Benedikt schreibt, ein „Pilger auf dem Heimweg“ zu sein

VATIKANSTADT – In einem neuen Brief schreibt Papst emeritus Benedikt XVI., er sei in der letzten Phase seines Lebens, und wenn auch seine körperlichen Kräfte schwinden, sei er von einer „Liebe und Güte“ umfangen, die er sich nie hätte vorstellen können.

„Ich kann nur sagen, dass ich am Ende eines langsamen Niedergangs der körperlichen Kräfte innerlich ein Pilger auf dem Heimweg bin“, so Benedikt in dem am 7. Februar in der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“ veröffentlichten Brief.

„Es ist eine große Gnade für mich, auf dieser letzten Wegstrecke, die manchmal etwas ermüdend ist, von einer Liebe und Güte umgeben zu sein, die ich mir nie hätte vorstellen können.“

Benedikts Brief ist an den italienischen Journalisten Massimo Franco von „Corriere della Sera“ gerichtet. Dieser hatte dem emeritierten Papst – fünf Jahre nach Benedikts Rücktritt – Briefe übermittelt, darunter vor allem Nachfragen nach seinem Wohlbefinden.

Benedikt löste einen weltweiten Schock aus, als er am 11. Februar 2013 seinen Rücktritt verkündete und erklärte, dass der Stuhl Petri ab 20.00 Uhr unbesetzt sei. Ein Konklave wurde berufen, und am 13. März 2013 wurde Jorge Mario Bergoglio zum Bischof von Rom gewählt – und nahm den Namen Franziskus an.

In seinem Brief, der am heutigen 7. Februar auf der Titelseite von „Corriere della Sera“ veröffentlicht wurde, sagt Benedikt, er sei gerührt, dass so viele Leser der Zeitung „wissen wollen, wie ich diese letzte Zeit meines Lebens verbracht habe“.

Er schreibt darin, dass er die Fragen und Sorgen der Leser als Teil der Zuneigung zu schätzen weiß, die er erfahren durfte. Er nehme sie als „Begleitung“ in der letzten Phase seines Lebens wahr.

„Deswegen“, sagte er, „kann ich nicht anders, als dankbar zu sein, und versichere euch alle meines Gebets. Freundliche Grüße.“ (CNA Deutsch)

Kinderschutzkommission: Briefe von Opfern beantworten

Die Päpstliche Kinderschutzkommission will auch fortan die Mitarbeit und Beratung von Missbrauchsopfern in Anspruch nehmen. Das geht aus einer Erklärung der Kommission zu ihrer achten Plenarsitzung hervor, die am Wochenende in Rom zu Ende ging. Nach dem Austritt der irischen Missbrauchsüberlebenden Marie Collins aus der Kommission wolle man nun „neue Wege suchen“, um den Beitrag von Missbrauchsopfern für die Präventionsarbeit zu garantieren, heißt es in der Erklärung, die der Vatikan an diesem Montag veröffentlichte. Verschiedene Ansätze hierzu würden derzeit geprüft, um im Anschluss dem Papst vorgelegt zu werden.

Ausdrücklich sprach sich die Kommission auf ihrer Sitzung für einen engen Kontakt des Heiligen Stuhles zu Missbrauchsopfern aus: An den Vatikan gerichtete Briefe von Missbrauchsüberlebenden sollten „zeitnah“ und „persönlich“ beantwortet werden, hält die Kommission fest. Dies könne zu „weiterer Transparenz und Heilung“ beitragen, schreibt das Gremium, das sich mit einer entsprechenden Empfehlung bereits an die Glaubenskongregation gewandt hatte. Man sei sich darüber im Klaren, dass diese „besondere Aufgabe“ „klare und spezifische Ressourcen und Prozeduren“ erfordere, führt die Kommission weiter aus, die laut eigener Angaben entsprechende Vorschläge dem Papst unterbreiten will.

Mit Blick auf die Beantwortung von Briefen von Missbrauchsopfern hatte der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation auf die Aufgaben der Ortsbischöfe verwiesen: „Dieser Akt der pastoralen Sorge ist eine Aufgabe der Bischöfe in ihren jeweiligen Teilkirchen und der Generaloberen der religiösen Institute. (…) Der persönliche Kontakt mit den Opfern sollte besser von den Ortsbischöfen unterhalten werden. (…) Es ist ein Missverständnis, dass dieses Dikasterium in Rom sich um alle Diözesen und religiösen Orden der Welt kümmern kann.“ Das sagte Kardinal Gerhard Ludwig Müller Anfang März in einem Interview mit der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“.

Müller reagierte mit dem Interview auf Vorwürfe von Marie Collins. Die Irin, die ihre Mitarbeit in der Päpstlichen Kinderschutzkommission aus Frustration über „mangelnde Kooperationsbereitschaft“ an der römischen Kurie beendet hatte, hatte mehreren Behörden im Vatikan gerliches Handeln und mangelndes Interesse an der Arbeit der Missbrauchskommission vorgeworfen. (rv)

Papst fordert Prophetie statt fauler Früchte — und erklärt, warum er nachts gut schläft

VATIKANSTADT – Kindesmissbrauch ist ein „Werk des Teufels“, manche Orden mit vielen Berufungen sind ihm suspekt — und trotz der Korruption im Vatikan kann er nachts mit Hilfe des Heiligen Josefs gut schlafen: Dies und einiges mehr sagte Papst Franziskus in einem dreistündigen Gespräch mit 140 männlichen Ordensoberen aus aller Welt.

Eigentlich fand das Treffen hinter verschlossenen Türen statt. Doch einer schrieb offenbar fleißig mit: Jesuitenpater Antonio Spadaro. Er gilt als enger Vertrauter des Papstes. Im „Corriere della Sera“ kann man nun nachlesen, was der Papst bei dem Treffen am vergangenen 25. November zu sagen hatte.

„Ein Werk des Teufels“

Sowohl sexueller als auch finanzieller Missbrauch sei nicht zu dulden, betonte der Papst auf die Frage, wie beide am besten zu verhindern seien. Er unterstrich die Notwendigkeit der Armut für Ordensleute, aber auch transparenter, ethisch verantwortlicher Finanzarbeit von Banken. Was sexuellen Missbrauch betreffe: „Wenn ein Priester oder Ordensleute beteiligt sind, ist es klar dass der Teufel am Werk ist, der die Arbeit Jesu ruiniert durch jene, die ihn verkünden.“ Der sexuelle Missbrauch sei eine Krankheit. Das müsse verstanden werden. Und wenn jemand in einem anderen Seminar oder Institut nicht aufgenommen worden sei, dann müsse man seine Herkunft genau und detailliert prüfen, so Franziskus.

Faule Früchte?

Der Niedergang an Berufungen beunruhige ihn, räumte der Papst ein. Gleichzeitig warnte er vor „restorativen“ Kongregationen, die „nur Rigidität“ anbieten würden: „Wenn ich höre, dass eine Kongregation viele Berufungen anzieht, dann muss ich zugeben, dass mich das besorgt“, so Franziskus wörtlich. Wie die faulen Früchte von den guten zu unterscheiden seien? Über den demütigen Pfad Jesu, durch das Zeugnis des Evangeliums.

Franziskus betonte in einer weiteren Antwort, dass darum gehe, die Frohe Botschaft ohne Beruhigungsmittel zu verkünden. Hier spielten die Orden eine wichtige Rolle: Sie müssten „radikal in ihrer Prophezeiung“ sein, so der Pontifex. „Das ist mir extrem wichtig“. Es gehe darum, die Weltlichkeit als Gemeinschaft wie als Mensch zu überwinden, abzulegen. Nur so gehe es vorwärts. Dabei sei Abtötung, Fasten und Askese eine wichtige Hilfe, unterstrich Franziskus.

Eine ruhige Nacht dank des Heiligen Josef

Natürlich: „Es gibt Korruption im Vatikan“, stellte Franziskus nüchtern fest. Trotz dieser und anderer Sorgen schlafe er jedoch sehr gut, erklärte der Papst.

„Wenn es ein Problem gibt, schreibe ich es dem heiligen Josef auf einen Zettel und lege es unter ein Statue, die ich in meinem Zimmer habe. Es ist ein Figur des schlafenden Josef. Und nun schläft er auf einer Matratze aus Zetteln!“ (CNA Deutsch)

Heiliges Jahr: Was passiert wann?

Heiliges Jahr 2015/16Die Stadt Rom ist auf das Heilige Jahr noch nicht vorbereitet. Das gab Bürgermeister Ignazio Marino in einem Interview mit der Zeitung Corriere della Sera zu. Er verwies auf die schwierige wirtschaftliche Lage der Stadt und darauf, dass es gelte, ein Großereignis in Zeiten des internationalen Terrors zu organisieren. Das könne die Stadt alleine nicht schaffen, dazu brauche es die Unterstützung der Regierung. Derzeit wird in Italien über einen Sonderbeauftragten des Staates gesprochen, bei dem alle Vorbereitungen zusammen laufen sollen.

Der Vatikan hingegen ist mit seinen Vorbereitungen schon weit gekommen. Wenn am 20. November 2016 die Heilige Pforte des Petersdoms zum Abschluss des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit wieder geschlossen wird, wird ein ereignisreiches Jahr hinter der Kirche liegen. Die Planungen laufen auf Hochtouren, nun hat der Päpstliche Rat für die Neuevangelisierung, der für die Durchführung verantwortlich ist, einen detaillierten Plan für die Veranstaltungen und Gottesdienste vorgelegt.

Offiziell eröffnet wird das Jahr am 8. Dezember 2015 mit dem Öffnen der Heiligen Pforte am Petersdom, gefolgt von der Öffnung der Heiligen Pforte an der Bischofskirche des Papstes, Sankt Johannes im Lateran, am 13. Dezember. An diesem Tag sind auch alle Bistümer weltweit eingeladen, in ihren Kathedralen solche heiligen Pforten aufzustellen und zu öffnen.

Das ganze Jahr über wird es immer wieder Tage geben, einzelnen Gruppen gewidmet sind. Den Anfang machen die Wallfahrtsseelsorger und die Mitarbeiter an den Wallfahrtsorten, die während des Heiligen Jahres einiges zu tun bekommen. Sie werden am 21. Januar in Rom gemeinsam mit dem Papst die Barmherzigkeit feiern. Es folgen die Ordensleute im Februar, dann später im Jahr die Jugendlichen, Priester, Diakone, die Kranken und Behinderten und zuletzt die Gefangenen, um nur einige zu nennen.

Eine der Initiativen des Papstes zu diesem Heiligen Jahr ist die Aussendung der „Missionare der Barmherzigkeit“ in die Weltkirche, das wird am Aschermittwoch, also dem 10. Februar 2016, geschehen. Immer wieder wird der Papst selber auch Zeichen und Gesten zum Jubiläumsjahr setzen, wie der Terminplan angibt. Die Bischöfe und Ortskirchen sind dann eingeladen, sich diesen Gesten, Besuchen oder Treffen anzuschließen und vor Ort Ähnliches zu tun. Genauere Angaben dazu gibt es noch nicht.

Es gibt weiterhin Initiativen, die bereits vor der Einberufung des Jahres geplant waren und die nun in den Ablauf integriert werden, die größte dürfte der Weltjugendtag in Krakau sein. Aber auch die „24 Stunden für den Herrn“, eine jährlich stattfindende Bußfeier im Petersdom, bei der der Papst selber Beichte hört, ist dabei.

Die genauen Daten können Sie der Webseite des Päpstlichen Rates für die Neuevangelisierung entnehmen. (rv)

Die Presse zu den Friedensgebeten von Rom

Corriere della SeraIn der italienischen Presse wird der Begegnung im Vatikan viel Platz eingeräumt. Sie zeichnet das Gebetstreffen als „historische Begegnung“. Der „Corriere della sera“ titelt: „Mut des Friedens – Papst drängt Peres und Abu Mazen zur Umarmung“. Das Blatt berichtet aber auch, dass sich die Geister der jüdischen Gemeinschaft Italiens an der Initiative scheiden. So war der Kopf der römischen jüdischen Gemeinschaft, der Rabbiner Riccardo Di Segni, dem Gebetstreffen fern geblieben. Er hatte zuvor kritisiert, warum ein „Laie“ wie Israels Präsident Peres an der Begegnung teilnehme; das Treffen habe doch explizit religiösen Charakter, Peres sei hingegen kaum religiös, kritisiert Di Segni. Die nationale Union der jüdischen Gemeinschaften in Italien sah über solche Details hinweg: Ihr Kopf Renzo Gattegna habe dem Papst nach der Begegnung ihre tiefe Dankbarkeit zum Ausdruck gebracht, schreibt der Corriere. Dem Vernehmen nach hat der Papst jüdischen Teilnehmern am Gebetstreffen gegenüber angekündigt, er werde bald die Synagoge in Rom besuchen.

Ernüchternd ist das Urteil der wichtigsten Zeitungen in Jerusalem über die Begegnung im Vatikan. Die „Jerusalem Post“ unterstreicht den sehr „formalen“ Charakter der Begegnung im Vatikan. Es sei das erste Mal seit über einem Jahr gewesen, dass sich Mahmud Abbas und Shimon Peres öffentlich getroffen hätten. Der Vatikan habe im Vorfeld versucht, zu hohe Erwartungen zu dämpfen – und in der Tat habe es keinen Durchbruch in Rom gegeben, so die „Jerusalem Post“: Die beiden Präsidenten hätten zwar „versöhnliche“ Worte gefunden, Signale eines möglichen Kompromisses im Konflikt habe es allerdings nicht gegeben, urteilt die Zeitung.

„Ein leeres Gebet für Frieden im Vatikan“ – so umschreibt die israelische Zeitung „Ha`aretz“ die Begegnung der beiden Präsidenten im Vatikan. Beide hätten wohl „einen Tag Pause mit Franziskus“ begrüßt, von der Begegnung selbst aber nicht viel mitgenommen, urteilt das Blatt, das in seiner Online-Ausgabe einen Video-Zusammenschnitt der Begegnung bringt.

Die Korrespondentin der US-Zeitung „New York Times“ beschreibt das Gebetstreffen im Vatikan als „reichlich symbolische Zeremonie“ und klopft die Reden der beiden Präsidenten auf mögliche Provokationen ab. Der Artikel erschien an diesem Montag auf der Internetseite der Zeitung.

An erster Stelle hebt das Blatt die Hoffnung des Papstes hervor, die Begegnung möge der Beginn einer „neuen Reise“ sein, auf der Trennungen überwunden und Einheit hergestellt werden könne. Ob die allgemein begrüßte Vermittlungsgeste des Papstes tatsächlich den blockierten Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern wiederbeleben könne, darüber hätten viele Nahost-Experten Skepsis geäußert, referiert die Zeitung. Immerhin habe Franziskus es geschafft, die beiden physisch zusammenzubringen, und nach der Zeremonie mit dem Papst habe es ein privates Treffen beider Politiker gegeben.

In ihren Ansprachen hätten Peres und Abbas die bekannten politischen Phrasen zwar vermieden – so hätten sie die Grenzen von 1967 und auch Sicherheitsfragen nicht erwähnt. Der Palästinenserpräsident habe beispielsweise die Begriffe „Besetzung“ und „Israel“ vermieden (die Zeitung bezieht sich hier auf die englischen Übersetzungen der Reden), Israels Präsident habe etwa den Raketenbeschuss seines Landes vom Gaza-Streifen aus nicht erwähnt. Allerdings habe es einige „subtile Provokationen“ gegeben, schreibt die „New York Times“ weiter. So habe Abbas Jerusalem, das von beiden Seiten als ihre Hauptstadt betrachtet wird, „unsere Heilige Stadt“ genannt und sich auf das „Heilige Land Palästina“ bezogen. Peres habe Jerusalem zwar als „pulsierendes Herz des jüdischen Volkes“ bezeichnet, doch auch als „Wiege der drei monotheistischen Religionen“.

Die Begegnung finde in einer „angespannten politischen Lage“ statt, schreibt die Zeitung weiter. Erwähnt wird hier der Pakt der neuen palästinensischen Regierung mit der militanten Hamas-Bewegung sowie die Vereidigung vor knapp einer Woche. Unerwähnt bleibt in der Zeitung die jüngste Genehmigung neuer Siedlungen durch Israel im Westjordanland als Reaktion auf den Schritt. Israels Kabinett habe Peres‘ Vatikanreise zwar genehmigt, den Schritt aber angesichts der politischen Lage mit einer gewissen Sorge beäugt, referiert die „New York Times“ weiter. „Der Papst kann keine politische Übereinkunft unterzeichnen, aber er ist ein Symbol und kann Völker und Politiker zum Nachdenken bringen“, wird am Ende des Artikels ein argentinischer Pilger in Rom zitiert. (rv)

Interview mit Franziskus: In Idealisierung versteckt sich auch Aggression

Corriere della Sera„Ich erzähle euch von meinem ersten Jahr als Papst“: Unter dieser Überschrift ist an diesem Mittwoch im „Corriere della Sera“ ein langes Interview mit Papst Franziskus erschienen. Hier einige Auszüge daraus in unserer eigenen Übersetzung.

Heiliger Vater, Sie telefonieren manchmal mit Leuten, die Sie um Hilfe bitten…

„Ja, als Priester in Buenos Aires war das einfacher für mich. Die Gewohnheit ist mir geblieben. Ein Dienst. Das fühle ich in mir. Natürlich ist das jetzt nicht mehr so leicht, weil mir jetzt so viele Leute schreiben.“

Begegnungen mit dem Papst

Gab es auch mal einen Kontakt, eine Begegnung, an die Sie besonders gerne denken?

„Eine Witwe von achtzig Jahren, die ihren Sohn verloren hatte. Sie schrieb mir. Und jetzt rufe ich sie einmal im Monat an. Sie ist glücklich. Ich mache den Pfarrer. Das gefällt mir.“

Wie sind Ihre Beziehungen zu Ihrem Vorgänger? Haben Sie ihn schon mal um Rat gefragt?

„Ja. Der emeritierte Papst ist keine Statue in einem Museum. Er ist eine Institution. Wir waren das nicht gewöhnt. Vor sechzig oder siebzig Jahren gab es keinen emeritierten Bischof. Das kam nach dem Konzil. Heute ist das eine Institution. Dasselbe muss mit dem emeritierten Papst geschehen. Benedikt ist der erste, und vielleicht wird es noch weitere geben. Das wissen wir nicht. Er ist diskret, demütig, will nicht stören. Wir haben darüber geredet und zusammen entschieden, dass es besser ist, wenn er Leute sieht, herausgeht und am Leben der Kirche teilnimmt… Seine Weisheit ist ein Geschenk Gottes…“

Ist der Papst ein einsamer Mensch?

„Ja und nein. Ich verstehe, was Sie sagen wollen. Der Papst ist bei seiner Arbeit nicht allein, weil viele ihn begleiten und beraten. Er wäre allein, wenn er entscheiden würde, ohne andere anzuhören… Aber es gibt einen Moment, wenn es um die Entscheidung geht, … dann ist er allein mit seinem Sinn für Verantwortung.“

Sie haben Neuerungen eingeführt, … die Kurie in Bewegung versetzt… Hat sich die Kirche schon so verändert, wie Sie das vor einem Jahr gewünscht haben?

„Ich hatte im letzten März keinerlei Projekt für eine Änderung der Kirche. Sagen wir so: Ich habe nicht mit diesem Übergang von einem Bistum ins andere gerechnet. Als ich anfing zu regieren, versuchte ich, das in die Praxis umzusetzen, was in der Debatte der Kardinäle bei den verschiedenen Kongregationen (vor dem Konklave) aufgetaucht war. In meinem Handeln warte ich darauf, dass mir der Herr die Inspiration gibt…“

Zärtlichkeit und Barmherzigkeit sind die Essenz Ihrer spirituellen Botschaft…

„Das kommt aus dem Evangelium. Das ist das Zentrum des Evangeliums…“

In jeder Idealisierung versteckt sich auch eine Aggression

Aber ist diese Botschaft verstanden worden? Sie haben gesagt, dass dieser Franziskus-Hype nicht lange dauern wird. Gibt es etwas an Ihrem Bild in der Öffentlichkeit, das Ihnen nicht gefällt?

„Ich bin gern unter Leuten, zusammen mit Leidenden, gehe gerne in Pfarreien. Mir gefallen die ideologischen Interpretationen nicht, ein gewisser Papst-Franziskus-Mythos. Wenn man zum Beispiel sagt, er gehe nachts aus dem Vatikan, um den Obdachlosen in der Via Ottaviano zu essen zu bringen. Das ist mir nie in den Sinn gekommen. Sigmund Freud sagte einmal, wenn ich mich nicht täusche: In jeder Idealisierung versteckt sich auch eine Aggression. Den Papst als eine Art Superman zu zeichnen, eine Art Star, scheint mir beleidigend. Der Papst ist ein Mensch, der lacht, weint, ruhig schläft und Freunde hat wie alle. Ein normaler Mensch.“

Haben Sie Sehnsucht nach Argentinien?

„Die Wahrheit ist, dass ich keine Sehnsucht habe. Ich würde gerne meine Schwester besuchen, weil sie krank ist, die Letzte von uns fünfen. Ich würde sie gerne sehen, aber das rechtfertigt nicht eine Reise nach Argentinien: Ich rufe sie an, das reicht. Ich plane nicht, vor 2016 dorthinzufahren, denn ich war schon in Lateinamerika, in Rio. Jetzt muss ich ins Heilige Land reisen, nach Asien und dann nach Afrika.“

Haben Ihnen diese Vorwürfe des Marxismus, vor allem aus Amerika, nach der Veröffentlichung von Evangelii Gaudium missfallen?

„Überhaupt nicht. Ich habe die marxistische Ideologie nie geteilt, weil sie nicht wahr ist, aber ich habe viele tapfere Leute kennengelernt, die sich zum Marxismus bekannt haben.“

Missbrauchsfälle und Armut

Die Skandale, die das Leben der Kirche getrübt haben, liegen zum Glück hinter uns…

„Ich will dazu zwei Dinge sagen. Die Missbrauchsfälle sind furchtbar, weil sie tiefe Wunden hinterlassen. Benedikt XVI. war sehr mutig und hat einen Weg geöffnet. Die Kirche hat auf diesem Weg viel getan. Vielleicht mehr als alle anderen. Die Statistiken zum Phänomen der Gewalt gegen Kinder sind beeindruckend, aber sie zeigen auch klar, dass die große Mehrheit der Missbräuche im Familien- und Nachbarschaftsumfeld geschehen. Die katholische Kirche ist vielleicht die einzige öffentliche Institution, die sich mit Transparenz und Verantwortung bewegt hat. Kein anderer hat mehr getan. Und doch ist die Kirche die einzige, die angegriffen wird.“

Sie nennen die Globalisierung, vor allem im Finanzbereich, eines der Übel, die die Menschheit angreifen. Aber die Globalisierung hat doch auch Millionen Menschen aus dem Elend befreit…

„Das stimmt, die Globalisierung hat viele Menschen aus der Armut gerettet, aber auch viele andere zum Hungertod verurteilt, weil sie mit diesem Wirtschaftssystem selektiv wird… Die derzeitige wirtschaftliche und vor allem finanzielle Globalisierung führt zu einem Einheitsdenken, zu einem schwachen Denken. Im Zentrum steht nicht mehr der Mensch, sondern das Geld.“

Im Bereich der Familie … werden große Neuerungen erwartet. Sie selbst haben über die Geschiedenen gesagt: Man sollte sie nicht verurteilen, sondern ihnen helfen.

„Das ist ein langer Weg, den die Kirche zurücklegen muss. Ein Prozess, den der Herr will… Die Familie macht eine sehr ernsthafte Krise durch. Es ist schwer, sie auch nur zu bilden. Die jungen Leute heiraten kaum. Es gibt viele getrennte Familien, deren Projekt eines gemeinsamen Lebens gescheitert ist. Die Kinder leiden sehr. Wir müssen eine Antwort geben. Aber darüber müssen wir tief nachdenken… Man muss vermeiden, an der Oberfläche zu bleiben…“

Das Fehlen einer Debatte hätte mich besorgt gemacht

Warum hat der Vortrag von Kardinal Kasper beim letzten Konsistorium unter den Kardinälen auch so viel Widerspruch hervorgerufen? Wie, glauben Sie, kann die Kirche in den nächsten zwei Jahren (bis zur Bischofssynode zum Thema Familie im Oktober 2015) den Weg so zurücklegen, dass sie zu einem breiten und guten Konsens kommt?

„Kardinal Kasper hat einen schönen und tiefgehenden Vortrag gehalten, der bald auf deutsch veröffentlicht wird, und fünf Punkte angesprochen, deren letzter die Wiederverheirateten waren. Ich wäre besorgt gewesen, wenn es im Konsistorium keine intensive Debatte gegeben hätte, das hätte nichts gebracht. Die Kardinäle wußten, dass sie sagen konnten, was sie wollten, und sie haben viele verschiedene Gesichtspunkte präsentiert, die bereichern. Der brüderliche und offene Austausch lässt das theologische und pastorale Denken wachsen. Davor habe ich keine Angst, im Gegenteil, das suche ich!“

In einer nicht allzu fernen Vergangenheit sprach man vor sogenannten „nicht verhandelbaren Werten“, vor allem in der Bioethik und der Sexualmoral. Sie haben diese Formel nicht mehr verwendet… Wollen Sie damit einen Stil anzeigen, der weniger auf Vorschriften setzt und mehr Respekt vor dem persönlichen Gewissen hat?

„Ich habe diesen Ausdruck von nicht verhandelbaren Werten nie verstanden. Werte sind Werte, Schluss. Ich kann doch auch nicht sagen, von den Fingern einer Hand wäre einer weniger nützlich als der andere. Darum verstehe ich nicht, in welchem Sinne es verhandelbare Werte geben könnte…“

Viele Länder treffen Regelungen zur bürgerlichen Eheschließung. Ist das ein Weg, den die Kirche verstehen kann? Und bis zu welchem Punkt?

„Die Ehe wird zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen. Die weltlichen Staaten wollen bürgerliche Ehen rechtfertigen, um bestimmte Situationen des Zusammenlebens zu regeln. Dabei treibt sie die Notwendigkeit, wirtschaftliche Aspekte unter den Menschen, z.B. die Krankenversicherung, zu regeln. Es geht um Pakte des Zusammenlebens unterschiedlicher Art… Man muss die einzelnen Fälle sehen und in ihrer Verschiedenheit beurteilen.“

Wie kann man die Rolle der Frau in der Kirche fördern?

„Auch hier hilft Spitzfindigkeit nicht weiter… Die Kirche hat den weiblichen Artikel: die. Sie ist von Anfang an weiblich. Der große Theologe Hans Urs von Balthasar hat viel über dieses Thema gearbeitet: Das marianische Prinzip leitet die Kirche, zusammen mit dem Petrusprinzip. Die Jungfrau Maria ist wichtiger als jedweder Bischof und jedweder Apostel. Die theologische Vertiefung ist im Gang…“

Paul VI. hatte den Mut, sich gegen die Mehrheit zu stellen

Kann die Kirche ein halbes Jahrhundert nach der (Enzyklika) Humanae Vitae von Paul VI. das Thema der Geburtenkontrolle noch einmal aufgreifen?

„Alles hängt davon ab, wie man Humanae Vitae interpretiert. Paul VI. selbst riet am Schluss den Beichtvätern, viel Erbarmen und Aufmerksamkeit für die konkreten Lebenslagen walten zu lassen. Aber seine Genialität war prophetisch, er hatte den Mut, sich gegen die Mehrheit zu stellen, die moralische Disziplin zu verteidigen, eine kulturelle Bremse zu ziehen… Die Frage ist nicht, ob man die Lehre ändert, sondern, ob man in die Tiefe geht und dafür sorgt, dass die Pastoral die einzelnen Lebenslagen und das, wozu die Menschen jeweils imstande sind, berücksichtigt. Auch darüber wird auf dem Weg der Synode gesprochen werden.“

Hat es einen Sinn, Leben in vegetativem Zustand künstlich zu verlängern? Kann das biologische Testament eine Lösung sein?

„Ich bin kein Experte in bioethischen Fragen. Und ich fürchte, jeder Satz von mir könnte da missverstanden werden. Die traditionelle Lehre der Kirche sagt, dass keiner verpflichtet ist, außerordentliche Mittel zu gebrauchen, wenn man weiß, dass das eine terminale Phase ist. In meiner Pastoral habe ich in diesen Fällen immer Palliativbehandlung empfohlen. In spezifischeren Fällen sollte man, wenn nötig, den Rat der Spezialisten einholen.“

Wird Ihre bevorstehende Reise ins Heilige Land zu einem Abkommen über Kommunion-Gemeinschaft mit den Orthodoxen führen…?

„Wir sind alle ungeduldig, fertige Resultate zu erreichen. Aber der Weg der Einheit mit den Orthodoxen bedeutet vor allem: zusammen gehen und arbeiten… Die orthodoxe Theologie ist ausgesprochen reich, und ich glaube, sie haben in diesem Moment große Theologen. Ihr Bild von Kirche und Synodalität ist fantastisch.“

In ein paar Jahren wird China die größte Supermacht sein, und der Vatikan hat keine Beziehungen zu China…

„Wir sind China nahe. Ich habe dem Präsidenten Xi Jinping einen Brief geschrieben, als er gewählt wurde, drei Tage nach mir. Und er hat mir geantwortet. Es gibt einige Beziehungen. Es ist ein großes Volk, das ich liebe.“

Heiliger Vater, warum reden Sie nie von Europa?

„Erinnern Sie sich an den Tag, als ich von Asien gesprochen habe? Was habe ich denn gesagt? … Ich habe gar nicht von Asien gesprochen bisher, und auch nicht von Afrika, und eben auch nicht von Europa. Nur von Lateinamerika, als ich in Brasilien war und als ich die Kommission für Lateinamerika empfangen habe. Es gab einfach noch keine Gelegenheit, um von Europa zu reden. Das wird schon noch kommen.“

Waren Sie schon mal verliebt?

„… Als ich im Seminar war, hat mir ein Mädchen eine Woche lang den Kopf verdreht.“

Und wie ging die Sache aus…?

„Das waren Jugend-Angelegenheiten. Darüber habe ich mit meinem Beichtvater gesprochen.“ (Breites Lächeln).  (rv)