RV spezial: So war der Kirchentag

Der 2. Ökumenische Kirchentag ist vorbei. Die Messehallen in München Riem – wo bis zum Sonntagmorgen noch der Stand von Radio Vatikan war – sind leer, die Veranstaltungsorte im Olympiazentrum und in der Innenstadt abgebaut, und die Teilnehmer sind wieder in ihren Gemeinden zu Hause. Wir wollen in diesem Audio-Spezial etwas zurückblicken, was bei diesem Kirchentag alles war, was Themen und Reflexionen waren und wie der Stand der Ökumene heute ist. Und dazu hat sich unser Redaktionsleiter, P. Bernd Hagenkord SJ, umgehört, wie prominente Christen und Teilnehmer an diesem Kirchentag diese Veranstaltung, ihre Themen und die Kirche hier wahrgenommen haben.
„Ein Resümee des Kirchentages? Dazu wäre es wohl noch zu früh“, berichtet P. Hagenkord. „Das wird sich in den nächsten Wochen und Monaten vor Ort zeigen. Aber vielleicht lässt sich dies schon sagen: Seinem Motto ist der Kirchentag gerecht geworden. „Damit ihr Hoffnung habt“. Hoffnung richtet sich auf Zukunft, aber sie wurzelt in der Gegenwart. Und das, was wir in den letzten Tagen hier in München erlebt und gesehen haben, gibt Grund zur Hoffnung. Es ist nicht einfach, es gibt Probleme, aber es gibt viele Menschen, die bereit sind sich gemeinsam in der Kirche und als Kirche diesen Fragen zu stellen.“ (rv)

Vatikan: Auf dem Petersplatz- Demo für den Papst

Weit über hunderttausend Menschen haben an diesem Sonntag auf dem Petersplatz am österlichen Mittagsgebet des Papstes teilgenommen. Die italienische Bischofskonferenz und mehr als sechzig katholische Verbände hatten zum Kommen aufgerufen, um angesichts der kirchlichen Missbrauchsskandale Solidarität mit Benedikt XVI. zu zeigen. Auch namhafte Politiker ließen sich in der festlich gestimmten Menge sehen. „Heiliger Vater, du bist nicht allein“ oder „Zusammen mit dem Papst“ – Slogans dieser Art waren auf Transparenten zu lesen; über der „Piazza San Pietro“ stiegen Luftballons in Vatikanfarben zum grauen Himmel auf.
„Ich danke euch für diese schöne und sponane Demonstration des Glaubens und der Solidarität“, sagte der Papst vom Fenster seines Arbeitszimmers aus. „Ihr zeigt damit eure Nähe zum Papst und zu euren Priestern, damit wir mit erneuerter Spiritualität und Moral immer besser der Kirche dienen können, dem Volk Gottes und allen, die sich voll Vertrauen an uns wenden.“
Benedikt griff mit einem ungewöhnlichen Nachdruck in der Stimme die Worte auf, die er vor kurzem bei seinem Besuch in Portugal für die Missbrauchsskandale gefunden hatte: Dabei hatte er vor Journalisten gesagt, es gehe hier zu einem großen Teil um einen Angriff auf die Kirche, aber aus ihrem Inneren heraus.
„Der wahre Feind, den es zu fürchten und zu bekämpfen gilt, ist die Sünde und das Böse, das manchmal leider auch Mitglieder der Kirche ansteckt. Wir leben in der Welt, sind aber nicht von der Welt; wir Christen haben keine Angst vor der Welt, müssen uns aber hüten vor ihren Versuchungen. Wir sollten die Sünde fürchten und uns darum so gut wie möglich in Gott verankern, um stark im Guten, in der Liebe und im Dienst zu sein… Mögen uns die Versuchungen, die der Herr zulässt, dazu drängen, unseren eigentlichen Weg mit stärkerer Radikalität und Kohärenz fortzusetzen, und beten wir für die Bekehrung der Herzen. Danke!“
Den deutschsprachigen Pilgern und Besuchern sagte der Papst: „Das gemeinsame Gebet mit so vielen Gläubigen hier auf dem Petersplatz ist ein sichtbarer Ausdruck unserer Einheit in der Kirche, die Jesus Christus gestiftet hat. Wie Maria und die Apostel im Abendmahlssaal bitten wir in diesen Tagen vor Pfingsten um den Heiligen Geist, den Beistand, den der Herr seinen Jüngern verheißen hat. Er schenke uns neu die Fülle seiner Gaben, damit wir das Geheimnis der Liebe des Vaters und des Sohnes immer tiefer erkennen und fähig werden, am Werk der Erlösung mitzuarbeiten. Euch allen wünsche ich einen gesegneten Sonntag.“
Vor dem Mittagsgebet des Papstes hatte der italienische Kardinal Angelo Bagnasco auf dem Petersplatz einen Gottesdienst gehalten. Dabei wurde nicht nur für den Papst, sondern vor allem für die Opfer von Missbrauch durch Kirchenleute gebetet. Bagnasco leitet die italienische Bischofskonferenz. In seiner Predigt rief er zu Busse und Erneuerung in der Kirche auf. (rv)

D: Zollitsch: „Wir sind keine Konkurrenten“

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, verspricht sich vom Zweiten Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) einen Neuanfang. Es gehe bei dem Treffen in München auch darum, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, sagte Zollitsch am Wochenende in München. Unser Mann vor Ort, Pater Bernd Hagenkord, fragte Zollitsch, was ihn persönlich am meisten gefreut habe beim ÖKT.
„Mir hat der Eröffnungsgottesdienst sehr zugesagt. Es kam dort eine schöne Botschaft rüber kam. Ich empfand das Podiumsgespräch mit dem evangelischen Präses Schneider über die Frage der Ökumene als sehr angenehm. Das hat mir Mut gemacht, weil ich gespürt habe, dass wir gemeinsam nach vorne schauen. Das gemeinsame Zeugnis der Christen ist uns wichtiger als das, was uns trennt. Wir sind keine Konkurrenten. Wir ziehen am gleichen Strang. Das habe ich beim Podiumsgespräch der Wirtschaftsleute erlebt. Manager und Fachleute denken neu nach. Der Gewinn allein ist nicht alles. Es gibt noch andere Werte. Es geht um Frage des Menschen, der in der Wirtschaft tätig ist. Das kommt jetzt in einer neuen Weise rüber in dieser Krise. Das alles macht mir Hoffnung.“
Erzbischof Reinhard Marx hat vor Beginn des Kirchentages gesagt, Wallfahrten und Papstbesuche seien wichtig, aber diskursive Foren, wie beispielsweise der Kirchentag, seien auch wichtig. Mir scheint auch, dass es zu einer Normalität in den ökumenischen Diskursen gekommen ist. Oder finden Sie, dass es nur zu einem Schlaglicht gekommen ist, der alle sieben Jahre zum Vorschein kommt?
„Wir dürfen auf dem Kirchentag das erleben, was uns verbindet. Das ist gut so. Zugleich haben wir die Möglichkeit, in aller Ruhe und Sachlichkeit über das zu sprechen, was uns trennt. Wir können die Dinge so formulieren, dass wir gleichzeitig uns auch problemlos in die Augen schauen können. Das ist für mich wichtig, dass das Gespräch zum gemeinsamen Anliegen wird. Die Querschläge sind dann auch viel leichter zu ertragen. Wir werden trotz solcher Querschläge gemeinsam nach vorne schauen. Das ist für mich die Botschaft des ÖKT in München.“
Es gab natürlich auch Spannungen und Emotionen und dieses immer nebenbei laufende Thema „Missbrauch“ und den damit verbundenen Umgang. Die Strukturdebatte ist ja in diesen Tagen angesprochen worden. Wie nehmen Sie diese Debatte im Augenblick hier auf dem Kirchentag wahr?
„Was ich beim entsprechenden Forum wahrgenommen habe, ist ein ganzer Ernst und Heftigkeit sowie die Emotionalität dieses Themas. Wenn ich mit den Teilnehmern des Kirchentages spreche, so nehme ich das Thema anders wahr. Die Gläubigen sagen, sie hätten andere Fragen, die sie beschäftigen würden, nämlich die Perspektiven auf die Zukunft und die Frage, was der Glaube für uns überhaupt bedeutet. Mir wurde immer wieder gesagt, dass die Kirchen und die Gesellschaft nüchtern und sachlich den Ursachen nachgehen und sich um die Opfer kümmern. Viele wollen natürlich auch wissen, wie wir solche Fehler künftig verhindern können. Aber meine Erfahrung beim Kirchentag zeigt, dass die Fragen der Zukunftsperspektiven den Großteil mehr bewegt als alle anderen Fragen. Das macht mir Hoffnung.“ (rv)