Lombardi: „China steht uns nahe“

In seinem wöchentlichen Editorial für Radio Vatikan geht Vatikansprecher P. Federico Lombardi auf den Brief von Kardinal Ivan Dias ein. Der Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker hatte diese Woche einen Brief an die Bischöfe und Priester in Kontinental-China gerichtet. Darin greift Kardinal Dias das zentrale Anliegen des Priesterjahres auf und richtet den Blick auf das Wesen der Nachfolge Christi und das Geschenk des priesterlichen Dienstes durch die Weihe, so Vatikansprecher Lombardi.
 „Wer an die Kirche in China denkt und dabei einzig die politischen Probleme oder die diplomatischen Beziehungen vor Augen hat, gerät in Gefahr, die dortige Kirche nicht zu verstehen. Kardinal Dias spricht als Seelsorger, er stellt das Zeugnis in den Mittelpunkt. Dieses Zeugnis müssen die Bischöfe und Priester vor allem als Männer Gottes und Diener für die Gemeinschaft ablegen."
In dem Brief gehe es auch um die Gemeinschaft mit dem Papst, die eine Garantie der Freiheit und der Verbundenheit zur Wahrheit sei, so Lombardi weiter.
„Sehr wahrscheinlich ist es den Gläubigen und den Priestern der Kirche in China sehr bewusst, was damit gemeint ist, im Lichte ihrer eigenen Erfahrung. Kardinal Dias spricht aber auch allgemein über die Verbindung zwischen den Mitgliedern der kirchlichen Gemeinschaft, indem er auch die Trennungen anspricht. Diese Trennungen sind die Folge der Sünde. Und diese Sünde ist – wie Papst Benedikt XVI. immer wieder betont – die größte Gefahr für die Kirche."
Dieser Aufruf richte sich deshalb nicht nur an die Bischöfe und Priester Chinas, sondern ganz allgemein an alle.
„Deshalb fühlen wir uns solidarisch mit den Katholiken in China. Dieser Weg soll auch unser Weg sein", fügt Lombardi an.
Hier einige Kernsätze des Brief von Kardinal Ivan Dias
„Im Geist schauen wir immer noch auf das Vorbild einer solch berühmten Gestalt wie den hl. Jean Marie Vianney, den Pfarrer von Ars, an den so oft im vergangenen Jahr des Priesters gedacht worden ist", betont Kardinal Dias. „Wir müssen zuallererst voller Demut zugeben, dass wir von Jesus berufen worden sind, nicht ‚Sklaven sondern Freunde zu sein’ (vgl. Joh 15,13) und dies nicht auf Grund unserer eigenen Verdienste, sondern allein durch Seine Gnade. Er hat uns die großartige Würde verliehen ‚Alter Christus' und Diener seines Wortes, seines Leibes und Blutes zu sein. (…)."
„Gerade weil der Priester ein ‚Alter Christus' – ja wahrlich ein ‚Ipse Christus' ist, muss er ein Mann Gottes und ein Mann für die anderen sein", betont Dias und erinnert alle Priester an den Wert der Ehrenhaftigkeit ihres Dienstes, der nicht zur persönlichen Bereicherung, zur Anhäufung von Pfründen missbraucht werden dürfe.
„Erlauben Sie mir, verehrte Mitbrüder, auch auf die wichtige Rolle des Bischofs oder Priesters als Mitgestalter der Einheit mit der Kirche hinzuweisen. Diese Aufgabe umfasst zwei große Bereiche. Erstens schließt sie die Einheit mit dem Papst, dem ‚Felsen’, auf den Jesus seine Kirche bauen wollte, mit ein, und zweitens geht es auch um das Miteinander aller Glieder der Kirche", so der Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker in Anlehnung an den Wunsch des Papstes.
„Was die Gemeinschaft mit dem Heiligen Vater angeht, sind wir uns all derjenigen bewusst, die in diesen Jahren aus Loyalität zum Heiligen Stuhl gelitten haben", erklärt Dias mit Blick auf das lebendige Martyriologium der chinesischen Kirche.
„Wir würdigen jeden Einzelnen von ihnen und sind uns sicher, um es mit den Worten von Papst Benedikt XVI. zu sagen, dass: ‚Die Kommunion mit Petrus und seinen Nachfolgern tatsächlich die Garantie der Freiheit im Sinne einer vollen Entscheidung für die Wahrheit und ihre authentische Tradition, ist, so dass das Volk Gottes von Irrtum im Bereich von Glauben und Moral befreit werden kann'. (Predigt am Hochfest Peter und Paul, 29. Juni 2010). Die beispielhafte und mutige Loyalität zum Stuhl Petri, die seitens der Katholiken in China aufleuchtet, ist eine wertvolle Gabe des Herrn'." (rv)

Venezuela: Kardinal wiederholt Kritik an Chavez

Der Erzbischof von Caracas, Kardinal Jorge Urosa Savino, läßt sich nicht einschüchtern: Auch vor Parlamentsabgeordneten wiederholte er am Dienstag seine beißende Kritik am populistischen Präsidenten Hugo Chavez. Urosa machte bei einer mit Spannung erwarteten Anhörung im Parlament aber auch deutlich, dass er sich nicht von der Opposition vereinnahmen lasse.
 Mehrere Stunden lang hatte sich der Kardinal den Fragen von Abgeordneten gestellt – hinter verschlossener Tür. Die Parlamentarier hatten ihn aufgefordert, einige Äußerungen gegen Chavez zu erklären. So hatte Urosa dem Präsidenten vor kurzem wiederholten Bruch der Verfassung und Schritte in Richtung einer Diktatur vorgehalten. Die Anhörung, die erst im zweiten Anlauf zustande kam, verlief nun offenbar „ruhig, sehr offen und respektvoll" – sagte der Kardinal hinterher. Vor Journalisten bestand er darauf, die Kirche habe das Recht, innerhalb der Gesellschaft ihre Stimme zu erheben, wenn es um das Gemeinwohl gehe: „Die Bischöfe wollen keine Macht, und sie sind auch nicht parteiisch."
Er habe den Abgeordneten deutlich seine Meinung gesagt – dass nämlich die von Chavez initiierte „bolivarische Revolution" auf einen „marxistischen Sozialismus" ziele, und das sei „nicht im Interesse der Venezolaner". Immerhin, so meinte die Parlamentspräsidentin Cilia Flores begütigend, habe der Kardinal „die Institutionen und die Legitimität von Präsident Chavez anerkannt". Und dass er einige Entscheidungen der Regierung für nicht verfassungskonform halte, habe Urosa als „seine Meinung" qualifiziert, nicht als Urteil. Für sowas sei schließlich das Oberste Gericht zuständig. Vor dem Parlamentsgebäude hatten sich Befürworter und Kritiker des Erzbischofs von Caracas versammelt.
Was Kardinal und Abgeordnete genau gesagt haben, wird ein Geheimnis bleiben. Schließlich hatten die Parlamentarier eine Live-Übertragung der Begegnung im staatlichen Fernsehen sicherheitshalber abgelehnt. Das Fernsehen ist die Bühne für Chavez, der in seiner Sendung „Alo Presidente" immer wieder mal Stimmung gegen die Kirche macht. Etwa, indem er Venezuelas Bischöfe als „Höhlenmenschen" abqualifiziert. Ob sich an diesem Stil jetzt etwas ändern wird, das ist die Frage.
(rv)

Vatikan: Neue Ära für Päpstliche Bibliothek

Einige können es kaum abwarten: Drei lange Jahre haben Historiker und Wissenschaftler auf diesen Moment gewartet. Nicht mehr lange, und die frisch gestrichenen neuen Vatikan-Tore zur Päpstlichen Bibliothek werden wieder offen sein. Am 20. September ist es soweit, wie uns der Präfekt der Vatikan-Bibliothek bestätigt. Monsignor Cesare Pasini ist selber froh, dass die wertvollen Bücher wieder öffentlich zugänglich sind. Mit der Wiedereröffnung werden auch einige Neuheiten eingeführt.
„Wir werden am 13. September – also eine Woche vor Öffnungsbeginn – in einer Pressekonferenz erläutern, weshalb und was wir neu gemacht haben. Im Übrigen ist die Renovierung noch lange nicht abgeschlossen. Auch nach der Wiedereröffnung werden einige Räumlichkeiten noch geschlossen bleiben und renoviert."
Die künftigen Benützer werden neue elektronische Zugangskarten haben, sowie kabellos im Internet surfen können. Und das sind nur einige der Neuheiten, die bald Wirklichkeit werden.
„Das ist der Preis dafür, dass wir drei Jahre lang den Zugang zu den Büchern verwehren mussten. Es ist eine neue Ära für die Wissenschaftler, die unsere Dienste in Anspruch nehmen."
Altes und Neues treffen aufeinander: In den noblen Sälen der Vatikan-Bibliothek werden nicht nur „alte Schinken" zum Nachlesen aufbewahrt. Die Zukunft der Bibliothek liegt in der digitalen Welt, so der Präfekt der Bibliothek, Monsignor Cesare Pasini.
„Wir haben seit einiger Zeit angefangen, unsere Werke einzuscannen. Auch die Testphase haben wir erfolgreich abgeschlossen. Doch die Arbeit ist noch nicht abgeschlossen. Es fehlen uns noch finanzielle Mittel, um dieses Großprojekt überhaupt weiter führen zu können. Aber wir sind zuversichtlich." (rv)

GB: Ex-EU-Kommissar Patten zur Papstvisite

In rund eineinhalb Monaten geht’s los – dann reist der Papst nach Schottland und England. Auch wenn im Vorfeld der Reise Kritik laut wurde, setzt Großbritannien große Hoffnungen in die Visite. Der Organisator der britischen Regierung für den Papstbesuch, Lord Chris Patten, sagte im Gespräch mit Radio Vatikan:
 „Ich denke, es gibt uns die Möglichkeit, Folgendes zu zeigen: Die Regierung eines großen nichtkatholischen Landes ist in vielen Themen mit der römisch-katholischen Kirche einer Meinung. Ich denke hier vor allem an globale Gerechtigkeit, Klimawandel oder Nachhaltigkeit im Umweltbereich. Das ist weit wichtiger als die Kritik, die Einzelne äußern…"
Britische Medien hatten zuletzt die Kosten der Reise kritisiert, für die Steuergelder herangezogen werden. Für weiteren Unmut sorgten angesetzte Eintrittsgebühren der katholischen Kirchen bei manchen Papstmessen und die eingeschränkte Platzkapazität bei den liturgischen Feiern mit Benedikt XVI. Die Kosten für den viertägigen Besuch seien genau so hoch wie die Kosten eines Sitzungstages der großen Industriestaaten der Welt, der so genannten G 20. Das gibt Lord Chris Patten dann doch zu. Aber: Der Wille zur Einheit mit der katholischen Kirche muss auch sichtbare Formen finden. Und schließlich handelt es sich ja um den ersten offiziellen Staatsbesuch eines Papstes auf der Insel; Johannes Paul II. war 1982 lediglich im Rahmen eines Pastoralbesuchs nach Großbritannien gekommen.
Programm
In seinem auf vier Tage angesetzten Aufenthalt – vom 16. bis 19. September – wird Benedikt XVI. Edinburg, Glasgow, London und Birmingham besuchen. Es kommt zu Begegnungen mit Königin Elizabeth II. , dem anglikanischen Primas und Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, und der Papst wird auch die Seligsprechung von Kardinal John Henry Newman vornehmen. Die finalen Planungen der Papstreise nach Großbritannien laufen auf Hochtouren. (rv)

Venezuela: Kardinal Urosa trifft Abgeordnete

Der Erzbischof von Caracas hat einem Treffen mit dem Koordinierungsausschuss der Nationalversammlung zugestimmt. Das geht aus einem Kommuniqué der Erzdiözese Caracas hervor. Demnach findet das Gespräch von Kardinal Jorge Urosa mit den Parlamentariern an diesem Dienstag statt. Der Kardinal werde sich den Fragen der Abgeordneten stellen, heißt es weiter, und hoffe auf einen „ruhigen und nützlichen" Dialog. Das Parlament habe dem Kardinal „Sicherheit und den gebührenden Respekt gegenüber seiner Würde" garantiert, gibt das Schreiben weiter an. Bei der Befragung sollen kritische Äußerungen Urosas untersucht werden. Der Kardinal hatte die Befragung bis vor kurzem abgelehnt. (rv) 

Vatikan: Doch kein Caravaggio

Der Sensationsfund entpuppte sich als ein Kommunikationsfehler: Der Vatikan hat den Bericht des „L´Osservatore Romano" von vergangener Woche korrigiert. Es ging um die angebliche Entdeckung eines bislang unbekannten Caravaggio-Gemäldes. Das Bild, das die Vatikan-Zeitung vor einer Woche als möglichen Sensationsfund geschildert hatte, stamme keineswegs von dem italienischen Barockmaler Michelangelo Merisi – besser bekannt unter dem Namen Caravaggio. Die Richtigstellung kommt vom Leiter der Vatikanischen Museen, Antonio Paolucci. Die Qualität des in der Sakristei einer Jesuitenkirche in Rom entdeckten Gemäldes sei eher bescheiden. Die Autorin des ersten Artikels hatte darauf hingewiesen, dass noch untersucht werden müsse, ob das Gemälde tatsächlich von Caravaggio stamme. Die Vatikanzeitung hatte aber auf der Titelseite ihres Blattes und als Schlagzeile das Bild als Carvaggio-Werk gepriesen. (rv)

Spanien: Programm des Papstbesuches

Der Erzbischof von Barcelona, Kardinal Lluís Martínez Sistach, hat am Freitag das Programm des Papstbesuches in Barcelona vorgestellt. So wird Benedikt XVI. nach seinem Besuch im Wallfahrtsort Santiago de Compostela am Abend des 6. Novembers in Barcelona ankommen. Am Sonntag wird er eine Messe in der Sagrada Familia feiern und die Kathedrale weihen. Nach der Messe wird er das Angelus-Gebet sprechen. Das Erzbistum geht von bis zu einer halben Million Besuchern aus, auch das spanische Königspaar wird erwartet. Am Nachmittag wird Benedikt XVI. ein Sozialzentrum für Familien besuchen und damit seinen Besuch in Barcelona beenden. Es ist der erste Papstbesuch in der Stadt seit 1982. Kardinal Sistach rief alle Gläubigen dazu auf, Interesse zu zeigen und an den Feierlichkeiten teilzunehmen. (rv) 

D: Neuer Rektor am Campo Santo Teutonico

Diözesanpriester Hans-Peter Fischer folgt dem Prälaten Erwin Gatz als Rektor des Campo Santo Teutonico im Vatikan. Das gab am Freitag die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) bekannt.

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Vatikan: Lombardi: Papst nutzt Ferien für drittes Jesusbuch

Papst Benedikt XVI. hat in seinem Urlaub mit den Vorbereitungen für sein drittes Jesusbuch begonnen. Das geht aus dem am Freitag veröffentlichten Wochenkommentar von Vatikansprecher Federico Lombardi hervor. Der dritte und letzte Teil sei der „Kindheitsgeschichte" gewidmet. Unmittelbar nach der Ankunft in seiner Sommerresidenz Castelgandolfo habe sich der Papst der Lektüre und dem Studium gewidmet, berichtet Lombardi. Momentan arbeite er daran, sein Werk über Jesus zu vollenden. Das zweite Werk, das der Passion und der Auferstehung gewidmet ist, werde im Augenblick übersetzt und auf die Herausgabe im kommenden Frühjahr vorbereitet. Wie die Gläubigen selbst während des Angelusgebetes sehen konnten, sagte Lombardi weiter, sei der Papst bereits wieder gestärkt und guter Dinge. Das Studium sei zwar anstrengend, aber ermüde ihn nicht. (rv) 

Kosovo: „Auf dem Balkan ist jede Entscheidung falsch“

Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo von Serbien im Jahr 2008 hat nicht gegen das Völkerrecht verstoßen. Zu diesem Schluss ist am Donnerstagnachmittag der internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag gekommen. Bei dem Urteil des Gerichtes handelt es sich um eine nicht bindende Stellungnahme. Michael Feit ist Kosovo-Experte und arbeitet für die Caritas Luxemburg. Radio Vatikan hat ihn nach Veröffentlichung des Gutachtens um eine Einschätzung gebeten. Die Fragen stellte P. Bernd Hagenkord.
 „Auf dem Balkan ist jede Entscheidung falsch, das haben schon die Diplomaten im 19. Jahrhundert immer wieder gesagt. Trotzdem bin ich froh, dass die Konflikte, wie wir sie in den 90er Jahren erlebt haben, jetzt nicht mehr auf dem Schlachtfeld, sondern im Gericht entschieden werden. Da bin ich sehr froh. Ich denke, dass diese Entscheidung dazu beiträgt, den Balkan zu stabilisieren und nicht – wie es die Serben jetzt proklamieren – zu weiteren Auseinandersetzungen führen wird."
Warum stabilisiert ein solches Gutachten den Balkan?
„Es sorgt für Stabilität, weil jetzt die Möglichkeiten gegeben sind, tatsächlich Realpolitik zu machen. Bis jetzt konnten serbische Politiker den Kosovo nicht anerkennen. Das ging nicht. Wer sich für die Anerkennung des Kosovo ausspricht, hat in Serbien bei den Wahlen verloren. Durch das Gutachten können die serbischen Politiker jetzt sagen, dass sie alles versucht haben, sich aber jetzt mit dieser Rechtssituation abfinden müssen. Dies ist die einzige Möglichkeit, mittelfristig in die EU zu kommen. Dadurch kann jetzt Realpolitik gemacht werden. Und diese Realpolitik wird dazu beitragen, den Balkan weiter zu stabilisieren."
Es gab im Zuge der Begutachtung ja auch antiserbische Rhetorik. Ein EU-Vertreter sagte, das Urteil sei ein „Aufwärtshaken gegen das Kinn Serbiens". Das klingt ja nicht gerade versöhnlich…
„Es gibt sicherlich auch auf Seiten der EU Leute, die nicht die richtigen Worte finden. Hier muss jetzt das getan werden, was ja auch schon viele Politiker gemacht haben: Nämlich der Aufruf an beide Parteien, sich zu arrangieren im Sinne der Menschen, die dort leben, die sicherlich viele Probleme haben, sowohl in Serbien als auch im Balkan. Das sind Probleme des Alltags, ein vernünftiges Leben dort zu führen. Ich denke, dass man sich darauf konzentrieren sollte und nicht auf diplomatische Schlagabtausche."
Ein Blick auf die religiöse Situation, denn das spielt ja auch immer mit: Albaner, Kosovaren und Serben sind ja auch religiös voneinander getrennt. Ist das der Lack auf dem Konflikt oder ist das die Substanz? Wie schätzen Sie das ein?
„Wenn man das aus der Perspektive des Kosovo sieht: Die Serben, die dort leben, haben kein religiöses Problem. Natürlich sind das Serben und dadurch, dass sie in der Minderheit sind, dass sie unterdrückt sind, sind sie auch stärker religiös tätig. Die Albaner tun das eigentlich nicht. Natürlich wird die Islamisierung des Kosovo ein wenig von außen forciert und gesteuert, aber es ist nicht so stark wie in anderen Ländern. Wie gesagt, die Menschen im Kosovo haben tatsächlich andere Probleme. Sie haben eine Arbeitslosigkeit von 60 %, da haben sie andere Probleme, sich mit der Religiosität als Konflikt zu beschäftigen. Sicherlich finden viele darin einen Halt, aber sie sehen es nicht als Konfliktfeld. Ich sehe nicht, dass der Konflikt religiös geschürt werden kann."
Ist der Kosovo denn alleine überhaupt wirtschaftlich lebensfähig? Ich erinnere mich an sehr viele Diskussionen nach der Unabhängigkeit, in der viele Kommentatoren sagten, Kosovo sei überhaupt nicht alleine lebensfähig.
„Wir haben ein Handelsdefizit von 43 %. Das ist enorm und wird immer schlimmer. Wir haben ein Bruttosozialprodukt pro Kopf von 1.300 €. Im Augenblick ist der Kosovo nicht lebensfähig. Die Leute leben von dem Geld, das Kosovaren, die im Ausland leben, nach Hause zu ihren Familien schicken und wenn diese Quelle versiegt – wir haben das gesehen bei der globalen Finanzkrise – hat das einen enormen Einfluss zu Hause im Kosovo. In der derzeitigen Form mit der Korruption vor Ort geht das sicherlich nicht. Man muss die Korruption bekämpfen, man muss Infrastruktur schaffen, man muss die Basis schaffen für Investitionen. Erst dann kann der Kosovo nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich unabhängig werden." (rv)