Missbrauch: Papst bekräftigt „Null-Toleranz-Prinzip“

Sexueller Missbrauch an Kindern ist ein „schreckliches Verderbnis für die ganze Menschheit“. Das hat Papst Franziskus an diesem Donnerstag vor den Mitgliedern der Päpstlichen Kinderschutzkommission im Vatikan unterstrichen. Für die Kirche sei die Flut an Missbrauchsskandalen, die in den letzten Jahren publik wurden, „eine sehr schmerzhafte Erfahrung“ gewesen, sagte er in seiner Rede, die er nicht verlas, sondern seinen Zuhörern aushändigen ließ.

„Wir schämen uns für den Missbrauch, den geweihte Diener der Kirche begangen haben – Menschen, denen man eigentlich am ehesten vertrauen können sollte. Aber wir haben auch einen Ruf gehört, der – da sind wir uns sicher – direkt von unserem Herrn Jesus Christus kommt: den Auftrag des Evangeliums zu erfüllen, indem wir alle gefährdeten Kinder und Jugendlichen schützen!“

Franziskus empfing die 2014 von ihm selbst eingesetzte Kinderschutzkommission zum Auftakt ihrer Vollversammlung an diesem Donnerstag. Bis Sonntag wollen die Mitglieder des Gremiums über einen opferzentrierten Ansatz bei der Aufarbeitung und in der Präventionsarbeit sprechen und eine Bilanz ihrer bisher geleisteten Arbeit ziehen.

„Kirche muss auf allen Ebenen gegen Missbrauch vorgehen“

„Erlauben Sie mir, in aller Klarheit zu sagen, dass sexueller Missbrauch eine furchtbare Sünde ist“, heißt es im Redetext des Papstes. „Ich habe hier in Rom mehrmals mit Opfern und Überlebenden von Missbrauch gesprochen; dabei haben sie offen darüber geredet, welche Folgen der sexuelle Missbrauch für ihr Leben und das Leben ihrer Familien hatte. Ich weiß, dass auch Sie Gelegenheit zu solchen Begegnungen hatten und darin einen Ansporn finden, persönlich wirklich alles zu tun, um dieses Übel zu bekämpfen und aus unserer Mitte auszurotten.“

Franziskus bekräftigt in dem Text, dass die Kirche „auf allen Ebenen“ entschieden gegen Missbrauchstäter vorgehen wolle. Diese Täter seien „Verräter an ihrer Berufung“. „Die Disziplinarmaßnahmen, die die Ortskirchen beschlossen haben, müssen auf alle angewandt werden, die in kirchlichen Einrichtungen arbeiten! Die Hauptverantwortung liegt bei den Bischöfen, den Priestern und Ordensleuten, bei denen also, die vom Herrn die Berufung zu einem Leben des Dienstes empfangen haben. Zu diesem Dienst gehört auch der wachsame Schutz von Kindern, jungen Leuten und Erwachsenen. Darum bekennt sich die Kirche unwiderruflich und auf allen Ebenen im Fall sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen zum Null-Toleranz-Prinzip.“

„Best practice“ in allen Ortskirchen durchsetzen

Der Papst erinnert in seinem Redetext explizit daran, dass er auf Vorschlag der Kinderschutzkommission ein „Motu Proprio“ veröffentlicht hat; dieses erlaubt es dem Vatikan, Bischöfe oder Ordensobere abzusetzen, wenn sie Missbrauchsfälle vertuscht haben. Er lobt die Hartnäckigkeit, mit der die Kommission Ortskirchen in vielen Teilen der Welt für das Thema Missbrauch sensibilisiert. Es freue ihn besonders, dass viele Ortskirchen einen Tag des Gebets für Missbrauchsopfer durchgeführt und Treffen mit Opfern und Opferverbänden organisiert hätten.

„Es ist auch ermutigend zu sehen, wie viele Bischofskonferenzen und Ordensoberen-Konferenzen Ihren Rat beim Erstellen von Kinderschutz-Regelwerken eingeholt haben. Ihre Mitarbeit, um eine „best practice“ durchzusetzen, ist wirklich wichtig – speziell bei den Ortskirchen, die für Kinderschutz nicht so viel Geld zur Verfügung haben. Ich würde Sie gern dazu ermuntern, in Ihrer Arbeit weiter mit der Glaubens- und der Missionskongregation zusammenzuarbeiten…“

Ein Lob für Marie Collins

Genau bei dieser Zusammenarbeit mit Dikasterien der Römischen Kurie hat es in der Vergangenheit dem Vernehmen nach immer wieder mal geknirscht. Die Irin Marie Collins, selbst ein Opfer von Missbrauch und Kommissionsmitglied der ersten Stunde, hat das Gremium im Protest gegen einzelne Einrichtungen der Kurie, die sich nach ihrem Eindruck einer Zusammenarbeit entzogen, verlassen. Allerdings arbeitet Frau Collins in verschiedenen Belangen weiter mit der Kommission zusammen. Vor diesem Hintergrund war es bemerkenswert, dass der Papst sie in seinem Text von diesem Donnerstag namentlich nennt.

„Ich möchte die vielen Initiativen der Aus- und Weiterbildung loben, die Sie in vielen Ortskirchen weltweit und genauso hier in Rom in den verschiedenen Dikasterien des Heiligen Stuhls, im Kurs für neugeweihte Bischöfe und auf verschiedenen internationalen Kongressen angeboten haben. Es freut mich zu hören, dass der Kurs, den Kardinal O’Malley und Frau Marie Collins, eines der Gründungsmitglieder, letzte Woche den neuen Bischöfen angeboten haben, auf so viel Interesse gestoßen ist!“

„Kommission muss auch künftig Stimmen der Opfer hören“

Die Gründung der Kinderschutzkommission war das erste Arbeitsergebnis des neunköpfigen Kardinalsrates gewesen, der den Papst bei der Kurienreform berät. Präsident der Kinderschutzkommission ist der eben erwähnte US-Kardinal Sean O’Malley. Aus dem deutschen Sprachraum ist der Jesuit und Psychologe Hans Zollner SJ vertreten, der auch das Kinderschutzzentrum an der römischen Universität Gregoriana leitet.

„Die Kirche ist dazu aufgerufen, ein Ort des Mitleids und Mitgefühls zu sein, speziell für alle, die Schweres durchgemacht haben. Für uns alle bleibt die katholische Kirche ein Feldlazarett, das uns auf unserem spirituellen Weg unterstützt. Da können wir uns hinsetzen, anderen zuhören und mit ihnen unsere Kämpfe und unseren Glauben an die Frohe Botschaft Jesu Christi teilen. Ich vertraue fest darauf, dass die Kommission ein Ort bleiben wird, an dem wir auch künftig den Stimmen der Opfer und der Überlebenden zuhören. Denn wir haben viel zu lernen von ihnen und ihren persönlichen Geschichten des Muts und des Durchhaltens.“

Keine Minderung des Strafmaßes

In einer kurzen, improvisierten Ansprache räumte der Papst ein, die Kirche sei „etwas spät“ auf die Missbrauchs-Problematik aufmerksam geworden, die „Gewissen“ hätten „geschlafen“. Dabei müsse die Kirche dem Thema „ins Auge sehen“. Zur Kommission der Glaubenskongregation, bei der verurteilte kirchliche Täter Berufung einlegen können, bemerkte er, es dürfe keine Minderung des Strafmaßes geben, wenn es erwiesenermaßen zu Missbrauch gekommen sei. „Wenn es dafür Beweise gibt, dann ist das (Urteil) definitiv.“ Missbrauchs-Täter seien „krank“. (rv)

USA: Doppelter Rücktritt wegen Missbrauchskrise

USANeuanfang im US-Bistum Saint Paul and Mineapolis: Wie der Vatikan an diesem Montag bekannt gab, hat Papst Franziskus die Rücktritte des Erzbischofs Jon Nienstedt und seines Weihbischofs Lee A. Piché angenommen. An ihrer Stelle wird zunächst der Koadjutor des Erzbistums Newark, Bernard A. Hebda, das Bistum als Apostolischer Administrator leiten. Ein neuer Bischof ist noch nicht ernannt worden.

Im Januar hatte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen das Bistum erhoben, Kinder seien nicht ausreichend vor Missbrauch geschützt gewesen. Konkret geht es um den Schutz von drei Jungen vor einem mittlerweile ehemaligen Priester. Auch innerkirchlich hatte es immer wieder Kritik am Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch gegeben, die sich vor allem gegen den Erzbischof und seinen Weihbischof gerichtet hatte. Es sei bewusst weggesehen worden, als Fälle vorgebracht wurden, hatten zuletzt auch Verantwortliche des Bistums öffentlich moniert. (rv)

Vatikan: Beim Vorgehen gegen Missbrauch geht „Null-Toleranz-Politik“ weiter

VatikanBeim Vorgehen gegen sexuellen Missbrauch durch Kleriker will der Vatikan seine „Null-Toleranz-Politik“ fortführen; die Sorge um die Opfer soll dabei weiter im Zentrum stehen. Das hat der neue vatikanische Missbrauchsbeauftragte Robert Oliver am Dienstagabend bei einer Konferenz in der Vatikan: Beim Vorgehen gegen Missbrauch geht „Null-Toleranz-Politik“ weiterin Rom unterstrichen. Der US-Amerikaner war vom Papst am 20. Dezember als Nachfolger von Charles Scicluna, dem „Anwalt der Gerechtigkeit“ in der römischen Glaubenskongregation, eingesetzt worden. Auf der Konferenz wurden die Akten des großen Missbrauchssymposiums vorgestellt , auf dem sich im Februar 2012 Vertreter fast aller Bischofskonferenzen der Weltkirche über Prävention und Folgen von sexuellem Missbrauch durch Kleriker austauschten.

Der Vatikan behandle jährlich etwa 600 Missbrauchsvorwürfe, gab Oliver an. Die Tendenz sei rückläufig, die meisten Fälle bezögen sich auf den Zeitraum 60er bis 80er Jahre. Der bisherige Höhepunkt sei mit 800 neuen Vorwürfen im Jahr 2004 erreicht worden, so der Kirchenanwalt. In den vergangenen drei Jahren sei die Zahl auf 600 pro Jahr zurückgegangen. Oliver lobte die internationale Missbrauchskonferenz von 2012 als wegweisend, was die Aufklärung und die Sensibilisierung für das Thema betrifft:

„Ein großes Problem war schon immer, dass man bei Vorwürfen zuerst alles verneint und zurückdrängt. Deshalb wurde mit der Konferenz von 2012 an der Gregoriana große Arbeit geleistet, weil man das Missbrauchsproblem direkt ansprach. Denn die beste Prävention besteht darin, das Problem von vornherein zu kennen bzw. zu wissen, wie es zu Missbrauch kommen könnte. Wichtig war und ist, dass alle Kirchenmitarbeiter – egal in welcher hierarchischen Position – davon Kenntnis haben.“

Eine Herausforderung für den Kampf der katholischen Weltkirche gegen Kindesmissbrauch in den eigenen Reihen sind nicht nur kulturelle Unterschiede – so ist sexueller Missbrauch in asiatischen Gesellschaften zum Beispiel weitgehend ein Tabu -, sondern auch Unterschiede in den jeweiligen Gesetzgebungen der einzelnen Länder. So gibt es in Italien und Deutschland zum Beispiel keine Anzeigepflicht, in Frankreich aber schon. Ebenso muss noch geklärt werden, wie sich die Zusammenarbeit der Kirchen und der staatlichen Behörden am besten verzahnen kann, um Missbrauch tatsächlich effektiv zu ahnden und überhaupt zu verhindern. Dazu Oliver:

„Jeder Kulturkreis hat eine andere Art, mit Missbrauch umzugehen. Es ist aber wichtig, dass wir uns regelmäßig treffen und eine internationale Konferenz durchführen. Denn wir können durchaus viel voneinander lernen. Wichtig ist immer, dass die Würde der Kinder gewahrt wird.“

In der Tat werde für die katholische Kirche die Betreuung der Opfer von Missbrauch „an oberster Stelle“ stehen, versicherte der neue „Anwalt der Gerechtigkeit“.

Vor genau einer Woche hatten der Direktor des Münchner Zentrums für Kinderschutz, Hubert Liebhardt, sowie der Leiter des Psychologischen Instituts an der Gregoriana, Jesuitenpater Hans Zollner, dem Papst die deutsche Ausgabe der Akten des letztjährigen Symposiums übergeben. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte Zollner, der einer der Hauptorganisatoren der aktuellen Missbrauchskonferenz ist:

„Für uns war die Reaktion des Papstes sehr erfreulich und herzlich. Wir haben gemerkt, dass der Heilige Vater auf dieses Thema eingegangen ist und dass er auch derjenige war, der dieses Thema als erster – nämlich als Präfekt der Glaubenskongregation – weiter verfolgt hat. Er hat sich lange vor irgendjemand anderem in der Kirche und auch in der Gesellschaft, vor über 15 Jahren, des Themas angenommen.“

Zwischenbericht zur E-Learning-Plattform
Die zweite internationale Missbrauchskonferenz an der Gregoriana findet noch bis Freitag hinter verschlossenen Türen statt. Dort sollen unter anderem die Ergebnisse des Münchner Kinderschutzzentrums „Centre for Child Protection“ vorgestellt werden. In der Einrichtung wird in Zusammenarbeit mit dem Psychologischen Institut der Gregoriana und der Kinderpsychologischen Abteilung der Uniklinik Ulm ein E-Learning-Programm zur Missbrauchsprävention entwickelt. Das Programm schult Mitarbeiter im kirchlichen Raum in Prävention und im Umgang mit sexuellem Missbrauch und wird künftig in acht Ländern auf vier Kontinenten erprobt. Außer Deutschland und Italien sind diese Argentinien, Ecuador, Ghana, Kenia, Indien und Indonesien. (rv)

Nicht nur Vatileaks: Das war 2012 für den Vatikan

VatikanfahneDas vatikanische Jahr 2012 war vor allem von drei Dingen geprägt: dem Ausbruch und der Aufklärung des sogenannten Vatileaksskandals; den viel beachteten Reisen von Papst Benedikt nach Mexiko und Kuba sowie inmitten der Syrienkrise in den Libanon; und schließlich von der Eröffnung des Jahres des Glaubens, mit dem Papst Benedikt die Katechese und die Anbetung Gottes wieder in den Mittelpunkt des Glaubensgeschehens rücken will. Weitere Höhepunkte des Jahres, vor allem aus deutschsprachiger Sicht, waren die Schaffung zweier neuer deutscher Kardinäle im Februar, die Heiligsprechung und Erhebung der Hildegard von Bingen zur Kirchenlehrerin sowie die Besetzung eines der wichtigsten Kurienämter, nämlich des Präfekten der Glaubenskongregation, mit dem ehemaligen Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller. Dem Papst persönlich wichtig war aber vor allem ein weiteres Ereignis, wie er bei seiner traditionellen Weihnachtsansprache an die römische Kurie betonte: der Welttag der Familien in Mailand nämlich.

Wie gewohnt hat der Papst am 1. Januar 2012 eine Botschaft zum Weltfriedenstag verkündet. Die jungen Menschen standen dabei im Mittelpunkt: Sie sollten lernen, Gerechtigkeit und Frieden zu schaffen. Damit hatte sich der Papst auch auf den so genannten Arabischen Frühling bezogen, der von der Kirche wohlwollend betrachtet wurde und vor allem von Jugendlichen getragen ist. Verkrustete Regime in der Arabischen Welt waren von der Welle der Jugend- und Frauenbewegungen weggefegt worden. Papst Benedikt hatte gesagt, er bete für ihre Anliegen, und er rufe die „Verantwortlichen der Nationen“ dazu auf, „den nicht zu unterdrückenden Wunsch der Menschheit nach Frieden“ zu erfüllen.

Anfang Februar nahmen Bischöfe aus der ganzen Welt in Rom an einem lange vorbereiteten Kongress zu sexuellem Missbrauch in der Kirche teil. Der Kongress bettete sich ein in eine Reihe von Initiativen, die die katholische Kirche in den vergangen Monaten angeregt hat, um die Prävention von Missbrauch und den Opferschutz zu stärken. Im Februar spricht Vatikan-Sprecher Pater Federico Lombardi außerdem angesichts der Enthüllungen von vertraulichen Vatikan-Dokumenten erstmals von „Vatileaks„; dieses Thema sollte sich durch das gesamte Jahr ziehen und schließlich in der Festnahme und Verurteilung des allseits bekannten Kammerdieners des Papstes gipfeln. Paolo Gabriele ist von Papst Benedikt jedoch kurz vor Weihnachten 2012 schließlich begnadigt worden.

In einem großen Konsistorium am 18. Februar sind 22 neue Kardinäle kreiert worden, unter ihnen 2 Deutsche und 7 Italiener. Die beiden neuen Deutschen im Kardinalskollegium sind der Erzbischof von Berlin, Rainer Maria Woelki, und Karl Josef Becker, ein anerkannter Theologe und Dogmatiker, der aufgrund seines Alters von 83 Jahren allerdings keine Wahlberechtigung in einem eventuellen Konklave hätte. Den neuen Kardinälen wurde traditionsgemäß eine eigene Titelkirche in Rom zugewiesen. Bei den beiden neuen deutschen Kardinälen sind dies die römischen Kirchen „San Giovanni Maria Vianney“ für Rainer Maria Woelki und „San Giuliano Martire“ für Karl Josef Becker. Die Zuweisung einer römischen Titelkirche oder Titeldiakonie erinnert an die alte Praxis, nach der die Päpste früher vom Klerus der Stadt Rom gewählt wurden. Die Bindung der Kardinäle an ihre römischen Kirchen beschränkt sich in der Regel jedoch auf gelegentliche Gottesdienste, die der Titelherr mit der Gemeinde feiert.

Im März unternahm der Papst schließlich seine viel beachtete Reise nach Mexiko und Kuba. Die Reise war als Pilgerfahrt anlässlich der 200-Jahrfeier der Unabhängigkeit Mexikos und anderer lateinamerikanischer Länder konzipiert worden, sowie als Teil der 400-Jahrfeier des Gnadenbildes der Jungfrau von El Cobre, Schutzpatronin Kubas. Am 23. März ging es los. So erinnerte sich Papst Benedikt selbst in der Weihnachtsansprache an die Kurie an seine Reise:
„Es waren unvergessliche Begegnungen mit der tief im Herzen der Menschen verwurzelten Kraft des Glaubens und mit der Freude am Leben, die aus dem Glauben kommt. Ich denke daran, wie nach der Ankunft in Mexiko auf dem langen Weg, der zu durchfahren war, endlose Scharen von Menschen grüßten und winkten. Ich denke daran, wie auf der Fahrt nach Guanajuato, der malerischen Hauptstadt des gleichnamigen Staates, junge Menschen ehrfürchtig an der Seite der Straße knieten, um den Segen des Petrusnachfolgers zu empfangen; wie der große Gottesdienst in der Nähe der Christkönigs-Statue zu einer Vergegenwärtigung von Christi Königtum wurde – seines Friedens, seiner Gerechtigkeit, seiner Wahrheit. Dies alles geschah auf dem Hintergrund der Probleme eines Landes, das unter vielfältigen Formen der Gewalt und unter den Nöten wirtschaftlicher Abhängigkeit leidet. Es sind Probleme, die gewiss nicht einfach durch Frömmigkeit gelöst werden können, aber erst recht nicht ohne jene innere Reinigung der Herzen, die aus der Kraft des Glaubens, aus der Begegnung mit Jesus Christus kommt. Und da war das Erlebnis Kuba – auch hier die großen Gottesdienste, in deren Singen, Beten und Schweigen die Gegenwart dessen spürbar wurde, dem man den Platz im Land lange hatte verweigern wollen. Die Suche nach einem rechten Ansatz für das Verhältnis von Bindung und Freiheit in diesem Land kann gewiss nicht gelingen ohne einen Anhalt an jene Maßstäbe, die der Menschheit in der Begegnung mit dem Gott Jesu Christi aufgegangen sind.“
Die kubanische Regierung hat schließlich auf Bitten des Papstes den kurz darauf folgenden Karfreitag zum Feiertag ernannt.

Über die Osterfeiertage machten vor allem Papst Benedikts Mahnung an die Unterzeichner der österreichischen Pfarrerinitiative am Gründonnerstag sowie sein eindringlicher Appell für Frieden in Syrien von sich reden. Doch leider wissen wir, dass die dortige Situation auch am Ende des Jahres immer noch von Gewalt und zunehmenden Flüchtlingsströmen geprägt ist.

Am 30. Mai beginnt das große Weltfamilientreffen in Mailand, bei dem auch Papst Benedikt selbst anwesend ist und zum wiederholten Mal auf die immense Bedeutung der intakten Familie für die Sozialisation des Einzelnen – auch im Hinblick auf den Glauben – hinweist. In seinen Worten an die Kurie wird auch die Sorge Benedikts XVI. um diese Institution deutlich:

„Die große Freude, mit der in Mailand Familien aus aller Welt einander begegnet sind, zeigt, dass die Familie trotz aller gegenteiligen Eindrücke auch heute stark und lebendig ist. Aber unbestreitbar ist doch auch die Krise, die sie – besonders in der westlichen Welt – bis auf den Grund bedroht.“

Ansonsten verliefen die Monate Juni, Juli und August im Vatikan relativ ruhig. Es gab allerdings eine wichtige Personalie – nämlich die Ernennung des Regensburger Bischofs Gerhard Ludwig Müller zum Leiter der Glaubenskongregation und zum Erzbischof. Außerdem bestand der Vatikan Mitte Juli (18.) den ersten offiziellen Finanztransparenz-Test, dem er sich unterzogen hatte, und erfüllt laut einem Experten-Gutachten von Moneyval neun von 16 zentralen internationalen Standards zur Vorbeugung von Geldwäsche. Das Gutachten ist einzuordnen ist in eine Reihe von Aktivitäten, die der Heilige Stuhl zur Förderung der Kontrolle und Transparenz in seinen Finanzangelegenheiten insbesondere im vergangenen Jahr unternommen hat.

Im September schließlich fand die Reise in den Libanon statt. Lange war es nicht klar, ob diese Visite aus Sicherheitsgründen nicht doch lieber abgesagt werden würde, doch Papst Benedikt war es ein großes Anliegen, den Christen im Nahen Osten durch seine Anwesenheit Mut zuzusprechen und das Postsynodale Schreiben der Bischofssynode für den Nahen Osten, die 2010 im Vatikan stattgefunden hatte, zu überreichen. Papst Benedikt:

„Als weitere Haltepunkte des vergangenen Jahres möchte ich nennen: das große Fest der Familie in Mailand sowie den Besuch im Libanon mit der Übergabe des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens, das nun im Leben der Kirchen und der Gesellschaft des Nahen Ostens Wegweisung werden soll auf den schwierigen Wegen der Einheit und des Friedens.“

Benedikt XVI. verurteilte während seiner Reise auch den internationalen Waffenhandel als „schwere Sünde“ und forderte mehr Religionsfreiheit für Christen im Nahen Osten. Gleichzeitig ermutigte er diese, die Heimat nicht zu verlassen und für den Frieden in ihren Heimatländern einzutreten.

Der Oktober ist aus Vatikansicht insgesamt einer der ereignisreichsten Monate des vergangenen Jahres. Zu Beginn einer Bischofssynode erhebt Benedikt XVI. Hildegard von Bingen und Juan de Avila zu Kirchenlehrern. Bis zum 28. Oktober berieten im Vatikan 400 Synodale, darunter 262 Kardinäle, Patriarchen und Bischöfe sowie 140 Experten, Beobachter und Gäste über Strategien zur Neuevangelisierung. Die zahlenmäßig größte Synode der Neuzeit steht unter dem Leitwort: „Die neue Evangelisierung für die Weitergabe des christlichen Glaubens“ und fällt mit der Eröffnung des Jahres des Glaubens am 11. Oktober, genau 50 Jahre nach der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils, zusammen. Bereits im Januar hatte der Vatikan das so genannte Instrumentum Laboris oder die Leitlinien zum weltweiten „Jahr des Glaubens“ veröffentlicht:
„Das letzte wichtige Ereignis dieses abgelaufenen Jahres war dann die Synode über die Neuevangelisierung, die zugleich ein gemeinsamer Beginn für das Glaubensjahr gewesen ist, mit dem wir der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren gedenken, um es in der veränderten Situation neu zu verstehen und neu anzueignen. Mit all diesen Anlässen sind grundlegende Themen unseres geschichtlichen Augenblicks angesprochen: Familie (Mailand) – Dienst am Frieden in der Welt und Dialog der Religionen (Libanon) sowie die Verkündigung der Botschaft Jesu Christi in unserer Zeit an jene, die ihm noch nicht begegnet sind und an die vielen, die ihn nur von außen kennen und so gerade nicht er-kennen.“
Im Zusammenhang mit der Bischofssynode gab es am 21. Oktober noch eine Premiere: Papst Benedikt hat in einer feierlichen Messe sechs neue Heilige erhoben, darunter mit Kateri Tekakwitha erstmals eine Indianerin. Am 27.10. beendete die im Vatikan tagende Weltbischofssynode zum Thema Neuevangelisierung schließlich ihre Arbeiten mit dem Beschluss eines 20-seitigen Thesenpapiers und darin aufgeführten 58 Empfehlungen.

Ende November erschien dann der lange erwartete letzte Band der Trilogie „Jesus von Nazareth“ von Benedikt XVI./Joseph Ratzinger – bereits wenige Tage nach seinem Erscheinen hat sich herauskristallisiert, dass auch der dritte Band über die Kindheit Jesu wie die Vorgängerbücher ein Verkaufsschlager werden wird. In einem erneuten Konsistorium am 24. November werden sechs neue Kardinäle kreiert – erstmals seit Jahrzehnten sind keine Europäer unter ihnen.

Der vatikanische Dezember brachte ein weiteres Novum: am 4. Dezember setzte Papst Benedikt XVI. unter dem Twitternamen @pontifex und weiteren sieben Twitter-Adressen elektronische Kurzbotschaften ab. Nach anfänglicher Skepsis der Medien über den „zwitschernden Papst“ geben ihm die Zahlen allerdings Recht: Bereits nach einer guten Woche Twitterpräsenz hatte der Papst rund 1 Millionen Follower, mittlerweile sind es weit über 2 Millionen, die die wöchentlichen Papstbotschaften erhalten und weiter verbreiten. Außerdem von Belang für die vatikanischen Angelegenheiten: Der Privatsekretär des Papstes Georg Gänswein wird Erzbischof und Leiter des Päpstlichen Haushalts (Casa Pontificia), der unter anderem für die Organisation der Papstreisen in Italien und der Generalaudienzen eine wichtige Rolle spielt. Das Amt des Privatsekretärs wird er auch weiterhin wahrnehmen.

Zum Abschluss unseres vatikanischen Jahres noch ein paar Zahlen: die Besucher bei der wöchentlichen Generalaudienz am Mittwoch haben im Vergleich zum Vorjahr in diesem Jahr 2012 um rund 10 Prozent zugenommen, wie aus den Statistiken eben jenes Päpstlichen Haushaltes hervorgeht. Bei 43 Generalaudienzen auf dem Petersplatz, in der Audienzhalle und in Castel Gandolfo haben insgesamt etwa 447.000 Personen teilgenommen. Den größten Zulauf hatten die Audienzen im Monat Oktober – also zur Zeit der Bischofssynode, der Heiligsprechungen und der Eröffnung des Jahres des Glaubens – mit 90.000 Besuchern, während im Monat August, in dem der Papst zur Sommerfrische in Castel Gandolfo weilte, am wenigsten Besucher kamen – etwa 10.500 Menschen. (rv)

Großbritannien: Erfolge beim Kampf gegen Missbrauch

Auch in Großbritannien ist die katholische Kirche dabei, die strengen kirchlichen Richtlinien gegen Kindesmissbrauch umzusetzen. In London wurde an diesem Dienstag der vierte Bericht der nationalen katholischen Schutzkommission vorgestellt, eine Einrichtung der Bischofskonferenz, die seit 2008 besteht. Ihr Präsident Danny Sullivan nannte uns ein Beispiel für die Arbeit der Kommission:

„Die meisten Orden und religiösen Gemeinschaften, die in Großbritannien wirken, haben sich zu einer Vereinigung zusammengeschlossen, um Schutzkommissionen auf Diözesanebene zu schaffen, anstatt getrennt zu agieren. Diese Orden müssen die selben Regeln anwenden wie die Schutzkommissionen selbst. Und sie werden von uns überprüft. Das ist eine wichtige Entwicklung, weil es bedeutet, dass das Engagement für den Schutz Minderjähriger nicht mehr so zerstreut sein wird."

In den vier Jahren ihres Bestehens hat die katholische Schutzkommission intensiv mit Opferverbänden zusammengearbeitet.

„Eines der Dinge, die dabei herauskamen, ist eine Broschüre, die wir gerade herausgeben, und von der wir uns wünschen, dass sie in allen Pfarreien ausliegt. Sie richtet sich an alle, die möglicherweise Opfer von Missbrauch wurden. Drin steht, wo diese Leute hingehen und was sie tun können. Missbrauchsopfer sind oft sehr traumatisiert und wissen nicht, wem sie trauen können. Deshalb ist es ein wichtiger Teil dieses Weges, die Leute wissen zu lassen, wo sie rasch Unterstützung erfahren, nicht erst nächstes Jahr." (rv)

Vatikan/Irland: Untersuchung zu Kirche und Missbrauch kommt voran

Der Vatikan kommt voran bei der Aufarbeitung der Missbrauchsskandale in der Kirche von Irland: Die erste Phase der so genannten Apostolischen Visitation ist abgeschlossen. Das gab der Heilige Stuhl am Montag Mittag bekannt. Das Statement legt Wert auf die Feststellung, dass man im Zeitplan liege. Der Erzbischof von Dublin, Diarmuid Martin, hatte vor wenigen Tagen mit deutlichen Worten Verzögerungen beklagt und Vatikan-Mitarbeiter dafür verantwortlich gemacht.
„In Übereinstimmung mit dem Zeitplan, der am 12. November letzten Jahres veröffentlicht wurde" – darauf weist das Vatikan-Statement von diesem Montag schon in der ersten Zeile hin. Im Auftrag des Papstes hätten die Visitatoren in den letzten Monaten u.a. überprüft, „ob die derzeitigen Verfahren beim Umgang mit Missbrauchsfällen effizient sind" und „welche Unterstützung den Opfern geboten wird". Die Kontrolleure hätten in den vier Erzbistümern, in den Priesterseminaren und Ordenseinrichtungen offene Türen vorgefunden: Dafür dankt der Papst vor allem den vier Erzbischöfen, also auch dem aus Dublin.
„Die Berichte der Visitatoren sind den zuständigen Behörden des Heiligen Stuhls ausgehändigt worden", so das Vatikan-Statement wörtlich. Die Behörden hätten bei gemeinsamen „interdikasteriellen" Treffen eine erste Auswertung getroffen. Daraus ergebe sich, dass es zumindest in den irischen Bistümern und Priesterseminaren „keine weiteren Apostolischen Visitationen" von seiten der vatikanischen Bischofskongregation mehr geben soll. Das Bild, das die Kontrolleure zeichneten, sei „hinreichend vollständig". Anders ist die Lage bei den Ordensgemeinschaften: Die zuständige Vatikan-Kongregation hat Fragebogen ausgewertet, die an alle Ordenseinrichtungen in Irland geschickt worden waren, und plant schon bald „Besuche vor Ort".
In den nächsten Monaten wollen die Vatikan-Behörden den Bischöfen in Irland „Hinweise für die geistliche Erneuerung in den Bistümern und Priesterseminaren" geben; dasselbe gilt für die Ordensgemeinschaften und Bewegungen. Anfang 2012 (auf englisch hört sich das so an: „by early 2012") will der Heilige Stuhl eine „umfassende Übersicht über die Ergebnisse der Visitation und die künftigen Aussichten" veröffentlichen. Dabei soll auch die landesweite Mission berücksichtigt werden, die Papst Benedikt für die irische Kirche angeordnet hat.
Benedikt XVI. war es auch gewesen, der in seinem Brief an irische Katholiken im März 2010 die Apostolische Visitation angekündigt hatte. Als Ziel hatte er genannt, „der Ortskirche auf ihrem Weg der Erneuerung zu helfen". Dem gleichen Ziel wird nächstes Jahr auch der Eucharistische Weltkongress in Dublin dienen, für den vor ein paar Tagen die Vorbereitungen gestartet sind. Irlands Kirche, die traditionell stark im Schulwesen engagiert ist, hat durch das Bekanntwerden von Missbrauchsskandalen im letzten Jahr einen Vertrauensverlust ohnegleichen erlebt. (rv)

D: Bundesbeauftragte legt Abschlussbericht zum Missbrauch vor

Für einmalige Entschädigungszahlungen der Kirchen an Missbrauchsopfer plädiert die Missbrauchsbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Christine Bergmann. Die ehemalige Bundesfamilienministerin stellte an diesem Dienstag in Berlin ihren Missbrauchsbericht der Presse vor. Untersucht hat sie Missbrauchsfälle in Kirchen, Schulen, Sportvereinen und in der Familie. Etwa die Hälfte des 300-seitigen Abschlussberichtes nehmen die Empfehlungen für den Runden Tisch Missbrauch ein, der von der Bundesregierung als Reaktion auf Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche und in Internaten eingesetzt wurde; der Runde Tisch befasst sich am kommenden 6. Juni mit der Entschädigungsfrage. Die Institutionen, in denen es Missbrauchsfälle gab, sollen auf Wunsch der Betroffenen einmalige Entschädigungen zahlen, so Bergmann am Dienstag in Berlin. Die Summen sollten sich an dem Schmerzensgeld orientieren, das zum Zeitpunkt der Tat in Deutschland gezahlt worden wäre, so Bergmann:

„Das liegt in der Zuständigkeit der jeweiligen Institution, die hier Verantwortung trägt. Aber nicht jeder, wie er lustig ist, sondern unter Einhaltung verbindlicher Standards. Das sind freiwillige Leitungen, zu denen man sich verpflichten muss. Es gibt Schmerzensgeldtabellen, daran kann man sich orientieren, je nach Schwere des Vorfalls."

Weiter empfiehlt Bergmann den Institutionen die rückwirkende Übernahme von Therapiekosten sowie die Einrichtung einer internen Beschwerdemöglichkeit. Offenbar Abstand genommen hat die Missbrauchsbeauftragte von der Idee, dass Kirchen, Schulen und Sportvereine in einen gemeinsamen Fonds des Bundes und der Länder einzahlen. Über einen „Topf" des Bundes finanziert werden sollen die Opfer sexueller Gewalt in Familien:

„Es geht um Erbringung von Leitungen bei Therapie und Beratung, die eben nicht von der Kasse übernommen werden …

Hintergrund
Die Deutsche Bischofskonferenz hatte im Februar 2011 bereits Regeln für die Entschädigung von kirchlichen Missbrauchsopfern angekündigt. Sie entsprechen im Großen und Ganzen Bergmanns Forderungen: Vorgesehen ist eine einmalige Zahlung an die Opfer sowie die Unterstützung von Therapiekosten. (rv)

Jahresrückblick: Papst erinnert an Missbrauch und Christenverfolgung

Die Missbrauchsskandale der vergangenen Monate standen im Mittelpunkt des Jahresrückblicks von Papst Benedikt XVI. Bei dem traditionellen Weihnachtsempfang für die vatikanische Kurie machte er den zunehmenden moralischen Relativismus für die Missbrauchsskandale in der Kirche mitverantwortlich. Insgesamt seien politische wie auch moralische Instanzen vom sinkenden moralischen Konsens bedroht.
 In seiner Jahrsbilanz beklagte der Papst erneut das ungeahnte Ausmaß sexuellen Missbrauchs von Priestern an Kindern und Jugendlichen in der Kirche.
Wir waren erschüttert, ausgerechnet während des Priesterjahrs von Missbrauch an Minderjährigen durch Geistliche in einem unvorstellbaren Ausmaß zu erfahren, die das Sakrament in sein Gegenteil verkehren. Unter dem Mantel des Heiligen verletzen sie zutiefst einen Menschen in seiner Kindheit und fügen ihm damit für sein Leben lang Schaden zu."
In seiner Ansprache an die Kurienmitglieder zeigte der Papst Strategien für den weiteren Umgang mit den Missbrauchsfällen auf:
Wir müssen diese Erniedrigung als Aufforderung zur Erneuerung auffassen. Allein die Wahrheit kann uns erlösen. Wir müssen uns fragen, was an unserer Verkündigung falsch war, was an unserem Christsein, dass so etwas geschehen konnte. Wir müssen zu Buße bereit sein und bei der Vorbereitung auf das Priestertum dafür sorgen, das es sich nicht wiederholen kann."
Der Papst dankte in diesem Zusammenhang ausdrücklich vor allem denjenigen, die Missbrauchsopfer betreuen. Gleichzeitig sah er sexuelle Übergriffe von Geistlichen nicht als isoliertes Phänomen sondern erklärte es mit gesellschaftlichen Grundbedingungen:
Wir dürfen den Kontext nicht übersehen, in dem diese Vorfälle sich ereignen konnten. Der Markt der Kinderpornographie wird von der Gesellschaft zunehmend als normal angesehen. Die psychologische Zerstörung von Kindern, die auf eine Ware reduziert werden ist ein erschreckendes Zeichen unserer Zeit."
Bischöfe aus Entwicklungsländern erinnerten immer wieder an Sextourismus, der eine ganze Generation schädige und in ihrer Freiheit einschränke, mahnte der Papst beim Weihnachtsempfang für die Kurie. In diesem Zusammenhang sah er auch das Problem des Drogenhandels:
Der Drogenhandel streckt mit wachsender Kraft seine Tentakel nach dem gesamten Globus aus. Er ist ein Zeichen für die Diktatur des Mammon, die den Menschen pervertiert."
Moralischer Relativismus ist nach Auffassung des Papstes mit verantwortlich auch für kirchliche Missbrauchsskandale:
„Um uns diesen Phänomenen zu widersetzen, müssen wir einen Blick auf die ideologischen Grundlagen werfen. In den siebziger Jahren wurde Pädophilie als konform mit dem Wesen des Menschen und des Kindes betrachtet. Dies war Teil einer Perversion des Begriffs von Ethos. Selbst in der katholischen Theologie hieß es, dass es kein Gutes oder Böses in sich gebe. Alles hing demnach von den Umständen und vom beabsichtigten Zweck ab."
Bei einem Rückblick auf die jüngste Nahost-Synode im Vatikan beklagte der Papst vor den Kurienmitgliedern überdies erneut wachsende Christenverfolgung und neue Spaltungen in der Region.
„Christen sind derzeit die am stärkten unterdrückte und gequälte Minderheit. Über Jahrhunderte lebte sie friedlich mit ihren jüdischen und muslimischen Nachbarn zusammen. Aus der Synode sollte ein starker Impuls an die politisch und religiös Verantwortlichen ergehen, damit sie die Christianophobie stoppen."
Islamische Stimmen, die Gewalt gegen Christen anprangern, wie
dies ein libanesischer Gast bei der Synode getan hatte, bezeichnete der Papst als „zu schwach". (rv)

Vatikan: Kirche will mit Zivilbehörden zusammenarbeiten

Die am Donnerstag veröffentlichten Normen der Glaubenskongregation ermöglichen eine umfassendere Verfolgung einschlägiger Straftaten innerhalb der katholischen Kirche. Der Vatikan hat damit die Kirchengesetze zur Ahndung sexuellen Missbrauchs durch Geistliche verschärft und erweitert. Vatikansprecher Federico Lombardi präzisiert, dass die Verankerung einer Anzeigepflicht gegenüber staatlichen Stellen bei Missbrauchsfällen im Kirchenrecht nicht möglich sei. Diese Frage falle allein in die Kompetenz staatlicher Gesetzgebung, sagte Lombardi weiter.
 „Wo das nationale staatliche Recht eine Anzeige vorschreibt, ist aber auch die Kirche an diese Vorgabe gebunden. Wo dies nicht der Fall ist, kann die Kirche eine solche jedoch nicht selbst festschreiben. Die Kirche ist jedoch in jedem Fall um eine Zusammenarbeit mit der staatlichen Justiz bemüht.“
Der zuständige Kirchenanwalt der Glaubenskongregation, Charles Scicluna, erläuterte, dass die nun vorgestellten Normen inhaltlich weitgehend der bisher geübten Praxis entsprächen.
„Die Änderungen und Präzisierungen sollen in erster Linie größere Klarheit über die Rechtslage schaffen. Es handelt sich also um eine juristisch-technische Konsolidierung. Das Vorgehen der Glaubenskongregation beruht fortan nicht mehr auf päpstlichen Vollmachten, sondern auf Kirchengesetzen. Die nun veröffentlichten Normen sind ein Zeichen für den großen Ernst, mit dem sich die Kirche der Herausforderung durch sexuellen Missbrauch stellt.“ (rv)

Lombardi: Einige Erläuterungen zu den neuen Normen

Die Erklärung des Pressesprechers des Vatikan, P Federico Lombardi, im Wortlaut:
2001 hatte der Heilige Vater Johannes Paul II. ein Dokument großer Wichtigkeit promulgiert, das Motu Proprio „Sacramentorum Sanctitatis Tutela“, das der Glaubenskongregation die Zuständigkeit gab, im Bereich des Kirchenrechtes über einige besonders schwere Vergehen zu verhandeln und zu richten. Diese Zuständigkeiten waren zuvor anderen Dikasterien zugeordnet oder sie waren nicht vollständig geklärt.
Das Motu Proprio (das „Gesetz“ im strengen Sinn) war begleitet von einer Reihe von Anwendungs- und Verfahrensnormen wie den „Normae de gravioribus delictis.“ Im Verlauf der folgenden neun Jahre hat die Erfahrung natürlich eine Ergänzung und Aktualisierung dieser Normen nahegelegt, so dass sie die Verfahren beschleunigen oder vereinfachen können, um sie wirkungsvoller zu machen, oder um neue Fragen aufzugreifen. Dies wurde vor allem durch die vom Papst vorgenommene Zuteilung der Zuständigkeit an die Glaubenskongregation erreicht, aber sie waren nicht in die ursprünglichen Regeln eingeordnet. Dadurch ist jetzt eine systematische Überprüfung dieser Normen erfolgt.
Die schwerwiegenden Vergehen, auf die sich diese Vorschriften beziehen, sind zentrale Anliegen für das Leben der Kirche, die Sakramente der Eucharistie und der Buße, außerdem auch der sexuelle Missbrauch inderjähriger unter 18 Jahren durch einen Kleriker.
Die große öffentliche Resonanz in den letzten Jahren besonders zu der letzten Art des Vergehens hat große Aufmerksamkeit gefunden und es hat sich eine intensive Debatte über jene Normen und Verfahren entwickelt, die die Kirche für ihre Beurteilung und die Bestrafung anwendet.
Es ist richtig, dass sich hier vollständige Klarheit über die nun geltenden Vorschriften in diesem Bereich findet, und dass eine solche Regelung auf geordnete Weise vorgestellt wird, um so jedem Orientierung zu geben, der mit dieser Materie befasst ist.
Ein erster Beitrag zur Klärung – vor allem für den Gebrauch für die Medien – wurde vor kurzem durch eine Veröffentlichung des ,Leitfadens zum Verständnis der grundlegenden Verfahren der Glaubenskongregation bei Vorwürfen sexuellen Missbrauchs‘ auf der Website des Heiligen Stuhles geleistet. Bei der Veröffentlichung der neuen Normen handelt es sich aber doch um eine ganz neue Angelegenheit, die einen offiziellen und aktualisierten Rechtstext, der für die gesamte Kirche gilt, anbietet.
Um ein Verständnis für die weitere Öffentlichkeit herzustellen, die sich vor allem für die Fragen um den sexuellen Missbrauch interessiert, möchten wir einige relevante Aspekte beleuchten.
Unter den Neuerungen im Vergleich zu früheren Normen sollten vor allem jene unterstrichen werden, die das Verfahren zügiger machen: Zum Beispiel nicht den Verfahrensweg einzuschlagen, sondern per außergerichtlichem Dekret zu handeln, oder dem Heiligen Vater unter bestimmten Umständen besonders
schwerwiegende Fälle mit Blick auf die Entlassung aus dem Klerikerstand direkt vorzulegen.
Eine weitere Vorschrift sieht vor, nicht nur Priester, sondern auch Laien als gerichtliche Mitarbeiter, als Anwälte oder als Staatsanwälte einzubeziehen, um die Fragen zu vereinfachen und die Entwicklungen der
Kirche zu berücksichtigen. Analog dazu ist zur Erfüllung dieser Funktion nicht unbedingt ein Doktorgrad in Kirchenrecht notwendig, sondern die notwendige Kompetenz kann auch in anderer Weise erlangt werden, zum Beispiel mit dem akademischen Titel der Lizenz.
Zu beachten ist auch die Passage über die Verlängerung der Verjährungsfrist von zehn auf zwanzig Jahren, immer mit der Möglichkeit der weiteren Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus.
Bedeutsam ist auch die Gleichstellung von Minderjährigen und Menschen mit geistiger Behinderung, und die Einführung eines neuen Straftatbestandes: der Kinderpornografie. Diese ist wie folgt definiert: „Der Erwerb, der Besitz oder die Weitergabe“ durch einen Kleriker „in irgend einer Weise oder durch irgendwelche Mittel, von pornografischen Bildern von Kindern unter 14 Jahren.“ Es werden außerdem die Vorschriften über die Vertraulichkeit des Verfahrens wiederholt, zum Schutz der Würde aller Beteiligten.
Ein Punkt, der nicht berührt wird, aber zur Zeit viel diskutiert wird, ist die Zusammenarbeit mit den zivilen Behörden. Es muss daran erinnert werden, dass diese heute veröffentlichten Regeln Teil des kirchlichen Strafrechts sind, in sich abgeschlossen und vollständig vom zivilen getrennt. In diesem
Zusammenhang kann jedoch darauf hingewiesen werden, was in dem bereits erwähnten “ Leitfaden zum Verständnis der Verfahren …“steht, der auf der Website des Heiligen Stuhls veröffentlich ist. In diesem Leitfaden findet sich die Aussage: „Es sind immer die Vorschriften des bürgerlichen Rechts
über die Verweisung von Straftaten an die Behörden einzuhalten“. Er findet sich im Abschnitt über die „vorbereitenden Maßnahmen“.
Dies bedeutet, dass es in dem von der Glaubenskongregation vorgeschlagenen Verfahren nötig ist, den Anordnungen der gültigen Gesetze in den verschiedenen Ländern zu folgen, und nicht dem Ablauf des kanonischen Verfahrens oder diesem erst im Nachhinein.
Die heutige Veröffentlichung der Normen leistet einen großen Beitrag zur Klarheit und zur Rechtssicherheit in einem Feld, in dem die Kirche sich stark verpflichtet sieht, mit Strenge und Transparenz vorzugehen, um damit
völlig den gerechten Erwartungen des Schutzes der moralischen Kohärenz und der biblischen Heiligkeit zu entsprechen, die die Gläubigen und die öffentliche Meinung auf sie richtet, und die der Heilige Vater immer wieder bekräftigt hat.
Selbstverständlich gibt es noch viele weitere Maßnahmen und Initiativen von Seiten verschiedener kirchlicher Stellen.
Was die Glaubenskongregation angeht, untersucht sie im Augenblick, wie allen Bischöfen dabei zu helfen ist, wie sie in den Situationen und in den Fragestellungen, in denen sie tätig sind, kohärente und wirkungsvolle
Vorschriften und Maßnahmen zu formulieren und entwickeln, um dem Problem des Missbrauchs Minderjähriger durch Kleriker oder im Umfeld der Aktivitäten oder Institutionen der Kirche zu begegnen.
Dies wird ein weiter entscheidender Schritt auf dem Weg sein, dass die Kirche die Früchte der Lehren und der reifen Reflexion aus der schmerzhaften Geschichte dieser dem sexuellen Missbrauch durch Kleriker geschuldeten Krise in dauerhafte Praxis und ständiges Bewusstsein umsetzt.
Um diesen kurzen Überblick über die wichtigsten Neuerungen der Normen abzuschließen, ist es hilfreich, auch auf diejenigen Vorschriften kurz einzugehen, die Vergehen anderer Natur behandeln. Auch diese sind der
Substanz nach nicht wirklich neu, da es sich um die Einbeziehungen bereits in Kraft stehender Rechtsvorschriften handelt, um so eine geordnete und strukturierte Rechtsordnung über die „schwersten Vergehen“ zu erhalten, die der Glaubenskongregation vorbehalten sind.
Genauer gesagt wurden einbezogen: die Verbrechen gegen den Glauben (Häresie, Schisma und Apostasie), für die normalerweise die Ordinarien zuständig sind, für die die Kongregation aber als Berufungsinstanz zuständig ist; die Aufnahme und Veröffentlichung der sakramentalen Beichte aus böser Absicht, über das bereits 1988 ein Dekret der Verurteilung ausgestellt wurde, und über die versuchte Weihe. (rv)