D: Hier wird sich etwas ändern

DBK_LogoDie deutschen Bischöfe treffen sich ab Montag zu einer entscheidenden Vollversammlung in Münster. Dort wollen sie am Mittwoch einen neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz wählen. Er wird Nachfolger des 75-jährigen emeritierten Erzbischofs von Freiburg, Robert Zollitsch, werden. Wahlberechtigt sind 66 Mitglieder der Bischofskonferenz; eine wichtige Rolle könnten bei der Abstimmung die Weihbischöfe spielen. Kardinal Joachim Meisner wird nicht mehr an der Wahl teilnehmen, weil Papst Franziskus letzte Woche sein Rücktrittsgesuch als Erzbischof von Köln angenommen hat. Auch der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, der derzeit auf Anweisung des Papstes eine Auszeit außerhalb des Bistums nimmt, ist nicht in Münster angemeldet. Zum ersten Mal nimmt der neue Päpstliche Nuntius, Erzbischof Nikola Eterovic, an einer Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz teil. (rv)

Papst ernennt 15 Mitglieder des Wirtschaftsrats

Kardinal MarxKardinal Reinhard Marx ist von Papst Franziskus zum Koordinator des neuen Wirtschaftsrates ernannt worden. Der Vatikan gab die 15 Mitglieder des Gremiums, das den bisherigen Kardinalsrat für Wirtschafts- und Finanzfragen ersetzt, an diesem Samstag bekannt. Im neuen Rat sitzen jeweils acht Kardinäle und sieben Wirtschaftsexperten. Sechs Kardinäle des neuen Rates waren Mitglieder des bisherigen 15-köpfigen Gremiums. Ein neues Gesicht ist in diesem Bereich der Münchner Erzbischof, der aus dem Kardinalsrat zur Kurienreform in das Gremium kommt.

Das Verhältnis zwischen dem neuen Wirtschaftsrat und dem Sekretariat für Wirtschaftsfragen von Kardinal Georg Pell werde noch in weiteren Statuten geklärt, so eine Pressemeldung des Vatikan. Kardinal Pell sitzt in beiden Gremien, beim Sekretariat ist er jedoch Präfekt und somit Leiter jener Institution. Der Wirtschaftsrat sei jedoch eine eigenständige vatikanische Institution, präzisierte Vatikansprecher Federico Lombardi. Dieser Rat habe nicht nur die Funktion, das Wirtschafssekretariat von Kardinal zu beraten, sondern auch eigene Kompetenzbereiche.

Mitglieder des Rates sind neben den Kardinälen Marx und Pell, Juan Luis Cipriani Thorne (Lima), Daniel N. DiNardo (Galveston-Houston, USA), Wilfrid Fox Napier (Durban, Südafrika), Jean-Pierre Ricard (Bordeaux, Frankreich), Norberto Rivera Carrera (México City), John Tong Hon (Hong Kong, China), und Agostino Vallini (Bischofsvikar des Papstes für Rom). Als nicht-geistliche Finanzexperten benannte der Papst Joseph F.X. Zahra aus Malta, der die Aufgabe des Vize-Koordinators erfüllen wird, ferner den Franzose Jean-Baptiste de Franssu, den Kanadier John Kyle, den Spanier Enrique Llano Cueto, den Deutsche Jochen Messemer, sowie den Italiener Francesco Vermiglio und George Yeo aus Singapur.

Die Herkunft der Mitglieder zeige die „Universalität der Kirche“, so Vatikansprecher Lombardi. Dies sei auch im Motu proprio „Fidelis dispensator et prudens“, das den Wirtschaftsrat ins Leben rief, festgehalten worden. Die Einrichtung dieses Gremiums sei ein wichtiger Schritt, um „die aktuellen Handlungsstrukturen des Heiligen Stuhls zu konsolidieren“, damit die Koordination und Aufsicht über jegliche wirtschaftlichen und administrativen Handlungen verbessert werden, so die Note von Lombardi.

Der Wirtschaftsrat ist ab sofort aktiv. Das erste Treffen der Mitglieder ist für Mai geplant. (rv)

Siehe auch: >>>Sekretariat für die Wirtschaft

Pater Bernd Hagenkord: Papst Franziskus – Das erste Jahr mit dem Papst. Mein Tagebuch

Bernd HagenkordWer den Newsletter von Radio Vatikan verfolgt und vielleicht auch sonst in Internet unterwegs ist, der wird auf den Radiovatikan-Blog gestoßen sein. Die Sendungen und die Themen begleitet schreibt unser Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord Kommentare, Beobachtungen und lädt zum Kommentieren ein. Die Artikel des vergangenen Jahres – des ersten Jahres mit Papst Franziskus – sind nun in Buchform erschienen.

Pater Hagenkord, im Untertitel heißt das Buch „Mein Tagebuch“, wie persönlich ist das Buch?

„Na ja, im eigentlich strengen Sinne ist es kein Tagebuch; das Buch hat begonnen als Blog – vor der Deutschlandreise Benedikt XVI. 2011 habe ich begonnen zu bloggen – seitdem schreibe ich drei bis vier Einträge pro Woche. Das geht jetzt seit einigen Jahren. Im vergangenen März hat sich der Charakter des Blogs verändert, wie auch der der Sendungen von Radio Vatikan, da ist jetzt viel mehr Papst im Programm und deswegen ist auch viel mehr Franziskus in meinem Blog.
Das sind Überlegungen, das sind Reflexionen, das sind manchmal auch Vertiefungen, wenn es um Spiritualität und um die Jesuiten geht, wenn es um persönliche Dinge geht, das alles kommt da hinein. Über ein Jahr sammelt sich das.
Der Benno-Verlag in Leipzig hat dann die Idee gehabt, das auch in ein Buch zu verwandeln, sozusagen ein Blog ohne Strom, etwas, was man ins Regal stellen und nachblättern kann. Das macht man ehrlich gesagt mit einem Blog überhaupt nicht, das liest man und dann verschwindet es in den Tiefen des Internets. Bei einem Buch ist das etwas anderes, ich habe mich auch selber dabei ertappt, nachzublättern. Es ist schon eine Art Tagebuch, aber eines, das für die Öffentlichkeit bestimmt war und als Blog geboren wurde.“

Sie haben vom geänderten Charakter des Blogs gesprochen, was für Artikel finden sich nun in dem Buch, Ihrem Tagebuch des vergangenen Jahres?

„Es sind vor allem Reflexionen über Papst Franziskus, da ist viel Spirituelles, viel Theologisches, ich versuche, die Geschichten etwas ausführlicher zu reflektieren. Dann ist aber auch viel Journalistisches dabei, wir schauen hier schon, was die Kolleginnen und Kollegen sagen und schreiben und da versuche ich, manchmal durchaus polemisch und spitz, zu beobachten und zu bemerken, was gerade alles Sache ist in der großen bunten weiten Welt der Medien in Bezug auf den Papst.“

Von all den Ereignissen im vergangenen Jahr, die Sie in dem Buch beschreiben, was waren die wichtigsten oder besser die Ereignisse, die bei Ihnen am ehesten hängen geblieben sind?

„Das ist ganz schwer zu sagen. Wir haben ein Pontifikat, das uns sehr viel Neues bringt, und das in einem Tempo und in einer Unruhe, die auch wir erst einmal verarbeiten müssen. Das alles nachzuvollziehen, was mir durch den Kopf gegangen ist – ohne mich selber wichtig zu machen – die verdrängen sich im Alltagsgeschäft: Die Interviews mit dem Papst, die Reise nach Lampesdusa, sehr viel kleinen Sachen, Beobachtungen über die Spiritualität. Deswegen finde ich es selber auch hilfreich, mir selber sozusagen als einem Fremden über die Schulter zu schauen und zu sehen, was mich vor einem Jahr alles beschäftigt hat.
Wie gesagt, ich will mich da nicht zu wichtig nehmen, es ist eine einzige Stimme unter vielen anderen, aber ich biete das an, um Papst Franziskus aus dem vergangenen Jahr verstehen zu können.“

Das Buch ist im Benno Verlag erschienen und kostet etwa 13 €. (rv)

D: „Bischofsamt ist Frage der Geduld und des Gebetes“

Bischof  Felix GennEr ist einer der Neuen unter den Mitgliedern der Bischofskongregation in Rom: Der Bischof von Münster, Felix Genn. In der vergangenen Woche waren die Mitglieder zur Versammlung in Rom, Papst Franziskus legte ihnen ausführlich dar, wie er sich einen Bischof vorstelle. Und in der kommenden Woche wird Bischof Genn Gastgeber der deutschen Bischöfe sein, die in Münster einen neuen Vorsitzenden wählen werden, ausführlich Gelegenheit also, über das Amt des Bischofs nachzudenken.

„Die erste Arbeit ist das Gebet,“ zitiert Genn im Gespräch mit Radio Vatikan Papst Franziskus und seine Schwerpunkte für einen guten Bischof. „Er hat ausdrücklich betont, dass das Arbeit ist. Gebet ist die erste Arbeit, die der Bischof zu tun hat. Damit hält er uns Bischöfen auch einen Spiegel vor: Was ist für uns wichtig, was ist vorrangig, was ist zweitrangig? Wenn man diese Ansprache zusammen liest mit dem, was er während des Weltjugendtages [2013 in Rio, Anm.d.Red] den Bischöfen Brasiliens gesagt hat, dann bekommt man einen wirklich guten Bischofsspiegel, der gerade auch für die Fastenzeit eine hilfreiche Gewissenserforschung sein kann.“

Neben dem Gebet erinnert Genn an weitere Merkmale, die der Papst in seiner Charakterisierung eines guten Bischofs nannte, allein die Frage nach der Geduld habe der Papst fünf Mal betont. All das müsse nun in die konkreten Umstände umgesetzt werden: „Bei uns ist nun einfach so, dass wir sehr stark beansprucht sind durch eine Vielzahl von Sitzungen, Konferenzen und Ausschüssen, so dass es für einen deutschen Bischof immer wieder neu eine Frage ist, wo ich jetzt meinen Schwerpunkt setze und wo meine Lebensquellen sind.“

Kommunikation in Krisenzeiten

In einem Interview mit der Nachrichtenagentur KNA hatte Bischof Genn davon gesprochen, dass die katholische Kirche eine bessere Kommunikation brauche, die Botschaft werde kaum noch verstanden. Auch das könne man mit Blick auf die Worte des Papstes lesen: „Ich könnte das in den Zusammenhang des Stichwortes ‚Geduld’ hinein stellen,“ so Genn, man müsse geduldig sein mit den Menschen, die von einer Informationsflut umgeben seien, so dass nicht von vorne herein vorausgesetzt werden könne, dass jeder die kirchliche Sprache verstehe. „Es soll ja sogar Theologiestudenten geben, die nicht genau wissen, was ein Rosenkranz oder der Gründonnerstag ist. Wie soll das dann ein Mensch, der keinen unmittelbaren Kontakt zur Kirche hat, verstehen?“

Bei den schwierigeren Fragen, etwa denen im Zusammenhang mit der Umfrage zur Familienpastoral, wäre noch einmal mehr Geduld aufzubringen, genau zu erklären, was die Kirche will und was das mit dem Leben der Menschen zu tun habe.

Bischofskonferenz in Münster

Als Gastgeber der Vollversammlung der Bischofskonferenz wird der Bischof von Münster aber nicht alle Bischöfe begrüßen können, die Bistümer Passau und Erfurt, Freiburg und Köln sind nicht besetzt, die ersten beiden schon recht lange. Als neuernanntes Mitglied der Bischofskongregation lerne er erst noch, wie die Arbeit dort sei, so Bischof Genn, „ich kann da noch nicht Urteile fällen, warum das so schwierig ist. Ich vermute, dass zumindest ein Grund der ist, dass das Verfahren in den deutschsprachigen Ländern einmalig ist.“ Aus den verschiedenen Listen der Kapitel und der Bischöfe müsse erst der Nuntius etwas erarbeiten, dann erst komme das in die Bischofskongregation. Kein Grund, da etwas hinein zu spekulieren, meint Bischof Genn.

Die Wechsel auf den Bischofsstühlen zeichnen einen Generationswechsel in der Leitung der Kirche nach, einen Generationswechsel, der in Zeiten der Krise stattfindet. Keine Einfache Aufgabe, „deswegen muss natürlich auch der Heilige Vater durch die Bischofskongregation gut und angemessen beraten werden, wer dieses Hirtenamt in Deutschland übernehmen kann, um auch in dieser Krise auskunftsfähig zu sein, dialogfähig zu sein, guter Hirte zu sein, Geduld zu haben und das Gebet an die erste Stelle zu setzen.“ (rv)

Interview mit Franziskus: In Idealisierung versteckt sich auch Aggression

Corriere della Sera„Ich erzähle euch von meinem ersten Jahr als Papst“: Unter dieser Überschrift ist an diesem Mittwoch im „Corriere della Sera“ ein langes Interview mit Papst Franziskus erschienen. Hier einige Auszüge daraus in unserer eigenen Übersetzung.

Heiliger Vater, Sie telefonieren manchmal mit Leuten, die Sie um Hilfe bitten…

„Ja, als Priester in Buenos Aires war das einfacher für mich. Die Gewohnheit ist mir geblieben. Ein Dienst. Das fühle ich in mir. Natürlich ist das jetzt nicht mehr so leicht, weil mir jetzt so viele Leute schreiben.“

Begegnungen mit dem Papst

Gab es auch mal einen Kontakt, eine Begegnung, an die Sie besonders gerne denken?

„Eine Witwe von achtzig Jahren, die ihren Sohn verloren hatte. Sie schrieb mir. Und jetzt rufe ich sie einmal im Monat an. Sie ist glücklich. Ich mache den Pfarrer. Das gefällt mir.“

Wie sind Ihre Beziehungen zu Ihrem Vorgänger? Haben Sie ihn schon mal um Rat gefragt?

„Ja. Der emeritierte Papst ist keine Statue in einem Museum. Er ist eine Institution. Wir waren das nicht gewöhnt. Vor sechzig oder siebzig Jahren gab es keinen emeritierten Bischof. Das kam nach dem Konzil. Heute ist das eine Institution. Dasselbe muss mit dem emeritierten Papst geschehen. Benedikt ist der erste, und vielleicht wird es noch weitere geben. Das wissen wir nicht. Er ist diskret, demütig, will nicht stören. Wir haben darüber geredet und zusammen entschieden, dass es besser ist, wenn er Leute sieht, herausgeht und am Leben der Kirche teilnimmt… Seine Weisheit ist ein Geschenk Gottes…“

Ist der Papst ein einsamer Mensch?

„Ja und nein. Ich verstehe, was Sie sagen wollen. Der Papst ist bei seiner Arbeit nicht allein, weil viele ihn begleiten und beraten. Er wäre allein, wenn er entscheiden würde, ohne andere anzuhören… Aber es gibt einen Moment, wenn es um die Entscheidung geht, … dann ist er allein mit seinem Sinn für Verantwortung.“

Sie haben Neuerungen eingeführt, … die Kurie in Bewegung versetzt… Hat sich die Kirche schon so verändert, wie Sie das vor einem Jahr gewünscht haben?

„Ich hatte im letzten März keinerlei Projekt für eine Änderung der Kirche. Sagen wir so: Ich habe nicht mit diesem Übergang von einem Bistum ins andere gerechnet. Als ich anfing zu regieren, versuchte ich, das in die Praxis umzusetzen, was in der Debatte der Kardinäle bei den verschiedenen Kongregationen (vor dem Konklave) aufgetaucht war. In meinem Handeln warte ich darauf, dass mir der Herr die Inspiration gibt…“

Zärtlichkeit und Barmherzigkeit sind die Essenz Ihrer spirituellen Botschaft…

„Das kommt aus dem Evangelium. Das ist das Zentrum des Evangeliums…“

In jeder Idealisierung versteckt sich auch eine Aggression

Aber ist diese Botschaft verstanden worden? Sie haben gesagt, dass dieser Franziskus-Hype nicht lange dauern wird. Gibt es etwas an Ihrem Bild in der Öffentlichkeit, das Ihnen nicht gefällt?

„Ich bin gern unter Leuten, zusammen mit Leidenden, gehe gerne in Pfarreien. Mir gefallen die ideologischen Interpretationen nicht, ein gewisser Papst-Franziskus-Mythos. Wenn man zum Beispiel sagt, er gehe nachts aus dem Vatikan, um den Obdachlosen in der Via Ottaviano zu essen zu bringen. Das ist mir nie in den Sinn gekommen. Sigmund Freud sagte einmal, wenn ich mich nicht täusche: In jeder Idealisierung versteckt sich auch eine Aggression. Den Papst als eine Art Superman zu zeichnen, eine Art Star, scheint mir beleidigend. Der Papst ist ein Mensch, der lacht, weint, ruhig schläft und Freunde hat wie alle. Ein normaler Mensch.“

Haben Sie Sehnsucht nach Argentinien?

„Die Wahrheit ist, dass ich keine Sehnsucht habe. Ich würde gerne meine Schwester besuchen, weil sie krank ist, die Letzte von uns fünfen. Ich würde sie gerne sehen, aber das rechtfertigt nicht eine Reise nach Argentinien: Ich rufe sie an, das reicht. Ich plane nicht, vor 2016 dorthinzufahren, denn ich war schon in Lateinamerika, in Rio. Jetzt muss ich ins Heilige Land reisen, nach Asien und dann nach Afrika.“

Haben Ihnen diese Vorwürfe des Marxismus, vor allem aus Amerika, nach der Veröffentlichung von Evangelii Gaudium missfallen?

„Überhaupt nicht. Ich habe die marxistische Ideologie nie geteilt, weil sie nicht wahr ist, aber ich habe viele tapfere Leute kennengelernt, die sich zum Marxismus bekannt haben.“

Missbrauchsfälle und Armut

Die Skandale, die das Leben der Kirche getrübt haben, liegen zum Glück hinter uns…

„Ich will dazu zwei Dinge sagen. Die Missbrauchsfälle sind furchtbar, weil sie tiefe Wunden hinterlassen. Benedikt XVI. war sehr mutig und hat einen Weg geöffnet. Die Kirche hat auf diesem Weg viel getan. Vielleicht mehr als alle anderen. Die Statistiken zum Phänomen der Gewalt gegen Kinder sind beeindruckend, aber sie zeigen auch klar, dass die große Mehrheit der Missbräuche im Familien- und Nachbarschaftsumfeld geschehen. Die katholische Kirche ist vielleicht die einzige öffentliche Institution, die sich mit Transparenz und Verantwortung bewegt hat. Kein anderer hat mehr getan. Und doch ist die Kirche die einzige, die angegriffen wird.“

Sie nennen die Globalisierung, vor allem im Finanzbereich, eines der Übel, die die Menschheit angreifen. Aber die Globalisierung hat doch auch Millionen Menschen aus dem Elend befreit…

„Das stimmt, die Globalisierung hat viele Menschen aus der Armut gerettet, aber auch viele andere zum Hungertod verurteilt, weil sie mit diesem Wirtschaftssystem selektiv wird… Die derzeitige wirtschaftliche und vor allem finanzielle Globalisierung führt zu einem Einheitsdenken, zu einem schwachen Denken. Im Zentrum steht nicht mehr der Mensch, sondern das Geld.“

Im Bereich der Familie … werden große Neuerungen erwartet. Sie selbst haben über die Geschiedenen gesagt: Man sollte sie nicht verurteilen, sondern ihnen helfen.

„Das ist ein langer Weg, den die Kirche zurücklegen muss. Ein Prozess, den der Herr will… Die Familie macht eine sehr ernsthafte Krise durch. Es ist schwer, sie auch nur zu bilden. Die jungen Leute heiraten kaum. Es gibt viele getrennte Familien, deren Projekt eines gemeinsamen Lebens gescheitert ist. Die Kinder leiden sehr. Wir müssen eine Antwort geben. Aber darüber müssen wir tief nachdenken… Man muss vermeiden, an der Oberfläche zu bleiben…“

Das Fehlen einer Debatte hätte mich besorgt gemacht

Warum hat der Vortrag von Kardinal Kasper beim letzten Konsistorium unter den Kardinälen auch so viel Widerspruch hervorgerufen? Wie, glauben Sie, kann die Kirche in den nächsten zwei Jahren (bis zur Bischofssynode zum Thema Familie im Oktober 2015) den Weg so zurücklegen, dass sie zu einem breiten und guten Konsens kommt?

„Kardinal Kasper hat einen schönen und tiefgehenden Vortrag gehalten, der bald auf deutsch veröffentlicht wird, und fünf Punkte angesprochen, deren letzter die Wiederverheirateten waren. Ich wäre besorgt gewesen, wenn es im Konsistorium keine intensive Debatte gegeben hätte, das hätte nichts gebracht. Die Kardinäle wußten, dass sie sagen konnten, was sie wollten, und sie haben viele verschiedene Gesichtspunkte präsentiert, die bereichern. Der brüderliche und offene Austausch lässt das theologische und pastorale Denken wachsen. Davor habe ich keine Angst, im Gegenteil, das suche ich!“

In einer nicht allzu fernen Vergangenheit sprach man vor sogenannten „nicht verhandelbaren Werten“, vor allem in der Bioethik und der Sexualmoral. Sie haben diese Formel nicht mehr verwendet… Wollen Sie damit einen Stil anzeigen, der weniger auf Vorschriften setzt und mehr Respekt vor dem persönlichen Gewissen hat?

„Ich habe diesen Ausdruck von nicht verhandelbaren Werten nie verstanden. Werte sind Werte, Schluss. Ich kann doch auch nicht sagen, von den Fingern einer Hand wäre einer weniger nützlich als der andere. Darum verstehe ich nicht, in welchem Sinne es verhandelbare Werte geben könnte…“

Viele Länder treffen Regelungen zur bürgerlichen Eheschließung. Ist das ein Weg, den die Kirche verstehen kann? Und bis zu welchem Punkt?

„Die Ehe wird zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen. Die weltlichen Staaten wollen bürgerliche Ehen rechtfertigen, um bestimmte Situationen des Zusammenlebens zu regeln. Dabei treibt sie die Notwendigkeit, wirtschaftliche Aspekte unter den Menschen, z.B. die Krankenversicherung, zu regeln. Es geht um Pakte des Zusammenlebens unterschiedlicher Art… Man muss die einzelnen Fälle sehen und in ihrer Verschiedenheit beurteilen.“

Wie kann man die Rolle der Frau in der Kirche fördern?

„Auch hier hilft Spitzfindigkeit nicht weiter… Die Kirche hat den weiblichen Artikel: die. Sie ist von Anfang an weiblich. Der große Theologe Hans Urs von Balthasar hat viel über dieses Thema gearbeitet: Das marianische Prinzip leitet die Kirche, zusammen mit dem Petrusprinzip. Die Jungfrau Maria ist wichtiger als jedweder Bischof und jedweder Apostel. Die theologische Vertiefung ist im Gang…“

Paul VI. hatte den Mut, sich gegen die Mehrheit zu stellen

Kann die Kirche ein halbes Jahrhundert nach der (Enzyklika) Humanae Vitae von Paul VI. das Thema der Geburtenkontrolle noch einmal aufgreifen?

„Alles hängt davon ab, wie man Humanae Vitae interpretiert. Paul VI. selbst riet am Schluss den Beichtvätern, viel Erbarmen und Aufmerksamkeit für die konkreten Lebenslagen walten zu lassen. Aber seine Genialität war prophetisch, er hatte den Mut, sich gegen die Mehrheit zu stellen, die moralische Disziplin zu verteidigen, eine kulturelle Bremse zu ziehen… Die Frage ist nicht, ob man die Lehre ändert, sondern, ob man in die Tiefe geht und dafür sorgt, dass die Pastoral die einzelnen Lebenslagen und das, wozu die Menschen jeweils imstande sind, berücksichtigt. Auch darüber wird auf dem Weg der Synode gesprochen werden.“

Hat es einen Sinn, Leben in vegetativem Zustand künstlich zu verlängern? Kann das biologische Testament eine Lösung sein?

„Ich bin kein Experte in bioethischen Fragen. Und ich fürchte, jeder Satz von mir könnte da missverstanden werden. Die traditionelle Lehre der Kirche sagt, dass keiner verpflichtet ist, außerordentliche Mittel zu gebrauchen, wenn man weiß, dass das eine terminale Phase ist. In meiner Pastoral habe ich in diesen Fällen immer Palliativbehandlung empfohlen. In spezifischeren Fällen sollte man, wenn nötig, den Rat der Spezialisten einholen.“

Wird Ihre bevorstehende Reise ins Heilige Land zu einem Abkommen über Kommunion-Gemeinschaft mit den Orthodoxen führen…?

„Wir sind alle ungeduldig, fertige Resultate zu erreichen. Aber der Weg der Einheit mit den Orthodoxen bedeutet vor allem: zusammen gehen und arbeiten… Die orthodoxe Theologie ist ausgesprochen reich, und ich glaube, sie haben in diesem Moment große Theologen. Ihr Bild von Kirche und Synodalität ist fantastisch.“

In ein paar Jahren wird China die größte Supermacht sein, und der Vatikan hat keine Beziehungen zu China…

„Wir sind China nahe. Ich habe dem Präsidenten Xi Jinping einen Brief geschrieben, als er gewählt wurde, drei Tage nach mir. Und er hat mir geantwortet. Es gibt einige Beziehungen. Es ist ein großes Volk, das ich liebe.“

Heiliger Vater, warum reden Sie nie von Europa?

„Erinnern Sie sich an den Tag, als ich von Asien gesprochen habe? Was habe ich denn gesagt? … Ich habe gar nicht von Asien gesprochen bisher, und auch nicht von Afrika, und eben auch nicht von Europa. Nur von Lateinamerika, als ich in Brasilien war und als ich die Kommission für Lateinamerika empfangen habe. Es gab einfach noch keine Gelegenheit, um von Europa zu reden. Das wird schon noch kommen.“

Waren Sie schon mal verliebt?

„… Als ich im Seminar war, hat mir ein Mädchen eine Woche lang den Kopf verdreht.“

Und wie ging die Sache aus…?

„Das waren Jugend-Angelegenheiten. Darüber habe ich mit meinem Beichtvater gesprochen.“ (Breites Lächeln).  (rv)

Vaticanhistory: Neue Seite „Variable Tabelle“

VH-LogoVH bietet eine neue Seite, mit der der Benutzer eine Tabelle nach eigenem Wunsch erstellen kann. Es stehen hierfür 21 verschiedene Tabellenspalten, 16 Sortiermöglichkeiten sowie drei Auswahlkriterien und eine Sortierreihenfolge (aufsteigend / absteigend) zur Verfügung.
Für den Benutzer steht somit eine hohe Anzahl von Variationsmöglichkeiten innerhalb der Tabelle bereit. Ein Vergrößern oder Verkleinern der Wunschtabelle ist problemlos möglich. Die angezeigten Daten beziehen sich auf das derzeitige Kardinalskollegium. Durch die Auswahlkriterien ist es möglich, sich nur die wahlberechtigten Kardinäle, die nichtwahlberechtigten Kardinäle oder das gesamte Kardinalskollegium anzeigen zu lassen. Die Tabelle finden sie unter : „Kardinäle – Varibale Tabelle“.(vh)
Zur Seite: >>>Variable Tabelle

Vietnam: Jean-Baptiste Kardinal Pham Minh Man feiert 80. Geburtstag

Kardinal Pham Minh ManDer aus Vietnam stammende Kardinal Pham Minh Man begeht heute seinen 80. Geburtstag. Er wurde 2003 durch Papst Johannes Paul II. in den Kardinalsstand erhoben und hat den Titel von „San Giustino“ inne. Mit seinem Geburtstag scheidet er als Mitglied der Kongregationen für die Evangelisierung der Völker und die Sakramentenordnung aus. Ebenso gehört er nicht mehr zum Päpstlichen Rat für die Pastorale im Krankendienst. Durch seinen Geburtstag hat das Kardinalskollegium noch 121 wahlberechtigte und 97 nichtwahlberechtigte Purpurträger für eine künftige Papstwahl. (vh)
 

Fachmann: „Kompetenzen des Wirtschaftssekretariates noch zu klären“

Vatikan WappenDie Aufgaben des neuen vatikanischen Wirtschaftssekretariates sind nach Einschätzung eines deutschen Finanzexperten noch nicht ganz klar. Papst Franziskus hatte die neue Verwaltungseinheit vergangene Woche ins Leben gerufen. Ist sie eine Art Finanzministerium, eine Zentralbank, ein Rechnungshof? Die beiden diesbezüglichen Vatikan-Verlautbarungen widersprechen einander bezüglich der Aufgaben, sagte im Gespräch mit uns der in Aachen lehrende Politologe und Fachmann für Finanzverwaltung Ralph Rotte.

„Eigentlich würde man von der Konzeption her erwarten, dass es ein Finanzministerium ist. Wenn Sie sich die Presseerklärung ansehen, mit der das Motu proprio angekündigt wurde, dann sieht man, dass da die Kompetenz für die Haushaltslegung drin sein sollte, es sollte Bilanzierung drin sein, die Kompetenz für Personalwesen und Beschaffung, also klassische finanzministerielle Aufgaben. Wenn Sie sich dann aber das Motu proprio ansehen, sieht man, dass es doch eher so eine Art Rechnungshof ist, weil das Wirtschaftssekretariat – auch das Sekretariat – mehr oder weniger nur Überwachungsfunktion haben und keine direkte Kompetenz. Es steht drin, dass alle bestehenden Einrichtungen in ihren Kompetenzen respektiert werden. Das heißt, Durchgriffsmöglichkeiten im Sinn eines echten Finanzministeriums gibt es nicht. So wie es im Augenblick aussieht, ist es eine Institution mehr, die vielleicht nicht unbedingt dazu beiträgt, das päpstliche Finanzwesen stromlinienförmiger zu organisieren.“

Um zu verstehen, wie weitreichend die Kompetenzen des neuen vatikanischen Organs wirklich sind, muss nach Ralph Rotte das Statut abgewartet werden. Doch selbst wenn das neue Wirtschaftssekretariat die weitreichenden Befugnisse eines Finanzministeriums erhalten sollte, ist nach Einschätzung des Fachmanns die Strukturreform für finanzielle Angelegenheiten des Heiligen Stuhles und des Vatikans noch nicht abgeschlossen.

„Wenn man den zentralen Schritt geht und sagt, wir machen mit diesem Wirtschaftsrat und dem Wirtschaftssekretariat eine Art Finanzministerium auf, stellt sich immer noch die Frage, was mit den Dutzenden anderen [vatikanischen] Institutionen geschehen soll, die mit Geld, Vermögen und Finanzen zu tun haben. Wir haben dann immer noch den Päpstlichen Rat für die Wirtschaftsfragen, wir haben die Präfektur für Wirtschaftliche Angelegenheit, die päpstlichen Kommissionen für die allgemeinen Organisationsfragen, wir haben die – aus Vermögenssicht relativ wichtigen – Kongregationen bzw. die Güterverwaltung APSA, wir haben immer noch das IOR, die Finanzaufsicht durch das AIF, wir haben – neu – einen Rechnungsprüfer, dann haben wir noch alle Institutionen des Vatikanstaates dazu, das heißt also, es ist alles sehr unübersichtlich und man würde sich wünschen, dass aus diesem Wirtschafsrat ein echtes Finanzministerium wird, was gleichzeitig bedeuten würde, dass einige andere dieser Institutionen entweder abgeschafft werden – wer braucht dann noch die Präfektur für wirtschaftliche Angelegenheiten – oder letztlich ihr Vermögen, ihre Kompetenzen an dieses Wirtschaftsministerium angegliedert werden. Aber das bedeutet einen großen Schritt, weil man sich in einer so alten etablierten Struktur schwer tut, Institutionen, Organisationsteile abzuschaffen.“

Andererseits hat Papst Franziskus im ersten Jahr seines Pontifikates gerade mit Blick auf die Finanzarchitekturen im Vatikan einiges in die Wege geleitet. Ein Reformwille ist klar erkennbar. Halten Sie es für denkbar, dass Franziskus Tabula Rasa macht und ganz klare und schlanke Strukturen schafft?

„Einerseits gibt es sich der große Fortschritte und Zeichen, dass man die Probleme erkannt hat und sie beseitigen will. Es gibt ja auch große Fortschritte in Bezug auf die Transparenz. Man hat immer das generelle Problem, dass es beim Heiligen Stuhl an Personal mangelt, sowohl quantitativ, in diesem Bereich wohl auch qualitativ. Man hat immer das Problem, dass bestehende Strukturen reformresistent sind, das ist das allgemeine Erscheinungsbild einer Hierarchie, einer Bürokratie. Deshalb ist es wohl relativ schwierig. Ich glaube schon, dass Papst Franziskus das Problem erkannt hat und effizientere Strukturen einführen könnte.“ (rv)

Müller und Gänswein mahnen gerechten Umgang mit Limburger Bischof an

Kardinal MüllerDer Umgang in der Öffentlichkeit mit der Causa Limburg war in den vergangenen Monaten nicht immer glücklich. Im Vatikan haben zwei einflussreiche deutsche Kirchenmänner dazu gemahnt, der Person des Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst– ungeachtet eventuellen Fehlverhaltens – Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: Erzbischof Georg Gänswein und Kardinal Gerhard Ludwig Müller stellten sich dem Mikrofon der ARD; die Interviews entstanden wenige Tage vor der Übergabe des Limburger Prüfberichts im Vatikan. Der Präfekt der Glaubenskongregation Kardinal Müller sagte:

„Erstens ist ihm [Bischof Tebartz-van Elst] nichts an Verfehlungen nachzuweisen, was das Bischofsamt unmöglich machen würde, und auch wenn es dann vorkäme – erst muss noch über die Faktenfrage gesprochen werden – kann man mit einem solchen Menschen auch nicht so umgehen, dass er von Reportern gejagt wird, wo immer er sich aufhält.“

Erzbischof Georg Gänswein, der Sekretär des emeritieren Papstes Benedikt XVI. und Präfekt des päpstlichen Haushaltes, sekundiert Kardinal Müller. Wenn viele der Medienberichte über Limburg …

„… In Bezug auf die Person, auf das was [Bischof Tebartz] getan hat, Realität wären, müsste man sagen, er ist ein Unmensch. In jeder Hinsicht. Aber da ist die virtuelle Realität von der konkreten Realität doch sehr unterschiedlich. Ich möchte auch gar keine Presseschelte anstellen, aber es ist so, dass ihm gegenüber in vielen Punkten einfach Unrecht geschehen ist. Das ist nicht zu akzeptieren, da muss man auch den Mut haben sich dem entgegenzustellen und zu sagen: Das hat dieser Mann nicht verdient.“

Eine Entscheidung für die Zukunft der Bistumsleitung in Limburg wird in den kommenden Tagen erwartet. Viele – nicht alle – Katholiken der Diözese beklagen über die Frage des Umgangs mit Geldern hinaus ein unangenehmes Klima des Misstrauens, das sich in den vergangenen Jahren aufgebaut habe. Im Bistum führt provisorisch der Generalvikar Wolfgang Rösch die Geschäfte. Papst Franziskus hatte Röschs noch von Bischof Tebartz-van Elst vorgenommene Ernennung um mehrere Monate vorgezogen und gleichzeitig dem Bischof eine Auszeit von der Diözese gewährt.
(rv)

Kardinalskommission für IOR wählt neuen Präsidenten

Santos Abril y CastelloDie Kardinalskommission für das vatikanische Finanzinstitut IOR hat einen neuen Präsidenten: Die Mitglieder wählten den Erzpriester der Basilika Santa Maria Maggiore in Rom, den spanischen Kardinal Santos Abril y Castelló, zum Leiter. Gemäß den Statuten für die Kommission ernennt der Papst ihre Mitglieder für die Dauer von fünf Jahren, einen Präsidenten gibt sich die Kommission dann selbst. Sie soll mindestens zwei mal im Jahr tagen und die Geschäftspolitik des IOR beraten, außerdem ernennt sie die Mitglieder des Aufsichtsrates. Mitglieder neben Abril y Castelló sind Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, Kardinal Christoph Schönborn, Kardinal Jean-Louis Tauran und der Bischof von Toronto, Kardinal Christopher Collins. Papst Franziskus hatte im Januar dieses Jahres die Ernennungen ausgesprochen. (rv)