D: Oberammergauer setzen auf Deutschsprachige

An diesem Samstag fällt der Startschuss für die berühmten Oberammergauer Festspiele. Sie schauen zurück auf eine Jahrhundert alte Tradition – seit 1633 werden sie von den Oberammergauern, und zwar nur den "Echten", in Szene gesetzt. Mit 24 Jahren ist Christian Stückl 1990 zum jüngsten Spielleiter von Oberammergau gewählt worden. Seitdem steht der gebürtige Oberammergauer den Spielen vor. Sein Bezug zu den Spielen reicht aber noch weiter zurück:
„Bei uns in der Familie waren über Generationen hinweg alle an den Spielen beteiligt. Mein Uropa hat schon im Hohen Rat mitgespielt. Dann mein Opa und mein Papa. Als Kind habe ich immer gedacht: Das ist ein Erbbauernhof, den krieg ich auch mal! Aber so mit fünfzehn, sechzehn wusste ich: Ich werde einmal Spielleiter!"
Stückl habe das einst verstaubte und latent antisemitische Dorfspiel auf höchstem Niveau reformiert, so internationale Kritiker. Er beschreibt:
„Als ich so ungefähr siebzehn Jahre alt war, lag auf einmal von der Anti-Defamation League aus den USA ein Schreiben vor, das gefordert hat, die Passionsspiele müssten von Antijudaismen befreit werden. Und ich bin zu meinem Großvater und habe gefragt, was das denn sind, Antijudaismen. Antisemitismus kannte ich schon. Meinem Opa war die Frage etwas unangenehm. Und mich hat das neugierig gemacht, die Frage, was an den Spielen wohl antijüdisch sein könnte. Seitdem habe ich mich damit auseinander gesetzt. Ich habe den damaligen Spielleiter beobachtet und festgestellt, dem geht es ja gar nicht um Religion! Der macht ja nur Vorgaben wie für leere Puppen! Wir Jungen haben dagegen aufbegehrt"
Von Mai bis Oktober 2010 wird eine halbe Million Menschen aus der ganzen Welt nach Oberammergau kommen. Ganze achtzig Prozent der Besucher seien Protestanten, was sich durch den hohen Besucheranteil aus dem englischsprachigen Sprachraum erkläre. Stückl setzt allerdings für diese Saison verstärkt auf das deutschsprachige Publikum:
„Eigentlich habe ich schon immer gesagt, dass wir uns aus der Abhängigkeit vom amerikanischen Markt lösen müssen. Jetzt merken wir zum Beispiel besonders die Finanzkrise. Aber vor allem denke ich, dass wir, so gern ich die Amerikaner bei uns habe, an erster Stelle für diejenigen aufspielen, die unsere Sprache sprechen und das Gezeigte auch im Wortlaut verstehen!"
Über einhundert Mal wird das Passionsspiel auch in dieser Saison vor der Kulisse der Alpen aufgeführt werden, bevor sich der Vorhang wieder für zehn Jahre schließt. (rv)

ÖKT: „Altes neu entdeckt“- orth. Vesper in München

Bei einer orthodoxen Vesper auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag haben rund 20.000 Christen verschiedenster Konfessionen gesegnetes Brot geteilt. Zu den Gästen gehörten auch Münchens Erzbischof Reinhard Marx, der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich und der griechisch-orthodoxe Metropolit Augoustinos von Deutschland. Der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und Kirchentagspräsident Alois Glück wertete die Feier als einen „großen Schritt“ zur wachsenden Einheit zwischen den Kirchen.

Es war bisher der spirituelle Höhepunkt des Kirchentags: die orthodoxe Vesper in ökumenischer Gemeinschaft am Freitagabend. Unter freiem Himmel standen auf dem Münchner Odeonsplatz 1000 Tische, gedeckt für 10.000 Menschen unterschiedlicher Konfessionen. Doppelt so viele waren schließlich gekommen und feierten die Tischgemeinschaft mit gesegnetem Brot, Öl, Wasser und Äpfeln. Das sei „ein Zeichen der Änderung“, betonte einleitend der katholische Kirchentagspräsident Alois Glück:

„Es ist ein sprechendes Zeichen unserer ökumenischen Gemeinschaft, die wir bereits erreicht haben, und die uns niemand wieder nehmen kann. Wir sind sehr froh, dass wir bereits so weit miteinander gekommen sind. Am Tisch der Orthodoxie wird uns ein Zeichen geschenkt, das uns weiter begleiten wird auf unserem ökumenischen Weg hin zur Einheit.“

Eine rumänische Nonne schlug zu Beginn das Stundenholz, mit dem in der orthodoxen Kirche traditionell zum Gebet gerufen wird. Sechs Chöre begleiteten den Gottesdienst mit traditionellen orthodoxen Gesängen. Die Vesper ist der Abendgottesdienst, mit dem der liturgische Tag beginnt, erklärte der griechisch-orthodoxe Erzpriester Constantin Miron. Sie schaffe also eine Verbindung vom Heute zum Morgen – „damit wir Hoffnung haben“. Auf dem Odeonsplatz ginge es aber auch um die Verbindung der Ostkirchen mit den anderen christlichen Konfessionen:

„Man sagt dem christlichen Osten nach, dass man dort die Bilder, die Ikonen, die Symbole liebt. Ein solches Symbol ist auch die Artoklasia, die Brotsegnung und das Brotbrechen, die im Rahmen dieser Vesper gefeiert wird. Sie erinnert an die Agape-Feiern, die Liebesmähler der alten Kirche. Denn die Verbindung, die wir heute Feiern heißt im Griechischen Agape, also Liebe. Der Herr sagt: Daran soll man Euch erkennen, dass ihr Liebe untereinander habt, dass ihr Liebe miteinander feiert. (…) Noch nicht die heilige Eucharistie, aber die Feier unseres Miteinanderseins.“

Der Höhepunkt der Vesper war die Segnung des Brotes durch den griechisch-orthodoxen Metropoliten Augoustinos. Anschließend wurde es an die Tische gebracht. Es begann der gemütliche Teil der Vesper: Männer und Frauen, Alte und Junge teilten sich Fladenbrot, Öl und Obst und kamen ins Gespräch.

Eine konfessionsübergreifende Eucharistiefeier wird seitens der katholischen Kirche abgelehnt. Mit der orthodoxen Vesper hat der Ökumenische Kirchentag eine realistische Möglichkeit gefunden, die Gemeinschaft der Gläubigen zu feiern, ohne konfessionelle Traditionen zu verletzen. Die Artoklasia– das gemeinsame Brotbrechen – erinnert an die neutestamentliche Speisung der Fünftausend. Für den evangelischen Kirchentagspräsidenten, Eckhard Nagel, war das Ausdruck einer Hoffnung, „die weiter reicht, als die eigenen vier Wände“:

„Jesus Christus lädt uns ein an den Tisch. Wir werden Teil einer Gemeinschaft, die er uns stiftet. An diesem Tisch braucht es keine Etikette, hier gibt es keine nummerierten Plätze, jeder, jede, ist eingeladen. Ungeachtet des sozialen Status, der Konfession oder Religion. Jesus selbst hat sich mit allen an einen Tisch gesetzt.“

Den Schlusssegen sprach wiederum der Metropolit Augoustinos. „Wir haben nicht etwas Neues gefunden, sondern etwas Altes wieder entdeckt“, betonte er. Das Gefühl einer ursprünglichen Einheit aller Christen kam auf bei der orthodoxen Vesper in München. Sie war keine gemeinsame Eucharistiefeier, aber immerhin ein Ausdruck dessen, was gemeinsam möglich ist – so sahen es viele Besucher auf dem Odeonsplatz:

„Es ist glaube ich, wirklich sehr klug, diese große Feier hier, anstelle der illegalen Feier.“

„Dass so einmal Gemeinschaft möglich ist – und jetzt sind die Orthodoxen noch mit dabei, so dass das noch intensiver ist – also ich finde das eine ganz ideale Idee. Eigentlich schon ein ganz großer Schritt in die neue Ökumene oder ein Schritt in die nächste Ökumene.“

„Es gibt unheimlich viel, was wir momentan zusammen machen können, Agape, wir können beten, wir können singen. Diese Fokussierung oft auf Eucharistie, auch auf was Nagel gesagt hat. Ich bin gespannt. Er hat gesagt, wir werden morgen in einer anderen Welt aufwachen. Das wird sicherlich in der Art und Weise nicht sein. Aber wir können eine ganze Menge zusammen machen und hier sitzen alle zusammen: Kopten, Armenier, Katholiken, Protestanten. Das ist beeindruckend.“ (rv)