Syrien: Weihnachten zwischen Bomben und Gewalt

SyrienFür die Christen in Syrien ist das Weihnachtsfest in diesem Jahr von Angst und Gewalt überschattet. Die im Land gebliebenen Ordensleute sind für die Menschen da so gut es eben geht: In vielen Landesteilen fehlt den Menschen das Lebensnotwendige, immer wieder kommt es zur Gewalt, die Zivilbevölkerung lebt in Angst und Schrecken. Erst in diesen Tagen noch gerieten zwei christliche Dörfer in der Provinz Hama in die Mangel der Konfliktparteien. Der Franziskanerpater Ibrahim Sabah berichtet im Interview mit Radio Vatikan über die aktuelle Lage:

„Es ist in diesem Augenblick nicht leicht, von weihnachtlicher Freude zu sprechen. Den Menschen fehlt es an Brot, sie leiden Hunger und haben kaum Strom – der fällt an einigen Orten für 18 Stunden am Tag aus. Es gibt viele Familien ohne eine einzige Gasflasche, die können nicht einmal kochen! Alle Christen, die das Land nicht verlassen haben und in ihren Häusern bleiben wollen, leiden in diesem Moment. Es ist schwer für sie auch wegen der Angst vor Bomben und Explosionen. Wir Franziskaner begehen Weihnachten, das Mysterium der Menschwerdung Gottes, indem wir das Leiden der Menschen teilen: Die Brüder tun alles, was in ihrer Macht steht, um den Familien zu helfen.“

Die Franziskaner in Syrien, die mit ihren Mitbrüdern in Jordanien, im Libanon und auf Zypern zur Kustodie des Heiligen Landes gehören, haben dem Land trotz des Krieges bislang nicht den Rücken gekehrt; ebenso viele Ordensschwestern wie etwa die Mutter Teresa-Schwestern. Aufgrund der unsicheren Lage sind die Weihnachtsfeierlichkeiten in diesem Jahr teilweise vorgezogen worden, berichtet Pater Ibrahim. So habe man tagsüber gefeiert, um bei Anbruch der Dunkelheit wieder zu Hause zu sein. Doch auch angesichts dieser Situation lassen sich Ordensleute und Kirchenvertreter nicht entmutigen. Oder sie zeigen es nicht – denn wer wenn nicht sie müssen den Christen in Syrien jetzt Hoffnung geben? Der Leiter der Caritas Syrien und chaldäische Bischof von Aleppo, Antoine Audo of Aleppo, lanciert im Interview mit uns einen Friedensappell für sein Land:

„Seit zwei Jahren herrscht in Syrien kein Frieden mehr. Doch wir Christen finden jedes Mal Frieden und Freude wieder, wenn wir uns bewundernd vor das Jesuskind begeben. Wir leiden mit den Armen und versuchen, ihnen zu dienen. Christus hält Ängste und Schatten von uns fern. Weihnachten – Zeit des Friedens und der Freude!“ (rv)

Kard. Maradiaga: „Stoppt Waffenhandel mit Syrien!“

Syrien und die benachbarten Staaten könnten ein ähnlich tragisches Schicksal erleiden wie die Balkanstaaten in den 90er Jahren. Das sagt der Präsident von Caritas Internationalis, der honduranische Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, im Gespräch mit Radio Vatikan.

„Es ist sehr schade, dass das Blutvergießen in Syrien weiter ansteigt. Die internationale Gemeinschaft ist so still und so langsam bei ihren Versuchen, einzugreifen – das ist eine Schande. Ich möchte nicht noch einmal so eine ähnliche Situation wie in der Balkankrise der 90er Jahre haben, wo es zwar am Ende Frieden gab, aber unter großem Leiden der Menschen. In Syrien ist es jetzt genau das Gleiche."

Es müsse gehandelt werden, und zwar dringend, so der Kardinal, der auch konkrete Schritte aufzählt:

„Es ist vor allem nötig, dass der Waffenhandel mit Syrien gestoppt wird. Denn das ist einer der Gründe, warum so viele Staaten mit Veto-Recht in der UNO nicht eingegriffen haben. Es ist zwar erwünschenswert, in Zeiten der Finanzkrise an Geld zu kommen, aber es ist eine Schande, dass dieses Geld mit dem Blut von Menschen bezahlt wird."

Eine wichtige Stimme sei jene des Papstes; eine moralische Instanz, die bleibt:

„Deshalb ist seine Stimme so wichtig. Sie klopft an die Türen des Gewissens, um daran zu erinnern, dass wir in menschlichem Sinn und nicht in materialistischem Sinn denken müssen."

Die Hilfe von Caritas Internationalis in Kooperation mit den Hilfsorganisationen vor Ort sei in Syrien durch die Bombenangriffe erschwert. Caritas Internationalis versuche aber trotzdem, so gut wie möglich für medizinische Hilfe, Essen und Notunterkünfte der Flüchtlinge zu sorgen, vor allem wo jetzt der Winter nahe, so Kardinal Maradiaga. (rv)

Syrien/Vatikan: „Vatikandelegation reist später“

Die Delegation des Vatikans nach Syrien wird wohl erst nach Abschluss der Bischofssynode aufbrachen. Das kündigte Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone an diesem Dienstag bei der Bischofssynode an. Die Delegation werde ebenfalls womöglich in einer anderen Zusammensetzung nach Syrien reisen als bisher geplant. Die derzeit tagende Bischofssynode zur Neuevangelisierung im Vatikan wolle mit der Delegation ein konkretes Zeichen der Solidarität mit dem syrischen Volk setzen. Der Papst hatte die Initiative der Bischöfe aufgegriffen.

In Syrien gehen die Kämpfe derweil weiter. Vor allem die Menschen in Damaskus und Aleppo leiden unter der Gewalt. Sie hoffen auf eine Waffenruhe zum islamischen Opferfest, das am kommenden Donnerstag beginnt. Die Vereinten Nationen erwägen in diesem Fall, eine Friedenstruppe nach Syrien zu entsenden. Ein Mitarbeiter der italienischen Redaktion von Radio Vatikan, Cristiano Tinazzi, ist soeben aus Aleppo nach Rom zurückgekehrt. Er berichtet von Gewalt und Flüchtlingsnot, aber auch von großer Solidarität der Zivilbevölkerung in Syrien.

„Es ist eine Situation extremen Leids für die Zivilbevölkerung hier. Wer kann, geht weg und versucht aus Syrien zu fliehen. Das Problem ist nur, dass sie jetzt im Land festsitzen. Es hat sich ein Flüchtlingslager mit etwa 9.000 Personen gebildet, die nicht in die Türkei fliehen können, weil dort das Flüchtlingslager voll ist. Sie befinden sich in einem Niemandsland und warten, das sie weiterreisen können."

Trotz dieser Extremsituation hätten die Bürger ihre Solidarität untereinander nicht über Bord geworfen. Tinazzi:

„Ich habe einen Bombenanschlag auf das Krankenhaus von Al Chifa in Aleppo miterlebt. Wenige Sekunden, vielleicht eine Minute nach dem Anschlag, kamen Leute mit ihren Autos und halfen den Verletzten, sie zogen sie aus den Trümmern und riskierten ihr Leben, denn der Beschuss mit Gewehren ging weiter. Die Opfer kommen dann in anderen Familien unter, man teilt die wenigen Dinge, die man hat.. Wie in Sarajewo damals bilden sich Schlangen, um für Brot anzustehen, schon früh um sieben stehen die Menschen da, Männer , Frauen und Kinder."

Aus Sicht des Journalisten hat die Welt noch nicht begriffen, wie schockierend die Situation in Syrien tagtäglich ist.

„Der Alltag in Syrien ist wirklich Horror. Uns Journalisten reichte eine Woche in Syrien, um durch die Realität in dem Land traumatisiert zu werden. Wir wussten aber zumindest, dass wir wieder zurück konnten. Die meisten Syrer haben keinen Ort, wo sie hinkönnen." (rv)

Vatikan: Trotz Gewalt – Delegation nach Syrien

Trotz der Gewalt in Damaskus halten der Heilige Stuhl und die derzeit tagende Bischofssynode daran fest, eine Delegation nach Syrien zu schicken. Das bekräftigte an diesem Montag der Leiter des vatikanischen Pressesaals, Jesuitenpater Federico Lombardi. Die Reise solle „so schnell wie möglich stattfinden, um effizient Solidarität, Frieden und Versöhnung voranzubringen, trotz der schwerwiegenden Ereignisse in der Region". (rv)

Syrien: Nuntius gegen Weggang der UNO-Beobachter

Der Umgang mit den Menschenrechten in Syrien wird von Tag zu Tag schlimmer. Das sagt der Vatikanvertreter in Damaskus, Erzbischof Mario Zenari, im Interview mit Radio Vatikan. Es seien von allen Seiten viele Fehler begangenen worden, so der Apostolische Nuntius weiter. Besonders der Weggang der UNO-Beobachter nach dem Auslaufen ihres Mandats am letzten Wochenende sei eine große Enttäuschung.

„Vor drei oder vier Monaten gab es die Hoffnung, dass durch die Anwesenheit der UNO-Beobachter die Gewaltwelle gestoppt werde. Es kam anders. Die internationale Staatengemeinschaft darf aber die Syrer nicht alleine lassen! Neue Hoffnung haben wir mit dem neuen UNO-Beauftragten für Syrien."

Die syrischen Regimegegner sind allerdings skeptisch gegenüber dem neuen UNO-Vermittler, dem Algerier Lakhdar Brahimi. Der Einsatz des 78-jährigen Diplomaten dürfe nicht zu einem weiteren „Deckmantel" für die Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft werden, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung des Rates der Führung der Revolution in Damaskus. Die Regierung von Präsident Baschar al-Assad begrüßt hingegen die Mission Brahimis.

Vernehmlichem russischem Grollen zum Trotz hat US-Präsident Barack Obama – erstmals – von der Möglichkeit einer Militärintervention in Syrien gesprochen. Sollte Syrien den Einsatz chemischer Waffen vorbereiten oder tatsächlich einsetzen, werde eine „rote Linie" überschritten. Nuntius Zenari dazu:

„Es ist nicht meine Aufgabe, auf das, was Obama gesagt hat, einzugehen. Es ist auf jeden Fall wichtig, dass alle Konfliktparteien sich an die internationalen Menschenrechte halten. Dass es bisher nicht geklappt hat, liegt daran, dass alle Seiten Stück für Stück diese Rechte missachtet haben. … Erfreulich ist, dass die christlichen Gemeinschaften sich weiterhin für den Dialog einsetzen. Sie sind ein schönes Beispiel für uns alle." (rv)

Caritas Internationalis zur Not syrischer Flüchtlinge

Assads Macht bröckelt, und Vorschläge für ein mögliches „Danach" werden immer hörbarer. So hatte der syrisch-orthodoxe Metropolit von Aleppo, Mar Gregorios Ibrahim, zuletzt einen umfassenden Friedensplan für Syrien vorgelegt. Von einem Neubeginn ist das bürgerkriegsgeschüttelte Syrien allerdings noch weit entfernt. Im Interview mit Radio Vatikan berichtet Laura Sheahan von Caritas Internationalis vom Schicksal zehntausender syrischer Flüchtlinge, die in die Nachbarländer Jordanien, Libanon und Türkei geflohen sind. Sheahan hat in den vergangenen Tagen dort Flüchtlingslager besucht.

„Die syrische Flüchtlingskrise hat sich im vergangenen Monat verschärft, die Zahl der Flüchtlinge hat zugenommen. Niemand hätte gedacht, dass es so schlimm werden würde. Wir arbeiten hart und mit Mühe daran, allen Menschen zu helfen, brauchen aber noch mehr finanzielle und andere Hilfen."

Nach offiziellen Angaben des Flüchtlingswerkes der Vereinten Nationen UNHCR flohen im vergangenen Monat 120.000 Menschen aus Syrien, die wirkliche Zahl sei aber noch höher, so die Caritas Internationalis-Mitarbeiterin. Auch viele islamische Wohlfahrtsorganisationen seien vor Ort aktiv, um den Menschen zu helfen, berichtet Sheahan. Viele Flüchtlinge seien völlig verstört:

„Das sind Menschen, die schreckliche Dinge in ihrem Land gesehen haben, mit denen sie nie gerechnet hätten. Ich habe mit einer Frau gesprochen, die Milch für ihre fünf Kinder brauchte. Aus Angst vor den Heckenschützen ging ihr Nachbar für sie. Er wurde angeschossen, sie rannte raus, um ihm zu helfen – und wurde am Bein getroffen. Die Frau überlebte, aber der Nachbar erlag seinen Verletzungen."

In einem Bericht der unabhängigen Syrienkommission des UNO-Menschenrechtsrates werden den syrischen Regierungstruppen und der bewaffneten Opposition Kriegsverbrechen bescheinigt: Darin ist von Folter, sexueller Gewalt und willkürlichen Verhaftungen die Rede. Insgesamt habe sich die Menschenrechtslage in den vergangenen Monaten dramatisch verschlechtert. Der Vatikan hat mehrfach zur Waffenruhe, zum Zulassen humanitärer Hilfen und zu Dialog aufgerufen. (rv)

Syrien: Mehr Hilfe für Flüchtlinge

Nichtregierungsorganisationen fordern mehr Hilfen für die Versorgung syrischer Flüchtlinge. Der deutsche UNHCR-Sprecher Stefan Telöken kritisierte am Donnerstag im Südwestrundfunk (SWR), von benötigten fast 200 Millionen US-Dollar sei bislang nur etwa ein Viertel bereitgestellt worden. Geld werde vor allem in Jordanien benötigt, wo mehr Flüchtlinge einträfen als Unterkünfte bereit stünden. Im Libanon, wo an einem Grenzübergang in zwei Tagen rund 18.000 Menschen gezählt worden seien, gebe es eine widersprüchliche Entwicklung; von dort kehrten Syrer auch wieder in ihre Heimat zurück, berichtete Telöken. Aus der Türkei kämen Berichte, nach denen derzeit eher weniger Menschen aus dem Nachbarland eintreffen. Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen" erklärte, ihre Teams seien auf weitere Flüchtlingsströme vorbereitet. Die Organisation betonte, sie sei darüber beunruhigt, dass ein Teil der Flüchtlinge vollkommen auf die im Libanon vorhandene Hilfe angewiesen ist.

Zu einer raschen und vor allem friedlichen Lösungsfindung ruft der melkitisch-katholische Erzbischof von Aleppo, Jean-Clément Jeanbart, auf. Er traf am Donnerstag in seinem Bistumssitz die anderen katholische Bischöfe des Landes. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte Bischof Jeanbart:

„Was wir dem Westen und vor allem den Christen bitten, ist eine konkrete Unterstützung. Dies kann nur dann geschehen, wenn genügend Druck auf die Regierenden ausgeübt wird, damit endlich Dialog und Kompromisse eingegangen werden. Um es noch konkreter zu sagen, alle Christen sollten die Friedensmission von Kofi Annan unterstützen und jegliche Gewalt verurteilten."

Einen ähnlichen Appell richteten ebenfalls am Donnerstag Führer der syrischen Opposition, die derzeit in Rom bei der Basisgemeinschaft Sant´Egidio zu Besuch sind. Solche Gesprächsinitiativen seien zu begrüßen, so der Erzbischof von Aleppo.

„Ich denke, dass die EU, die Nato sowie alle arabischen Länder gemeinsam Etwas erreichen würden, wenn sie sich zusammenschließen würden. Viele kritisieren die Haltung Russlands, aber dieses Land beweist nur, dass man durchaus Druck auf das Regime ausüben kann, wenn man das wirklich will. Wichtig ist aber eines: Alle Parteien müssen der Gewalt ein für allemal abschwören."

Auch die EU rief die internationale Gemeinschaft zu mehr humanitärer Unterstützung für Syrien auf. Die zuständige EU-Kommissarin Kristalina Georgieva kritisierte wie Telöken den zu geringen Prozentsatz der zur Verfügung gestellten Mittel. Von den Folgen der andauernden Gewalt in Syrien seien bis zu 2,5 Millionen Menschen betroffen; es gebe mindestens 500.000 Vertriebene. (rv)

Syrien: Ordensgemeinschaften halten die Stellung

Die Unterstützung der Not leidenden Menschen im umkämpften Damaskus wird zunehmend schwieriger. Das berichtet das Hilfswerk Malteser International. Die Menschen, die nach Damaskus flöhen, berichteten von Angriffen und Massakern in ihren Heimatorten. Derweil reiße der Zustrom von Flüchtlingen insbesondere in die Armenviertel der Hauptstadt nicht ab. Katholische Ordensgemeinschaften in Syrien zeigen derweil Entschlossenheit, trotz der bürgerkriegsähnlichen Zustände die Stellung zu halten. Auch der Franziskanerorden in Syrien hatte in den letzten Wochen angekündigt, im Land zu bleiben. Radio Vatikan erreichte an diesem Dienstag die italienische Ordensfrau Marcella von den Salesianerinnen in Damaskus.

„Es gibt Nachrichten, die uns in Sorge versetzen, in anderen Momenten denken wir, es ist vorbei. Wir hören hier tags und nachts die Bomben, gestern haben wir sogar von unserer Botschaft gehört, wir sollten ausreisen. Vielleicht stimmt das, aber für uns Schwestern gilt das nicht. Jemand hat auch schon gesagt: Bereitet euch auf das Martyrium vor, aber das Zusammenleben hier zwischen der Bevölkerung und uns ist immer wunderbar gewesen."
Schwester Marcella ist anzuhören, dass die Nachrichtenlage auch für die Menschen vor Ort sehr undurchsichtig ist; ganz unterschiedliche Meldungen sorgen in der Bevölkerung für Angst und Schrecken, auch aus anderen Landesteilen. Zur Lage in der Stadt Homs sagte die Schwester:
„Sie sagen, es gibt Schutz, andere sagen: jetzt sind auch die Christen an der Reihe, in einigen Teilen der Stadt Homs sollte man besser die Häuser verlassen und fliehen, aber ich weiß nicht, ob es ihnen wirklich darum geht, die Stadt zu zerstören…"

In Homs harren – ähnlich wie die Ordensschwestern in Damaskus – derweil fünf italienische Trappisten-Schwestern aus. Das berichtete der päpstliche Nuntius in Damaskus, Mario Zenari. In einem Interview mit dem römischen Pressedienst Asianews betonte der Vatikanvertreter, dass die gesamte syrische Bevölkerung unter dem Konflikt leide, nicht nur Christen. Die Anwesenheit von maronitischen, katholischen und orthodoxen Gläubigen in Damaskus und in vielen Dörfern im Land fördere allerdings die Versöhnung zwischen Alawiten und sunnitischen Muslimen, so der Vatikanvertreter. (rv)

Syrien: Jesuiten stemmen sich gegen das Flüchtlingsdrama

Eine halbe Million Menschen sind in Syrien derzeit auf der Flucht, zwischen 90.000 und 100.000 Syrer, darunter zahlreiche Familien mit kleinen Kindern, sind in das benachbarte Jordanien geflohen. Das geht aus Schätzungen des UNHCR und Berichten des Internationalen Jesuitenflüchtlingsdienstes hervor.

„Ein großes Problem ist, dass die Hilfsorganisationen keine ausländischen Mitarbeiter ins Land bringen können, weil sie keine Visa bekommen. Das heißt, dass ihre Bewegungsfreiheit extrem eingeschränkt ist. Es gibt im Land ein Paar Hilfsorganisationen, doch sind zivilgesellschaftliche Strukturen, zu denen ja auch Nichtregierungsorganisationen und Hilfsorganisationen gehören, aufgrund des politischen Systems nicht stark ausgeprägt."

Judith Behnen von der deutschen Jesuitenmission ist in den vergangenen Tagen mit dem Leiter des Internationalen Jesuitenflüchtlingsdienstes, Pater Peter Balleis SJ, durch Syrien und Jordanien gereist. Während große internationale Hilfsorganisationen immer noch enorme Schwierigkeiten haben, in Syrien humanitäre Hilfe zu leisten, setzt der Jesuitenflüchtlingsdienst auf lokale Netzwerke und Nachbarschaftshilfe, die von Jesuiten vor Ort koordiniert werden, erzählt sie im Interview mit Radio Vatikan:

„Die Jesuiten können in Homs, Aleppo und Damaskus zusammen mit der Caritas und der lokalen Kirche auf einem bestimmten Level Hilfe leisten, zum einen weil die Strukturen für die irakischen Flüchtlinge schon bestehen und zum anderen, weil es viele freiwillige junge Leute gibt, Christen und Muslime, die Nachbarschaftshilfe leisten. Das Ganze funktioniert aber nur über persönliche Kontakte und die lokale Kirche vor Ort, es gibt keine großangelegten Hilfsapparate. Das ist im Moment wirklich nicht möglich."

Der Internationale Jesuitenflüchtlingsdienst kümmert sich seit 2008 in Syrien und Jordanien um irakische Flüchtlinge. Diese bestehenden Hilfsstrukturen würden jetzt für die syrischen Flüchtlinge genutzt, darunter Christen wie Muslime. Ob Lebensmittel, Kochutensilien, Matratzen oder Miethilfen, mit schon ein Paar Euro könne den Menschen geholfen werden, berichtet Behnen. Dabei profitierten die Flüchtlinge auch von der Unterstützung der irakischen Flüchtlinge, die bisher nicht in ihr Land zurückkehren konnten. Ein Prinzip jesuitischer Hilfsarbeit: die Mobilisierung von Flüchtlingen für Flüchtlinge. Dazu Behnen:

„Dieses Prinzip hat große Solidarität zur Folge und schafft Vertrauen. Ich war mit einer älteren Frau aus dem Irak in Jordanien unterwegs, die sagte: ,Das ist genau das, was wir damals erlebten, als wir 2003 oder 2007 aus dem Irak gekommen sind. Seht zu, dass ihr nicht zu lange im Provisorium lebt, schickt eure Kinder sofort in dies Schule, gebt den Traum auf, nach zwei Wochen sofort wieder nach Hause zu kommen, das ist nicht realistisch.’"

Viele der Flüchtlinge haben schon eine regelrechte Odyssee quer durch das Land hinter sich. Neben Unsicherheit, Obdachlosigkeit und Verarmung hätten zahlreiche Menschen, vor allem Kinder, mit psychischen Folgen der Gewalt zu kämpfen.

„Die kommen aus Städten wie Homs, also Orten, die bombardiert werden und wo Familie fliehen vor der Gewalt. Wir haben viele getroffen, die schon mehrfach weitergezogen sind. Eine Familie aus Homs war erst in einem Dorf in Zelten untergebracht, sie hatten nur noch ihr Auto, sind dann weiter nach Damaskus gezogen. Es gibt Flüchtlinge, die schon die zweite, dritte Station hinter sich haben, weil sie Schutz gesucht haben an Orten, die dann zu Schauplätzen kämpferischer Handlungen wurden. Viele der Kinder sind traumatisiert und haben Alpträume, die Eltern lassen sie nicht mehr aus dem Haus."
Was wünscht sich die syrische Bevölkerung mit Blick auf die politische Zukunft ihres Landes? Der Friedensplan der Vereinten Nationen steht auf wackeligen Füßen, ebenso scheint die vereinbarte Waffenruhe immer wieder gebrochen zu werden. Nach zahlreichen Gesprächen mit Kirchenleuten, Christen und Muslimen in Syrien – Behnen war in Aleppo, in Damaskus und in den jordanischen Grenzgebieten unterwegs – kommt sie zu folgendem Schluss:

„Also es ist ganz klar: Es gibt auf christlicher Seite beide politische Positionen und es ist eindeutig kein Religionskonflikt, das geht quer durch. Ich glaube, dass es in dem Konflikt ganz unterschiedliche Interessen gibt, auch politische, dass es eigentlich schon ein regionaler Konflikt ist, weil die Nachbarländer und die Internationale Gemeinschaft mit unterschiedlichen Interessen darauf einwirken. Für die Jesuiten vor Ort ist völlig klar, dass es ihnen selbst nicht um Politik, sondern um humanitäre Hilfe geht. Das Leiden jedes Einzelnen zählt, egal auf welcher Seite er steht."

Das Problem sei freilich, dass die Grenze der Gewalt „von beiden Seiten" überschritten worden sei:

„Beide Seiten haben Grenzen überschritten, wenn man sich anhört, welche Gräueltaten verübt wurden. Dadurch ist eine politische und friedliche Lösung zu finden, man hat das Gefühl, so viele Erinnerungen, so viel Wut, Frustration und Anspannung ist aufgeladen, an der Oberfläche – vor allem in den Zentren der großen Städte – scheint das Leben normal weiterzugehen, doch es droht immer die Gefahr, dass es doch eskaliert. Viele haben uns gesagt: ,Wir glauben nicht, dass Kofi Annans Friedensplan aufgeht, sondern denken, es wird weiter eskalieren." (rv)

Syrien/Vatikan: Papst betroffen von Patriarch Daouds Tod

Papst Benedikt XVI. hat seine Betroffenheit über den Tod des emeritierten Patriarchen von Antiochien, Ignace Moussa I. Daoud, bekundet. In einem Beileidschreiben von diesem Samstag an das Patriarchat erinnerte der Papst auch daran, dass das Volk in dem Gebiet des Patriarchats derzeit unter schweren Umständen lebt. Das ehemalige Oberhaupt der syrisch-katholischen Kirche stammt aus der Stadt Homs, die das Epizentrum der derzeitigen Gewaltwelle in Syrien ist. Daoud ist an diesem Karsamstagmorgen um 8 Uhr verstorben, teilte das Patriarchat von Antiochien mit. Er wurde 82 Jahre alt. (rv)

Anmerkung von VH: Der emeritierte Patriarch von Antiochien, Kardinal Daoud, war an seinem Todestag 81 Jahre alt. (vh)