Sensation im Vatikan: Chiles Episkopat bietet geschlossenen Rücktritt an

Die Krisengespräche in dieser Woche zwischen Papst Franziskus und den chilenischen Bischöfen führten zu einer Sensation.

Vaticanhistory – Martin Marker

31 amtierende Bischöfe und drei emeritierte Bischöfe des chilenischen Episkopats haben dem Papst ihren Rücktritt angeboten. Nach den seit Jahren bekannten Missbrauchsfällen und Vertuschungsversuchen im chilenischen Klerus hatte der Papst 34 Bischöfe nach Rom gebeten. Die Inhalte der Krisengespräche sind derzeit nicht bekannt. Derartiges war auch nicht zu erwarten. Ob Franziskus dem chilenischen Episkopat den gesamten Rücktritt nahegelegt hat, oder ob die 34 Bischöfe kollegial zu dieser Entscheidung gekommen sind, ist nicht bekannt. Man darf aber sicherlich annehmen, dass diese Idee von Chile nach Rom mitgebracht wurde.

Mit dieser Entscheidung ist das chilenische Episkopat aber nicht aus seiner Verantwortung entlassen. Vatican News berichtete gestern:

„Man vertraue sich dabei ganz der Führung des Papstes an. Franziskus hatte die Bischöfe in einem Brief vom Donnerstag auf „kurz-, mittel- und langfristige“ Maßnahmen eingestimmt, „um Gerechtigkeit und die kirchliche Gemeinschaft wiederherzustellen“ und sie zum rigorosen Dienst am Nächsten, vor allem an „Hungrigen, Gefangenen, Einwanderern und Missbrauchten“ aufgerufen. Diese Forderung greifen die Bischöfe mit Blick auf die Missbrauchsfälle auf: „In Einheit mit ihm (dem Papst, Anm.) wollen wir Gerechtigkeit wiederherstellen und zur Wiedergutmachung des entstandenen Schadens beitragen, um der prophetischen Mission der Kirche in Chile einen neuen Impuls zu geben, deren Zentrum immer in Christus hätte sein sollen.“

Papst-Entscheidungen

Durch den angebotenen massenhaften Rücktritt trägt nun der Heilige Vater die persönliche Verantwortung für den Wiederaufbau eines ganzen nationalen Episkopats. Diese Aufgabe wiegt schwer und ist mit Gefahren verbunden. Die chilenische Kirche hat massiven Schaden genommen und dieses Chaos können die amtierenden Bischöfe nicht alleine beheben. Den sexuell missbrauchten Opfern muss Gerechtigkeit widerfahren und jene Kleriker, die für langjährige Vertuschungen verantwortlich sind, müssen, um die Glaubwürdigkeit wieder herzustellen, zur Konsequenz gezogen werden.

Fall Bischof Barros und Kardinal Errázuriz Ossa 

In den letzten Monaten stand primär der Fall des Bischofs von Osorno, Juan Barros und seine möglichen Vertuschungen um den mittlerweile verurteilten Missbrauchstäter Priester Fernando Karadima im Rampenlicht. Neben Bischof Barros muss der Papst aber auch andere Bischöfe Chiles in seine Entscheidungen einbeziehen. Von den bekannten Missbrauchsopfern wird unter anderem auch Kardinal Francisco Javier Errázuriz Ossa I.Sch. (84), emeritierter Erzbischof von Santiago de Chile und Vorgänger von Kardinal Ezzati Andrello schwer beschuldigt. Kardinal Errázuriz Ossa hat zwar heute keine Leitungsbefugnis mehr in der chilenischen Kirche, aber er ist im Beratungsteam des Papstes, im Kardinalsrat K9. Dieses Gremium ist die „rechte Hand des Papstes“ in der laufenden Kirchenreform.

Bei den Krisengesprächen der letzten Tage im Vatikan werden die Schlussfolgerungen der Lektüre des Berichts des Sonderermittlers Erzbischof Charles J. Scicluna von Malta für den Papst entscheidend gewesen sein. Dieser hatte im Rahmen seiner Sonderermittlung 64 Zeugen angehört.

Papst Franziskus hat in der chilenischen Angelegenheit einen mutigen Schritt gemacht und für eine Sensation gesorgt. Seine folgenden Entscheidungen müssen zeitnah zu Personalveränderungen in der chilenischen Kirche, gegebenenfalls im Vatikan und somit zur Heilung der Kirche in Chile führen. (vh – mm)

Vatikanreform: Die Zahl der Dikasterien reduzieren

Kardinal Errászuriz OssaBei der Reform des Vatikan wartet Papst Franziskus nicht auf einen Gesamtplan. Er approbiert stattdessen immer wieder Reformen in einzelnen Bereichen. Das sagt Kardinal Francisco Javier Errázuriz Ossa im Interview der Neuen Luzerner Zeitung. Kardinal Errázuriz ist emeritierter Erzbischof von Santiago de Chile und Mitglied des neunköpfigen Kardinalsrates, der den Papst in Reform-Fragen berät. Die Gesamtzahl der Dikasterien in der Kurie müsse reduziert werden, betonte er, sonst könne der Papst seine Leitungsaufgaben bei zu vielen „Ministern“ nicht wahrnehmen. Außerdem solle dem immer noch sehr verbreiteten Image entgegen gewirkt werden, der Vatikan sei ein Hofstaat. Auch hier habe der Papst schon deutliche Zeichen gesetzt.

Auf die Bedeutung der Synode und die Dezentralisierung innerhalb der Kirche angesprochen sagte der Kardinal, er habe schon den Eindruck, dass der Papst eine „gewisse Dezentralisierung innerhalb der katholischen Kirche“ unterstütze und den Bischöfen der Ortskirchen eine größere Autonomie zugestehe. (rv)

Chile: Kardinal Errázuriz Ossa begeht seinen 80. Geburtstag

Der chilenische Kardinal Errázuriz Ossa begeht heute seinen 80. Geburtstag. Ossa war 2001 durch Papst Johannes Paul II. in den Kardinalsstand erhoben worden und erhielt als Titelkirche „S. Maria della Pace". Von 1998 bis Ende 2010 war er Erzbischof von Santiago de Chile. Mit dem 80. Lebensjahr verliert er sein aktives Wahlrecht in einer künftigen Papstwahl. Somit umfasst das Kardinalskollegium derzeit noch 111 Kardinäle mit Wahlrecht und 90 Kardinäle ohne Wahlrecht. (vh)

Chile: Neuer Erzbischof (Metropolitan) von Santiago de Chile ernannt

Papst Benedikt XVI. hat Ricardo Ezzati Andrello zum neuen Erzbischof von Santiago de Chile ernannt. Wie der Vatikan am Dienstag mitteilte, hatte der Papst zuvor den Rücktritt von dessen Vorgänger Kardinal Francisco Javier Errázuriz Ossa angenommen. Der neue Metropolit für die Erzdiözese Santiago de Chile wurde war seit 2006 Erzbischof im chilenischen Concepción. Sein Vorgänger Errázuriz war seit 1998 Erzbischof seines Heimatbistums Santiago de Chile und gehört seit 2001 dem Kardinalskollegium an. Er verbrachte rund zwanzig Jahre in Deutschland, wo er in Vallendar bei Koblenz von 1971 bis 1990 in der Leitung der Schönstatt-Bewegung tätig war. (rv)