Kard. Koch: „Franziskus wird sicherlich auch Ökumene fördern“

Kardinal KochEr nahm erstmals an einem Konklave teil: für den Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch war die Papstwahl „ein tiefgründiger Moment des Gebets“. Im Gespräch mit unserem Kollegen Mario Galgano geht Kardinal Koch, der bisher für die Ökumene zuständig war, auf die Wahl des neuen Papstes ein. Koch erwarte, dass Franziskus wie Benedikt XVI. den bisherigen Kurs bei den ökumenischen Gesprächen fortsetzen werde. Es sei eine Besonderheit, dass ein Jesuit als Papst nicht Ignatius, sondern den Namen Franziskus ausgewählt habe, so Koch weiter. (rv)

Kardinal Koch: „Benedikts geistiges Erbe wird weitergehen“

Kard_Koch„Wir waren sehr überrascht.“ Dies sagte Kardinal Kurt Koch im Gespräch mit Radio Vatikan zur Rücktrittsankündigung Benedikt XVI. an diesem Montag. Der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates war selbst beim Konsistorium anwesend und hörte die Worte Benedikt XVI. auf Latein. Mario Galgano fragte den Schweizer Kurienkardinal, was diesem bei der Ankündigung des Papstes durch den Kopf ging.

„Wir waren natürlich alle sehr überrascht. Es war ja ein normales Konsistorium angesagt zur Heiligsprechung von bestimmten Personen. Am Ende dieser Feier – das ist ja immer ein Gottesdienst – hat der Heilige Vater diese Erklärung abgegeben. Und das war für alle ein Schock.“

Wie geht es jetzt weiter? Was erwarten Sie sich von den nächsten Wochen und Monaten? Und wie wird die Arbeit in Punkto Ökumene weitergehen? Gab es schon Anfragen der verschiedenen Konfessionen?

„Die Arbeit geht weiter. Ich denke auch, dass der Heilige Vater sehr viel gewirkt hat in diesen acht Jahren und dass sein geistiges Erbe weitergehen wird. Auch die Ökumene, die ihm sehr am Herzen gelegen hat, die wird ganz sicher weiter gehen. Das ist ein Auftrag des Konzils und letztlich ein Auftrag des Herrn Jesus Christus, der darum gebetet hat, dass die Jünger eins sein sollen.“

Was steht Ihnen persönlich heute vom Menschen Benedikt XVI. vor Augen, nach so langer Zeit der Zusammenarbeit?

„Zunächst viel Dankbarkeit, weil es sehr schön ist, im Auftrag eines Papstes arbeiten zu können, der die Arbeit schätzt, der einen auch trägt und der einem auch viel Freiheit in der Ausübung dieses Amtes schenkt und immer ein gutes Wort für einen hat. Weiter bleibt auch das Wissen, dass ihm das Anliegen der Einheit sehr am Herzen gelegen hat. Dafür arbeiten zu können, war schön.“

Gab es von anderen Kirchen oder aus der jüdischen Welt Reaktionen und Kommentare, die an Sie herangetragen wurden?

„Nein, denn das ist ja erst seit kurzer Zeit bekannt. Jetzt kommen vor allem Anrufe von Journalisten. Ich nehme aber an, dass diese Reaktionen schon kommen werden, weil der Heilige Vater gerade bei den anderen Konfessionen, aber auch bei anderen Religionen – wie beispielsweise bei den Juden – hoch geschätzt wurde. Viele werden sicher diese Entscheidung mit Respekt entgegennehmen und dankbar sein für das, was der Heilige Vater getan hat.“

Was wünschen Sie Benedikt XVI. für seine persönliche Zukunft?

„Ich hoffe, dass er nun ein bisschen ruhen kann und dass er das Alter noch ein bisschen genießen kann. Und dass er das tun kann, was er noch gern tun möchte! Er wird sicher seine Liebe für die Theologie und seine Liebe für die Kirche weiter tragen, aber auf einer anderen Ebene.“ (rv)

Kardinal Koch: Text der gemeinsamen Botschaft mit Lutheranern ist fertig

Kardinal KochMit Spannung wird eine gemeinsame Erklärung des Päpstlichen Einheitsrates und des Lutherischen Weltbundes erwartet, die den ökumenischen Blick auf das Reformationsjubiläum ausdrücken wird. Im Gespräch mit Radio Vatikan erläutert der Vorsitzende des Einheitsrates, Kardinal Kurt Koch, an diesem Freitag:

„Der Text ist an sich fertig, es geht jetzt nur noch um die Übersetzungen, vor allem natürlich auch eine deutsche Übersetzung – der ursprüngliche Text ist auf Englisch. Das sollte nun in nächster Zeit fertig gestellt sein und dann der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Der Text trägt den Titel ,From conflict to communion´, also vom Konflikt zur neuen Gemeinschaft, und wird auch zum Ausdruck bringen, was wir in den vergangenen fünfzig Jahren ökumenischer Arbeit an Gemeinsamem gefunden haben. Der Text redet auch von einem gemeinsamen ,Commemorate of the Reformation´, braucht also nicht den Begriff des Feierns, sondern des Gedenkens, und damit ist die katholische Sensibilität bei dieser Frage natürlich gut aufgefangen.“

Es gebe, so Kardinal Koch, zweifelsohne positive Auswirkungen der Reformation auch auf den Katholizismus, Papst Benedikt habe diese in seiner Rede vor den EKD-Oberen in Erfurt auch gewürdigt. Insbesondere seien dies das „Betroffensein“ Martin Luthers von der Gottesfrage, aber auch die Überlegung, dass Gott nicht einfach eine Idee, sondern eine Realität sei, die ihr konkretes Gesicht in Jesus Christus gezeigt habe.

„Dass wir das alles wieder entdeckt haben, das ist natürlich Anlass zur Freude. Doch das ist ja nur die eine Seite. Die andere Seite ist eben die, dass Martin Luther die Erneuerung der Kirche wollte, einen Universalanspruch erhoben hat und auf keinen Fall eine neue Kirche gründen wollte. Dass es dann zur Entstehung von neuen Kirchen gekommen ist, zur Kirchenspaltung und zu blutigen Konfessionskriegen, vor allem im Dreißigjährigen Krieg, im 16./17. Jahrhundert, das ist die andere Seite. Und nun dieses Positive und dieses Negative unter dem Oberbegriff des Feierns zusammenzufassen, das ist eine Schwierigkeit. Deshalb denke ich, dass der Begriff des Gedenkens, der das Positive umfängt, aber auch die negativen Seiten nicht verdrängt, der adäquatere Begriff ist.“ (rv)

Kard. Koch: Gemeinsame Erklärung mit Lutheranern geplant

Kard_KochDie katholische Kirche und der Lutherische Weltbund (LWB) wollen anlässlich des 500-Jahr-Gedenkens der von Martin Luther 1517 initiierten Reformation eine gemeinsame Erklärung veröffentlichen. Der Text, der schon demnächst erscheinen soll, trage den Titel „From conflict to communion“, sagte der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch, am Mittwoch gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur. Das Dokument stelle die Geschichte des Konflikts zwischen Katholiken und Protestanten dar, „aber auch alles das, was der ökumenische Dialog in den vergangenen 50 Jahren auf dem Weg zu mehr Gemeinschaft erreicht hat“. Dabei sollten Gemeinsamkeiten und Hindernisse benannt werden, so Koch. Der Vatikan hoffe hier und auch auf anderen Feldern auf neue Fortschritte im ökumenischen Dialog. „Wir müssen jetzt das Gespräch mit den Partnern wieder neu suchen und dafür Sorge tragen, dass von dem Erarbeiteten und Erreichten nichts verloren geht“, sagte Koch: „Die Ökumene braucht heute viel Geduld“, fügte er hinzu.

Drei große Reisen

Kardinal Koch plane für 2013 drei große Reisen: in die Ukraine, nach Lettland und nach Russland. Näheres über Reisen von Papst Benedikt XVI., die er neben seinem Besuch beim Weltjugendtreffen in Rio de Janeiro plane, sei noch nicht klar. Eine päpstliche Visite in Serbien, von der in der Vergangenheit die Rede war, werde es wohl nicht geben.

Gute Beziehungen zu den Kopten

Als sehr positiv bewertete Koch das Verhältnis des Vatikans zu den Kopten, der größten altorientalischen Kirche. Koch habe dem neuen Papst-Patriarchen bei der Inthronisation in Ägypten eine Grußbotschaft Benedikts XVI. und einen Kelch als Geschenk überbracht. „Das hat den neuen koptischen Papst sehr gefreut und meiner Ansicht nach wesentlich dazu beigetragen, dass die Beziehungen vertieft werden können“, betonte der Präsident des Einheitsrates.

Kein Frühling, sondern „Islamistischer Winter

Er verwies auf die große Sorge des Vatikans um die Lage der Christen in der krisenhaften MENA-Region (Middle East/North Africa). In vielen Ländern, etwa in Ägypten, Syrien, im Libanon und auch in der Türkei, seien Islamisten auf dem Vormarsch. Die Christen in der Region machten sich große Sorgen und befürchteten eine Verschlechterung ihrer Lage. „Ich habe Probleme, von einem Arabischen Frühling zu reden, manchmal habe ich eher den Eindruck, es sei ein Islamistischer Winter“, so der Kardinal. In dieser Situation sei mehr Aufmerksamkeit und Solidarität seitens der Weltchristenheit nötig. „Wir müssen unseren Mitbrüdern in diesen Regionen sehr sensibel zuhören und sollten nicht unsere Vorstellungen in ihre Situation hineinprojizieren“, so Koch. (rv)

Kardinal Koch beunruhigt über Zerreißprobe bei Anglikanern

Kardinal KochDer vatikanische Ökumene-Verantwortliche sieht mit Sorge, wie die Debatte um eine Bischofsweihe für Frauen die anglikanische Kirche von England und Wales spaltet. „Wenn die Anglikaner alles, was mit dem Priesteramt zu tun hat, tiefgreifend verändern, ist das selbstverständlich auch für uns eine große Herausforderung“, sagte Kardinal Kurt Koch dem Internet-Nachrichtenportal zenit. Der Vatikan wolle „dazu beitragen, dass die Anglikaner ihre innere Einheit wiederfinden, aber natürlich nur, wenn die Anglikaner unsere Hilfe nicht ablehnen“. Ziel der katholischen Kirche sei es, „eine Einheit aller Christen in Bezug auf die Glaubensinhalte, die Sakramente und das Priesteramt herbeizuführen“.

Der aus der Schweiz stammende Kurienkardinal betonte auch, dass eine neue Evangelisierung ein ökumenisches Projekt sein müsse. „Ich habe verschiedene ökumenische Partner, die von dieser Initiative begeistert sind; andererseits gefällt sie manchen auch nicht“, so Koch wörtlich. Das hänge damit zusammen, dass es „heute in der Ökumene eine Trennung in zwei Lager gibt, die quer zu den Konfessionsgrenzen verlaufen“. Auf der einen Seite stehe „eine liberale Vision der Ökumene zwischen Katholiken und Reformierten“. Auf der anderen Seite gebe es „das Bestreben, die Grundlagen des Glaubens in den katholischen und in den reformierten Gemeinden zu vertiefen“. In dieser zweiten Gruppierung sei die Neuevangelisierung „eine große Herausforderung“, so Kardinal Koch.

Derweil ist ein Misstrauensvotum gegen den Vorsitzenden des „Hauses der Laien“ der anglikanischen Kirche von England gescheitert. Wie britische Medien berichten, lehnten bei einer Sondersitzung am Freitag 80 Mitglieder den Misstrauensantrag gegen den Vorsitzenden Philip Giddings ab, 47 stimmten dafür, 13 enthielten sich. Beobachter werten das Scheitern des Antrags als Zeichen dafür, dass eine Mehrheit der Laien-Abteilung die Entscheidung der Generalsynode der Kirche von England gegen die Zulassung von Bischöfinnen weiter für richtig hält.  (rv)

Kardinal Koch: Das eigentliche Erbe des Konzils

Die Liturgiereform sei die „dauerhafteste Reform des Zweiten Vatikanischen Konzils" gewesen. Das betonte der vatikanische Ökumeneverantwortliche, Kurienkardinal Kurt Koch, bei einem Vortrag am Freitagabend in Rom. Er sprach zum Thema „Die Liturgiereform Roms aus ökumenischer Perspektive". Vielfach werde diese Reform als das „eigentliche Erbe" des Konzils betrachtet.

„Dass die Behandlung der Liturgiekonstitution am Anfang der konziliaren Beratungen stand, hat also ganz pragmatische Gründe. Diesen Anfang hatte der damalige Kardinal Josef Ratzinger in einer positiven Weise gedeutet, dass es in der Architektur des Konzils einen guten Sinn gehabt habe, dass die Liturgiekonstitution am Anfang stand, weil so sichtbar geworden ist, dass am Anfang immer die Anbetung und damit Gott steht."

Ob aber in der nachkonziliaren Liturgiereform wirklich in allem die Wünsche der Konzilsväter verwirklicht worden sind oder über diese Forderung hinausgegangen sei, könne man an der Kritik all jener Theologen sehen, die sich in der liturgischen Bewegung engagiert haben.

„Papst Benedikt XVI. hat deshalb eine neue liturgische Bewegung gefordert, die er bereits als Kardinal als Reform der Reform bezeichnet hatte. Wie dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine liturgische Bewegung vorausgegangen ist, deren reife Früchte in die Liturgiekonstitution eingebracht werden konnten, so braucht es auch heute eine neue liturgische Bewegung, mit dem Ziel, dass eigentliche Erbe des Zweiten Vatikanischen Konzils zu erwecken und in der heutigen Situation fruchtbar zu machen."

Damit sei klar, dass die Liturgiereform des Zweiten Vatikanums keinesfalls abgeschlosssen sei, fügte Kardinal Koch an.

„Hinzu kommt, dass es sich bei der Liturgie um den sensibelsten Bereich des kirchlichen Lebens handelt, gleichsam um das Herz, von dem alles Blut des Glaubens in den kirchlichen Alltag hinausströmt, wo es sich verbraucht, um sich im Herz wieder zu sammeln und gereinigt zu werden."
Kardinal Koch war in den 1990er-Jahren u.a. Professor für Liturgiewissenschaft und Ökumenische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern. (rv)

Kardinal Koch: „Die Ökumene braucht ein gemeinsames Ziel“

Eine Ökumene ohne ein klares und gemeinsames Ziel ist zum Scheitern verurteilt. Daran hat Kurienkardinal Kurt Koch jetzt in Rom erinnert. Das postmoderne Ideal des Pluralismus habe auch Spuren im Ökumenismus hinterlassen, führte der Präsident des päpstlichen Einheitsrates am Montagabend in einer Grundsatzrede über Bedingungen eines erfolgreichen Ökumenismus an der päpstlichen Lateranuniversität aus. Das Streben nach Einheit werde in der postmodernen Logik, in der religiöser Pluralismus und kirchliche Vielfalt zum guten Ton gehörten, skeptisch beäugt, so Koch. Die Suche nach Einheit sei jedoch für das Christentum wesentlich – ohne diese Suche würde sich der Glauben selbst verleugnen, so der Kardinal.

Dies werde deutlich in Jesu Hohepriesterlichen Gebet für die Einheit der Christenheit, in dem der Gottessohn auch die ökumenische Zukunft der Kirche mit eingeschlossen habe. Die „volle" und „sichtbare" Einheit der Christenheit müsse so immer Zielpunkt jedes ökumenischen Bemühens sein, unterstrich Koch der sich mehrfach auf den Papst bezog. Er würdigte Papst Benedikt XVI. als „großen Ökumeniker unserer Zeit": Seine Interpretation des Hohepriesterlichen Gebetes Jesu beim Letzten Abendmahl im zweiten Jesusbuch könne als „Synthese" des ökumenischen Werkes des Papstes gelesen werden, so Koch. Der Papst biete darin eine christologische Vision des Ökumenismus an, die das Potential habe, zu einer größeren Einheit der Christenheit zu führen. Der Titel der Grundsatzrede von Kardinal Koch lautete „Einheit: Illusion oder Versprechen? Ökumenische Aspekte im Jahr des Glaubens".

Ein klares und gemeinsames Ziel

Wie übersetzt sich die Forderung nach „voller, sichtbarer Einheit" im ökumenischen Gespräch etwa mit den Protestanten? Das wollte Anne Preckel von Kurt Koch nach seinem Vortrag wissen.
„Das ist heute die große Frage, weil: Das ursprüngliche der ökumenischen Suche nach der Einheit ist nicht mehr so klar und ist verschiedenartig geworden. Nicht wenige Kirchen und kirchliche Gemeinschaften, die von der Reformation her kommen, haben dieses Ziel der sichtbaren Einheit eigentlich aufgegeben und ersetzt durch das Konzept der gegenseitigen Anerkennung aller Realitäten der Kirche, die wir haben – als Teile der einen Kirche. Und das ist natürlich eine Vorstellung, die für uns Katholiken, aber auch für die Orthodoxen eine schwierige Vorstellung ist. Und deshalb müssen wir, das ist eine große Herausforderung, ein gemeinsames Gespräch haben über das Ziel der Ökumene, denn wenn wir kein klares Ziel mehr haben, dann könnten wir in verschiedene Richtungen gehen und am Ende feststellen müssen, dass wir noch weiter entfernt sind als bisher oder, wie der Wiener Komiker Qualtinger einmal gesagt hat: ,Ich weiß zwar nicht wohin, aber dafür bin ich umso schneller dort’ – das kann keine sinnvolle Vorstellung für die Ökumene sein. Deshalb ist es eine große Herausforderung, im Gespräch vor allem auch mit den Protestanten ein gemeinsames Ziel der ökumenischen Bemühungen wieder zu finden."

Viel wird auf evangelischer wie katholischer Seite bereits über das Reformationsjubiläum 2017 gesprochen. Ihnen wäre es lieber, wenn man hinsichtlich des Ereignisses von „Reformationsgedenken" sprechen und ein beiderseitiges Schuldbekenntnis einplanen würde – was wünschen Sie sich da konkret?

„In 2017 stehen zwei Wirklichkeiten im Mittelpunkt. Auf der einen Seite das Anliegen Martin Luthers, die Wiederentdeckung der Heiligen Schrift, vor allem auch die Wiederentdeckung der Rechtfertigungsbotschaft. Das sind großartige Dinge. Auf der anderen Seite können wir nicht darüber hinwegsehen, dass Martin Luther keine neue Kirche gründen wollte, er wollte keine Spaltung, sondern er wollte die Erneuerung der Kirche. Das ist damals nicht gelungen, es sind neue Kirchen entstanden, es ist zu einer Kirchenspaltung gekommen, es ist zu grausamen Konfessionskriegen des 16. und 17. Jahrhunderts, vor allem des 30-jährigen Krieges gekommen, die dann auch Konsequenzen gehabt haben für die Säkularisierung, die teilweise vom Christentum selber verschuldet ist. Und nun diese beiden Seiten unter das Dach des Feierns und des Jubiläums zu setzen, ist einfach sehr schwierig, wenn man die ganze Geschichte betrachtet. Und deshalb, denke ich, werden wir die Einladung annehmen, dieses Reformationsgedenken ökumenisch zu begehen, aber es kann für uns nicht eine Jubiläumsfeier sein, sondern es kann nur ein Gedenken sein, bei dem auch ein gewisser Bußakt, ein Schuldbekenntnis auf beiden Seiten – dass es nicht zu einer Kirchenerneuerung, sondern zu einer Kirchenspaltung mit diesen furchtbaren Konsequenzen gekommen ist – das sollte meines Erachtens Platz haben."

Gibt es denn dafür schon konkrete Pläne und Gespräche darüber?

„Ich bringe diesen Vorschlag immer wieder ein, ich habe ja auch teilgenommen an der Synode der Vereinigten Evangelischen Kirche im Norden Deutschlands, dort haben wir einen ganzen Tag über dieses Thema gesprochen, und ich habe den Eindruck, dass viele nachdenklich geworden sind und diese Situation sehen. Andere möchten einfach feiern, aber ich glaube, wenn sie uns dabeihaben wollen, dürfen sie erwarten, dass wir auch unsere Vorstellungen einbringen."

Sie haben in Ihrem Vortrag als eine Dimension des Ökumenismus die Märtyrer angesprochen. Inwiefern können die Märtyrer uns auf den Grund des gemeinsamen Glaubens hinweisen?

„Das ist eine Vorstellung und eine Perspektive, die vor allem Papst Johannes Paul II. sehr am Herzen lag, weil er gesagt hat: Alle christlichen Kirchen und alle christlichen Gemeinschaften haben heute ihre Märtyrer. Und alle Märtyrer haben ja Zeugnis abgelegt für den gemeinsamen Glauben an Christus. Und deshalb sind die Märtyrer in ihrem gemeinsamen Zeugnis, in ihrer gemeinsamen Hingabe des Lebens der Einheit viel näher gekommen als wir das sind. Sie können, wenn wir uns in das Zeugnis ihres Lebens vertiefen, eine große Hilfe sein, die Einheit im Glauben wiederzufinden, das heißt, den Ökumenismus spirituell-theologisch zu vertiefen."

Gehen wir von der Mitte zum rechten Rand der Kirche. Auch wenn Sie selbst nicht direkt in die Gespräche mit der Piusbruderschaft involviert sind – wie würden Sie die Beziehungen zwischen Vatikan und Piusbruderschaft aktuell beschreiben?

„Bei der Piusbruderschaft hoffe ich immer noch, dass sie zur Kirche gehört und zur Kirche zurückkommen. Ich hoffe, dass es zu dieser Einheit kommt, aber es kann nicht eine Einheit um jeden Preis sein. Es ist nicht denkbar, dass man ein Konzil ablehnt, denn wer das Zweite Vatikanische Konzil ablehnt, wenigstens in großen Teilen, der lehnt ja auch das Lehramt des heutigen Papstes Benedikt XVI., der ganz auf dem Boden des Fundamentes des Zweiten vatikanischen Konzils steht. Von diesem Punkt kann man nicht abgehen!" (rv)

Papst an Einheitsrat: „Es braucht die volle, sichtbare Einheit“

Der ökumenische Weg muss die volle Einheit zum Ziel haben, und die Ökumene ist zugleich die Voraussetzung für eine glaubwürdige Verkündigung des Evangeliums in der Gegenwart. Darauf hat Benedikt XVI. an diesem Donnerstag vor Vertretern des päpstlichen Einheitsrates und vor dem vatikanischen Ökumene-Verantwortlichen Kardinal Kurt Koch hingewiesen. Das Ziel der Ökumene, die sichtbare Einheit, dürfe nie aus den Augen verloren werden, erinnerte der Papst:

„Es ist eine positive Realität, gemeinsam auf diesem Weg voranzuschreiten – aber unter der Bedingung, dass die Kirchen und die kirchlichen Gemeinschaften nicht unterwegs stehen bleiben und die sich widersprechenden Verschiedenheiten als etwas normales oder das Besterreichbare akzeptieren. Die gegenwärtige und wirksame Kraft Gottes in der Welt zeigt sich hingegen in der vollen Einheit des Glaubens, der Sakramente und des Amtes. Durch die sichtbare Einheit der Jünger Jesu, einer menschlich nicht erklärbaren Einheit, lässt sich das Handeln Gottes erkennen, das die Zersetzungstendenz der Welt überwindet."

Die letzte Einheit komme von Gott, führte der Papst aus. Auf sie gelte es zuzugehen, für sie gelte es zu beten, denn die Spaltung sei ein „Skandal" und widerspreche Christi Willen. Die Verkündigung des Evangeliums sei dabei das Bindeglied aller christlichen Konfessionen, ein „Imperativ", der alle Christen – „trotz der heute unvollständigen kirchlichen Gemeinschaft" – vereine. Auf der laufenden Vollversammlung des päpstlichen Einheitsrates geht es um die Bedeutung der Ökumene für die Neuevangelisierung. Schon die Konzilsväter des Zweiten Vatikanums hätten diesen Zusammenhang betont, so Benedikt XVI.. Und er führte aus:

„Die Einheit ist auf der einen Seite die Frucht des Glaubens und auf der anderen Seite ein Mittel und fast eine Bedingung dafür, auf immer glaubwürdigere Weise den Glauben denen zu verkünden, die den Erlöser noch nicht kennen oder die, obwohl sie die Verkündigung des Evangeliums gehört haben, dieses kostbare Gute fast vergessen haben."

Der Einsatz der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften für eine erneuerte Verkündigung sei ein „Hoffnungszeichen", so der Papst. Die Ökumene dürfe die Glaubenskrise nicht ignorieren, die sich heute in weiten Teilen der Welt – darunter den Stammländern des Christentums – bemerkbar mache. Ebenso wenig könne man das große Bedürfnis nach Spiritualität, „das sich auf verschiedene Weise manifestiert", verkennen, so der Papst, der daraus einen Appell für die Christen ableitet:

„Die spirituelle Armut vieler unserer Zeitgenossen, die sie nicht mehr als Entbehrung, als Abwesenheit Gottes aus ihrem Leben empfinden, stellt eine Herausforderung für alle Christen dar. In diesem Kontext wird von uns an Christus Glaubenden verlangt, zur Essenz, zum Herzen unseres Glaubens zurückzukehren, um gemeinsam gegenüber der Welt den lebendigen Gott zu bezeugen. Einen Gott, der uns kennt und liebt, in dessen Blick wir leben, einen Gott, der die Antwort unserer Liebe im Leben eines jeden Tages erwartet."

Ökumene und Neuevangelisierung bräuchten beide die Umkehr, erinnerte er weiter. Der Papst hofft in diesem Zusammenhang, dass das Jahr des Glaubens zum ökumenischen Fortschritt beitragen kann. (rv)

Kard. Koch: „Man müsste als Auto geboren werden“

„Neue Evangelisierung und ökumenische Verantwortung sind nicht voneinander zu trennen." Das sagte der vatikanische Ökumene-Verantwortliche, Kardinal Kurt Koch, am Montagnachmittag. In Rom eröffnete er die Vollversammlung des Päpstlichen Einheitsrates mit einem Grundsatzreferat, in dem er die Sicht der katholischen Kirche auf die Reformation umriss.

Kardinal Koch urteilte unter Berufung auf den Kirchenhistoriker Joseph Lortz, die Reformation habe „vor allem Spaltung" bedeutet und der Überzeugungskraft der christlichen Verkündigung „einen entscheidenden Schlag versetzt". Zwar sei das „das genaue Gegenteil von dem, auf das die Reformation eigentlich aus war"; Luther und seinen Anhängern sei es vor allem um die Reform der Kirche an Haupt und Gliedern gegangen. „Es kam aber nicht dazu, sondern zum Bruch; die Hauptaufgabe der Kirche wurde nicht angegangen", so der Schweizer Kurienkardinal. Er hoffe, so führte er immer noch mit einem Lortz-Zitat aus, dass das auch den Protestanten immer deutlicher werde. Die Reformation sei, wie auch der protestantische Denker Wolfhart Pannenberg, einräume, „gescheitert" und müsse erst noch „zu ihrer Vollendung geführt werden". Diese Vollendung der Reformation setze allerdings die Wiederherstellung der christlichen Einheit voraus. Die Entstehung protestantischer und reformierter Kirchen zeige „nicht den Erfolg, sondern das Scheitern der Reformation".

Die Säkularisierung der Neuzeit ist nach der Analyse von Kardinal Koch „eine nicht gewollte, tragische Konsequenz der Spaltung der westlichen Kirche im 16. Jahrhundert". Das Auseinanderbrechen der Christenheit habe also in letzter Konsequenz zur „Emanzipation der modernen Kultur" vom Christentum geführt, und darum sollten die Christen zuerst auf Ökumene setzen, wenn sie in unserer heutigen Zeit neu evangelisieren wollten. Bei der neuen Evangelisierung in den heutigen, pluralen Gesellschaften bräuchten die Christen allerdings nicht auf ihren Wahrheitsanspruch zu verzichten: „Die Universalität des christlichen Glaubens impliziert ja keineswegs den Anspruch auf eine exklusive, objektive Wahrheit im Bereich der menschlichen Kenntnisse, die wir hätten und anderen Religionen gegenüber ins Feld führen könnten. Universalität des christlichen Glaubens ist vielmehr das Gegenteil von Abgrenzung und Polarisierung, von Selbstbehauptung und Intoleranz." Schließlich sei ja die „Universalität der Wahrheit", die der Christ bekenne, „eine Person, nämlich Jesus Christus". „Diese Wahrheit und die universelle Liebe, die alle umarmt und keinen ausschließt, hat sich in Jesus Christus gezeigt."

Kardinal Koch riet dazu, in der modernen Gesellschaft auf die Verbindung der Menschenwürde zum „Geheimnis Gottes" hinzuweisen. Darum sei der Einsatz der Christen für das Leben wichtig. „Der Schutz der materiellen Dinge in unserer Gesellschaft ist viel klarer geregelt als der Schutz des Lebens in all seinen Phasen und Varianten", so Koch. Und wörtlich: „Autos zum Beispiel sind geschützter als ungeborene oder sterbende Menschen, so dass wir dem Wiener Theologen Paul Michael Zulehner zustimmen können, wenn er sagt, man müsste in der heutigen Gesellschaft das Glück haben, als Auto auf die Welt zu kommen!" (rv)

Vatikan: Vollversammlung der Kommission für die Beziehungen zum Judentum

Die vatikanische Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum hält derzeit im Vatikan ihre Vollversammlung ab. Bis zum Dienstag will das zum Päpstlichen Einheitsrat gehörende Gremium über die christlich-jüdischen Beziehungen nachdenken. Leiter der Beratungen ist der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch. Nachgedacht wird unter anderem über den „Tag des Judentums", den Ortskirchen in der Schweiz und mehreren EU-Ländern, darunter Österreich, begehen. Nun überlegen mehrere Bischofskonferenzen, ob sie ebenfalls einen „Tag des Judentums" einführen sollen. In Deutschland gibt es seit 1952 jedes Jahr im März eine eigene „Woche der Brüderlichkeit", die dem christlich-jüdischen Miteinander gewidmet ist. (rv)