uns und sendet uns in die „Ebene“ unserer Völker, immer wieder lädt er uns ein, unser Leben damit zu verbringen, die Hoffnung unserer Leute zu unterstützen, als Zeichen der Versöhnung. Als Kirche sind wir immer wieder eingeladen, unsere Augen zu öffnen, um auf die Wunden so vieler Brüder und Schwestern zu schauen, die ihrer Würde beraubt sind, die in ihrer Würde beraubt sind.

Lieber Mitbruder und neuer Kardinal, der Weg zum Himmel beginnt in der Ebene, im Alltag des zerstückelten und miteinander geteilten Lebens, eines verausgabten und verschenkten Lebens. In der täglichen und stillschweigenden Gabe dessen, was wir sind. Unser Gipfel ist diese Qualität der Liebe; unser Ziel und unsere Bestrebung ist, zu versuchen, in der Ebene des Lebens gemeinsam mit dem Volk Gottes uns in Menschen zu verwandeln, die zu Vergebung und Versöhnung fähig sind.

Lieber Bruder, heute wird von dir verlangt, in deinem Herzen und in dem der Kirche diese Einladung zu bewahren, barmherzig wie der Vater zu sein und dabei dies im Bewusstsein zu haben: »Wenn uns etwas in heilige Sorge versetzen und unser Gewissen beunruhigen soll, dann ist es die Tatsache, dass so viele unserer Brüder und Schwestern ohne die Kraft, das Licht und den Trost der Freundschaft mit Jesus Christus leben, ohne eine Glaubensgemeinschaft, die sie aufnimmt, ohne einen Horizont von Sinn und Leben« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium 49. (CNA Deutsch)

Kommentar zum Konsistorium: Die Schuhe anlassen

BirettFeierliche Zeremonie im Petersdom, Franziskus kreiert 17 neue Kardinäle. Sie kommen aus aller Welt und werden das Gesicht des Kardinalskollegiums weiter verändern. Ein Kommentar von Anne Preckel.

Wie es der Ritus verlangt, schwören die Neuernannten dem Papst ihre Treue, im Notfall bis aufs Blut – deshalb die rote Farbe des Kardinalsbiretts, das der Pontifex seinen Kardinälen verleiht. Was auf den ersten Blick symbolträchtig und etwas überkommen erscheint, dem wird unter Papst Franziskus neues Leben eingehaucht: Vielen der Kirchenmännern, die der Papst an diesem trüben Novembertag in den Kardinalsstand hob, ist Blut ein Begriff, und zwar nicht nur als starkes Symbol.

Er wolle seine normalen Schuhe anlassen, bekannte etwa der Apostolische Nuntius von Damaskus vor seiner Erhebung zum Kardinal. Mit Bescheidenheit hatte das nichts zu tun, eher mit Zeugnis: Daran klebe das Blut syrischer Kinder, das er vors Petrusgrab tragen wolle, führte Mario Zenari aus. Kein Moment, um plakativ zu sein, nein, ganz ernsthaft: Der Nuntius und seine Priester waren in Aleppo und Damaskus wenige Tage zuvor noch über Leichen gestiegen.

Bekanntschaft mit dem Blut hat auch der Erzbischof von Bangui in der Zentralafrikanischen Republik gemacht. Dieudonne Nzapalainga ist der jüngste Neuzugang im Kardinalskollegium und erste Kardinal seines Landes. Immer wieder brechen in dem Bürgerkriegsland Differenzen entlang ethnisch-religiöser Linien auf, Anschläge extremer Muslime, Vergeltungsschläge von Christen, eine perfide Spirale der Gewalt. Nzapalainga ging beherzt auf seine muslimischen Mitbürger zu und brachte eine interreligiöse Friedensinitiative auf den Weg. Und es war in Bangui, nicht in Rom, wo Papst Franziskus die erste der Heiligen Pforten aufstieß.

Einer, der schon vor Jahrzehnten bereit war, sein Blut für die Kirche zu geben, ist der albanische Märtyrerpriester Ernest Simoni. Er war von den Kommunisten aufgrund seines Glaubens zu 18 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden und entging mehrere Male nur knapp dem Tod. Franziskus lernte den drahtigen, wortkargen Mann vor zwei Jahren in Tirana besser kennen und entschied daraufhin, Simoni für sein „Überlebenszeugnis“ mit der Kardinalswürde zu krönen.

Zugegeben, nicht alle der neuen Kardinäle kommen aus solch extremen Kontexten, viele jedoch, wie es Franziskus gefällt, „vom anderen Ende der Welt“ und aus Krisenregionen, die in Europa wenig Beachtung finden: Würdenträger aus fünf Ländern und sieben Diözesen sind dabei, die niemals einen Kardinal stellten, engagierte Seelsorger wie etwa der erste Kardinal Papua-Neuguineas, Erzbischof John Ribat, der sich für Flüchtlinge, Aids- und Malaria-Kranke einsetzt, oder der neue Erzbischof der Diözese Newark in den USA, dem ethnische Vielfalt und Einwanderer keine Angst machen. Auch nicht die Rassenkonflikte in den USA, schon wieder Blut, die die Kirche dort aktuell umtreiben.

Die Liste lässt sich fortsetzen, doch das führte hier zu weit. Halten wir fest: Was Europa gern als „Ränder der westlichen Zivilisation“, Entwicklungsländer oder Risikozonen abstempelt, will dieser Papst ganz nah bei sich und im Herzen der Kirche wissen. Darum geht es, wenn man sich ansieht, wie Franziskus entscheidet, in Punkto Personal und Pastoral. Dass dieser Papst keine Mehrheiten für eine Papstwahl am Schreibtisch austüftelt, muss man wohl nicht noch unterstreichen. Das Kardinalskollegium wird mit ihm internationaler, bunter, weniger europäisch, ja, man könnte auch sagen: Wirklichkeit hält stärker Einzug im Vatikan.

Vor einer Woche waren es im Petersdom noch Obdachlose, die den Marmorboden traten, die Woche davor Häftlinge, an diesem Samstag umarmt der Papst eben Kardinäle – keine disparate Reihe für Franziskus. Er sieht in Barmherzigkeit den Auftrag eines jeden Christen sieht, mit oder ohne Birett. (rv)

Papst an neue Kardinäle: Vorsicht vor Virus der Polarisierung

KonsistoriumDie katholische Kirche hat 17 neue Kardinäle: in einem feierlichen Gottesdienst überreichte der Papst an diesem Samstag, einen Tag vor der Schließung des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit, das rote Birett und mahnte sie, sich nicht vor Polarisierungen und Feindseligkeiten leiten zu lassen. Nach der Feier fuhren Franziskus und die 17 neuen Kardinäle in den Vatikanischen Gärten zum ehemaligen Kloster Mater Ecclesiae, wo der emeritierte Papst Benedikt XVI. wohnt. Dieser wird auch am Sonntag bei der Schließung der Heiligen Pforte von St. Peter nicht kommen, ließ der Vatikan verlauten.

Einzig der 87jährige Sebastian Koto Khoarai, emeritierter Bischof von Mohale’s Hoek im Lesotho, war nicht in Rom anwesend. Der Oblaten-Missionar ist der erste Kardinal aus dem Königreich Lesotho.

In seiner Predigt beim Ordentlichen Öffentlichen Konsistorium – wie die Kardinalskreierungsfeier heißt – ging der Papst auf das Tagesevangelium nach Lukas (Lk 6,27-36) ein, bei dem es um die sogenannte „Feldpredigt“ Jesu geht. Die Kardinäle als Kirchenmänner seien wie die Apostel dazu berufen, „sich auf den Weg“ zu machen und dem Aufruf Jesu zu folgen, barmherzig „wie es auch euer Vater ist“ zu sein.

Liebt, tut Gutes, segnet und betet

Vier Ermahnungen seien hierbei wichtig, fuhr Franziskus fort: Liebt, tut Gutes, segnet und betet. „Ich denke, dass wir über diese Aspekte alle einer Meinung sein können und dass sie uns auch als vernünftig erscheinen“, sagte der Papst. Es seien vier Handlungen, „die wir leicht verwirklichen mit unseren Freunden, mit den Menschen, die uns mehr oder weniger nahe stehen, nahe im Hinblick auf Zuneigung, Geschmack und Gewohnheiten“.

Aber so einfach ist es dann doch nicht, vor allem wenn man die eigentliche Zielgruppe nimmt, die Jesus angibt: Wie es in der Bibel geschrieben steht, soll man die eigenen Feinde lieben und jenen Gutes tun, die einen hassen. Man soll jene segnen, die einen verfluchen und für jene beten, die einen misshandeln.

Ihm sei bewusst, so der Papst, dass dies nicht selbstverständlich sei. Instinktiv sei man eher versucht, die Feinde zu verfluchen oder zu diskreditieren. „In vielen Fällen versuchen wir, sie zu ,verteufeln´, mit dem Ziel, eine ,heilige´ Rechtfertigung zu haben, um sie uns vom Halse zu schaffen“, so der Papst wörtlich.

Die Feindesliebe sei aber jener Ort, wo „die Quelle unserer Freude“ entspringe, denn im Herzen Gottes gebe es keine Feinde. „Wir richten Mauern auf, bauen Barrieren und stufen die Menschen ein. Gott hat Söhne und Töchter, und zwar nicht, um sie sich vom Leibe zu halten“, erläuterte der Papst. Selbst jener, der Gott ablehnt, wird vom Herrn geliebt.

Wir leben in einer Zeit der Polarisierung

Weiter ging Franziskus auf die gegenwärtige Zeit ein und die Schwierigkeit, die Problemkomplexe und Fragen auf Weltebene anzugehen. „Wir erleben eine Zeit, in der in unseren Gesellschaften die Polarisierung und die Ausschließung als einzige Möglichkeit zur Lösung von Konflikten seuchenartig wieder aufleben“, betonte der Papst. Ein Unbekannter oder ein Flüchtling werde auf diese Weise rasch als Bedrohung wahrgenommen, ja sogar als Feind eingestuft. Und das nur, weil der Andere eine andere Hautfarbe, Bräuche oder Glauben hat. „Und ohne dass wir es merken, macht sich diese Logik in unserer Lebens-, Handlungs- und Vorgehensweise breit. Dann beginnen alle und alles den Beigeschmack der Feindschaft zu haben“, erläuterte der Papst.

Die Verschiedenheit wird zur Feindseligkeit, die Bedrohung wandelt sich in Gewalt um. Und noch schlimmer wird es, wenn Gleichgültigkeit herrscht. „Wie viele Situationen der Unsicherheit und des Leidens werden durch diese Zunahme der Feindschaft unter den Völkern, unter uns, ausgesät! Ja, unter uns, in unseren Gemeinschaften, unseren Priesterkollegien, unseren Versammlungen“, hob der Papst hervor und sprach vom „Virus der Polarisierung“, der das Denken, Fühlen und Handeln befallen kann. Die verschiedenen Herkunft der neuen Kardinälen zeigten trotz der Unterschiede, dass „nichts von alledem“ sie zu Feinden mache, „im Gegenteil, es ist einer unserer größten Reichtümer“, fügte Franziskus an. (rv)

„Manche verstehen immer noch nicht“: Papst Franziskus über Amoris Laetitia-Debatte

cna_franziskus_rueckflugVATIKANSTADT – Papst Franziskus hat offenbar Kritikern seines nachsynodalen Schreibens Amoris Laetitia („die Freude der Liebe“) vorgeworfen, dieses nicht verstanden zu haben.

In einem weitreichenden Interview mit der Zeitung der italienischen Bischofskonferenz, Avvenire, sagt der Papst: „Manche – denken Sie an die Entgegnungen auf Amoris Laetitia – verstehen immer noch nicht“. Das liege daran, dass diese Personen nach dem Schema „schwarz oder weiß“ dächten, „selbst wenn wir im Fluss des Lebens unterscheiden müssen“, so Franziskus.

„Die Kirche existiert einzig als ein Instrument, dass den Menschen Gottes barmherzige Absicht mitteilt“, so Franziskus. Während des Zweiten Vatikanischen Konzils habe die Kirche „das Bedürfnis gespürt, in der Welt als sichtbares Zeichen der Liebe des Vaters zu sein.“

Das Konzil, besonders das Dokument Lumen Gentium, habe – so Franziskus – die Achse der christlichen Vorstellung „von einer bestimmten Form des Legalismus, die ideologisch sein kann“ hin zu Gott selbst verschoben, der durch Seinen Sohn Mensch wurde.

In diesem Zusammenhang spricht der Papst dann über Reaktionen auf Amoris Laetitia, beziehungsweise solche, die dass „immer noch nicht verstehen“.

Auch wenn der Papst keine Namen nennt: Es liegt nahe, anzunehmen, dass seine Worte auf die vier Kardinäle gemünzt sind, die im September dem Papst einen Brief geschrieben haben; in diesem bitten sie Franziskus, fünf Fragen über Amoris Laetitia zu beantworten. Dabei geht es unter anderem um die Frage des Verständnisses der Lehre der Kirche, genauer, ob „die Existenz absoluter moralischer Normen, die ohne Ausnahme gelten und in sich schlechte Handlungen verbieten“ bestätigt werden kann.

Nachdem Franziskus diesen Brief jedoch nicht beantwortete, wandten sich die Kardinäle mit ihren Fragen am 14. November an die Öffentlichkeit.

Obwohl die Autoren davor warnten, den Brief als Kritik an der Person des Papstes zu lesen, sondern als Bitte „die Ungewissheiten zu beseitigen und Klarheit zu schaffen“, wurde er als solcher von manchen interpretiert.

Zugleich ist das Schreiben der Kardinäle Walter Brandmüller, Joachim Meisner, Carlo Caffara und Raymond Leo Burke der jüngste und prominenteste Beitrag zu einer seit Monaten andauernden Debatte um das Schreiben, welches der Papst am 8. April 2016 vorlegte, sowie um die – bisweilen einander völlig widersprechenden – Interpretationen der Exhortation.

Tatsächlich wird bis heute diskutiert, ob der Papst die Regelung

Kardinal Burke hat in einem Interview mit Edward Pentin vom „National Catholic Register“ nach Veröffentlichung des Briefs noch einmal betont, dass die Nachfrage der Kardinäle ein Akt der Nächstenliebe gegenüber des Papstes gewesen sei, und ein Versuch, die „tiefe Kluft“ zu überwinden, die vor allem das achte Kapitel versursacht habe.

In diesem öffnet – so zumindest die heftig diskutierte Frage – Franziskus möglicherweise die Tür für die Zulassung von Katholiken unter bestimmten Umständen zur Kommunion, auch wenn diese etwa staatlich geschieden und wiederverheiratet sind und nicht enthaltsam leben, wie es bisher die Lehre der Kirche fordert.

Sollte der Papst die Fragen der Kardinäle zu dieser andauernden Verwirrung nicht klären, so der Kirchenrechts-Experte Burke im Interview weiter, dann würden die Schreiber des Briefs erwägen, den Päpst dahingehend „zu korrigieren“. (CNA Deutsch)

Spiel mit der Katastrophe: Heiliger Stuhl warnt an Vereinten Nationen vor Biowaffen

UNO-FahneVATIKANSTADT – Bei den Vereinten Nationen in Genf findet diesen Monat die achte Überprüfungskonferenz zum Abkommen über Biologische Waffen (Biological Weapons Conference, BWC) statt.

Biologische Kriegsführung – auch als bakteriologische Kriegsführung bekannt – bezeichnet die Verwendung von Krankheitserregern oder Toxinen als Kriegshandlung mit der Absicht, Menschen, Tiere oder Pflanzen zu töten oder kampfunfähig zu machen.

Die BWC trat als erstes multilaterales Abrüstungsabkommen, das die Produktion und Nutzung einer ganzen Waffenkategorie verbietet, am 26. März 1975 in Kraft. Seitdem sind 178 Staaten der Konvention beigetreten, sechs weitere haben den Vertrag unterzeichnet.

Die BWC verbietet rechtskräftig die Entwicklung, Herstellung, Anschaffung, Lagerung, Weitergabe und Nutzung biologischer Waffen und Toxine. Sie ist Schwerpunkt der Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft, der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen entgegenzutreten.

Stefano Saldi, Abrüstungsattaché der Gesandtschaft des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf, betonte: „Der Heilige Stuhl ist der Biowaffenkonferenz 2002 beigetreten. Das hier ist also unsere dritte Überprüfungskonferenz. Es ist für die Vertragsstaaten eine gute Gelegenheit, Ideen auszutauschen und Wege zu finden, das Abkommen zu festigen und auszubauen.“

Erzbischof Ivan Jurkovic, ständiger Vertreter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf, fügte hinzu: „Der Heilige Stuhl ist grundsätzlich mit dabei, wenn es darum geht wichtige Konzepte zu unterstützen, Konzepte, die für die Menschheit von Bedeutung sind. In diesem Fall geht es um die enorme Gefahr biologischer Waffen. Waffen die Krankheiten benutzen gegen den Feind oder die anderen zu kämpfen. Die Krankheitsviren kennen jedoch keine Landesgrenzen – man spielt also hier mit einer Katastrophe.“

Grundformen biologischer Kriegsführung wurden bereits 400 v. Chr. praktiziert, als skythische Bogenschützen ihre Pfeile in verwesende Leichen tauchten. Schriftlich belegt wurde die Nutzung „biologischer Mittel“ zum ersten Mal , als die Römer tote Tiere gebrauchten, um die Trinkwasservorräte des Feindes zu verseuchen. In den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts erforschten die Nazis die Möglichkeit, Mücken als biologische Waffen einzusetzen.

„Wir haben einen Punkt erreicht an dem sich solche Waffen der menschlichen Kontrolle entziehen können. Das ist höchst gefährlich weil wir es hier mit Massenvernichtungswaffen zu tun haben. Es ist also wichtig, dass die Konvention mit dem technologischen Fortschritt mithält, um ihrer Zielsetzung weiterhin gerecht zu werden. Auch das ist ein Aspekt, der diskutiert wird“, sagte Stefano Saldi.

Erzbischof Ivan Jurkovic betonte: „Wir versuchen den Fortschritt voran zu bringen. Wir suchen Wege, besser zu leben, gerechter zu leben und mehr Fortbildung zu ermöglichen. Sie können sich jedoch vorstellen, dass angesichts solcher drastischen Waffen jede Rede von Fortschritt bedeutungslos wird.“

Die Konferenz unterstrich: Aufklärungsarbeit spielt eine entscheidende Rolle, um das Problem bei seinen Wurzeln anzugehen. Verhaltensregeln und Schulungen in Ethik sollten auf Länderebene entwickelt und respektiert werden. Alle Interessenvertreter sollten mit vereinten Kräften arbeiten: Wissenschaftler, Universitäten, Industrie, Regierungen und internationale Behörden sollten sich gemeinsam dafür verantwortlich fühlen, Biotechnologie anzuwenden, um das Leben und menschliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern.

Wie Papst Franziskus erinnert: „Wir müssen uns ständig über die Ziele von Wissenschaft und Technologie und deren Auswirkungen und ethischen Grenzen bewusst sein, da diese ansonsten eine erhebliche Gefahr darstellen können.“ (Laudato Si, 131)

„Bestimmte Waffen, oder wenn man so will, ein bestimmtes menschliches Handeln oder auch bestimmte Ergebnisse menschlichen Fortschritts, “ so Erzbischof Ivan Jurkovic, und fuhr fort:

Dieser Bericht wurde vom U.N.-Korrespondenten Christian Peschken, Pax Press Agency in Genf, verfasst. Der Bericht wird auch bei EWTN – Katholisches Fernsehen zu sehen sein im Rahmen des Magazins ‚Vatikano‘. Weitere Informationen zu Pax Press Agency

„Wie die zunehmende Verbreitung von ‚Do-it-yourself Heimwerker-Biologie‘ und ‚Garagenlaboren‘ beweisen, sind die Mittel für die Produktion biologischer Waffen einem größeren Personenkreis zugänglich. Kein Staat kann den Krieg gegen die Verbreitung biologischer Waffen allein gewinnen. Um nichtstaatliche Akteure davon abzuhalten, biologische Waffen zu erwerben, herzustellen oder zu nutzen bedarf es eines kollektiven Willens und gemeinsamen Handelns auf dem Gebiet der Sicherheit, besonders der biologischen Sicherheit. Auch eine verbesserte internationale Zusammenarbeit und Unterstützung sowie größere Leistungskapazitäten sind hier vonnöten“.

unter www.paxpressagency.com. (CNA Deutsch)