Die Feier auf dem Petersplatz: Die Pilger feiern ihren Seligen

Während der Seligsprechung auf dem Petersplatz dabei war unser Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord. Wie war das, dabei zu sein?
„Zunächst einmal war es unglaublich voll. Die Organisatoren haben das Ganze wunderbar im Griff gehabt, aber bei der Masse Menschen in einer Stadt ist das gar nicht so einfach. Ich habe eine würdige aber auch sehr freudige Feier erlebt. Und als Höhepunkt kam genau mit der Seligsprechung auch die Sonne hervor. Augenzwinkernd kann man das also als himmlische Zustimmung deuten. Aber im Ernst, die weltweite Kirche hat gefeiert."
Vor sechs Jahren hat man auf dem Platz ‚santo subito’ gehört, ist die Verehrung für Johannes Paul ungebrochen?
„Zur Seligsprechung gehört die fama sanctitatis, also der Ruf der Seligkeit unter den Gläubigen. Das konnte man heute sehen. Und hören. Da feierte sich die Kirche nicht selber, da haben Hunderttausende einen Gläubigen gefeiert, der für sie Vorbild im Glauben und ein großer Verkündiger war. Und der nun als Seliger verehrt wird. Das Andenken und die Verehrung für diesen Papst ist vielleicht nicht mehr von den emotionalen Momenten seines Todes und den letzten ausdrucksstarken Lebensjahren geprägt, man sieht jetzt wieder auf das ganze Leben des Papstes, aber die Verehrung ist ungebrochen. Und das ‚santo subito’ war auch heute wieder zu hören."
Hier vor dem Radio hat man Jubel und Applaus gehört und aus dem Fenster können wir die Menschenmassen sehen, wie hat sich das auf dem Platz von einer der anderen kirchlichen Großevents unterschieden.
„Die Menschen haben einen Seligen gefeiert. Da war wenig Festivalcharakter oder Geschiebe, es wurde gebetet und gefeiert. Die Stille, die bei Papstgottesdiensten mittlerweile ein fixes Element ist, war besonders beeindruckend. Die Menge, so divers und müde sie auch war, sie hat dort Gottesdienst gefeiert."
Von den angereisten Pilgern konnten ja nicht alle auf dem Platz oder auch nur auf der Straße zum Petersdom dabei sein.
„Es gab jede Menge Menschen, die nichts sehen und kaum etwas hören konnten. Und doch waren sie dabei. Wie mir ein Techniker nachher sagte: Hier kann man Glauben sehen." (rv)

„Habemus Beatum!“

Mehr als eine Million Menschen haben an diesem Sonntag die Seligsprechung Johannes Pauls II. am Petersplatz gefeiert. Dicht gedrängt standen die Menschen vom Petersplatz zurück bis hinter die Engelsburg.
„Habt keine Angst!", unter diesem zum Leitwort gewordenen Satz aus der ersten Ansprache Johannes Pauls II. stand die gesamte Feier. Und um 10.37 Uhr war es dann soweit: Zu Beginn der Messfeier, nachdem der Generalvikar für das Bistum Rom, Kardinal Agostino Vallini, den Papst offiziell um die Seligsprechung gebeten und eine Vita des 2005 verstorbenen Papstes vorgelesen hatte, nahm Benedikt XVI. die Seligsprechung vor.
„Wir haben den Wunsch unseres Mitbruders Agostio Vallini entgegengenommen, unseres Generalvikars für das Bistum Rom, und von vielen anderen Brüdern im Bischofsamt und von vielen Gläubigen. Nachdem wir die Meinung der Kongregation für die Heiligsprechungen angehört haben, erlauben wir nun mit unserer apostolischen Autorität, dass der verehrungswürdige Diener Gottes Papst Johannes Paul II. von jetzt an selig genannt werden darf und dass sein Gedenktag an den Orsten und nach den Weisen, die das Kirchenrecht festgesetzt hat, jährlich am 22. Oktober gefeiert wird."
Rund 16 Staatschefs haben an der Seligsprechung teilgenommen, darunter Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der ehemalige Staatspräsident Polens, Lech Walesa, sowie der Präsident Simbabwes, Robert Mugabe, der wegen des Vorwurfs der Menschenrechtsverbrechen für seinen Besuch ein EU-Einreiseverbot umgehen musste. Überraschend ist auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nach Rom gekommen. Ebenso nahmen Mitglieder europäischer Königshäuser wie Spaniens Kronprinz Felipe und Prinzessin Letizia an der Messe teil.
Die Polizei hat den Vatikan und die römische Innenstadt kilometerweit abgeriegelt. Hubschrauber haben den Flugraum überwacht, Polizeiboote haben auf dem nahe gelegenen Tiber patrouilliert. Tausende Pilger, viele von ihnen aus Polen, hatten die Nacht in Schlafsäcken unter den Tiber-Brücken und auf den umliegenden Plätzen und Straßen verbracht, bis der Petersplatz in den frühen Morgenstunden seine Tore bereits eine Stunde als geplant öffnete, weil der Andrang einfach zu groß war.
Nach Feier der Messe verehrte Papst Benedikt seinen Vorgänger an dessen Sarg, der für diesen Tag in der Petersbasilika aufgebart wurde. Danach haben auch die Gläubigen die Gelegenheit, ihre Verehrung dort auszudrücken. (rv)

Seligsprechung: Weltumspannendes Gebet für Johannes Paul II. im Zirkus Maximus

In Rom beginnen an diesem Samstag die Feiern zur Seligsprechung von Papst Johannes Paul II.. Zur geistlichen Vorbereitung auf das Ereignis findet an diesem Samstag im römischen Zirkus Maximus ab 20 Uhr eine Gebetsvigil für den polnischen Papst statt. Geleitet wird das Rosenkranzgebet, das in fünf Heiligtümern der Welt parallel übertragen wird, vom römischen Generalvikar, Kardinal Agostino Vallini. Papst Benedikt reist dazu um 18.00 Uhr von Castelgandolfo aus per Hubschrauber zum Vatikan und ist dann über eine Videoschaltung mit den Gläubigen verbunden. Dank der Fernsehübertragung kann so ein weltumspannendes Gebet entstehen, das Gläubige weltweit und sichtbar verbindet.
Zu den verbundenen nationalen Gedenkstätten gehören Krakau in Polen, Dodoma in Tanzania, Beirut im Libanon, Mexico City in Mexiko und die Mariengedenkstätte Fatima in Portugal, die Papst Johannes Paul II. selbst im Heiligen Jahr 2000 besuchte. Enge Mitarbeiter des polnischen Papstes und ihm nahe stehende Personen wie zum Beispiel sein ehemaliger Privatsekretär und jetzige Krakauer Erzbischof Stanislaw Dziwisz und die französische Ordensschwester Marie Simon-Pierre, an der das Heilungswunder geschah, kommen weiter zu Wort.
Für die musikalische Gestaltung des Abends sorgen der Chor der Diözese Rom und das Orchester des Konservatoriums Santa Cecilia unter der Leitung von Monsignor Marco Frisina, dem musikalischen Leiter der Diözese Rom. Als Solist tritt der italienische Sänger Gianni Proietti auf, andere Gasteinlagen geben mit traditionellen Stücken der Chor der philippinischen Gemeinschaft in Rom und der Chor „Gaudium Poloniae". Für die Pilger sind die Nacht über acht römische Kirchen durchgehend geöffnet. (rv)

Die Schritte vom Seligen zum Heiligen

Der Vatikan blickt überden 1. Mai hinaus: Nach der Seligsprechung Johannes Paul II. wird der Prozess für eine mögliche Heiligsprechung des Papstes anlaufen. Wie lange dieser Schritt in Anspruch nehmen wird, kann der Vatikan-Verantwortliche für Selig- und Heiligsprechungen nicht sagen. Dafür ist nämlich ein Wunder vonnöten. Kardinal Angelo Amato:
„Es ist da bei allen eine gewisse Dringlichkeit spürbar. Das ist positiv. Ich möchte aber hinzufügen, dass die Zeit bist zur Heiligsprechung nicht als leere Zeit des Wartens zu betrachten ist. Diese Monate und Jahre dienen dazu, die Figur des Seligen noch besser kennen zu lernen, um seinem Beispiel mit größerer Treue zu folgen. Ein Heiliger ist nicht nur jemand, den man feiert, sondern vor allem jemand, den man nachahmt."
Für die Heiligsprechung muss erst noch ein Wunder geschehen, ein Wunder, das Johannes Paul nach seiner Seligsprechung erwirkt haben muss. So sieht es das Kirchenrecht vor. Das Wunder gilt dabei als Zeichen Gottes, das der Kirche nach all ihren umfangreichen Untersuchungen zur Person und zu den Tugenden des Seligen beweist, dass der Betreffende tatsächlich im Paradies ist. Nicht in Frage kommen für die Heiligsprechung also die möglichen Wunder, die Johannes Paul in den gut sechs Jahren nach dem Tod erwirkt haben soll. Kardinal Amato zufolge waren es viele.
„Eine Seligsprechung verlangt zwei Elemente. Die fama sanctitatis, den Ruf der Heiligkeit. Und die fama signorum, den Ruf der Wundertätigkeit. Beide sind im Fall von Johannes Paul reichlich vorhanden. Die Gnaden auf Fürsprache des verstorbenen Papstes, die uns Gläubige aus der ganzen Welt angezeigt haben, sind zahllos. Eines davon war das Heilungswunder an Schwester Marie Simon-Pierre. Auch heute noch erreichen uns Zeugnisse in dieser Richtung. Die Schriftstellerin Margherita Enrico beispielsweise erzählt in ihrem neuen Buch unter anderem über die unerklärliche Heilung ihres kleinen Sohnes."
Wird nach der Seligsprechung ein mögliches Wunder angezeigt, kommt es zu einer Untersuchung auf diözesaner Ebene, ehe der Fall nach Rom geht. Dort untersucht ihn erst eine wissenschaftliche Kommission, später ein Theologenrat. Die Kardinäle und Bischöfe der Kongregation für Selig- und Heiligsprechung müssen ein positives Votum geben. Geht alles glatt, trägt der Präfekt den Fall Papst Benedikt vor, der seine Unterschrift unter das Dekret setzt und in einer eigens anberaumten Kardinalsversammlung, einem Konsistorium, einen Termin für die Heiligsprechung festlegt. (rv)

Reisemarschall Pater Tucci: Erinnerungen an die Reisen mit Johannes Paul II.

Einer der ständigen Begleiter auf den Reisen von Johannes Paul II. war Kardinal Roberto Tucci, der letzte Woche sein 90. Lebensjahr vollendet hat. Der Jesuitenpater und ehemalige Direktor von Radio Vatikan war als Päpstlicher Reisemarschall für die Organisation und den Ablauf aller Apostolischen Auslandsreisen des Papstes verantwortlich. Kardinal Tucci kann sich an einige herausragende Erfahrungen mit Johannes Paul II. erinnern:
„In erster Linie hat es sich um einen Mann des Glaubens gehandelt, der seinen Glauben auf die Kraft des Gebets gebaut hat. Man kann sagen, dass er ständig gebetet hat. Ich habe gesehen, wie er im Auto den Rosenkranz oder einfach nur ein Stoßgebet gebetet hat, im Hubschrauber, im Zug, im Flugzeug. Es war ein ständiges Gebet, auch wenn wir in eine Kirche kamen und in Verspätung waren. Er ging vor zur Sakristei und stand dort zehn, zwanzig Minuten lang. Prinzipiell, wenn er eine Kirche betrat, in der bereits viele Menschen waren, war schon zu Beginn wegen des Applauses und der begeisterten Zwischenrufe ein großer Lärm. Als sie dann aber sahen, dass dieser Mann still und ohne Bewegung vor dem Altar steht, als ob er den ganzen Lärm gar nicht hörte und es fast schien, als sei er gar nicht anwesend, legte sich der Lärm und die Menschen waren still. Eine Kirche voll begeisterter Menschen, die still waren und der Papst, der mit großer Intensität betete. Manchmal, wenn ich ihn dann nach einer Weile darauf hinwies, dass wir in Verspätung sind, sagte er mir: „Pater, das Gebet ist wichtiger als die Pünktlichkeit." Damit hatte ich verstanden, dass ich falsch lag, und zog mich wieder zurück."
Für Kardinal Tucci steht zweifellos fest, dass der Glaube an Gott Johannes Paul II. die Kraft gab, um vor Hindernissen nicht stehen zu bleiben und sie zu überwinden.
„Mich hat oft seine Fähigkeit beeindruckt, in den verschiedensten Situationen zum Gebet zu finden. Zum Beispiel damals, als wir von Bombay, Indien, zurück nach Rom geflogen sind. Die Piloten konnten das Flugzeug nicht landen, weil es geschneit hatte, und wir landeten schließlich um ein Uhr Nachts in Neapel. Ich ging also hin zu ihm, um ihm zu sagen, dass es leider keine andere Möglichkeit gibt, als mit dem Zug nach Rom zu fahren, denn auch der Hubschrauber konnte nicht fliegen. Er hat sich daraufhin in aller Ruhe in sein Gebet zurück gezogen, eine Stunde lang, bis alles bereit zur Abfahrt war. Er beschwerte sich nicht, er war gefasst in seinem Gebet und alles ging gut."
Die Fähigkeit Johannes Pauls II. in den unterschiedlichsten Momenten zu beten, zeigt sich auch in der Erinnerung des Kardinals an eine Reise ins Heilige Land:
„Vor allem eine Situation hat mich beeindruckt, weil sie etwas ganz besonderes war: Damals in Israel, als wir im Hubschrauber am Weg von Jerusalem nach Nazareth waren. Es war der Tag von Maria Verkündigung, und ich saß neben ihm im Hubschrauber. Einer jener seltenen Fälle, als ich im Päpstlichen Hubschrauber neben dem Papst mitgeflogen bin – und er saß am Fenster, sah sich aber nicht die Landschaft an, die unter uns vorbeizog. Ich sah, dass er ein paar bedruckte Zettelchen in der Hand hielt, die von einem Faden zusammen gehalten waren. Er las eine dieser Seiten, dann machte er das Kreuzzeichen und blieb ganz im Gebet versunken. Dann blätterte er die Seite um, machte wieder ein Kreuzzeichen, und betete weiter. Ich wurde also neugierig und warf einen Blick auf die Zettelchen, um zu sehen, was denn da zu lesen war. Es war die Via Crucis, der Kreuzweg. Es war Freitag, und er betete jeden Freitag den Kreuzweg, und da er an jenem Tag ein sehr enges Programm hatte, wusste er nicht, ob dafür am Abend Zeit bleiben würde. Also betete er ihn im Hubschrauber, in großer Einfachheit. Er allein, in sich selbst versunken, vor dem Herrn."
Für Kardinal Tucci war Johannes Paul II. ein Freund, der nicht selten auch für Scherze zu haben war.
„Ich kann mich noch an sehr sympathische Anekdoten erinnern, wie er scherzte und mich manchmal auf den Arm nahm. Er kümmerte sich ja nicht viel um organisatorische Probleme. Einmal jedoch, während einer Sitzung beim Mittagessen, begann er, mir lauter Fragen zu stellen, wie man dies und das organisiere. Dann gingen wir raus in die Kapelle – man ging zehn Minuten vor und zehn Minuten nach dem Mittagessen in die Kapelle, um zu beten – und er griff meinen Arm und sagte: „Armer Pater Tucci, wie tief ist er von der Theologie abgefallen!" Dies deshalb, weil ich ihn während des Zweiten Vatikanischen Konzils kennen gelernt hatte, ich als Theologe und er als Bischof. Er machte lauter Scherze wie diesen! Oder, an meinem Namenstag, das Fest des Heiligen Robert Bellarmin im September, machte der Papst immer eine kleine Feier für mich. In der Früh, noch vor Arbeitsbeginn, rief er mich zu sich, dann kam die Gefolgschaft des Papstes, und sie beglückwünschten mich. Einmal, um mich auf den Arm zu nehmen, sagte er vor allen Anwesenden: „Glaubt ihr nicht auch, dass Pater Tucci die Reisen immer so plant, dass sie auf seinen Namenstag fallen?" Ich war dann etwas vorlaut weil ich sagte: Heiliger Vater, sie wissen besser als ich, dass sie es sind, der die Zeiträume der Reisen festlegt. Dann hat er mich umarmt und alle haben herzlich gelacht. Denn er wusste auch den Humor zu schätzen." (rv)

Vatikan: Zwei Blutreliquien von Johannes Paul II.

Bei der Seligsprechungsfeier von Johannes Paul II. werden zwei Blutreliquien zur Verehrung durch die Gläubigen ausgestellt. Das gab der vatikanische Pressesaal an diesem Dienstag bekannt. Der erste Behälter wird am Sonntag bei der Seligsprechung den Gläubigen vorgestellt und danach im Sakrarium des Liturgiebüros der Päpste aufbewahrt. Das zweite Blutreliquiar wird dem Kinderkrankenhaus Bambin Gesù in Rom überreicht.
Das Blut wurde wenige Tage vor dem Tod des Papstes entnommen und dem Bambin Gesù für eine eventuelle Bluttransfusion anvertraut. Das Blut befinde sich weiterhin in flüssiger Form, da nach der Blutentnahme eine bestimmte chemische Mischung beigefügt wurde, so die Vatikan-Note. Insgesamt gibt es vier Blutreliquiare. Die beiden anderen Behälter besitzt der ehemalige Privatsekretär und jetzige Krakauer Erzbischof, Kardinal Stanislaw Dziwisz. Bei der Seligsprechung durch Papst Benedikt auf dem Petersplatz werden zwei Ordensfrauen die Blutreliquie des Papstes tragen: die Französin Marie Simon-Pierre, die auf Fürsprache Johannes Pauls von ihrem Parkinson-Leiden genas, und die Polin Tobiana Sobodka, die als eine der Haushälterinnen des Papstes in seiner Wohnung im Apostolischen Palast wirkte. (rv)

Vatikan: Buchsonderausgabe des L`Osservatore Romano zur Seligsprechung Johannes Paul II.

Zur Seligsprechung Johannes Pauls II. plant die Vatikanzeitung „L’Osservatore Romano" eine Sonderausgabe in Buchform. Sie wird am 1. Mai zum Preis von fünf Euro unter anderem in den Sprachen deutsch, italienisch und englisch erhältlich sein. In dem 100-Seiten dicken Werk finden sich neben dem Testament Johannes Pauls II. und der Homilie, die Kardinal Joseph Ratzinger bei den Exequien gehalten hat, auch Predigten Benedikts XVI. zum Gedenken an seinen Vorgänger. Außerdem werden darin Texte von Karol Wojtyla, Interviews, ein detaillierter Überblick über sein Leben sowie bisher noch unveröffentlichte Fotos erscheinen. (rv)

Vatikan: Transferierung vonPapst Innozenz XI.

Die sterbliche Hülle von Papst Innozenz XI. ist am vergangenen Freitagabend im Petersdom umgebettet worden. In Begleitung von liturgischen Gesängen wurden die Gebeine des seligen Papstes von der Kapelle des heiligen Sebastian zu seiner neuen Grablege im linken Seitenschiff von Sankt Peter unter dem Altar der Verklärung gebracht. Den Ritus zelebrierte Kardinal Angelo Comastri zusammen mit einigen Bischöfen und Mitgliedern der Dombauhütte. Zum Abschluss wurde die Umbettung durch eine Unterschrift notariell bestätigt. Innozenz macht gewissermaßen Platz für einen weiteren seligen Papst: Nach der Seligsprechung am 1. Mai sollen in der Sebastianskapelle die sterblichen Überreste von Johannes Paul II. ihre letzte Ruhestätte finden. Die Renovierungsarbeiten in der Kapelle, die am Eingang von St. Peter im rechten Seitenschiff liegt, sind in der vergangenen Woche beendet worden. (rv)

Seligsprechung: Von Wundern und viel Arbeit

„Er hat mir einmal am Gründonnerstag die Füße gewaschen. Das war eine wirklich ganz starke Erfahrung für mich. Ich erinnere mich an die Authentizität dieser Geste – es war nicht einfach nur ein Ritual, sondern ein wahrer Akt der Liebe und der Demut: er kniete sich hin, so wie Jesus es mit seinen Jüngern tat."
Dies ist Slawomir Oders stärkste Erinnerung an Johannes Paul II., der am ersten Mai vom Papst persönlich ins Buch der Seligen geschrieben wird. Dabei könnte der polnische Priester tagelang über große Taten seines Landsmannes erzählen, die in die Geschichte eingingen: Vom Einsatz Johannes Pauls II. für Demokratisierung im noch kommunistischen Polen und beim Fall des Eisernen Vorhangs bis hin zu bahnbrechenden Gesten wie dem kirchlichen Schuldgeständnis „mea culpa" oder dem Aufruf zu Frieden, Verständigung und interreligiösem Dialog. Als Postulator im Seligsprechungsverfahren hat Monsignor Oder Leben und Wirken von Papst Johannes Paul II. gründlich untersucht. Er hat mit tausenden Personen gesprochen, die Karol Wojtyla als Menschen, Papst und Zeitzeugen kannten.
„Sicher geht es hier um einen Giganten, um eine Persönlichkeit, die die zweite Hälfte und das Ende des 20. Jahrhunderts gezeichnet hat. Deshalb musste man ja auch ein akkurates Studium vornehmen. Viele Fragen zu seinem Leben sind nach wie vor unbeantwortet. Doch was man betonen sollte: ein Seligsprechungsprozess ist kein Prozess, bei dem politische oder strategische Entscheidungen beurteilt werden. Es geht um das Innerste des Menschen, um seine innersten Antriebe. Wir haben praktisch eine spirituelle Fotografie dieses Papstes gemacht, sind den Beweggründen seiner Entscheidungen auf den Grund gegangen, jenseits geschichtlicher Konsequenzen. Und da war dann ganz klar seine Liebe zu Gott."
Selig in Rekordzeit
Johannes Paul II. war gerade erst verstorben, als viele seiner Anhänger ihn schon heilig sehen wollten – „Santo subito", so das Stichwort. Die Uhren im Vatikan ticken langsam, doch im Fall Karol Wojtyla wurde ein Rekord vorgelegt: Benedikt XVI. verkürzte die Wartefrist für das Verfahren von den üblichen fünf Jahren auf nur drei Monate. Und er wird die Seligsprechung am 1. Mai persönlich vornehmen, was er nicht immer tut. Lag ihm sein Vorgänger besonders am Herzen? Dazu Oder:
„Jeder musste die tiefe persönliche Verbindung zwischen beiden bemerken, wenn Benedikt über Johannes Paul sprach. Dieses Band besteht auch heute. Benedikt XVI. konnte in dem Seligsprechungsverfahren ja kein Zeuge sein, denn er ist Papst. Aber wenn er gekonnt hätte, wäre er ein wichtiger Zeuge gewesen: Er hat ja mehr als 25 Jahre mit Johannes Paul II. zusammengearbeitet, hatte täglich mit ihm zu tun. Uns sagte Benedikt XVI. – und das ist zum Motto des ganzen Seligsprechungsverfahrens geworden: Beeilt euch und macht es gut!"
Einfach habe man es sich im Seligsprechungsprozess aber nicht gemacht, betont der Kirchenrechtler. Schließlich mussten in dem langwierigen Prüfungsverfahren nach dem Regelwerk „Divinus perfectionis magister" auch Zweifel aus dem Weg geräumt werden. Zum Beispiel was das durch Johannes Paul erwirkte Wunder betraf, das wie der „Ruf nach Heiligkeit" notwendiger Bestandteil eines Seligsprechungsverfahrens ist und wissenschaftlich und theologisch nachgewiesen werden muss.
„Es passierte in der Nacht zum dritten Juni 2005. Morgens konnte ich noch kaum noch laufen und wollte meine Arbeit absagen. Schwester Marie hat mich dann überzeugt, es zu versuchen. Sie sagte: Versuche zu schreiben. Und ich schrieb langsam, aber lesbar: "Gott" auf ein Stück Papier. Abends ging ich zu Bett und konnte, anders als sonst, ruhig schlafen. Am nächsten Morgen fühlte ich mich glücklich und spürte einen großen Frieden in mir. Ich war überrascht, dass ich meinen Körper besser bewegen konnte. In der Morgenmesse, bei der Eucharistie, begriff ich dann: Ich bin geheilt."
Sie war das „Quentchen an der Waage": Die Heilung der französischen Ordensfrau Marie Simon-Pierre ereignete sich genau einen Monat nach dem Tod des polnischen Papstes. Die an Parkinson erkrankte Schwester wurde auf Fürsprache von Papst Johannes Paul II. geheilt, urteilt der Vatikans im Januar 2011 – nach einer langen Phase der Überprüfung durch Ärzte, Theologen und Experten, die die Grenze zwischen Vernunft und Glauben ausloteten. Monsignor Oder:
„Der Postulator hat in einer ersten Phase die Aufgabe, eine Dokumentation zu dem möglichen Wunder zu erstellen und den Fall dann den Ärzten anzuvertrauen. Die Ärzte müssen bestätigen, dass die anfängliche Diagnose, also in dem Fall Parkinson, stimmte und dann, ob sie sich radikal verändert hat. Erst wenn sie also nicht mehr wissenschaftlich erklären können, was umgehend und irreversibel passiert ist, übernehmen die Theologen die Untersuchung des Falls. Sie studieren die Verbindung zwischen der Bitte um Fürsprache des Seligsprechungs-Kandidaten und der erfolgten Wirkung, also dem Wunder."
Als Ärzte und Kirchenleute noch ihre Arbeit taten, stellten die Medien das mögliche Wunder an der Ordensfrau Marie Simon-Pierre schon in Frage: Ist die Frau wirklich geheilt? Und wenn es überhaupt kein Parkinson war? Angesichts dieser Spekulationen sei es mehr als verständlich, dass sich die Frau aus den Öffentlichkeit zurückgezogen habe, so Monsignor Oder:
„Im Fall von Simon-Pierre gab es keine Spur von Geltungssucht. Die Schwester hat diese ganze Geschichte, die in menschlicher Hinsicht bewegend und persönlich ist, aus einer Sicht des Glaubens gelebt. Was mich von Anfang an bei dieser Frau beeindruckt hat, war ihre absolute Bescheidenheit. 12.38 Oft habe ich Briefe und Hinweise zu Wundern bekommen, wo man einfach spürte, dass der tatsächliche Protagonist des Schreibens nicht Gott oder ein Diener Gottes war, aber die geheilte Person. Simon-Pierre war ein Instrument Gottes, sie wollte verschwinden, um Platz für dem Ruhm Gottes zu lassen."
Mit der endgültigen Bestätigung des Wunders durch die vatikanische Selig- und Heiligsprechungskongregation war der Weg für die Seligsprechung von Johannes Paul II. frei. Nach fünf bis sechs Jahren intensiver Arbeit sieht Monsignor Oder damit seine Mission für die Weltkirche erfüllt.
„Jede Seligsprechung ist ein Moment erneuerter Gnade und göttlicher Anwesenheit. Selige und Heilige geben uns Hoffnung und Scham, denn sie sind ein Konfrontationspunkt und lassen uns verstehen, was es in unserem Leben noch zu verbessern gibt. Und sie lassen uns verstehen, dass mit Gottes Gnade viel zu erreichen ist."
Auch bald heilig?
Auf der Suche Wundern werden auch die zahlreichen Briefe durchforstet, die Gläubige an den verstorbenen Papst Johannes Paul II. schreiben. Bis heute werden vor dem Grab von Benedikts Vorgänger in der Gruft der Petersbasilika Berge solcher Briefe aufgelesen. Das wird wohl so auch weitergehen, wenn Papst Johannes Paul II. nach seiner Seligsprechung in die Sebastianskapelle des Petersdoms umgebettet wird. Vorsortiert und gelesen werden die Briefe im apostolischen Vikariat der Diözese Rom neben der Basilika San Giovanni. Angelo Vignola hilft als Freiwilliger zwei Mal die Woche dabei aus:
„Johannes Paul war ein großer Papst, er hat die Grenzen der Geschichte gesprengt. Und das setzt sich heute fort: Die Menschen hängen sehr an ihm. Das zeigen all die Briefe hier aus aller Welt. Wir sortieren sie nach Gebetsthemen, es gibt auch Kinderzeichnungen, die kommen dann zum Beispiel in das Büchlein zur Seligsprechung rein. Wenn von Heilungen oder Wundern die Rede, legen wir sie beiseite."
Die seien aber derzeit nicht wirklich in Sicht, zumindest nicht zwischen den Zeilen der Briefe, bedauert Briefsortierer Vignola. Für die Heiligsprechung von Johannes Paul II. muss ja nach den Regeln des Heiligsprechungsverfahrens ein neues Wunder gefunden, untersucht und bestätigt werden. Postulator Oder verrät zum Thema nur so viel:
„Ich muss sagen, dass sich in dieser letzten Zeit die Meldungen über mögliche Wunder durch Fürsprache von Johannes Paul II. vervielfacht haben, es scheint da einen neuen Nährboden zu geben. Aber die Ziele des Prozesses betreffend verlangt die Kirche ja, dass das für die Heiligsprechung gültige Wunder nach der Seligsprechung passieren muss, deshalb kann ich derzeit noch ruhig schlafen!"
Ladies first"
Wieder ruhig bzw. schmerzfrei schlafen kann im Übrigen auch der römische Frisör Giovanni Vecchio. Der ehemalige Gastarbeiter ist fest davon überzeugt, dass er die Heilung seiner Bandscheiben Papst Johannes Paul II. zu verdanken hat. Schließlich hatte er diesen einige Male rasiert, als er noch Kardinal war. Nämlich im Jahr 1976 und 1977, als der heute 62-Jährige Frisör noch in einer Barbierstube in Vatikannähe arbeitete.
„Ich war auch auf dem Petersplatz, als Wojtyla am 16. Oktober 1976 zum Papst gewählt wurde. Und natürlich am Todestag und bei seiner Beerdigung. Ich habe alle Stationen seines Lebens hautnah miterlebt."
In Punkto „amtliches Wunder" hat ihm das allerdings nicht geholfen. Da hieß es am Ende doch „Ladies first". Von Enttäuschung darüber ist bei Giovanni Vecchio aber nichts zu spüren:
„Aber nein, ich freue mich trotzdem. Dieser französischen Schwester ging es doch viel schlechter als mir. Ich habe ihren Fall natürlich verfolgt – wenn man da einmal mit anfängt mit den Wundern, kann man ja nicht mehr ohne. Mein Wunder ist für mich natürlich am wichtigsten. Aber wenn es eines gibt, das noch wichtiger ist, kann man da eben nichts machen…"
Zugegeben: Wenn ausgerechnet der Papst, der das Sowjetimperium zum Wanken gebracht haben soll, diesem Frisör einen heiligen Schein verpassen würde, wäre das schon irgendwie verwunderlich: Vecchio ist nämlich bis heute überzeugter Kommunist. (rv)

Johannes Paul: Ein hieb- und stichfester Seliger

 Die Heiligkeit von Papst Johannes Paul II. wird auch dann noch über jeden Zweifel erhaben sein, wenn der Vatikan in mehreren Jahrzehnten die Geheimarchive über das Wojtyla-Pontifikat öffnet. Das glaubt der Anwalt des Seligsprechungsverfahrens für Johannes Paul, Slawomir Oder. Im Gespräch mit uns sagte der polnische Priester und Kirchenrechtler, ein solcher Seligsprechungsprozess sei langwierig und gründlich.
„Alle, die daran teilnehmen, haben die Pflicht, zur Wahrheit der Fakten vorzudringen. Auch in diesem Fall wurden Zeugen einberufen, die abweichende Meinungen vertraten, solche also, die nicht im Einklang stehen mit dem Chor, der rief: Sofort heilig."
Ingesamt hörte der Untersuchungsrichter im Seligsprechungsverfahren für Johannes Paul 114 Zeugen. Welche, ist vom Prozessgeheimnis gedeckt. Allerdings ist bekannt, dass unter anderem General Wojciech Jaruzelski aussagte, der letzte kommunistische Präsident Polens in der Zeit des Kalten Kriegs. Unterstützte Johannes Paul die polnische Gewerkschaft Solidarnosc finanziell? Handelte er nicht entschieden genug im Fall des Gründers der Legionäre Christi, der ein Doppelleben führte? Auch darüber, welche Streitpunkte genau der Prozess untersuchte, muss Slawomir Oder, dem Kirchenrecht gehorchend, Stillschweigen wahren. Sicher ist er sich aber darüber, dass die Seligsprechung hieb- und stichfest ist.
„Die Kirche bewegt sich, was die Heiligen betrifft, immer mit übergroßer Vorsicht. Auch hier kann ich sagen: Was immer vorgebracht werden konnte an Beobachtungen, Problemen, Schwierigkeiten, das wurde mit den geeigneten Werkzeugen untersucht. Ich bin da zuversichtlich. Wir haben gut gearbeitet."
Mehrere hunderttausend Pilger aus aller Welt werden am 1. Mai in Rom erwartet, wenn Papst Benedikt seinen Vorgänger ins Buch der Seligen einschreibt. Gestorben ist Johannes Paul an diesem Samstag vor sechs Jahren. (rv)