„Manche verstehen immer noch nicht“: Papst Franziskus über Amoris Laetitia-Debatte

cna_franziskus_rueckflugVATIKANSTADT – Papst Franziskus hat offenbar Kritikern seines nachsynodalen Schreibens Amoris Laetitia („die Freude der Liebe“) vorgeworfen, dieses nicht verstanden zu haben.

In einem weitreichenden Interview mit der Zeitung der italienischen Bischofskonferenz, Avvenire, sagt der Papst: „Manche – denken Sie an die Entgegnungen auf Amoris Laetitia – verstehen immer noch nicht“. Das liege daran, dass diese Personen nach dem Schema „schwarz oder weiß“ dächten, „selbst wenn wir im Fluss des Lebens unterscheiden müssen“, so Franziskus.

„Die Kirche existiert einzig als ein Instrument, dass den Menschen Gottes barmherzige Absicht mitteilt“, so Franziskus. Während des Zweiten Vatikanischen Konzils habe die Kirche „das Bedürfnis gespürt, in der Welt als sichtbares Zeichen der Liebe des Vaters zu sein.“

Das Konzil, besonders das Dokument Lumen Gentium, habe – so Franziskus – die Achse der christlichen Vorstellung „von einer bestimmten Form des Legalismus, die ideologisch sein kann“ hin zu Gott selbst verschoben, der durch Seinen Sohn Mensch wurde.

In diesem Zusammenhang spricht der Papst dann über Reaktionen auf Amoris Laetitia, beziehungsweise solche, die dass „immer noch nicht verstehen“.

Auch wenn der Papst keine Namen nennt: Es liegt nahe, anzunehmen, dass seine Worte auf die vier Kardinäle gemünzt sind, die im September dem Papst einen Brief geschrieben haben; in diesem bitten sie Franziskus, fünf Fragen über Amoris Laetitia zu beantworten. Dabei geht es unter anderem um die Frage des Verständnisses der Lehre der Kirche, genauer, ob „die Existenz absoluter moralischer Normen, die ohne Ausnahme gelten und in sich schlechte Handlungen verbieten“ bestätigt werden kann.

Nachdem Franziskus diesen Brief jedoch nicht beantwortete, wandten sich die Kardinäle mit ihren Fragen am 14. November an die Öffentlichkeit.

Obwohl die Autoren davor warnten, den Brief als Kritik an der Person des Papstes zu lesen, sondern als Bitte „die Ungewissheiten zu beseitigen und Klarheit zu schaffen“, wurde er als solcher von manchen interpretiert.

Zugleich ist das Schreiben der Kardinäle Walter Brandmüller, Joachim Meisner, Carlo Caffara und Raymond Leo Burke der jüngste und prominenteste Beitrag zu einer seit Monaten andauernden Debatte um das Schreiben, welches der Papst am 8. April 2016 vorlegte, sowie um die – bisweilen einander völlig widersprechenden – Interpretationen der Exhortation.

Tatsächlich wird bis heute diskutiert, ob der Papst die Regelung

Kardinal Burke hat in einem Interview mit Edward Pentin vom „National Catholic Register“ nach Veröffentlichung des Briefs noch einmal betont, dass die Nachfrage der Kardinäle ein Akt der Nächstenliebe gegenüber des Papstes gewesen sei, und ein Versuch, die „tiefe Kluft“ zu überwinden, die vor allem das achte Kapitel versursacht habe.

In diesem öffnet – so zumindest die heftig diskutierte Frage – Franziskus möglicherweise die Tür für die Zulassung von Katholiken unter bestimmten Umständen zur Kommunion, auch wenn diese etwa staatlich geschieden und wiederverheiratet sind und nicht enthaltsam leben, wie es bisher die Lehre der Kirche fordert.

Sollte der Papst die Fragen der Kardinäle zu dieser andauernden Verwirrung nicht klären, so der Kirchenrechts-Experte Burke im Interview weiter, dann würden die Schreiber des Briefs erwägen, den Päpst dahingehend „zu korrigieren“. (CNA Deutsch)

Debatte über Ehe und Familie

HochzeitIn den italienischen Medien ist eine Debatte über die Themen der bevorstehenden Bischofssynode im Gang. Im Oktober tritt im Vatikan eine Synode zum Thema Ehe und Familie zusammen, ein Jahr darauf – im Oktober 2015 – sollen auf einer weiteren Synode auch konkrete Schlußfolgerungen gezogen werden. Die Debatte in italienischen Medien, an der sich auch Kardinäle beteiligen, dreht sich vor allem um die Frage, ob Menschen, die nach einer Scheidung wieder heiraten, zur Kommunion zugelassen werden dürfen. Das ist ihnen nach jetzigem Kirchenrecht verwehrt. Ein Nein zur Wiederzulassung sagen nach Medienberichten fünf Kardinäle in einem Buch, das am 1. Oktober in Italien und den USA veröffentlicht wird: Es sind die Kardinäle Gerhard Ludwig Müller, Raymond Leo Burke, Walter Brandmüller, Velasio De Paolis und Carlo Caffarra. Müller ist Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation.

Der frühere Präsident des vatikanischen Ökumene-Rats, Kardinal Walter Kasper, mahnt in der Tageszeitung „Il Mattino“, es dürfe auf der Synode keinen „ideologischen Krieg“ geben. Kasper wörtlich: „Die Lehre der Kirche steht gar nicht zur Debatte, aber sie lässt sich vertiefen, sie ist nicht abgeschlossen.“ Es gehe um die „Anwendung der Lehre auf komplizierte Situationen“. „Zielscheibe von Polemiken“ sei gar nicht er, sondern letztlich Papst Franziskus. Kardinal Kasper hofft, „dass die Synode zu einem ernsthaften und ruhigen Meinungs- und Gedankenaustausch führen wird“. (rv)