Franziskus warnt Kardinäle vor „Virus der Polarisierung“ (Bericht, Wortlaut & Video)

cna_konsistorium19_11_2016VATIKANSTADT – Papst Franziskus hat am heutigen Samstag 17 neue Kardinäle der katholischen Kirche kreiert – und die anwesenden Purpurträger vor dem „Virus der Polarisierung“ gewarnt.

Im Rahmen einer heiligen Messe des Konsistoriums im Dom von St. Peter setzte der Pontifex den neuen Kardinälen ihr Birett auf. Als einziger nicht anwesend war – aus Gesundheitsgründen – der 87 Jahre alte Bischof emeritus Sebastian Koto Khoarai aus Lesotho im südlichen Afrika.

In seiner Predigt betonte Franziskus, in Anlehnung an die Worte Jesus im Tagesevangelium nach Lukas (Lk 6,27-36), dass es wichtig sei, vier Dinge zu tun: „Liebt, tut Gutes, segnet und betet“.

Dies sei jedoch nicht leicht, wenn man es auf seine Feinde anwende, so der Papst. Dabei sie genau dies eine der „ureigensten“ Merkmale der Lehre Jesu. Franziskus warnte, statt dieser Lehre der Logik der Gegnerschaft zu folgen, welche eine „Zunahme der Feindschaft unter den Völkern, unter uns, ausgesät [hat]! Ja, unter uns, in unseren Gemeinschaften, unseren Priesterkollegien, unseren Versammlungen“. Der Papst weiter:

Das Virus der Polarisierung und der Feindschaft dringt in unsere Art zu denken, zu fühlen und zu handeln ein. Dagegen sind wir nicht immun, und wir müssen aufpassen, dass eine solche Haltung nicht unser Herz in Beschlag nimmt, denn das würde sich gegen den Reichtum der Universalität der Kirche wenden, den wir in diesem Kardinalskollegium mit Händen greifen können.

Nach der Feier besuchte Franziskus mit den 17 neuen Kardinälen seinen Vorgänger, Benedikt XVI.

Benedikt wird auch morgen bei der Schließung der Heiligen Pforte im Petersdom nicht dabeisein, teilte der Vatikan mit. Bei der Öffnung war Benedikt noch als erster durch die Pforte gegangen.

Elise Harris trug zur Berichterstattung bei; ergänzt um 16:06 Uhr durch weitere Informationen.

CNA dokumentiert den vollen Wortlaut der Predigt von Franziskus, wie sie der Heilige Stuhl zur Verfügung gestellt hat.

Der Abschnitt aus dem Evangelium, den wir eben gehört haben (vgl. Lk 6,27-36), ist von vielen die „Feldpredigt“ genannt worden. Nach der Einsetzung der Zwölf stieg Jesus mit seinen Jüngern hinunter in die Ebene, wo eine Menschenmenge auf ihn wartete, um ihn zu hören und sich heilen zu lassen. Die Berufung der Apostel geht einher mit diesem „Sich-auf-den-Weg-Machen“ in die Ebene, zur Begegnung mit einer großen Anzahl von Menschen, die – wie der Evangelientext sagt – „geplagt“ waren (vgl. V. 18). Anstatt die Jünger oben auf dem Berg, auf dem Gipfel zu lassen, führt die Wahl sie ins Herz der Menge, stellt sie mitten in ihre Qualen hinein, auf die Ebene ihres Lebens. Auf diese Weise offenbart der Herr ihnen und uns, dass man den wahren Gipfel in der Ebene erreicht, und die Ebene erinnert uns daran, dass der Gipfel in einem Blick liegt und besonders in einem Aufruf: »Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!« (V. 36).

Es ist eine Einladung, die von vier Imperativen, wir könnten sagen von vier Ermahnungen begleitet ist, die der Herr an sie richtet, um ihre Berufung in der Konkretheit, im Alltag des Lebens zu formen. Es sind vier Tätigkeiten, die dem Weg des Jüngers Form geben, Leibhaftigkeit verleihen und ihn greifbar machen sollten. Wir könnten sagen, dass es vier Abschnitte der Mystagogie der Barmherzigkeit sind: Liebt, tut Gutes, segnet und betet. Ich denke, dass wir über diese Aspekte alle einer Meinung sein können und dass sie uns auch als vernünftig erscheinen. Es sind vier Handlungen, die wir leicht verwirklichen mit unseren Freunden, mit den Menschen, die uns mehr oder weniger nahe stehen, nahe im Hinblick auf Zuneigung, Geschmack und Gewohnheiten.

Das Problem kommt auf, wenn Jesus uns die Zielgruppe dieser Handlungen vorstellt, und darin ist er ganz unmissverständlich, gebraucht er weder Umschweife, noch Beschönigungen. Liebt eure Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen, segnet die, die euch verfluchen, betet für die, die euch misshandeln (vgl. V. 27-28).

Und das sind keine Handlungen, die gegenüber einem, der als Gegner, als Feind vor uns steht, selbstverständlich sind. Solchen gegenüber ist unsere erste, instinktive Haltung die, sie zu disqualifizieren, sie zu diskreditieren, sie zu verfluchen; in vielen Fällen versuchen wir, sie zu „verteufeln“, mit dem Ziel, eine „heilige“ Rechtfertigung zu haben, um sie uns vom Halse zu schaffen. Im Gegensatz dazu sagt uns Jesus in Bezug auf den Feind, auf den, der dich hasst, dich verflucht oder dich diffamiert: Liebe ihn, tu ihm Gutes, segne ihn und bete für ihn.

Wir stehen vor einer der ureigensten Charakteristiken der Botschaft Jesu, dort, wo sich seine Kraft und sein Geheimnis verbergen. Dort entspringt die Quelle unserer Freude, von dort kommen die Macht unserer Sendung und die Verkündigung der Frohen Botschaft. Der Feind ist einer, den ich lieben muss. Im Herzen Gottes gibt es keine Feinde, Gott hat nur Söhne und Töchter. Wir richten Mauern auf, bauen Barrieren und stufen die Menschen ein. Gott hat Söhne und Töchter, und zwar nicht, um sie sich vom Leibe zu halten. Die Liebe Gottes hat das Merkmal der Treue zu den Menschen, denn es ist eine leidenschaftliche Liebe, eine Mutter- und Vaterliebe zugleich, die sie nicht im Stich lässt, selbst wenn sie Fehler begangen haben.

Unser Vater wartet nicht darauf, die Welt erst dann zu lieben, wenn wir gut sein werden, er wartet nicht darauf, uns erst dann zu lieben, wenn wir weniger ungerecht oder wenn wir vollkommen sein werden. Er liebt uns, weil er die Wahl getroffen hat, uns zu lieben; er liebt uns, weil er uns die Gotteskindschaft verliehen hat. Er hat uns sogar geliebt, als wir noch Feinde waren (vgl. Röm 5,10). Die bedingungslose Liebe des Vaters zu allen war und ist ein echtes Erfordernis der Umkehr für unser armseliges Herz, das dazu neigt, zu richten, zu trennen, Gegensätze zu schaffen und zu verurteilen. Das Wissen, dass Gott auch den, der ihn ablehnt, weiter liebt, ist eine unerschöpfliche Quelle der Zuversicht und ein Ansporn für die Mission. Keine schmutzige Hand kann verhindern, dass Gott in diese Hand das Leben legt, das er uns schenken möchte.

Unsere Epoche ist gekennzeichnet durch gewaltige Problemkomplexe und Fragen auf Weltebene. Wir erleben eine Zeit, in der in unseren Gesellschaften die Polarisierung und die Ausschließung als einzige Möglichkeit zur Lösung von Konflikten seuchenartig wieder aufleben. So sehen wir zum Beispiel, wie jemand neben uns rasch nicht nur als Unbekannter oder Immigrant oder Flüchtling eingestuft, sondern als Bedrohung wahrgenommen und als Feind eingestuft wird. Feind, weil er aus einem fernen Land kommt oder weil er andere Bräuche hat. Feind wegen seiner Hautfarbe, wegen seiner Sprache oder seiner gesellschaftlichen Stellung, Feind, weil er anders denkt und auch weil er einen anderen Glauben hat. Feind weil… Und ohne dass wir es merken, macht sich diese Logik in unserer Lebens-, Handlungs- und Vorgehensweise breit. Dann beginnen alle und alles den Beigeschmack der Feindschaft zu haben.

Nach und nach verwandeln sich die Verschiedenheiten in Symptome von Feindseligkeit, Bedrohung und Gewalt. Wie viele Wunden vergrößern sich aufgrund dieser Seuche der Feindschaft und Gewalt, die im Fleisch vieler ihre Spuren hinterlässt, die keine Stimme haben, weil ihr Aufschrei schwächer geworden und schließlich verstummt ist aufgrund dieser Pathologie der Gleichgültigkeit! Wie viele Situationen der Unsicherheit und des Leidens werden durch diese Zunahme der Feindschaft unter den Völkern, unter uns, ausgesät! Ja, unter uns, in unseren Gemeinschaften, unseren Priesterkollegien, unseren Versammlungen.

Das Virus der Polarisierung und der Feindschaft dringt in unsere Art zu denken, zu fühlen und zu handeln ein. Dagegen sind wir nicht immun, und wir müssen aufpassen, dass eine solche Haltung nicht unser Herz in Beschlag nimmt, denn das würde sich gegen den Reichtum der Universalität der Kirche wenden, den wir in diesem Kardinalskollegium mit Händen greifen können.

Wir kommen aus fernen Ländern, haben unterschiedliche Bräuche, Hautfarben, Sprachen und gesellschaftliche Stellungen; wir haben unterschiedliche Denkweisen und feiern sogar den Glauben in verschiedenen Riten. Und nichts von alledem macht uns zu Feinden, im Gegenteil, es ist einer unserer größten Reichtümer.

Liebe Brüder, Jesus hört nicht auf, „vom Berg hinabzusteigen“, unaufhörlich möchte er uns in den Kreuzweg unserer Geschichte einfügen, um das Evangelium der Barmherzigkeit zu verkünden. Immer wieder ruft Jesus uns und sendet uns in die „Ebene“ unserer Völker, immer wieder lädt er uns ein, unser Leben damit zu verbringen, die Hoffnung unserer Leute zu unterstützen, als Zeichen der Versöhnung. Als Kirche sind wir immer wieder eingeladen, unsere Augen zu öffnen, um auf die Wunden so vieler Brüder und Schwestern zu schauen, die ihrer Würde beraubt sind, die in ihrer Würde beraubt sind.

Lieber Mitbruder und neuer Kardinal, der Weg zum Himmel beginnt in der Ebene, im Alltag des zerstückelten und miteinander geteilten Lebens, eines verausgabten und verschenkten Lebens. In der täglichen und stillschweigenden Gabe dessen, was wir sind. Unser Gipfel ist diese Qualität der Liebe; unser Ziel und unsere Bestrebung ist, zu versuchen, in der Ebene des Lebens gemeinsam mit dem Volk Gottes uns in Menschen zu verwandeln, die zu Vergebung und Versöhnung fähig sind.

Lieber Bruder, heute wird von dir verlangt, in deinem Herzen und in dem der Kirche diese Einladung zu bewahren, barmherzig wie der Vater zu sein und dabei dies im Bewusstsein zu haben: »Wenn uns etwas in heilige Sorge versetzen und unser Gewissen beunruhigen soll, dann ist es die Tatsache, dass so viele unserer Brüder und Schwestern ohne die Kraft, das Licht und den Trost der Freundschaft mit Jesus Christus leben, ohne eine Glaubensgemeinschaft, die sie aufnimmt, ohne einen Horizont von Sinn und Leben« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium 49. (CNA Deutsch)

Kommentar zum Konsistorium: Die Schuhe anlassen

BirettFeierliche Zeremonie im Petersdom, Franziskus kreiert 17 neue Kardinäle. Sie kommen aus aller Welt und werden das Gesicht des Kardinalskollegiums weiter verändern. Ein Kommentar von Anne Preckel.

Wie es der Ritus verlangt, schwören die Neuernannten dem Papst ihre Treue, im Notfall bis aufs Blut – deshalb die rote Farbe des Kardinalsbiretts, das der Pontifex seinen Kardinälen verleiht. Was auf den ersten Blick symbolträchtig und etwas überkommen erscheint, dem wird unter Papst Franziskus neues Leben eingehaucht: Vielen der Kirchenmännern, die der Papst an diesem trüben Novembertag in den Kardinalsstand hob, ist Blut ein Begriff, und zwar nicht nur als starkes Symbol.

Er wolle seine normalen Schuhe anlassen, bekannte etwa der Apostolische Nuntius von Damaskus vor seiner Erhebung zum Kardinal. Mit Bescheidenheit hatte das nichts zu tun, eher mit Zeugnis: Daran klebe das Blut syrischer Kinder, das er vors Petrusgrab tragen wolle, führte Mario Zenari aus. Kein Moment, um plakativ zu sein, nein, ganz ernsthaft: Der Nuntius und seine Priester waren in Aleppo und Damaskus wenige Tage zuvor noch über Leichen gestiegen.

Bekanntschaft mit dem Blut hat auch der Erzbischof von Bangui in der Zentralafrikanischen Republik gemacht. Dieudonne Nzapalainga ist der jüngste Neuzugang im Kardinalskollegium und erste Kardinal seines Landes. Immer wieder brechen in dem Bürgerkriegsland Differenzen entlang ethnisch-religiöser Linien auf, Anschläge extremer Muslime, Vergeltungsschläge von Christen, eine perfide Spirale der Gewalt. Nzapalainga ging beherzt auf seine muslimischen Mitbürger zu und brachte eine interreligiöse Friedensinitiative auf den Weg. Und es war in Bangui, nicht in Rom, wo Papst Franziskus die erste der Heiligen Pforten aufstieß.

Einer, der schon vor Jahrzehnten bereit war, sein Blut für die Kirche zu geben, ist der albanische Märtyrerpriester Ernest Simoni. Er war von den Kommunisten aufgrund seines Glaubens zu 18 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden und entging mehrere Male nur knapp dem Tod. Franziskus lernte den drahtigen, wortkargen Mann vor zwei Jahren in Tirana besser kennen und entschied daraufhin, Simoni für sein „Überlebenszeugnis“ mit der Kardinalswürde zu krönen.

Zugegeben, nicht alle der neuen Kardinäle kommen aus solch extremen Kontexten, viele jedoch, wie es Franziskus gefällt, „vom anderen Ende der Welt“ und aus Krisenregionen, die in Europa wenig Beachtung finden: Würdenträger aus fünf Ländern und sieben Diözesen sind dabei, die niemals einen Kardinal stellten, engagierte Seelsorger wie etwa der erste Kardinal Papua-Neuguineas, Erzbischof John Ribat, der sich für Flüchtlinge, Aids- und Malaria-Kranke einsetzt, oder der neue Erzbischof der Diözese Newark in den USA, dem ethnische Vielfalt und Einwanderer keine Angst machen. Auch nicht die Rassenkonflikte in den USA, schon wieder Blut, die die Kirche dort aktuell umtreiben.

Die Liste lässt sich fortsetzen, doch das führte hier zu weit. Halten wir fest: Was Europa gern als „Ränder der westlichen Zivilisation“, Entwicklungsländer oder Risikozonen abstempelt, will dieser Papst ganz nah bei sich und im Herzen der Kirche wissen. Darum geht es, wenn man sich ansieht, wie Franziskus entscheidet, in Punkto Personal und Pastoral. Dass dieser Papst keine Mehrheiten für eine Papstwahl am Schreibtisch austüftelt, muss man wohl nicht noch unterstreichen. Das Kardinalskollegium wird mit ihm internationaler, bunter, weniger europäisch, ja, man könnte auch sagen: Wirklichkeit hält stärker Einzug im Vatikan.

Vor einer Woche waren es im Petersdom noch Obdachlose, die den Marmorboden traten, die Woche davor Häftlinge, an diesem Samstag umarmt der Papst eben Kardinäle – keine disparate Reihe für Franziskus. Er sieht in Barmherzigkeit den Auftrag eines jeden Christen sieht, mit oder ohne Birett. (rv)

Papst an neue Kardinäle: Vorsicht vor Virus der Polarisierung

KonsistoriumDie katholische Kirche hat 17 neue Kardinäle: in einem feierlichen Gottesdienst überreichte der Papst an diesem Samstag, einen Tag vor der Schließung des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit, das rote Birett und mahnte sie, sich nicht vor Polarisierungen und Feindseligkeiten leiten zu lassen. Nach der Feier fuhren Franziskus und die 17 neuen Kardinäle in den Vatikanischen Gärten zum ehemaligen Kloster Mater Ecclesiae, wo der emeritierte Papst Benedikt XVI. wohnt. Dieser wird auch am Sonntag bei der Schließung der Heiligen Pforte von St. Peter nicht kommen, ließ der Vatikan verlauten.

Einzig der 87jährige Sebastian Koto Khoarai, emeritierter Bischof von Mohale’s Hoek im Lesotho, war nicht in Rom anwesend. Der Oblaten-Missionar ist der erste Kardinal aus dem Königreich Lesotho.

In seiner Predigt beim Ordentlichen Öffentlichen Konsistorium – wie die Kardinalskreierungsfeier heißt – ging der Papst auf das Tagesevangelium nach Lukas (Lk 6,27-36) ein, bei dem es um die sogenannte „Feldpredigt“ Jesu geht. Die Kardinäle als Kirchenmänner seien wie die Apostel dazu berufen, „sich auf den Weg“ zu machen und dem Aufruf Jesu zu folgen, barmherzig „wie es auch euer Vater ist“ zu sein.

Liebt, tut Gutes, segnet und betet

Vier Ermahnungen seien hierbei wichtig, fuhr Franziskus fort: Liebt, tut Gutes, segnet und betet. „Ich denke, dass wir über diese Aspekte alle einer Meinung sein können und dass sie uns auch als vernünftig erscheinen“, sagte der Papst. Es seien vier Handlungen, „die wir leicht verwirklichen mit unseren Freunden, mit den Menschen, die uns mehr oder weniger nahe stehen, nahe im Hinblick auf Zuneigung, Geschmack und Gewohnheiten“.

Aber so einfach ist es dann doch nicht, vor allem wenn man die eigentliche Zielgruppe nimmt, die Jesus angibt: Wie es in der Bibel geschrieben steht, soll man die eigenen Feinde lieben und jenen Gutes tun, die einen hassen. Man soll jene segnen, die einen verfluchen und für jene beten, die einen misshandeln.

Ihm sei bewusst, so der Papst, dass dies nicht selbstverständlich sei. Instinktiv sei man eher versucht, die Feinde zu verfluchen oder zu diskreditieren. „In vielen Fällen versuchen wir, sie zu ,verteufeln´, mit dem Ziel, eine ,heilige´ Rechtfertigung zu haben, um sie uns vom Halse zu schaffen“, so der Papst wörtlich.

Die Feindesliebe sei aber jener Ort, wo „die Quelle unserer Freude“ entspringe, denn im Herzen Gottes gebe es keine Feinde. „Wir richten Mauern auf, bauen Barrieren und stufen die Menschen ein. Gott hat Söhne und Töchter, und zwar nicht, um sie sich vom Leibe zu halten“, erläuterte der Papst. Selbst jener, der Gott ablehnt, wird vom Herrn geliebt.

Wir leben in einer Zeit der Polarisierung

Weiter ging Franziskus auf die gegenwärtige Zeit ein und die Schwierigkeit, die Problemkomplexe und Fragen auf Weltebene anzugehen. „Wir erleben eine Zeit, in der in unseren Gesellschaften die Polarisierung und die Ausschließung als einzige Möglichkeit zur Lösung von Konflikten seuchenartig wieder aufleben“, betonte der Papst. Ein Unbekannter oder ein Flüchtling werde auf diese Weise rasch als Bedrohung wahrgenommen, ja sogar als Feind eingestuft. Und das nur, weil der Andere eine andere Hautfarbe, Bräuche oder Glauben hat. „Und ohne dass wir es merken, macht sich diese Logik in unserer Lebens-, Handlungs- und Vorgehensweise breit. Dann beginnen alle und alles den Beigeschmack der Feindschaft zu haben“, erläuterte der Papst.

Die Verschiedenheit wird zur Feindseligkeit, die Bedrohung wandelt sich in Gewalt um. Und noch schlimmer wird es, wenn Gleichgültigkeit herrscht. „Wie viele Situationen der Unsicherheit und des Leidens werden durch diese Zunahme der Feindschaft unter den Völkern, unter uns, ausgesät! Ja, unter uns, in unseren Gemeinschaften, unseren Priesterkollegien, unseren Versammlungen“, hob der Papst hervor und sprach vom „Virus der Polarisierung“, der das Denken, Fühlen und Handeln befallen kann. Die verschiedenen Herkunft der neuen Kardinälen zeigten trotz der Unterschiede, dass „nichts von alledem“ sie zu Feinden mache, „im Gegenteil, es ist einer unserer größten Reichtümer“, fügte Franziskus an. (rv)