Polen: „Reform liegt außerhalb der Kompetenz der Kirche“

In Polen hat das umstrittene Gesetz zur Reform des Obersten Gerichtshofes eine weitere Hürde genommen: In der Nacht zum Samstag winkte nach dem Unterhaus nun auch der Senat das Gesetz ohne Änderungen durch. Um in Kraft zu treten, ist also nur noch die Unterschrift von Polens Präsident Andrzej Duda nötig; dieser hatte jedoch im Vorfeld angekündigt, an dem Gesetz müssten noch Änderungen vorgenommen werden. Das Gesetz ist Teil einer groß angelegten Justizreform, die die polnische Regierungspartei PiS vorantreibt.

Faktisch könnte die Regierung mit dem neuen Gesetz Einfluss auf den Obersten Gerichtshof des Landes nehmen. Im Einzelnen ist vorgesehen, dass Richter verfrüht in den Ruhestand geschickt werden können, um ihre Posten neu zu besetzen. Auch der Landesrichterrat, der bislang über die Unabhängigkeit der Justiz im Land wacht, soll durch die Regierung umbesetzt werden. Die Europäische Union hat Sanktionen angekündigt, sollte das Vorhaben umgesetzt werden. Kritiker sehen in der Reform den Versuch, das demokratische Prinzip der Gewaltenteilung auszuhebeln.

Auch die katholische Kirche in dem mehrheitlich katholischen Land sieht sich in diesem Zusammenhang kritischen Stimmen gegenüber. Kirchenvertreter hätten zu wenig ihren Einfluss genutzt, um gegen das Gesetz vorzugehen, und sich nicht klar genug dagegen ausgesprochen, so der Vorwurf. Zu Unrecht, meint Pater Pawel Rytel-Andrianik, Sprecher der polnischen Bischofskonferenz, im Gespräch mit Radio Vatikan. Denn zum Einen liege die Reform des Gerichtswesens klar außerhalb der Kompetenz der Kirche.

„Dennoch ermuntert die Kirche dazu“, betont Pater Rytel-Andrianik, „dass alle politische Parteien nach einer Einigung streben, die das Gemeinwohl Polens und seiner Bürger bezweckt. In einem Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur KAI hat der Primas von Polen, Erzbischof Wojciech Polak, gesagt: ,Man muss dazu ermutigen, dass die parlamentarische Diskussion kein Spektakel der Emotionen ist, sondern vielmehr die Suche nach dem Gemeinwohl über politische Differenzen hinweg, basierend auf den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates.´“

Es sei zu hoffen, fügt der Sprecher der Bischofskonferenz an, dass sich alle Parteien tatsächlich um den Staat und die Rechtsstaatlichkeit kümmern werden. Wie die Bischöfe das Vorgehen der Regierung angesichts der jüngsten Entwicklungen bewerten, dazu konnte er uns zu diesem Zeitpunkt noch keine Auskunft geben. (rv)

Vatikanreform: Die Zahl der Dikasterien reduzieren

Kardinal Errászuriz OssaBei der Reform des Vatikan wartet Papst Franziskus nicht auf einen Gesamtplan. Er approbiert stattdessen immer wieder Reformen in einzelnen Bereichen. Das sagt Kardinal Francisco Javier Errázuriz Ossa im Interview der Neuen Luzerner Zeitung. Kardinal Errázuriz ist emeritierter Erzbischof von Santiago de Chile und Mitglied des neunköpfigen Kardinalsrates, der den Papst in Reform-Fragen berät. Die Gesamtzahl der Dikasterien in der Kurie müsse reduziert werden, betonte er, sonst könne der Papst seine Leitungsaufgaben bei zu vielen „Ministern“ nicht wahrnehmen. Außerdem solle dem immer noch sehr verbreiteten Image entgegen gewirkt werden, der Vatikan sei ein Hofstaat. Auch hier habe der Papst schon deutliche Zeichen gesetzt.

Auf die Bedeutung der Synode und die Dezentralisierung innerhalb der Kirche angesprochen sagte der Kardinal, er habe schon den Eindruck, dass der Papst eine „gewisse Dezentralisierung innerhalb der katholischen Kirche“ unterstütze und den Bischöfen der Ortskirchen eine größere Autonomie zugestehe. (rv)

Konsistorium: Die Reform der Kurie offen diskutieren

Kardinal Rodriguez MaradiagaDie Reform der römischen Kurie steht seit diesem Donnerstag auf der Tagesordnung des Konsistoriums. Die Versammlung der Kardinäle tagt für zwei Tage in der Synodenaula des Vatikan in Anwesenheit von Papst Franziskus. Der Papst begrüßte die 165 Anwesenden, besonders aber die zwanzig neuen Kardinäle, mit einem Psalm-Vers: „Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen" (Ps 133).

Franziskus bedankte sich zunächst für die Arbeit der Kardinalskommission zur Reform der Kurie, der sogenannten „K9". Deren Arbeit solle vorgestellt und besprochen werden, erläuterte der Papst. Es geht bei den Beratungen der K9 und des Konsistoriums um eine neue Apostolische Konstitution zur Organisation der Kurie und damit um die Überarbeitung der letzten solchen Konstitution, „Pastor Bonus" aus dem Jahr 1988.

In seinen Begrüßungsworten gab der Papst den Zweck der Beratungen vor. „Es geht darum, eine größere Einheit in der Arbeit der verschiedenen Dikasterien und Institutionen herzustellen, um eine bessere Zusammenarbeit zu erreichen, und das in der absoluten Transparenz, welche auch eine authentische Synodalität und echte Kollegialität schafft." Die Reform sei kein Zweck in sich selbst, sondern ein Mittel, betonte der Papst. Es gehe um das Zeugnis für Christus, um eine bessere Verkündigung, um die Förderung eines fruchtbaren ökumenischen Geistes und einen konstruktiven Dialog.

Papst: Es braucht die Mitarbeit aller

„Die Reform, die lebhaft von der Mehrheit der Kardinäle bei den Generalversammlungen vor dem Konklave gewünscht wurde, muss die Identität der römischen Kurie verbessern, das heißt die Mitarbeit mit dem Nachfolger Petri in der Ausübung seines pastoralen Dienstes zum Wohl und Dienst an der weltweiten Kirche und der Ortskirchen. (…) Ein solches Ziel zu erreichen ist nicht einfach, dazu braucht es Zeit, Entschlossenheit und die Mitarbeit aller. Vor allem aber müssen wir uns dem Heiligen Geist anvertrauen, welcher die Kirche leitet."

Der Papst rief dazu auf, frei und offen zu sprechen und alles am wichtigsten Ziel auszurichten, dem „salus animarum", dem Heil der Seelen.

Zur Begrüßung hatte der Dekan des Kollegiums, Kardinal Angelo Sodano, die Versammelten an ihre Aufgaben erinnert, wie sie im Kirchenrecht festgehalten sind. „Wir sind hier, um unsere Mitarbeit anzubieten, und wir sind uns sowohl der Erfahrungen aus der Vergangenheit als auch der Erwartungen der Gegenwart bewusst."

Beratungen hinter verschlossenen Türen

Nach dem offiziellen Beginn war zunächst wie vom Papst angekündigt der Kardinalsrat „K9" an der Reihe. Dessen Koordinator Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga (Tegucigalpa/Honduras) und dessen Sekretär Bischof Marcello Semeraro (Albano/Italien) stellten anhand eines vorbereiteten Papiers die Arbeiten und Überlegungen vor. Damit ist der Einstieg in das Thema der Beratungen hinter verschlossenen Türen gegeben: die Reform der römischen Kurie.

Eine weitere genaue Tagesordnung gibt es nicht; die Teilnehmer am Konsistorium sollen Zeit bekommen, sich zu melden und eigene Kommentare und Bewertungen zu den vorgelegten Gedanken vorzunehmen. Ein Entwurf für eine neue Apostolische Konstitution zur Organisation der Kurie existiere noch nicht, hatte Vatikansprecher Federico Lombardi vor Beginn der Beratungen noch klargestellt. Der Austausch der Kardinäle bezieht sich also auf die vorgestellten Überlegungen der K9, noch nicht auf einen vorgelegten Entwurf. Die zweite Sitzung des Tages beginnt am Nachmittag um 17 Uhr. (rv)

Kurienreform: „Mehr Fachleute, weniger Kardinäle“

Kardinal Rodriguez MaradiagaKardinal Oscar Rodriguez Maradiaga hat sich für mehr Fachleute in den Führungspositionen der Kurie ausgesprochen. Im päpstlichen Rat für Migranten könne er sich eine mit der Thematik befasste Ordensfrau an der Spitze vorstellen, für den Bereich Krankenpastoral einen Arzt, sagte Maradiaga. Er frage sich, ob „so viele Kardinäle und Bischöfe“ an der Kurienspitze wirklich nötig seien. Der honduranische Kardinal koordiniert den neunköpfigen Kardinalsrat, der den Papst bei der Kurienreform berät. Er äußerte sich im deutschen Würzburg, wo er zu einem Diözesanempfang eingeladen war.

Insgesamt gehe es darum, die Kurie mit ihren derzeit über 30 Kongregationen, Räten und Gerichtshöfen zu verschlanken. Dies hätten die Kardinäle bereits bei ihren Beratungen unmittelbar vor der Papstwahl angemahnt. Ziel sei eine Größe der Kurie, die Beratungen wie in einer Art Kabinett ermögliche. Es brauche mehr Kommunikation, so Rodriguez.

In nächster Zeit werde sich das Beratergremium von Papst Franziskus mit der Schaffung zweier großer Bereiche für karitative Belange, Gerechtigkeit und Frieden sowie für Laien, Familie und Lebensfragen befassen. Dieser Prozess brauche jedoch Zeit, erklärte der Chef des Kardinalsrates. „Papst Franziskus ist daran gelegen, viele Menschen zu befragen.“

Die vorige Reform der Kurie unter Johannes Paul II. (1978-2005) habe acht Jahre gebraucht. Er hoffe aber, dass es nun nicht so viel Zeit in Anspruch nehme.

Der Kardinal aus Honduras verwies zudem auf erste Erfolge im Bereich Wirtschaft und Finanzen. Es sei in relativ kurzer Zeit gelungen, eine Art Zentralbank zu schaffen; das sei „eine extrem wichtige Reform“.

Auch bei der Vatikanbank sei vieles nicht gut gelaufen. Ursprünglich sei das IOR eine Stiftung gewesen, die sich um die Finanzmittel der Orden kümmern sollte, so Rodriguez. Im Laufe der Jahre hätten sich viele Personen um diese Bank gekümmert, die nicht mit den Orden oder dem Vatikan selbst zu tun gehabt hätten. 14.000 Kontoinhaber seien unter diese Kategorie gefallen. Nun erfülle die Bank jedoch die Transparenzregeln der EU und lege ihre Bilanz offen. Zudem sei die Vatikanbank bei weitem nicht so groß und bedeutend, wie sie manchmal gemacht werde, so der Kardinal, der auch Präsident des Caritas-Weltdachverbandes „Caritas Internationalis“ ist. Er sprach in diesem Zusammenhang von „Legenden“. (rv)

Vatikanisches Strafgesetzbuch reformiert

VatikanAn diesem Donnerstag wurde im Vatikan eine weitreichende Reform des vatikanischen Strafgesetzbuches vorgestellt. Mit der Reform, so erklärte der Präsident des vatikanischen Gerichtshofes Giuseppe Dalla Torre vor Journalisten, gleiche der Heilige Stuhl seine Gesetzgebung an herrschende internationale Standards und insbesondere an internationale Konventionen an. Diese wurden vom Heiligen Stuhl als Völkerrechtssubjekt unterschrieben und werden mit der aktuellen Reform nun auch normativ in die vatikanische Rechtssprechung eingepflegt. Außerdem wurde das Höchstmaß für Haftstrafen von lebenslang auf 35 Jahre reduziert und die direkte strafrechtliche Verantwortlichkeit von juristischen Personen eingeführt sowie Empfehlungen des Expertenkomitees Moneyval zur Angleichung an internationale strafgesetzliche Standards bei der Geldwäschebekämpfung eingearbeitet. Bei der Pressekonferenz im vatikanischen Pressesaal sagte Dalla Torre:

„Sehr wichtig im Zusammenhang mit der Einführung internationaler Normen in staatliches Recht ist die Anpassung der Normen zum Schutz von Minderjährigen vor Delikten wie Gewalt, Missbrauch und so weiter. Der vatikanische Gesetzgeber gleicht sich mit dieser Änderung den internationalen Standards an. All das zusammen genommen wird durch ein Motu Proprio von Papst Franziskus ergänzt. Mit diesem treten die Gesetze nicht nur auf dem Territorium des Vatikanstaates in Kraft, sondern erstrecken sich auf den gesamten Bereich des Heiligen Stuhls."

Durch das Motu Proprio, so erklärt Dalla Torre, sind künftig auch Einrichtungen des Heiligen Stuhls wie Nuntiaturen oder andere Funktionsträger, die sich nicht auf Vatikanstaatsgebiet befinden, diesen Normen unterworfen. Ein ähnliches Motu Proprio hatte Benedikt XVI. im Jahr 2010 verabschiedet, um die vatikanische Gesetzgebung an internationale Standards im Hinblick auf die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung anzugleichen.

„Was nun die Verbrechen gegen Minderjährige betrifft, so wurden komplementäre Strafgesetze zur Einführung der internationalen Konventionen geschaffen. Als minderjährig gelten dabei ohne Ausnahmen Personen unter 18 Jahren. Namentlich genannt sind die Delikte Verkauf, Prostitution, Anwerbung und sexuelle Gewalt gegenüber Kindern; die Pädopornographie, der Besitz von pädopornographischem Material und sexuelle Akte mit Kindern."

Diese Verbrechen, so präzisiert Dalla Torre, waren bereits vor der Reform strafbar, doch sie wurden dort weitaus allgemeiner unter dem Begriff von Gewalt gegenüber Kindern zusammengefasst. Die Präzisierung der Normen in diesem, aber auch in anderen Bereichen erlaube nun auch einen reibungsloseren internationalen Austausch bei der Verbrechensbekämpfung und Strafverfolgung.

Das vatikanische Strafgesetzbuch basiert nach wie vor zu großen Teilen auf dem italienischen Codice Zanardelli von 1889 und der Strafprozessordnung von 1913, die mit den Lateranverträgen 1929 vom Vatikan übernommen wurden. Die aktuell veröffentlichten neuen Gesetze werden ab dem 1. September in Kraft treten und sind auf der Homepage des vatikanischen Governatorates unter www.vaticanstate.va einsehbar. Weitere Gesetze, die vor allem verwaltungstechnischer Natur sind, werden nach der Sommerpause erwartet. (rv)

Vatikan/USA: Reform für US-amerikanische Frauenorden

Die vatikanische Glaubenskongregation hat eine Reform des Dachverbandes der US-amerikanischen Frauenorden eingeleitet. Als Verantwortlicher wurde Erzbischof Peter Sartain von Seattle eingesetzt. Seine Aufgabe ist es, die Arbeit des Dachverbandes LCWR „wo es nötig ist" zu erneuern und zu leiten, heißt es in einer Mitteilung aus dem Vatikan. Gleichzeitig lobte die Glaubenskongregation die Arbeit US-amerikanischer Schwestern. Der Heilige Stuhl nehme „mit Dankbarkeit den großen Beitrag von Ordensfrauen für die Kirche in den Vereinigten Staaten zur Kenntnis", der sich in vielen Schulen, Krankenhäusern und Sozialeinrichtungen niederschlüge. Die Glaubenskongregation beabsichtige nicht, „über den Glauben und das Leben von Ordensfrauen in den Mitgliederkongregationen zu urteilen". (rv)

Benedikt XVI.: „Jede Reform der Kirche beginnt mit der Reform unser selbst“

 Diplomatisch, gebildet, nach Heiligkeit strebend: So hat Papst Benedikt XVI. in der Generalaudienz von diesem Mittwoch den heiligen Kirchenlehrer, Theologen und Kardinal Robert Bellarmin beschrieben. Der Jesuitenpater hatte nach der Reformation maßgeblich dazu beigetragen, die Identität der Kirche neu zu bestimmen. Berühmt und einflussreich waren damals seine gesammelten Vorlesungen, genannt die „Kontroversen". Dazu der Papst:
„Durch Vernunftargumente, durch Verweis auf die Tradition der Kirche und durch Vermeidung jeder Polemik gegenüber den Ideen der Reformation legte Bellarmin die katholische Lehre dar. Die ‘Kontroversen’ beschreiben vor dem Hintergrund der damals verbreiteten Irrtümer die Gestalt der Kirche: ihren sichtbaren Aspekt in den Institutionen sowie ihre unsichtbare Seite, die Robert Bellarmin mit dem Verhältnis der Seele zum Leib veranschaulicht: die inneren Reichtümer der Kirche werden durch äußerlich Sichtbares wahrnehmbar gemacht."
Bellarmin war ein wichtiger Kurienmitarbeiter der Päpste des beginnenden 16. und 17. Jahrhunderts, er war Berater, Diplomat, Kurialer und päpstlicher Gesandter. Heute verehrt die Kirche Bellarmin als Kirchenlehrer. Und doch seien es die geistlichen Charismen gewesen, die ihn angetrieben hätten, so der Papst. Zu ihnen habe er seine Zuhörer führen wollen:
„Zur Ausrichtung aller Seelenkräfte auf Jesus Christus, ihn zu erkennen, zu lieben und nachzuahmen ist sein Ziel. Die Heiligen sind Menschen, die ein ganz normales und anspruchsvolles Berufsleben – wie der heilige Robert Bellarmin – gelebt haben, aber darin inwendig bei Gott geblieben sind und von daher auch das Berufliche besser bewältigt haben. So sollen wir vom heiligen Robert Bellarmin dies lernen: den inneren Kontakt mit Gott, mit Christus zu halten und von ihm langsam geformt und erleuchtet zu werden. Er sagt ausdrücklich: ‚Jede Reform der Kirche beginnt mit der Reform meiner Selbst’. Nur wenn ich mich reformieren lasse, trage ich auch wirklich zur Erneuerung der Kirche bei. Der Herr selbst schenke uns dazu seine Gnade." (rv)

USA: Bischöfe erinnern Obama an sein Versprechen

Die Bischofskonferenz wird Präsident Barack Obama in den nächsten Monaten mit Argusaugen beobachten. Das kündigte ihr Vorsitzender an: Kardinal Francis George, der Erzbischof von Obamas Wahlheimat Chicago. Ihm geht es darum, dass die Gesundheitsreform nicht ein Hintertürchen für Abtreibungen öffnet.

Gerade erst hatte Obama seine mühsam durchgesetzte Reform unterschrieben, da meldete sich schon Kardinal George zu Wort: „Wir freuen uns über das Vorhaben, Krankenversicherungen für alle zu ermöglichen“, sagte er im Namen des Ständigen Rats der US-Bischöfe. Einige Bedenken gebe es da aber noch: Etwa die Frage, ob Ärzte und Krankenhelfer unter Berufung auf ihr Gewissen die Mitwirkung an Abtreibungen verweigern können. Abtreibungen – das ist das Reizwort, das nicht nur bei den Republikanern, sondern auch bei vielen von Obamas Demokraten für eine Ablehnung der Gesundheitsreform sorgte. Und dafür, dass sie das Abgeordnetenhaus schließlich am Wochenende nur mit sehr knapper Mehrheit passierte. Der Präsident hat den Lebensschützern ein Dekret versprochen, das die staatliche Finanzierung von Abtreibungen verbietet. Aber „wir verstehen nicht, wie so ein Dekret auch beim besten Willen ein richtiges Gesetz ersetzen soll“, meint Kardinal George: „Wir brauchen einen funktionierenden Mechanismus, der verhindert, dass doch Bundesgelder für Abtreibungen verwendet werden“. Und weiter: „Wir und viele andere werden die Regierung bei der Umsetzung der Gesundheitsreform genau beobachten und dafür sorgen, dass Kongress und Regierung ihre Versprechungen halten. Und wir sind uns fast sicher, dass die Reform weitere Gesetze brauchen wird, um ihre Defizite anzugehen.“

Weniger umwölkt sind US-Bischofsstirnen, wenn es um das Thema Kindesmissbrauch geht: Da zeigt sich immer klarer, dass die Kirche ihre Lektion nach den großen Skandalen vor zehn Jahren gelernt hat. Der jetzt veröffentlichte Jahresbericht für 2009 spricht von der niedrigsten Zahl von berichteten Fällen seit 2004, und die Zahl der Diözesanpriester, die des Missbrauchs beschuldigt werden, ist seit dem Vorjahr um ein Drittel gefallen. Außerdem sind nahezu alle Fälle, von denen die Kirche 2009 erfuhr, Jahrzehnte alt. Insgesamt gab es laut Bericht fast vierhundert Fälle, die Zahl der Täter wird mit 286 angegeben. Ein Achtel der Beschuldigungen hätten sich im Lauf des Jahres als „nicht substanziell oder falsch“ herausgestellt. 96 Prozent der Kinder in katholischen Schulen oder Einrichtungen der USA haben mittlerweile ein Anti-Missbrauch-Training durchlaufen; nur zwei kleine Bistümer haben sich dem offenbar verweigert.

Ein drittes Thema, das die Bischöfe der Vereinigten Staaten derzeit umtreibt, sind ihre Beziehungen zur anglikanischen Kirche, die in den USA Episkopalkirche heißt. In Florida sprach die katholisch-anglikanische Dialogkommission vor ein paar Tagen u.a. über den Schachzug des Vatikans, für übertrittswillige Anglikaner eigene Strukturen innerhalb der katholischen Kirche zu schaffen. Bei den Beratungen wurde die Sorge laut, ob das die Beziehungen zwischen den Kirchen und auch „das innere Leben der katholischen Kirche“ belasten könnte. Die anglikanische Seite wies darauf hin, dass aus ihrer Sicht ein solcher Übertritt nur für Gruppen interessant sei, die sich schon früher von der Episkopalkirche abgespalten haben. Seit die US-Anglikaner die Frauenordination erlaubten, hätten schon „einige Personen und Gruppen“ von einer Regelung der katholischen US-Kirche Gebrauch gemacht: Diese erlaubt immerhin schon seit 1980 einen Übertritt unter Beibehaltung von „Elementen der liturgischen Tradition der Anglikaner“. (rv)